MIPIM-SPECIAL

EUROPÄISCHE IMMOBILIENINVESTOREN: KEINE EXPERIMENTE IM SPÄTZYKLUS

Olaf Janssen, Foto: Union Investment

Der zyklische Wendepunkt an den europäischen Immobilienmärkten scheint in der Erwartung der Immobilieninvestoren immer näher zu rücken. Diesen Schluss legen zumindest die im folgenden Beitrag präsentierten Markteinschätzungen im Rahmen der Investitionsklima-Studie von Union Investment nahe. So rechnen inzwischen 41 Prozent der befragten Immobilienprofis in den nächsten zwölf Monaten mit einer Verschlechterung des Immobilien-Investitionsklimas. Nicht zuletzt deshalb finden konservative Anlagestrategien im aktuellen Umfeld relativ hohen Zuspruch unter den 150 befragten Investoren aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Nach Einschätzung des Autors ist dies insofern ein gutes Zeichen, als dass die Herausforderungen und Risiken der spätzyklischen Marktphase deutlich wahrgenommen und keine Experimente eingegangen würden. Red.

Gesunkene Erwartungen an die Geschäftsentwicklung im Jahr 2019 trüben die Perspektiven für Immobilieninvestitionen in Europa weiter ein. Das ist ein zentrales Ergebnis der aktuellen Investitionsklima-Studie von Union Investment, die unter 150 Immobilieninvestoren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien durchgeführt wurde. 41 Prozent der befragten Immobilienprofis erwarten demnach in den nächsten zwölf Monaten eine Verschlechterung des Immobilien-Investitionsklimas. Nur 22 Prozent gehen von einer spürbaren Verbesserung aus.

Pflichtbewusstes Risikomanagement

Die gedämpften Erwartungen der europäischen Immobilieninvestoren an das Jahr 2019 sprechen aus meiner Sicht dafür, dass die professionellen Anleger die Herausforderungen und Risiken der spätzyklischen Marktphase deutlich wahrnehmen und keine Experimente eingehen. Für die Immobilienbranche im Ganzen kann das durchaus als gutes Zeichen für ein pflichtbewusstes Risikomanagement gewertet werden. Entsprechenden Zuspruch findet im aktuellen Marktumfeld die Anlagestrategie bei gleichbleibendem Risiko eine geringere Rendite in Kauf zu nehmen. Rund die Hälfte der deutschen und französischen Immobilienprofis verfolgen diese Strategie, in Großbritannien sind es 86 Prozent der Profianleger. Insgesamt die Hälfte aller Befragten geht außerdem davon aus, die selbstgesteckten Renditeziele in den kommenden drei Jahren nicht zu erreichen.

Für die jeweiligen Ländermärkte zeigen sich bei den Erwartungen für 2019 im Detail deutliche Unterschiede. Während rund die Hälfte der Immobilieninvestoren aus Deutschland und Großbritannien die Aussichten eher negativ beurteilt, kommen die Optimisten vor allem aus Frankreich. 40 Prozent der französischen Studienteilnehmer erwarten eine spürbare Verbesserung des Investitionsklimas, nur 24 Prozent richten sich auf eine Eintrübung ein. Die geringste Marktbewegung ist 2019 im Bereich der Einzelhandelsimmobilien voraussehbar.

71 Prozent der Befragten bewerten die Stimmung für die Nutzungsart Einzelhandel als eher schlecht und 40 Prozent sogar ausdrücklich als sehr schlecht. Demgegenüber erweist sich die Stimmung im Bereich der Büroimmobilien als relativ robust. Rund die Hälfte der Immobilieninvestoren aus Deutschland und Großbritannien bewertet die Marktlage als solide bis positiv. In Frankreich sind es sogar drei von vier Befragten, deren Erwartung bei Büroinvestments für 2019 eher positiv gestimmt ist.

Gefragt wurden die Studienteilnehmer unter anderem auch, in welchen europäischen Ländern sie 2019 über alle Nutzungsarten hinweg die besten Gesamtbedingungen für Immobilieninvestitionen sehen. Mit 31 Prozent verzeichnete Deutschland in dieser Umfrage den stärksten Zuspruch. Frankreich und Großbritannien folgen mit klarem Abstand und jeweils rund 13 Prozent. Vergleichsweise gute Bedingungen für Investitionen im Jahr 2019 werden außerdem Spanien, den Niederlanden, Schweden und Österreich attestiert.

Deutschland und USA sind die beliebtesten Investmentziele

Die Umfrage hat einerseits ergeben, dass sich die Investoren stark auf ihre jeweiligen Heimatmärkte konzentrieren wollen. Andererseits wurde die starke Stellung Deutschlands innerhalb der europäischen Immobilienmärkte deutlich. Jeder dritte französische und immerhin jeder fünfte britische Profianleger würde 2019 am liebsten in Deutschland investieren.

Bei den außereuropäischen Märkten sind nach wie vor die USA die klare Nummer eins. 53 Prozent aller Befragten mit entsprechendem Investmentradius benannten die USA als ihren Favoriten für Immobilieninvestitionen außerhalb Europas. Demgegenüber verschwinden Australien mit 13 Prozent und Japan mit 10 Prozent nahezu vom Investmentradar der Europäer. Aufgrund der gestiegenen Hedgekosten wird es 2019 von europäischen Immobilieninvestoren voraussichtlich weniger Investmentaktivitäten in den USA geben als in den vergangenen Jahren. Im Vergleich zu den ebenfalls schwierigen Rahmenbedingungen in anderen internationalen Märkten behalten die US-Märkte aber nach wie vor eine hervorgehobene Stellung.

Eingetrübte Konjunkturaussichten

Über die Einschätzung des Immobilien-Investitionsklimas hinaus deckt die Studie starke Unterschiede in der Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung in den jeweiligen Heimatländern der Befragten auf. Bezogen auf das Gesamtergebnis für alle drei Kernmärkte Deutschland, Frankreich und Großbritannien erwartet die Hälfte der Studienteilnehmer, dass sich die wirtschaftliche Lage in den nächsten zwölf Monaten verschlechtern wird. Für diesen Pessimismus sorgen aber vor allem die britischen Profianleger, die aufgrund der Brexit-Diskussionen zu 86 Prozent von einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation auf der Insel ausgehen.

Eher negativ gestimmt sind zudem auch die deutschen Immobilieninvestoren. Mit einem Anteil von 55 Prozent rechnet mehr als die Hälfte der Befragten damit, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland abkühlt. Eher zum Optimismus neigen hingegen die Studienteilnehmer aus Frankreich. 26 Prozent erwarten eine deutliche Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und nur 22 Prozent gehen von einer spürbaren Eintrübung aus.

Insgesamt ist zu beobachten, dass sich die verhaltene Stimmung für den Immobilieninvestmentmarkt auch sehr klar in den gesamtwirtschaftlichen Erwartungen widerspiegelt. Insofern betrachten die Studienteilnehmer den immobilienwirtschaftlichen Zyklus nicht losgelöst von den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Ländermarktes, sondern haben die Wechselwirkungen zwischen beiden genau im Blick.

Die insgesamt eher niedrigen Erwartungen der europäischen Immobilieninvestoren an das Jahr 2019 lassen sich auch am Gesamtindex ablesen. Im Vergleich zur Befragung vor einem Jahr sinkt der Investitionsklimaindex für Deutschland auf 63,2 Punkte (minus 4,1), für Frankreich auf 66,8 Punkte (minus 2,3) und für Großbritannien auf 60,1 Indexpunkte (minus 3,5).

Im Rahmen der Untersuchung hat Union Investment die institutionellen Immobilieninvestoren in den drei größten europäischen Volkswirtschaften auch zu ihrer Perspektive auf die internationale Klimapolitik und die Rolle der Immobilienwirtschaft befragt.

Nachhaltigkeit: Wann steigt der Handlungsdruck in Europa?

Aktueller Anlass war das neue Regelbuch zur Umsetzung des Pariser Klimavertrags, das Ende 2018 auf der Weltklimakonferenz in Katowice verabschiedet wurde. Die globale Staatengemeinschaft verpflichtet sich darin zu gemeinsamen verbindlichen Standards zur Berichterstattung über ihre Treibhausgasemissionen an die Vereinten Nationen. Für Industriestaaten gelten die neuen Standards bereits ab dem Jahr 2022.

Vor diesem Hintergrund untersuchte die Umfrage, wann Immobilienunternehmen mit einem steigenden öffentlichen Handlungsdruck für ihre Branche rechnen. Das Ergebnis zeigt eine klare Tendenz auf: Nur 37 Prozent der insgesamt 150 Befragten rechnen damit, dass der öffentliche Druck bereits in den kommenden zwei Jahren spürbar wächst. Wird der Betrachtungszeitraum allerdings auf fünf Jahre ausgeweitet, sind es bereits 49 Prozent der institutionellen Investoren, die davon ausgehen, dass die Immobilienwirtschaft unter zunehmenden Handlungsdruck gerät.

Auffällig ist, dass Profianleger aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien in der Umfrage nahezu mit einer Stimme sprechen, da es bei den Einschätzungen kaum Abweichungen gibt. Einzige Ausnahme: Die britischen Immobilieninvestoren machen sich in Sachen Klimapolitik die wenigsten Gedanken über eine kurzfristige Perspektive. Nur 29 Prozent dieser befragten Gruppe erwartet, dass der öffentliche Handlungsdruck bereits in den nächsten zwei Jahren ansteigt.

Lediglich Projektentwickler und Bauträger scheren unter den Befragten aus dem allgemeinen Markttrend aus. Zu einem Anteil von 55 Prozent erwarten diese bereits innerhalb der kommenden zwei Jahre einen verstärkten öffentlichen Druck. Dieser Befund überrascht wenig, da Projektentwickler das Immobilienangebot von morgen bereitstellen und in Abstimmung mit Behörden schon heute stärker mit Nachhaltigkeitsfragen konfrontiert sind als andere Marktteilnehmer.

Mangelnde Datentransparenz

Darüber hinaus hat die Umfrage einen hohen Bedarf nach mehr Transparenz bei den Immobilienverbrauchsdaten offengelegt. Nur 28 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass auf Basis der aktuell verfügbaren Daten ein gutes Nachhaltigkeits-Reporting möglich ist. Optimierungsbedarf in diesem Bereich sehen offenbar in erster Linie Immobilieninvestmentgesellschaften, Immobilienfonds und Versicherungen/Pensionskassen, deren Zustimmungsraten zwischen 20 und 25 Prozent liegen und damit unterhalb des Durchschnitts.

DER AUTOR OLAF JANSSEN Leiter Immobilienresearch, Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg
Über die Union-Investment-Umfrage: Der Immobilien-Investitionsklimaindex von Union Investment wird seit 2005 (seit Frühjahr 2008 halbjährlich) unter den europäischen Immobilieninvestoren ermittelt. Der Index berechnet sich aus den vier Teilindikatoren "Marktstruktur", "Rahmenbedingungen", "Standortbedingungen" und "Erwartungen", die mit jeweils 25 Prozent gewichtet werden. Für den Index befragte das Marktforschungsinstitut Ipsos im Zeitraum Oktober bis Dezember 2018 insgesamt 150 Immobilienunternehmen und institutionelle Immobilienanleger in Deutschland, (n = 60), Frankreich (n = 55) und Großbritannien (n = 35).
Olaf Janssen , Leiter Immobilienresearch , Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg

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