BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2020

GREEN DEAL FÜR WOHNUNGSBAUFINANZIERER

Christian König, Foto: VdPB

Auf dem mühsamen Weg hin zu einem "grünen" Europa misst die EU-Kommission dem Immobilienbestand große Bedeutung bei. Zu Recht, denn die Gebäude innerhalb der EU sind für etwa 36 Prozent des Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Alleine der Wohnimmobilienbereich verheißt enormes Einsparpotenzial: Von den knapp 250 Millionen Wohnstätten in der EU wurden 90 Prozent vor dem Jahr 2001 gebaut. Potenzielle Profiteure davon sind nicht zuletzt die europäischen Bausparkassen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Politik und Regulatorik die Leitplanken mit Bedacht setzen. Red.

Auf die Weltwirtschaftskrise 1933 reagierte US-Präsident Roosevelt mit einer Serie von Wirtschafts- und Sozialreformen und bezeichnete diese als "New Deal". In Anlehnung daran verkündete die seinerzeit noch neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 11. Dezember 2019 vor dem Europäischen Parlament ihren "Green Deal". Ihr Hauptziel: den europäischen Kontinent spätestens im Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Schon zuvor hatte man sich auf europäischer Ebene darauf verständigt, die Finanzwirtschaft mit ihrer möglichen Lenkungsfunktion zu nutzen, um mehr Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte zu generieren. Die Wohnungsbaufinanzierer stehen dabei besonders im Fokus, da EU-weit 40 Prozent des CO2-Ausstoßes vom Gebäudesektor verursacht werden.

Mehr Transparenz

Mittlerweile hat die EU-Kommission angekündigt, noch in der bis 2024 laufenden Legislaturperiode eine Vielzahl von Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die eine Lenkungswirkung der Finanzwirtschaft entfalten sollen. Dazu gehören Offenlegungspflichten bei der Geldanlagepolitik. Durch mehr Transparenz verspricht man sich via öffentlichen Druck ein Mehr an nachhaltigen Investitionen. Hinzu kommt die EU-Verordnung "Grüne Taxonomie", die den entsprechenden Rahmen dafür bildet: Mit ihr werden verbindliche Kriterien festgelegt, die wirtschaftliche Tätigkeiten erfüllen müssen, um als "ökologisch nachhaltig" zu gelten.

Von besonderer Bedeutung für die Wohnungsbaufinanzierer ist der Vorschlag technischer Standards der sogenannten Technischen Experten Gruppe (TEG) der EU-Kommission zur Taxonomie. In dem 500-Seiten-Dokument finden sich zum Beispiel Details hinsichtlich der Wärmedämmung von Dächern, Fassaden oder Fenstern und Türen. Für den Neubau gelten zwar zunächst alle Immobilien als nachhaltig, die die nationalen Anforderungen an ein Nearly-Zero-Energy-Building entsprechend einer EU-Gebäuderichtlinie aus dem Jahr 2010 erfüllen. Mittelfristig sollen hier aber absolute Grenzwerte erarbeitet werden. Renovierungen wiederum gelten danach nur als nachhaltig, wenn sie diesen Standard erreichen oder zumindest eine Verbesserung von 30 Prozent des Energieverbrauchs gegenüber dem Zustand vor der Renovierung.

Für den Herbst 2020 plant die EU-Kommission die Veröffentlichung eines politischen Maßnahmenpakets mit dem Titel "Renovierungsnovelle". Ziel ist es, nationale Barrieren für die Renovierung des Gebäudebestandes abzubauen. Dabei soll auch geprüft werden, ob Emissionen von Gebäuden vom Emissionshandel erfasst werden. Sicherlich wird in diesem Zusammenhang auch die Energieeffizienzrichtlinie überprüft. Zum Jahreswechsel hat die gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission einen Bericht zur Entwicklung von Europäischen Umweltzeichen für Retail-Finanzprodukte vorgelegt. In diesem wird unter anderem vorgeschlagen, Einlagenkonten mit dem europäischen Siegel "Ecolabel" zu versehen, wenn die Einlagen dazu dienen, "grüne" Darlehen zu finanzieren. Damit wäre der erste Schritt zur Vermeidung eines "Green Washing" erreicht. Einiges dazu ist bereits in einer Verordnung geregelt; wie das Ecolabel für Retail-Finanzprodukte aber genau aus sehen soll, noch nicht. Diskutiert wird in Brüssel bekanntlich auch die Frage eines "Green Supporting Factor" als Anreiz für eine entsprechende Kreditvergabe. EU-Kommissar Valdis Dombrovskis hat sich für ein solches Instrument ausgesprochen - ebenso die neue österreichische Regierung, die Bank of England und die ungarische Notenbank. Andere, auch deutsche Aufseher, halten einen Eigenkapitalbonus für entbehrlich, weil dieser sich bei Nachweis eines entsprechend geringeren Risikos quasi automatisch ergeben würde. Auch ein "Brown Penalising Factor", also höhere Eigenkapitalanforderungen für braune Investitionen, wird in Kreisen der EU-Kommission diskutiert.

Vernünftige Balance wahren

Die EU-Kommission fördert in diesem Zusammenhang eine Initiative des Europäischen Hypothekenverbandes: den Energyefficient-Mortgages-Action-Plan (EeMAP). Dabei soll der Nachweis erbracht werden, dass "grüne" Hypotheken weniger ausfallgefährdet sind als "braune" Hypotheken, und somit einer geringeren Eigenkapitalunterlegung bedürfen. Der EeMAP geht von zwei Annahmen aus: Erstens wirkt sich die Energieeffizienz einer Immobilie positiv auf den Immobilienwert aus und reduziert damit das Risiko der finanzierenden Bank. Zweitens haben energieeffizient investierende Kreditnehmer aufgrund eines im Schnitt höheren verfügbaren Haushaltseinkommens eine geringere Ausfallwahrscheinlichkeit, was das Risiko der finanzierenden Bank nochmals verringert.

Die Bausparkassen als klassische Finanzierer von Energieeffizienzmaßnahmen in Deutschland, Österreich und anderen Ländern Mittel- und Osteuropas verfolgen diese Entwicklungen in Brüssel sehr genau. Financing Green im neuen Stil und Umfang bietet der Branche neue Chancen, weil die Bereitschaft von Bausparern, hier entsprechend zu investieren, traditionell hoch ist. Eines darf allerdings nicht passieren: eine Vermischung politischer und aufsichtsrechtlicher Sicherheitsbewertungen mit falscher Prioritätensetzung, die die Stabilität der Wohnungsbaufinanzierung oder des Bankensystems gefährdet. Es geht um eine vernünftige Balance. Die muss in Brüssel verteidigt werden.

DER AUTOR CHRISTIAN KÖNIG Geschäftsführender Direktor, Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
Christian König , Geschäftsführender Direktor , Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
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