Schwerpunkt Pfandbriefe und Covered Bonds

European Secured Notes: Ein neues Konzept für Europa?

Luca Bertalot

Die EU-Kommission forciert die Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion. Dadurch sollen die Finanzierungsmöglichkeiten der Wirtschaft verbessert werden. Ein besonderes Augenmerk hat die Kommission hierbei auf die Finanzierung von KMUs geworfen. Das European Covered Bond Council (ECBC) hat der Kommission einen konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt, wie dies gelingen könnte. Die Idee ist die Schaffung von European Secured Notes, die von Praktiken im Markt für Covered Bonds und Verbriefungen Nutzen ziehen. Damit könnten beispielsweise KMU-Kredite und Infrastrukturdarlehen refinanziert werden. Die Instrumente sollten idealerweise im rechtlichen Aufsichtsrahmen des jeweiligen Landes verankert sein. Red.

Angesichts der jüngsten Debatte über den freien Kapitalverkehr in der Europäischen Union plädierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seinen politischen Leitlinien für die nächste Europäische Kommission für die Schaffung einer Kapitalmarktunion (Capital Markets Union - CMU). Sein Vorschlag basiert auf der Annahme, dass eine stärkere Integration der Kapitalmärkte die Finanzierungsmöglichkeiten der Wirtschaft diversifizieren und die Kapitalbeschaffung verbilligen würde. Mit der Kapitalmarktunion könnte insbesondere Folgendes erreicht werden:

- Das Kapital von Investoren würde stärker in Schlüsselbereiche der europäischen Wirtschaft fließen, also in Startup-Unternehmen, in kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie in langfristige Projekte.

- Marktinfrastrukturen und Intermediäre könnten ihre Mittel grenzüberschreitend in Unternehmen lenken, die ihr Wachstum effizient finanzieren möchten - kostengünstig und zu denselben Bedingungen wie auf nationaler Ebene.

- Die Risikoübertragung und die Kapitalallokation könnten EU-weit verbessert und auf jene verteilt werden, die diese besser tragen können.

- Die Finanzierungsquellen würden diversifiziert werden, indem die Bereitstellung von Risikokapital verbessert, die Abhängigkeit Europas von Bankkrediten verringert und seine Schockresistenz erhöht wird.

Die Kommission hat sich deshalb dazu verpflichtet, die Grundsteine für eine Kapitalmarktunion zu legen, die bis 2019 alle Mitgliedstaaten umfassen soll. Das Ziel besteht darin, den Zugang zur langfristigen Finanzierung zu verbessern. Somit ist es von zentraler Bedeutung, dass der Bankensektor auf dieses Vorhaben reagiert und unter anderem geeignete marktbasierte Instrumente zur Verfügung stellt, mit denen gewährleistet wird, dass die Kapitalmarktunion den gewünschten Effekt auf die Wirtschaft in der EU hat und eine langfristige, stabile und sichere Finanzierung fördert.

Zu diesem Zweck hat das European Covered Bond Council (ECBC) zwei Arbeitsausschüsse eingerichtet, die aus einer qualifizierten Gruppe aus Marktteilnehmern bestehen. Diese befassen sich mit der Harmonisierung der Marktpraktiken im Sektor für traditionelle gedeckte Schuldverschreibungen (Covered Bonds) und gehen der Frage nach, welchen Beitrag Instrumente mit doppeltem Ausfallschutz ("Dual Recourse Instruments") zur Entwicklung der Kapitalmarktunion leisten können.

Das Ziel dieser ECBC-Initiative besteht darin, Markteinschätzungen zu analysieren und der Kommission Möglichkeiten aufzuzeigen und Empfehlungen zu unterbreiten, die sich auf die potenzielle Entwicklung eines neuen Instruments beziehen, das einen doppelten Ausfallschutz bietet und ähnliche strukturelle Mechanismen aufweist wie gedeckte Schuldverschreibungen. Gleichwohl würde es sich nicht um eine traditionelle gedeckte Schuldverschreibung handeln. Zur Erinnerung: Aufgrund ihrer speziellen Absicherungseigenschaften und makroprudenziellen Merkmale haben sich traditionelle gedeckte Schuldverschreibungen während der Finanzkrise als stressresistent erwiesen.

Diversifizierung der Finanzierungsquellen

Bestimmte Merkmale dieser Anlageklasse könnten jedoch als Grundlage für die Schaffung breiter angelegter "Instrumente mit doppeltem Ausfallschutz" dienen (die gedeckten Schuldverschreibungen ähneln). Gleichzeitig würde die Integrität der traditionellen gedeckten Schuldverschreibung in ihrer Eigenschaft als einzigartiges, langfristiges Finanzierungsinstrument gewahrt bleiben. Zum einen könnte man auf diese Weise eine klare Trennlinie zwischen traditionellen gedeckten Schuldverschreibungen und allen anderen Instrumenten ziehen und zum anderen die den Marktteilnehmern zur Verfügung stehenden Finanzierungsquellen um solide qualitative Merkmale ergänzen.

Instrumente mit doppeltem Ausfallschutz könnten die nachteiligen Auswirkungen unterbinden, die mit der Fragmentierung der europäischen Finanzmärkte einhergehen, da sie für eine Diversifizierung der Finanzierungsquellen sorgen. In ihrer "Communication on Long-Term Financing of European Economy" (Mitteilung über die langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft) betonte die Europäische Kommission (2014), wie wichtig die Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) für das Wachstum ist. Zudem befürwortete sie sowohl Verbriefungen als auch gedeckte Schuldverschreibungen als effektive marktbasierte Finanzierungsquellen, die traditionellere Formen der Finanzintermediation ergänzen, indem sie Finanzierungsquellen und Mittelverwendung stärker aufeinander abstimmen. Wenn man den Umfang von Instrumenten mit doppeltem Ausfallschutz erweitert und gleichzeitig Verbriefung wieder ankurbelt, könnte dies die strukturellen Einschränkungen mindern, die einer kostengünstigen Kreditversorgung im Wege stehen.

Denn somit könnten kurzfristig die ökonomischen Kapitalkosten gesenkt werden. Zudem würde dies mittelfristig die Nutzung standardisierter und effizienterer Prozesse bei der Bereitstellung und Preisgestaltung von Krediten fördern, was geringere Transaktionskosten zur Folge hätte. In einem ungünstigen Wirtschaftsumfeld, das sich durch geldpolitische Lockerungsmaßnahmen und nachteilige zyklische Faktoren auszeichnet, gibt es jedoch nur wenig Anreize für die Ausgabe besicherter Finanzierungsinstrumente.1)

Mit der Weiterentwicklung von Instrumenten mit doppeltem Ausfallschutz in der Eurozone - insbesondere zu Finanzierungszwecken, die KMU-Darlehen fördern - könnten die Hindernisse bei der Kreditversorgung beseitigt werden, da damit die Verteilung und Bepreisung von Liquidität verbessert wird und grenzüberschreitende Investitionen innerhalb der Eurozone gefördert werden. Der öffentliche Sektor muss stärker beteiligt werden, wenn man Fortschritte bei der Kapitalmarktintegration (Jobst 2015) erzielen möchte, um somit die nachteiligen Auswirkungen abzufedern, die mit der finanziellen Fragmentierung bei der langfristigen Finanzierung gesunder Unternehmen einhergehen. Hierfür ist Folgendes erforderlich:

Stärkere aufsichtsrechtliche Ausdifferenzierung

- Eine stärkere aufsichtsrechtliche Ausdifferenzierung der Solvenzbestimmungen, Liquiditätsstandards und von den Zentralbanken entwickelte Besicherungsmodelle im Hinblick auf Wertpapiere unterschiedlicher Qualität im gesamten Spektrum langfristiger Finanzierungsquellen. Dies würde die wechselseitige Ergänzung von Transaktionen mit gedeckten Schuldverschreibungen und Verbriefungen stärker berücksichtigen und gleichzeitig die Nachfrage institutioneller Anleger außerhalb des Bankensektors fördern.2)

- Strukturelle Reformen, beispielsweise die Harmonisierung der Insolvenzbestimmungen (Europäische Kommission, 2014)3) und die länderübergreifende Standardisierung der Berichtsanforderungen bei der Kreditvergabe. Damit könnte die Entwicklung grenzüberschreitender Lösungen erleichtert werden.

- Ein breiteres Spektrum zulässiger Anlageklassen für Instrumente mit doppeltem Ausfallschutz unter Verwendung von Covered-Bonds-Mechanismen, um neue Besicherungsarten zu finanzieren (wie KMU-Darlehen) und die grenzüberschreitende Harmonisierung von Vermögensstrukturen zu erleichtern.4) Da die Banken in einigen Ländern in erheblichem Umfang auf gedeckte Schuldverschreibungen zurückgreifen, könnten damit die potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen verstärkt werden, die mit besseren Kreditauskünften über KMU einhergehen (Jobst et al, 2011).

- Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Transparenz und Vergleichbarkeit ist die Einführung eines gesamteuropäischen Regulierungsrahmens für die Emission von Wertpapieren mit doppeltem Ausfallschutz. Dies würde europaweit wettbewerbsfähige Preise und einfache Strukturen beim doppelten Ausfallschutz ermöglichen.

Im Rahmen der technischen Analyse soll ermittelt werden, wie die besten Marktpraktiken sowohl aus Markt- als auch aus aufsichtsrechtlicher Perspektive stärker aneinander angeglichen werden können. Idealerweise würde im Zuge dieser Analyse eine Arbeitslösung für die Schaffung europaweiter Instrumente mit doppeltem Ausfallschutz (und einer höheren Flexibilität hinsichtlich der Zulässigkeit der Deckungswerte) entwickelt werden. Diese Instrumente sollten sich jedoch durch eine insgesamt klare und qualitative Abgrenzung gegenüber traditionellen gedeckten Schuldverschreibungen auszeichnen.

Dieser Vorschlag würde auch eine Demarkationslinie zwischen Instrumenten mit doppeltem Ausfallschutz und traditionellen gedeckten Schuldverschreibungen ziehen. Auf diese Weise könnten auch leichter die besten Marktpraktiken für europaweite und hochwertige gedeckte Schuldverschreibungen ermittelt werden, die einfache, transparente und effiziente Vermögensstrukturen aufweisen. Diese Strukturen würden dauerhaft dafür sorgen, dass diese Instrumente von den Aufsichtsbehörden bevorzugt behandelt werden und eine Ansteckungsgefahr im Hinblick auf die Reputation traditioneller gedeckter Schuldverschreibungen verhindern.

Konkreter Vorschlag: European Secured Notes

In Zusammenarbeit mit einem breiten Spektrum wichtiger Marktakteure hat das ECBC das Potenzial für die Schaffung eines neuen Finanzinstruments in der Europäischen Union analysiert. Dieses könnte von den besten Marktpraktiken profitieren, die sowohl bei traditionellen gedeckten Schuldverschreibungen (zu Finanzierungszwecken) als auch bei Verbriefungen (Finanzierung und Verteilung von Risiken) zur Anwendung kommen.

Das Instrument, für das die Bezeichnung "European Secured Note" (ESN) vorgeschlagen wird, würde ein Finanzierungssegment abdecken, das zwischen traditionellen gedeckten Schuldverschreibungen und hochwertigen Verbriefungen angesiedelt ist. Europäische Darlehensgeber, die KMU-Kredite und möglicherweise andere Anlageformen (wie Infrastrukturdarlehen) finanzieren, könnten damit ihr Spektrum langfristiger Finanzierungsmöglichkeiten erweitern.

Das vorgeschlagene Finanzinstrument würde antizyklische Merkmale aufweisen, da es neben einem soliden Rechtsund Aufsichtsrahmen einen doppelten Ausfallschutz und eine standardisierte Offenlegung der Vermögensdaten vorsehen könnte.

Momentan bieten sich für die Umsetzung dieses potenziellen Finanzinstruments zwei wichtige Strukturen/Optionen an:

- ein bilanzielles Instrument mit doppeltem Ausfallschutz und einem dynamischen Pool für langfristige Finanzierungszwecke;

oder

- ein außerbilanzielles Instrument mit doppeltem Ausfallschutz und statischem Pool, das beim gegebenenfalls erforderlichen Abbau von Fremdkapital auch die Verteilung von Risiken (und die Kapitalentlastung) ermöglicht und die Übertragung und Verteilung von Risiken fördert.

Idealerweise im jeweiligen rechtlichen Aufsichtsrahmen

Dieses Instrument, das idealerweise im rechtlichen Aufsichtsrahmen des jeweiligen Landes verankert sein sollte (OGAW-konform), könnte zur Verwirklichung des Wachstumsziels der Kapitalmarktunion beitragen, da es sich für eine wesentliche und positive aufsichtsrechtliche Anerkennung qualifiziert und der Schwerpunkt - ungeachtet der Struktur - auf KMU liegt. Es gäbe konkrete regulato-rische Anreize, unter anderem im Hinblick auf die Zulassung für die Mindestliquiditätsquote (LCR) und für Repo-Transaktionen der EZB und der Bank of England.

Weitere Anreize bestünden im geringeren Risikogewicht der KMU-Anlageklasse in der CRR (Kapitaladäquanzverordnung) und Solvency II, in der CRA III-Verordnung sowie bezüglich der Bail-in-Ausnahme.

Die zahlreichen Modalitäten und Optionen für die nationale Umsetzung dieses Instrument dürften den Regulierungsund Aufsichtsbehörden sowie den Marktteilnehmern dabei helfen, die beste Methode für die Einführung von ESN im jeweiligen Markt- und Rechtsumfeld zu finden. Dies würde

- gewährleisten, dass gemeinsame europaweite Qualitätsstandards unter Anwendung des Bottom-up-Ansatzes zügig in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden;

- einheitliche und vergleichbare Merkmale garantieren;

- die Due Diligence von Darlehensgebern und Investoren erleichtern

- und Voraussetzungen schaffen für eine künftige grenzüberschreitende und europaweite Finanzierungslandschaft für KMU.

Das ECBC könnte bei der Entwicklung dieser europaweiten Initiative als Marktkatalysator agieren. Diese Initiative sollte sich auf europäischer Ebene unter anderem durch eine transparente und vergleichbare Infrastruktur in Form einer Marktplattform sowie durch Eignungskriterien, Risikoparameter und IT-Lösungen auszeichnen.

Schlussendlich würde es das ECBC begrüßen, wenn sich die Europäische Kommission und andere europäische Einrichtungen einbringen und diese Initiative vorantreiben würden, indem sie:

- institutionelle Maßnahmen fördern und koordinieren, die auf nationaler Ebene die Umsetzung gemeinsamer Richtlinien ermöglichen;

- die potenzielle Rolle nationaler und supranationaler Institutionen stärken, die diese bei Investitionen in einzelnen Tranchen des vorgeschlagenen außerbilanziellen Instruments beziehungsweise bei der Garantie dieser Tranchen spielen;

- erwägen, ob dieses potenzielle Instrument künftig aufsichtsrechtlich bevorzugt behandelt wird, beispielsweise mittels Repo- oder Eigenkapitalanforderungen; und

- klare Richtlinien auf der Mikroebene aufstellen, beispielsweise in Form von KMU-Kategorien und -Definitionen. Weitere Informationen über den Vorschlag des ECBC zu ESN finden Sie in der Stellungnahme des ECBC zum Grünbuch zur Schaffung einer Kapitalmarktunion.

Fußnoten

1) KMU-basierte Transaktionen gehen mit besonderen Herausforderungen einher. Diese stehen im Zusammenhang mit dem Kreditbestand von KMU, der sowohl innerhalb der Länder als auch grenzüberschreitend von Heterogenität geprägt ist. Außerdem gibt es keine standardisierten Kreditauskünfte über KMU.

2) Ermöglicht werden könnte dies durch die weitreichendere Erfassung und Veröffentlichung von Daten anhand des "Covered Bonds Label" für gedeckte Schuldverschreibungen und des "European Datawarehouse" (EDW) im Bereich ABS und RMBS. Damit könnte bei Transaktionen mit Verbriefungen und gedeckten Schuldverschreibungen eine bessere Vergleichbarkeit der Preise und Leistungen erzielt werden.

3) Beispielsweise dauern Zwangsvollstreckungsverfahren in Italien durchschnittlich fast fünf Jahre, während diese Verfahren in Deutschland in weniger als einem Jahr abgewickelt werden.

4) Der Mangel an vergleichbaren und harmonisierten Informationen über die Kreditrisiken von KMU und die im Hinblick auf Größe, Geschäftstätigkeit und Standort bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen KMU haben zur Folge, dass die Verbriefungen von Forderungen im KMU-Bereich kostspieliger sind als in anderen Bereichen. Darüber hinaus können Anleger aufgrund der Komplexität der Informationen und der unterschiedlichen Berichtsanforderungen das Kreditrisiko in den verschiedenen Ländern nur schwer einschätzen. Dies hat zur Folge, dass die Anleger stärker auf ihren Heimatmarkt ausgerichtet sind ("Home Bias"). Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde jedoch bereits aktiv und hat eine Berichtsvorlage für KMU erstellt, die auf eine höhere Transparenz abzielt und die Einhaltung des Datenschutzes, des Bankgeheimnisses und der Privatsphäre gewährleisten soll https://www.ecb.europa.eu/paym/coll/loanlevel/transmission/html/index.en.html).

Der Autor Luca Bertalot Generalsekretär, European Mortgage Federation, ECBC European Covered Bond Council, Brüssel
Luca Bertalot , Secretary General, European Mortgage Federation - European Covered Bond Council, Brussels
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