JUBILÄUMSAUSGABE IMMOBILIEN & FINANZIERUNG - DER LANGFRISTIGE KREDIT

DIE IMMOBILIEN ALS TEIL DER VORSORGE - GESTERN, HEUTE, MORGEN

Bernd Hertweck, Foto: W & W-Gruppe

"Die Altersvorsorge, in der man jetzt schon wohnen kann." Mit diesem cleveren Slogan versuchen die Bausparkassen seit vielen Jahren, den Deutschen die eigenen vier Wände schmackhaft zu machen. Und das durchaus mit Erfolg: Bei Umfragen zu den beliebtesten Formen der Altersvorsorge steht die selbst genutzte Immobilie mit schöner Regelmäßigkeit auf Platz eins. Dabei hatte das Konzept der Wohneigentumsbildung hierzulande lange Zeit einen schweren Stand, wie die Ausführungen des vorliegenden Beitrags, in dem der Autor einen großen historischen Bogen spannt, verdeutlichen. (Red.)

Die staatliche, gesamtgesellschaftliche und individuelle Auseinandersetzung mit dem Begriff der (Alters-)Vorsorge ist in Deutschland noch keine 150 Jahre alt. Vor dem Hintergrund des rasanten Umbruchs einer von Landwirtschaft zu Industriearbeitsplätzen geprägten Gesellschaft lebten die Menschen in den wachsenden Städten weiterhin überwiegend in Großfamilien und in oftmals erbärmlichsten Wohnverhältnissen zusammen.

Fragen der finanziellen, geldbasierten Zukunftssicherung stellten sich nicht: In Deutschland war an der Schwelle zum 20. Jahrhundert der mit Abstand größte Teil der Bevölkerung ohne Geld- und Immobilienvermögen und demzufolge im Alter von der Unterstützung und Versorgung durch die Kinder und Enkel oder kommunaler beziehungsweise kirchlicher Armenfürsorge abhängig.

Aus Sorge vor sozialen Unruhen kündigte Kaiser Wilhelm I. im Herbst 1881 Gesetze zu einer dieser Situation begegnenden Sozialversicherung an. Im Sommer 1889 wurde schließlich das Gesetz über die "Invaliditäts- und Altersversicherung" im Reichstag verabschiedet. Dies wird allgemein als der Ursprung unseres heutigen Altersvorsorgesystems angesehen, obwohl damals nur wenige in den Genuss von Rentenzahlungen kamen, die überdies äußerst bescheiden waren.

Weiterentwicklung der Rentenversicherung

Die gesetzliche Rentenversicherung überdauerte zwei Weltkriege, eine galoppierende Inflation und zwei Währungsreformen. In den Grundsätzen blieb sie bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 von wesentlichen Änderungen weitgehend verschont. Ein stabiles Wirtschaftswachstum in den fünfziger und sechziger Jahren ermöglichte erhebliche Verbesserungen für die Rentner, etwa die "dynamische" Rentenanpassung und 1972 die Aufnahme freiwillig versicherter Selbstständiger und Hausfrauen.

Mit dem "Alterseinkünftegesetz" als nächster grundsätzlicher Weichenstellung ging man ab dem Jahr 2005 auch vom früheren 3-Säulen-Modell zum 3-Schichten-Modell der Altersvorsorge über, das wie folgt strukturiert ist: Eine Basisversorgung mit gesetzlicher Rentenversicherung, berufsständischen Versorgungseinrichtungen und kapitalgedeckter Basisrente (Rürup-Rente). Als zweite Schicht fungiert die kapitalgedeckte Zusatzversorgung mit allen Formen der betrieblichen Altersversorgung sowie die private Zusatzvorsorge der Riester-Rente. Schließlich noch die private Altersvorsorge mit diversen Kapitalanlage- und Vorsorgeprodukten und Wohnimmobilien.

Das Eigenheim als historischer Nachzügler

Im Vergleich zur Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung datiert die Möglichkeit für breitere Schichten, Wohneigentum zu erwerben, deutlich später und ist eng verbunden mit der Entstehung der ersten Bausparkassen in Deutschland in der Zwischenkriegszeit. Getragen von dem Gedanken der Hilfe zur Selbsthilfe ging es Sozialreformern wie dem Wüstenrot-Gründer Georg Kropp (1865 bis 1943) in den aus Sicht großer Teile der Bevölkerung nur vermeintlich "Goldenen Zwanzigern" darum, die mehrheitlich weiterhin mangelhaften Wohnverhältnisse durch den Erwerb von Wohneigentum umfassend zu verbessern. "Jeder Familie ihr Eigenheim" lautete damals Kropps Parole.

Die reformerischen Ansätze, die nicht nur in die finanzielle Zukunft sondern auch und gerade auf das "Hier und Jetzt" zielten, wurden jedoch behindert durch die aufziehende Weltwirtschaftskrise und die Hyperinflation. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ging es in Bezug auf die Immobilien zunächst vordringlich darum, die enorme Wohnungsnot als Folge der verheerenden Kriegsschäden zu lindern. Das Instrument dafür war ein staatlich massiv geförderter Mietwohnungsbau. Erst in den sechziger Jahren nahm die Wohneigentumsbildung im Zuge des "deutschen Wirtschaftswunders" mit wachsendem Wohlstand kräftig an Fahrt auf und wurde unter dem Aspekt der Vermögensbildung auch staatlich gefördert.

Zur Wohnungsbauprämie kam später die Eigenheimzulage in Form direkter staatlicher Zuschüsse, die in der jüngeren Vergangenheit von der in der Riester-Systematik entwickelten Eigenheimrente abgelöst wurde. Dabei war das Ziel des Gesetzgebers, die selbst genutzte Wohnimmobilie als Form der Altersvorsorge weiter zu etablieren. Auch erkannte der Gesetzgeber damit erstmals umfassend an, dass eine selbst genutzte und schuldenfreie Wohnimmobilie in Bezug auf die Wirkungen für die Alterssicherung beispielsweise einer Geldrente gleichzusetzen sei.

Warum sind Wohnimmobilien die beliebteste Form der Altersvorsorge?

Während es also im staatlichen, rentenpolitischen Kontext durchaus einige Zeit brauchte, die selbst genutzte Wohnimmobilie systemisch zu integrieren, wusste die Bevölkerung stets um ihre versorgungspolitischen Vorlieben. Seit Jahrzehnten schon rangiert die Immobilie ganz weit oben bei der Frage, welche Altersvorsorge "die Beste" sei. Nach einer repräsentativen Studie des Marktforschungsinstituts Kantar aus dem Jahr 2019 setzen fast zwei Drittel der heimischen Bevölkerung auf die Immobilie. Auch im Zeitverlauf ist dieser Wert überaus stabil. Bereits unter den 14- bis 29-Jährigen sieht dies die Mehrheit so. Menschen, die bereits Wohneigentum erworben haben, sehen sich heute in ihrer Entscheidung besonders bestätigt, sie stimmen der Aussage zu über 80 Prozent zu.

Nach der ökonomischen Theorie wären alle Formen der Vermögensanlage zur Altersvorsorge gleich effizient, denn hierbei wird angenommen, dass die Märkte im Gleichgewicht sind und auch nicht durch staatliche Eingriffe verzerrt werden. Konkret hieße dies, dass Mieter, die neben ihrer Miete noch Geldvermögen bilden, langfristig ebenso viel Vermögen ansammeln wie Investoren, die vergleichbare Beträge in eine Wohnimmobilie einbringen. Das ist in der Praxis jedoch nicht der Fall. Insbesondere Verhaltensänderungen bei Eigentumsnutzung (Konsumverzicht), verschiedene staatliche Fördermaßnahmen, der Doppelcharakter des Wohneigentums als Konsum- und Investitionsgut, unterschiedliche steuerliche Behandlungen sowie Abhängigkeiten von Zins- und Inflationsentwicklungen, aber auch die individuellen Verhaltensweisen und Prä ferenzen der Mieter beziehungsweise Eigentümer führen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Lebenszyklustheorie des Sparens

Die bekannte Lebenszyklustheorie des Sparens von Bumberg und Modigliani unterstellt, dass es aus nutzentheoretischer Sicht für private Haushalte optimal sei, ihren Konsum über den Lebenszyklus hinweg zu glätten. Dabei wird angenommen, dass die Haushaltseinkommen im Verlauf des Berufslebens ansteigen und ab Beginn der Rentenbezugsphase merklich absinken. Um einen in etwa gleichbleibenden Konsum zu gewährleisten, muss demzufolge in jungen Jahren ein Teil des Konsums kreditfinanziert werden. Insbesondere in den angelsächsischen Ländern, in denen der Erwerb von Wohnimmobilien auch mit geringstem Eigenkapital - oder gar ohne Eigenkapital - möglich ist, leben daher bereits viele junge Haushalte im eigenen Heim. In diesen Ländern stellt das selbst genutzte Wohneigentum mehr oder weniger ein reines Konsumgut dar.

Mit einer "Verzögerung" gegenüber den USA und Großbritannien von im Durchschnitt rund 15 Jahren, die dem restriktiven, dafür aber umso stabileren deutschen Finanzierungssystem mit den Bausparkassen als entscheidenden Marktteilnehmern geschuldet ist, kann hierzulande die selbst genutzte Immobilie dann ihre Vorteile als Konsum- und zugleich Investitionsgut ausspielen. Der Weg für den heimischen Immobiliensparer ist also zunächst steinig, aber die Früchte der Mühen umso süßer: Denn Wohnimmobilien können nach dem Erwerb nicht nur bewohnt, das heißt "konsumiert" werden, sondern stellen aufgrund ihrer Wertstabilität auch eine weitreichende, sinnvolle Investition dar. Der eingebrachte Eigenkapitalanteil sorgt dafür, dass die noch benötigten Kredite - mit äußerst geringen Risiken für die finanzierenden Institutionen - durch die Immobilie selbst besichert werden können und dass der Wohneigentümer schneller schuldenfrei wird. Eine selbst genutzte Wohnimmobilie als Altersvorsorge ist darüber hinaus aus steuerlicher Sicht einer reinen Finanzanlage überlegen. So werden sowohl der Nutzen, der aus dem Bewohnen der Immobilie resultiert, als auch ein Wertzuwachs, der bei einer Veräußerung realisiert wird, nicht besteuert. Dies ist etwa bei einem berufsbedingten Wohnungswechsel vorteilhaft, wenn auch am neuen Wohnort wieder Wohneigentum erworben werden soll. Andererseits können aber auch die Aufwendungen, zum Beispiel für Zinsen sowie alle Instandhaltungsmaßnahmen, steuerlich nicht geltend gemacht werden. Auch bei der Erbschaftsteuer wird dem selbst genutzten Wohneigentum eine Sonderrolle eingeräumt. Danach bleibt im Todesfall eine Wohnung, die vom Erblasser bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde, in der Regel steuerfrei, sofern diese vom Ehepartner oder den Kindern mindestens weitere zehn Jahre selbst genutzt wird.

Hohe Wertstabilität in Deutschland

Ein wesentliches Element bei der Altersvorsorge stellt die Wertbeständigkeit der angesparten Vermögen dar. Beim langfristigen Kapitalaufbau für die Rentenphase sollte, rein rational betrachtet, der erzielbaren Rendite nicht die größte Bedeutung zugemessen werden, da über mehrere Jahrzehnte hinweg gesicherte Aussagen über zukünftige Renditen kaum gegeben werden können. Werden bei Finanzanlagen dennoch Zusagen gegeben, so bestehen sie im Allgemeinen in der Zusicherung des - nominalen - Kapitalerhalts oder in der Zusage eines Garantiezinses, der heutzutage weit von früheren Höhen rangiert.

Die hohe Wertstabilität von Immobilien hierzulande, die von regionalen Ausnahmen abgesehen immer noch für breiteste Marktsegmente angesehen werden kann, zeigte sich besonders gut während der Finanzkrise. Es gab in Deutschland - ganz im Unterschied zu anderen europäischen Staaten oder den USA - vor Beginn der Krise an den Wohnimmobilienmärkten keine Preisblase und somit auch anschließend keine dramatischen Einbrüche bei den Preisen. Im Gegensatz dazu kämpfen alle Institutionen, die Kapital langfristig anlegen, mit einem Relikt der Finanzkrise: einmalig niedrigen Zinsen - und das über einen bisher nicht gekannten, langen Zeitraum. Die Renditen auf Finanzanlagen sind, insbesondere nach Versteuerung, vielfach niedriger als die Inflationsrate, das heißt es findet nicht selten Kapitalvernichtung statt.

Und noch eines ist von immenser Bedeutung, um die Beliebtheit eigenen Wohneigentums zu erläutern. Dafür muss man Vorsorge nicht ausschließlich auf einer finanziellen Ebene betrachten, sondern den Horizont um beispielsweise soziale Bestimmungsfaktoren erweitern. Es gibt zahlreiche Studien die belegen, dass Wohnen im Eigentum für Stabilität in Familien und Nachbarschaften sorgt, Kinder insgesamt besser aufwachsen und soziale Beziehungen stärker sind als im Umfeld von Mietergesellschaften. Auch positive Wirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit sind diesbezüglich relevant. Kurzum: Die Lebensqualität ist als Eigentümer in der Regel auf einem sehr hohen Niveau. Das wissen die Menschen.

Historisch betrachtet stellt Wohneigentum, wie zuvor kurz hergeleitet, für breite Schichten in Deutschland eine recht junge Errungenschaft dar. Das Leitmotiv der Sozialreformer in den zwanziger Jahren bestand darin, auch dem einfachen Mann - im Nachkriegsdeutschland würde man sagen: dem "Otto-Normal-Verbraucher" - überhaupt erst Vermögensaufbau in Form der eigenen Immobilie zu ermöglichen. Das Motiv, im Alter mietfrei zu wohnen, das heißt die eigene Immobilie auch als Form der Altersvorsorge zu betrachten, ist somit so alt wie das Wohneigentum selbst. Wenngleich die Bausparkassen in Deutschland nicht an jeder Wohnungsbaufinanzierung beteiligt sind, so kommt dem - auch staatlich unterstützten - Bausparen gerade im Hinblick auf junge, noch vermögens- und einkommensschwache Haushalte eine ganz erhebliche Bedeutung zum Anstoßen von Sparprozessen zu.

Frühe Ansparerfolge lassen den Wunsch nach den eigenen vier Wänden psychologisch und tatsächlich greifbarer werden. Neben den aufgezeigten rationalen Vorteilen des selbst genutzten Wohneigentums aus einzelwirtschaftlicher Sicht bleiben neben der attraktiven Vorstellung des späteren mietfreien Wohnens insbesondere die Erlebbarkeit lange vor dem Ruhestand und auch der Stolz des Eigentümers, sich unter Konsumverzicht einen bleibenden Wert sowie ein Stück persönlicher Freiheit zu erarbeiten, die menschlichen Haupttriebfedern des Wohneigentumserwerbs.

Nicht überall auf der Welt steht Wohneigentum allerdings in dem Maße für Solidität und Beständigkeit wie in Deutschland. Dies hat uns die US-Subprime-Krise vor Augen geführt. Auch in Europa sind Immobilienpreisblasen entstanden und geplatzt mit schwersten wirtschaftlichen Folgen für Millionen von Privathaushalten etwa in Spanien oder Irland. Von solchen Verhältnissen ist Deutschland glücklicherweise, insbesondere aufgrund unseres einmalig soliden, dem Vorsichtsprinzip verpflichteten und pfandbriefbesicherten Systems der Immobilienfinanzierung, weit entfernt.

Beständigkeit ist entscheidend

Die Robustheit des Wohnimmobilienmarktes in Deutschland, die sich in insgesamt konstanter Wertentwicklung auch in Krisenzeiten niederschlägt, ist neben dem solide finanzierten Wohneigentum auch den funktionierenden Mietwohnungsmärkten zu verdanken. Diese tragen ebenfalls dazu bei, dass sich bei uns kein Subprime-Segment ausbildet mit Gefährdungspotenzial für Wohnimmobilienmarkt und Finanzstabilität. Insofern ist der "deutsche" Weg einer langsameren Steigerung der Wohneigentumsquote zugleich auch ein Garant dafür, dass die Rechnung einer eigenen Immobilie als Form der Altersvorsorge auch wirklich aufgehen kann. Denn dafür spielt die beständige Wertentwicklung eine große Rolle, zumindest für denjenigen, der im Alter seine Immobilie verwerten möchte oder muss.

Bei aller gebotenen Wertschätzung des selbst genutzten Wohneigentums sollen auch die erheblichen Herausforderungen im Bestand klar benannt werden, die insbesondere im energetischen Bereich und im altersgerechten Umbau zu sehen sind. Doch diese Herausforderungen lassen sich auch als Chance begreifen: Durch entsprechende Investitionen sichert sich der Eigentümer dauerhaft günstige Wohnkosten, eine möglichst lange Nutzbarkeit seiner Immobilie und erhält ihren Wert. Von daher erweitert sich die Funktion der selbst genutzten Immobilie als präferierte Altersvorsorge im finanziellen Sinne Schritt für Schritt noch um weitere Aspekte, die ebenso zukunftsträchtig sind: Klimaschutz und ein selbst bestimmtes Leben bis ins hohe und höchste Alter. Dann ist die Immobilie vollends zu dem geworden, was Vorsorge in einem umfassenden Sinne überhaupt nur sein kann.

DER AUTOR BERND HERTWECK Vorsitzender des Vorstands, Wüstenrot Bausparkasse AG, Ludwigsburg
Bernd Hertweck , Vorstandsvorsitzender, Wüstenrot Bausparkasse, Kornwestheim, und Vorstandsvorsitzender, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin
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