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GEWERBLICHE IMMOBILIENFINANZIERUNG: RATIONAL MEHR RISIKO ZU TEILWEISE "MIKROMARGEN"

Prof. Dr. Tobias Just Quelle: Irebs Immobilienakademie

Trotz seiner großen Bedeutung galt der Markt für die gewerbliche Immobilienfinanzierung in Deutschland viele Jahre lang als wenig transparent. Dank der wissenschaftlichen Untersuchungen im Rahmen des "German Debt Projects" der Irebs Immobilienakademie - unterstützt durch den Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) - konnten diesbezüglich aber große Fortschritte erzielt werden. Zum mittlerweile sechsten Mal liefert die Studie ein detailreiches Bild der aktuellen Marktgegebenheiten. Red.

In der Irebs-Studie, die in der nunmehr sechsten Auflage des "German Debt Projects" in Zusammenarbeit mit den Kernsponsoren und dem vdp erschien, kristallisierten sich drei Kernbotschaften heraus: Erstens zeigte sich, dass der Wettbewerbsdruck schon in stark wachsenden Märkten immens war - folgerichtig ist der erstmalige Rückgang des Neugeschäfts in den sechs Jahren unserer Analyse eine Trendwende, die mit wenig positiven Vorzeichen für die Wettbewerbsintensität behaftet ist.

Zweitens verschob sich anders als in den vorausgegangenen Jahren in den Gesprächen und Analysen der Fokus noch deutlich stärker in die Richtung der Vorliebe für Core respektive hin zur Argumentation für die Positionierung bei hochmargigen Projektentwicklungen und ambitionierteren Finanzierungen mit höheren Margen. Dies erweckte zunächst fast den Eindruck, dass die "Mitte", das typische Standardgeschäft, verloren gegangen sei - die individuellen Risikoeinschätzungen der Institute zu den unterschiedlichen Risiko-Clustern gehen zusehends auseinander.

Sinkende LTVs sind keine Entwarnung

Und drittens sind die LTVs nach dem überraschend deutlichen Rückgang im Vorjahr auch im laufenden Jahr - zumindest in der Durchschnittsbetrachtung - weiter gefallen. Das ist nur eine Entwarnung zweiter Klasse, denn diese Entwicklung ist dem hohen Preisauftrieb geschuldet - gleichzeitig ist die Risikobereitschaft gestiegen. Widmen wir uns aber zunächst der Kombination bestehend aus Wachstum und Wettbewerb, denn wir sind in einer neuen Marktphase angelangt.

In den vergangenen Jahren war die zentrale Frage unserer Studie, ob das Neugeschäftsvolumen prozentual zweistellig gestiegen ist oder ob dem nicht so ist. Selbst in Zeiten eines "wachsenden Kuchens" hatte sich die Wettbewerbsdynamik der Banken untereinander stetig erhöht. Das Jahr 2017 zeigte, dass das von uns analysierte Bankenportfolio beim Neugeschäft um sieben Prozent sank und entsprechend der allgemeinen Erwartungen auch im laufenden Jahr zurückgehen wird.

Zieht man die unterrepräsentierten Sparkassen und Volksbanken sowie einige Sondereffekte innerhalb dieses Portfolios in Betracht, so ist das Neugeschäft für das Jahr 2017 geschätzt um zirka drei bis vier Prozent gesunken. So konkretisierte sich für 2018 auch, dass die einzelnen Wachstumsziele der Befragten noch unterschiedlicher als in den Vorjahren sind, sodass sich einige Banken auch weiterhin auf Wachstumskurs in Deutschland sehen. Dem entgegen liegen andere Institute im ersten Halbjahr allerdings deutlich unter Plan - der Wettbewerbsdruck ist folglich weiterhin hoch. Die zweite Kernbotschaft der Studie zeigt auf, dass eine gewachsene Notwendigkeit der Institute darin besteht, die strategische Positionierung entlang der Risikokurve wachsam zu gestalten. Dabei gehen die Meinungen auseinander, sodass auch hier noch stärker differenziert werden muss, als in den Vorjahren. Die Gespräche mit den teilnehmenden Banken drehten sich in erster Linie um die risikoarmen Core-Segmente sowie um die komplexen Finanzierungen bei opportunistischen Investitionen und Projektentwicklungen - also der Blick auf die Ränder der Risikoverteilungskurve.

Finanzierer folgen dem Strategiewechsel vieler Investoren

Dabei kristallisierte sich heraus, dass das Core-Segment am stärksten umkämpft bleibt, insbesondere bei großen Finanzierungsvolumen. Im Interview sprachen einige der Befragten von sogenannten "Mikromargen", die sich renditeseitig (RoE) nur noch bei großen Finanzierungsvolumen und wenig eingesetztem Risikokapital rechnen können. In diesem Geschäft sorgt der weiterhin hohe Anlagedruck bei eigenkapitalstarken Investoren für sinkende Ausläufe, gleichzeitig dämpft der hohe Preisauftrieb bei Core-Assets die Höhe der Ausläufe. Um bei sinkendem Neugeschäft die Durchschnittsmarge zu erhöhen, streben zahl reiche Banken an, stärker risikobehaftete Assets mit höheren Margen zu finanzieren. Damit folgen die finanzierenden Institute dem Strategiewechsel vieler Investoren, die aufgrund stark rückläufiger Mietrenditen risikobehaftete Assets suchen.

Was sind aber nun die entscheidenden Parameter für ein rationales Eingehen höherer Risiken? Damit diese Strategie aufgehen kann, sind Investoren und Finanzierer auf eine stabile Mieternachfrage und zumindest nicht unerwartet schnell steigende Baukosten angewiesen. Beides ist aber per se unsicher. Gleichzeitig werden ehemals als risikobehaftete Objekte wie ein risikoarmes Core-Objekt bepreist. Zusammenfassend lässt sich deshalb sagen: Investoren verfolgen das Ziel, ein Objekt zur Core-Immobilie zu managen, und Finanzierer versuchen diesen erwarteten Erfolg bereits vorab zu berücksichtigen. So wird "Manage-to-Core" gleichzeitig zu "Priced-wie-Core". Ob damit aber alle Risiken angemessen berücksichtigt werden, bleibt offen.

Margen weiter im Sinkflug

Auch die Margenunterschiede zwischen den einzelnen Objektarten sind gesunken - Ausnahme dabei ist der Handel, welcher in den vergangenen zwei Jahren zunehmend von Finanzierer vorsichtig bewertet wird. Insgesamt führen diese Entwicklungen zu einem weiteren Rückgang der Bruttomargen. Während die Marge im Jahr 2013 noch bei 161 Basispunkten (bp) lag, erreichte das Niveau 2017 nur noch 125 bp und dürfte 2018 leicht weiter bis auf 121 bp fallen. Für Core-Objekte sind die Bruttomargen sogar auf 50-70 bp gefallen.

Kommen wir nun zur dritten Kernbotschaft, den Ausläufen sowie Preis-, Zins- und Mietrisiken. Zunächst einmal eine grundsätzlich positive Botschaft: Die LTVs sind 2017 deutlich von 65 im Vorjahr auf 61 Prozent gefallen (Erwartung für 2018: nahezu stabil). Das ist zunächst erfreulich, spiegelt allerdings zum Teil auch die Preisentwicklung der Immobilien seit 2013 wider. Indexiert auf das Preisniveau des Jahres 2013 liegen die LTVs für Gewerbe bei rund 80 Prozent und für institutionell investierbares Wohnen sogar darüber.

Die LTVs sind insbesondere für Core-Objekte gesunken, für opportunistische Investitionen oder komplexere Projektentwicklungen hingegen blieben die LTVs dabei nahezu unverändert. Bei der Beurteilung der Preisrisiken gehen die Meinungen deutlich auseinander. Ein Teil der Banken verweist darauf, dass der Kapitaldienst (Zins und Tilgung) auch bei höheren Zinsen immer noch leistbar bleibt - zumindest innerhalb plausibler Zinsszenarien. Unsere Analysen bestätigen, dass diese Argumentation nachvollziehbar ist.

Hauptrisiko Konjunkturwende

Allerdings zeigt unsere Analyse auch, dass relativ kleine Änderungen auf der Nachfrageseite der Nutzer erhebliche Lasten für Finanzierer haben könnten. Insofern sollte in Betracht gezogen werden, dass nicht die Zinswende das Hauptrisiko darstellt, sondern die Konjunkturwende. Der zweite Teil der Institute bezieht sich jenseits der Betrachtung des Kapitaldienstes auf die regulatorischen Eigenkapitalrisiken bei potenziellen Preiskorrekturen.

Wie lassen sich diese drei oben diskutierten Kernbotschaften zu einer Gesamtbotschaft verdichten? Die Banken haben die steigenden Risiken im Blick und gehen unter rationalen Gesichtspunkten höhere Risiken ein, aber bei gleichzeitigem Fokus auf die Kapitaldienstfähigkeit. Hier gibt es zumeist noch ausreichend Puffer - zumindest für die Szenarien mit anhaltend guter Nachfragesituation.

Die Regulatorik sorgt dafür, dass die Preisrisiken ebenfalls im Auge gehalten werden sollten. Das ist eine Frage der Eigenkapitalunterlegung. Allerdings lässt sich Eigenkapital derzeit nur durch das Eingehen höherer Risiken aufbauen, somit gehen Banken in einem immer noch boomenden Immobilienmarkt weiter ins Risiko. Bei anhaltend hohem Wettbewerb bleiben die Banken aufmerksam, sie handeln in zunehmend schwierigem Fahrwasser mangels Alternativen rational.

DER AUTOR PROF. DR. TOBIAS JUST, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter, IREBS Immobilienakademie, Eltville
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DER AUTOR MARKUS HESSE, Geschäftsführer und Studienleiter, IREBS Immobilienakademie, Eltville
Prof. Dr. Tobias Just , Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls Immobilienökonomie, Universität Regensburg

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