MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

HOTELIMMOBILIEN WERDEN EINER INVESTIVEN NEUBEWERTUNG UNTERZOGEN

Martin Schaffer, Foto: mrp hotels/Annette Koroll

Hotelimmobilien waren einer der großen Gewinner des langjährigen Booms und sind einer der Verlierer der Corona-Pandemie. Lockdowns und Reiseeinschränkungen haben die Branche hart getroffen. Entsprechend ist auch das Transaktionsvolumen in Hotelimmobilien spürbar gesunken - auch weil es kaum Notverkäufe gibt, den staatlichen Hilfsprogrammen sei Dank, und die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern mitunter weit auseinanderliegen. Man sollte sich aber hüten, die Assetklasse Hotel zu schnell abzuschreiben, betont der Autor. Denn innerhalb der Assetklasse gebe es deutliche Unterschiede, die ein Investment immer noch rentierlich machen. Allerdings ist es aufgrund der aktuellen Entwicklungen nicht einfach, aussagekräftige Bewertungen zu erstellen. Aber es geht! Red.

In unsicheren Zeiten stellt sich zwangsläufig auch bei Immobilien die Frage der Wertentwicklung. Oft kann eine Krise auch als Ventil für eine zuvor aufgebaute "Preisblase" wirken. Für die durch Lockdowns und allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit stark in Mitleidenschaft gezogene Hotellerie gilt diese Überlegung ganz besonders, auch weil das Hotel- und Gastgewerbe bis Anfang 2020 von einem langjährigen Boom profitiert hatte und die Branche von der Krise zunächst eher unvorbereitet getroffen wurde.

Für die Frage der (Neu-)Bewertung einer Hotelimmobilie stellen sich angesichts der Unsicherheiten zahlreiche flankierende Kriterien. Das gilt in der Folge auch für die entsprechende Finanzierung eines Ankaufs. Hinzu kommen Unsicherheiten bei der Einschätzung der Werthaltigkeit von Pachtverträgen, die die Grundlage eines wirtschaftlich erfolgreichen Betriebes und damit auch für eine Investition legt.

"Wait and See" mündet in niedrigem Transaktionsvolumen

Das Transaktionsvolumen auf dem deutschen Hotelinvestmentmarkt lag in den ersten drei Quartalen 2021 bei rund 1,5 Milliarden Euro und damit noch einmal deutlich niedriger als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Das dritte Quartal war mit nur etwas mehr als 400 Millionen Euro und einer niedrigen zweistelligen Anzahl von Transaktionen in einer Größenordnung ab 5 Millionen Euro das transaktionsärmste 2021.

Zum Vergleich: 2019, also vor der Pandemie, verfehlte das Transaktionsvolumen nur knapp das Rekordvolumen von 2016. Die Marke von 5 Milliarden Euro war - erst zum zweiten Mal überhaupt - in greifbarer Nähe. Von diesen Ergebnissen ist der deutsche Hotelinvestmentmarkt 2021 - wie bereits 2020 - weit entfernt. Selbst bei einer sehr günstigen Jahresendprognose wird nicht einmal die Hälfte des Transaktionsvolumens von 2019 erreichbar sein. Der Anteil der Hotelimmobilien am Gesamttransaktionsvolumen dürfte in Deutschland, ähnlich wie in Österreich, in der Jahresendabrechnung lediglich 2 bis 3 Prozent betragen, damit weit entfernt von Anteilen der Vergangenheit.

Der von den Eigentümern im Hotelbereich adaptierte "Wait & See"-Modus gilt auch im Herbst 2021. Die Bereitschaft zum Exit dürfte angesichts der beschriebenen Marktentwicklungen niedrig bleiben und wird sich mindestens bis ins nächste Jahr auf einem niedrigen Niveau bewegen.

Es bedarf aktuell einer guten Portion Fantasie, Szenarien zu Hotelverkäufen zu entwickeln, die preislich den Vorstellungen sowohl der Kauf- als auch der Verkaufsseite entsprechen. Angesichts des Kapitaldrucks und des aufgestauten Nachfragevolumens bleibt das Kaufinteresse zwar hoch, trifft aber in den meisten Fällen nicht die hohen Preiseerwartungen der Eigentümer. Außerdem bleiben einerseits Kapitalsammelstellen auf der Suche nach passenden Objekten, andererseits sind "Notverkäufe" rar und sind auch künftig durch die laufenden staatlichen Hilfen noch nicht in größerem Ausmaß zu erwarten.

Plateaubildung bei Renditen - erste Erholungstendenzen?

Die Renditen zeigten sich während der gesamten Corona-Krise volatil. Im Pandemie-Jahr 2020 verzeichneten Hotelimmobilien den im Vergleich prozentual deutlichsten Renditeanstieg aller Assetklassen. Ende 2020 wurde die 4,0 Prozent-Schwelle deutlich überschritten und damit im Jahresvergleich ein kräftiger Anstieg von bis zu 50 Basispunkten gegenüber Ende 2019 notiert.

Insgesamt präsentiert sich die Stimmung auf dem Investmentmarkt für Hotelimmobilien 2021 positiver als im Vorjahr. Das Renditeniveau wird allerdings noch nicht an das von 2019 heranreichen. Bis zum Jahresende 2021 ist größtenteils von einer Seitwärtsbewegung der Renditen auszugehen.

Europaweit zeigen sich allerdings bei näherer geografischer Betrachtung deutliche Unterschiede einzelner Produktkategorien. Häuser außerhalb großer Metropolen können mit deutlich höheren Renditespannen aufwarten, die noch höher werden, je dezentraler und südlicher der Fokus liegt. So kann beispielsweise die Alpenregion mit einer Renditespanne von circa 4 bis 7 Prozent zwar deutlich gegenüber urbanen Regionen ersten Grades punkten (hier liegen die Renditen zwischen 3 und 6 Prozent), zieht aber im Vergleich zu mediterranen, nicht-urbaren Regionen mit Renditen von 6 bis 9,5 Prozent klar den Kürzeren.

Abbildung 1: Renditespannbreite - Resorts versus Stadthotels Quelle: mrp hotels

Potenzial für höhere Bewertungen

Insgesamt gehen Beobachter Ende 2021 von höheren Bewertungen als vor einem Jahr aus. Das damit aktuell noch immer deutlich niedrigere Bewertungsniveau eröffnet kurzfristig attraktive Investitionsmöglichkeiten mit Potenzial für ebenfalls kurzfristige Wertsteigerungen und stabile langfristige Einnahmen, so unter anderem die Meinung von Mike Bessell, Managing Director und European Investment Strategist bei Invesco Real Estate.

Aber wie kann der aktuelle Wert der Immobilie ermittelt werden? Was sind gültige Vergleichskriterien und aussagekräftige Kennzahlen, die gerade in schwierigen Zeiten als Grundlage dienen und mit deren Hilfe Investoren eine realistische Einschätzung der Wertentwicklung erhalten können?

Bei limitierten Vergleichswerten kann eine individuelle Einschätzung und Betrachtung der Immobilie vonseiten eines unabhängigen Bewerters die nötige Objektivität gewährleisten. Aktuelle Marktgrundlagen und das Finanzierungs- und Zinsumfeld bilden die Basis, um das einzelne Produkt in seiner Umgebung einzuordnen und bewerten zu können.

Abbildung 2: Wertbeeinträchtigungen - Objekt- und Marktspezifische Faktoren Quelle: mrp hotels

Robustheit entscheidender Faktor der Wertanalyse

Bei einer umfassenden Analyse einer Immobilie werden drei Hauptkategorien identifiziert: Standortfaktoren, Positionierung und Betrieb. Für die Einschätzung einer möglichen Wertbeeinträchtigung fließen unterschiedliche objekt- und marktspezifische Faktoren in die Bewertung ein. Ausschlaggebend dabei ist die Robustheit und die Resilienz gegenüber exogenen und endogenen Einflüssen bei allen zu bewertenden Komponenten. In die Bewertung der Standortqualität fließen die Beurteilung des Makro- und des Mikrostandortes sowie die Einschätzung der gegebenen Wettbewerbsverhältnisse ein, die für eine geringe Neubau-Pipeline zu einer geringen Wertbeeinträchtigung führen kann und umgekehrt.

Hohe Wertbeeinträchtigungen können aktuell aufgrund von pandemiebedingten Einschränkungen beispielsweise für urbane Märkte, für Airport-Hotels und für sogenannte "Fly-to-Resorts" festgestellt werden, dezentrale Resorts also, die zwingend eine Anreise per Flugzeug voraussetzen. Demgegenüber stehen suburbane Märkte und "Drive-to-Destinationen", also Standorte, die per Bahn, Bus oder Auto erreichbar sind, deutlich besser in der Beurteilung ihrer Wertbeeinträchtigung da. Die Nachfrageresilienz dieser suburbanen Destinationen hat direkten Einfluss auf die Performance und folglich auch auf die Bewertung.

Betrachtet werden unter anderem auch die Nachfragequellen. Durch die Pandemie ist gerade der MICE-Bereich (Meetings, Incentives, Conferences and Exhibitions) größtenteils zum Erliegen gekommen, insofern sind unter anderem darauf ausgerichtete Hotelkonzepte stark beeinträchtigt. Gleiches gilt - wenn auch nur teilweise - für Geschäftsreisende. Wenig oder nur moderat wirkt sich dieser Einfluss auf sogenannte "systemrelevante" Reisende (wie Politiker oder Diplomaten, Mitarbeiter der Justiz oder von Behörden) aus. Auch Unterkünfte für Bauarbeiter (Hoch-, Tief- oder Straßenbau) waren allenfalls in der Anfangszeit der Pandemie von einem Nachfragerückgang betroffen. In diesem Bereich besteht allerdings ein nahtloser Übergang zu Short-/Long-Stay-Konzepten/Serviced Apartments, die sich in der Krise deutlich resistenter gezeigt haben.

Bei der Beurteilung der generellen Positionierung eines Hauses spielt neben dem Alter und dem baulichen Zustand beziehungsweise dem Maß der Instandhaltung des Gebäudes vor allem die Qualität des Betreibers eine Rolle. Ein etablierter, bonitäts- beziehunsgweise finanzstarker Betreiber wird eine niedrige Wertbeeinträchtigung nach sich ziehen und ist neben der Robustheit des Cashflows entscheidender Faktor bei der Wertermittlung.

Neue Maßstäbe für Bewertungen gesucht

Bewerter stehen neuen Herausforderungen gegenüber: War bis Ende 2019 auf internationale und nationale Benchmarks Verlass und diese entsprechend den Anforderungen auch skalierbar, fehlen sie aktuell durch den nahezu vollständigen Ausfall des Jahres 2020. Hinzu kommt, dass das Discounted-Cash-Flow-Verfahren, DCF (das internationale Bewertungsverfahren für Hotelimmobilien) durch seine auf zukünftige Erwartungen abzielende Methodik gerade in der aktuellen Situation seine Defizite hat, allein schon durch die Unsicherheiten in Bezug auf touristische Entwicklungen und die damit zu erzielenden Umsätze. Aktuell kommt der Einschätzung des Bewerters immer noch die wichtigere Rolle zu.

Auf den Markt bezogen hat dies zur Folge, dass Investoren für die Übernahme der Risiken eine Prämie fordern. Dem Bewerter kommt vor diesem Hintergrund umso mehr die Aufgabe zu, einen objektiven Ausgleich zwischen den Interessen der Käufer und Verkäufer zu schaffen. Ergänzt mit den oben beschriebenen betrieblichen Parametern (Segment, Herkunftsmärkte und Nachfragequellen, Wettbewerb sowie Qualität und Stärke des Betreibers) lassen sich somit Bewertungen erstellen, die nicht ausschließlich auf finanziellen Aspekten beruhen und dennoch eine entsprechend hohe Aussagekraft aufweisen.

Martin Schaffer , Geschäftsführer und Partner , mrp hotels, Wien

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