IMMOBILIEN UND STEUERN

FRAGE AN EDITH SITZMANN: WARUM DULDET DIE NEUREGELUNG DER GRUNDERWERBSTEUER KEINEN WEITEREN AUFSCHUB?

Edith Sitzmann, Foto: Finanzministerium Baden-Württemberg;

Während Privatleute selbstverständlich fünf Prozent Grunderwerbsteuer bezahlen, haben Investoren die Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer zu umgehen. Das wollen wir eindämmen und mit der Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes mehr Steuergerechtigkeit schaffen. Wir möchten die sogenannten Share Deals so unattraktiv wie möglich machen. Seit 2016 arbeiten Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder intensiv daran. Seit mehr als einem Jahr liegt ein Gesetzentwurf auf dem Tisch. Für die erste Hälfte dieses Jahres hatte die Koalition in Berlin einen Gesetzesbeschluss angekündigt. Passiert ist nichts. Stattdessen werden weiter Share Deals geschlossen - und damit die Grunderwerbsteuer umgangen.

Gerechte Besteuerung lässt sich gezielt unterlaufen

Die Grunderwerbsteuer ist eine Verkehrssteuer, die anfällt, wenn ein Grundstück erworben wird. Ihr Aufkommen steht den Ländern zu. Seit der FöderalismusreformI im Jahr 2006 können sie den Steuersatz selbst festlegen. Die Bandbreite reicht von 3,5 Prozent bis zu 6,5 Prozent der Bemessungsgrundlage. Um die Grunderwerbsteuer zu vermeiden, werden Steuergestaltungen in Form von Share Deals genutzt. Das sind Transaktionen, bei denen Investoren nicht die Immobilien selbst erwerben. Vielmehr kaufen sie Anteile an einer Objektgesellschaft, der ihrerseits eine oder mehrere Immobilien gehören. Eigentümerin der Immobilie bleibt damit die Objektgesellschaft. Aus zivilrechtlicher Sicht gibt es keinen Eigentümerwechsel, wodurch keine Grunderwerbsteuer anfällt.

Allerdings gibt es einige Sonderregelungen. So erfolgt im Zusammenhang mit Share Deals bei Personengesellschaften eine Besteuerung, wenn innerhalb von fünf Jahren insgesamt mindestens 95 Prozent der Anteile an der Objektgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Diese zeitliche und anteilsmäßige Grenze wird jedoch oftmals gezielt eingehalten, um einer Grunderwerbsbesteuerung zu entgehen. Denn auch wenn die verbliebenen Gesellschaftsanteile später noch erworben werden, zieht das keine Besteuerung des zuvor erworbenen Anteils nach sich. Damit wird eine gerechte Besteuerung unterlaufen.

Die Finanzministerkonferenz (FMK) hat 2016 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet mit dem Ziel, Maßnahmen gegen die unerwünschten Steuergestaltungen zu erarbeiten. Im "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes" vom 31. Juli 2019, der im Wesentlichen auf Formulierungsvorschlägen der FMK beruht, sind insbesondere folgende drei Maßnahmen enthalten: (1) die Absenkung der 95-Prozent-Grenze auf 90 Prozent einschließlich einer geeigneten Übergangsregelung; (2) die Einführung einer weiteren Sonderregelung für Kapitalgesellschaften, um ebenso wie bei Personengesellschaften Anteilseignerwechsel in Höhe von mindestens 90 Prozent zu erfassen und (3) die Verlängerung der Haltefristen von Gesellschaftsbeteiligungen von derzeit fünf auf zehn Jahre.

Der Bundesrat steht hinter den Maßnahmen und fordert zusätzlich die Aufnahme einer sogenannten "Börsenklausel": eine Ausnahmeregelung für Kapitalgesellschaften, deren Anteile an der Börse gehandelt werden. Denn sonst könnte bei börsennotierten Kapitalgesellschaften durch den börslichen Handel von 90 Prozent und mehr des Aktienbestands Grunderwerbsteuer anfallen, obwohl unerwünschte Steuergestaltungen in diesen Fällen vielfach überhaupt nicht vorliegen. Zudem ergäben sich erhebliche administrative Probleme bei der Prüfung.

Leider kam es nach der öffentlichen Anhörung bisher nicht zu einer abschließenden Behandlung im Finanzausschuss des Bundestages. Wegen der Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 90 Prozent und einer befürchteten Verkomplizierung des Steuerrechts hielten die Koalitionsfraktionen weitere Prüfungen für erforderlich. Sie kündigten für das erste Halbjahr 2020 eine Neuregelung an. Immerhin sieht auch der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode eine effektive und rechtssichere gesetzliche Regelung zur Eindämmung von Share Deals vor. Doch Ende 2020 sind wir leider genau so weit wie zu Beginn des Jahres.

Wir müssen dieses Steuerschlupfloch endlich schließen. Die Verabschiedung des Gesetzes unter Berücksichtigung einer "Börsenklausel" sollte schnellstmöglich erfolgen. Mit der Gleichstellung von Personen- und Kapitalgesellschaften sorgen wir für eine gerechtere Grunderwerbsbesteuerung. Benachteiligungen von pri vaten "Häuslebauern", die Grundstücke steuerpflichtig erwerben, werden so begrenzt. Baden-Württemberg hat sich immer für eine Verschärfung eingesetzt. Die Beteiligungsgrenze von 90 Prozent halten wir für verfassungskonform. Auch die Verlängerung der Haltefrist von fünf auf zehn Jahre ist eine effektive Maßnahme und verfassungsrechtlich nicht nur zu lässig, sondern geboten. Wir machen Share Deals damit so unattraktiv wie möglich.

Verschärfungen müssen praktikabel sein

Selbstverständlich müssen die geplanten Verschärfungen praktikabel sein. Daher bedarf die Einführung der Regelung zur Besteuerung von Anteilseignerwechseln in Höhe von mindestens 90 Prozent bei Kapitalgesellschaften ergänzend - wie vom Bundesrat vorgeschlagen - einer Börsenklausel. Daneben setzen wir uns auch für eine Überprüfung der "Konzernklausel" ein, damit Umstrukturierungen in Konzernen ohne Anfall von Grunderwerbsteuer möglich sind. In einem gemeinsamen Antrag mit Bremen und Schleswig-Holstein zum Jahressteuergesetz 2020 hat Baden-Württemberg einmal mehr und dringend eine Neuregelung bei der Grunderwerbsteuer angemahnt. Das ist unerlässlich! Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit und zwar schnell!

DIE AUTORIN EDITH SITZMANN Ministerin für Finanzen Baden-Württemberg, Stuttgart
Edith Sitzmann , Ministerin für Finanzen Baden-Württemberg, Stuttgart
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