Genossenschaften in der Immobilienwirtschaft

Die implizite Volatilität der Eigenheimfinanzierung

Sven Meier

Beste Aussichten: Die Zinsen für Baukredite sind in den letzten 40 Jahren stetig gesunken und heute so günstig wie noch nie. Eine Chance für viele Kunden, jetzt ein Eigenheim zu erwerben, denn im aktuellen Zinsumfeld sind der Bau beziehungsweise der Kauf einer Immobilie günstiger als das Mieten. Allerdings nutzen nur die wenigsten der Kunden diesen Rückenwind zur vollständigen Rückzahlung der Eigenheimfinanzierung mit einer langen Zinsfestschreibung und hohen Tilgungsraten. Die Folgen der künftig anstehenden Prolongation werden in vielen Fällen unterschätzt. Subtile Zinsfestschreibungsmodelle gepaart mit geringem Tilgungsanteil sowie die Blauäugigkeit der Kunden unterstützt im Fall der Fälle nicht die Zukunftsfähigkeit der eigenen vier Wände. Tickt hier eine Zeitbombe? Der Autor rät zu langfristigen Zinsfestschreibungen mit hohem Tilgungsanteil und der Möglichkeit von Sondertilgungen. Red.

Es ist schon ein verlockendes Angebot, wenn der Bauzins 40 Jahre lang nach unten geht und dieser heute bei unter einem Prozent für die Baufinanzierung liegen kann. Manch einer, der es sich vor fünf oder zehn Jahren nicht vorstellen konnte, ein Eigenheim zu realisieren oder zu erwerben, wird nun sogar durch die Medien motiviert. Große Überschriften wie "Bauen billiger als Mieten" oder "Nicht träumen, kaufen!" ermutigen den Unentschlossenen zusätzlich.

Dieser Entschluss wird durch die immer weiter steigende Zahl der Finanzierungsspezialisten sowie der teils explodierenden Mieten in den Ballungsräumen gefördert. Ohne sich über die langfristigen Konsequenzen im Klaren zu sein, wählt die überwiegende Zahl der Schuldner meist nur eine zehnjährige Zinsbindung für die Eigenheimrealisierung - mit möglichen langfristig negativen Folgen.

Denn nur ein Bruchteil der Kunden schafft es, während der ersten Zinsbindungsphase das Darlehen vollständig zu tilgen. Der überwiegende Teil der Schuldner tilgt maximal zwei Prozent, um die Darlehensrate überhaupt langfristig bedienen zu können oder damit die Liquiditätsrechnung bei den Finanzierungsanbietern positiv ausfällt.

Sicherlich wird bei vielen Anbietern vorsorglich schon heute intern mit einer zukünftigen Annuität zwischen sechs und acht Prozent gerechnet, doch mitgeteilt wird diese dem Kunden in den seltensten Fällen. Manche der uns vorliegenden Berechnungen in der zukünftigen Prognose bei der Prolongation unterbieten sogar den heutigen Zinssatz, um den Effektivzins positiv zu manipulieren. Diese mögliche Darstellung des Effektivzinses beruht auf einer Gesetzesänderung, welche der Verbraucherschutz unterstützte. Doch wer so denkt und sich wegen der günstigen Konditionen jetzt eine Finanzierung mit allen Konsequenzen aufbürdet, die unter normalen Umständen nicht realisierbar wäre, sitzt womöglich auf einer Zeitbombe.

Zinsroulette mit dem Eigenheim

Der heutige Darlehensnehmer wählt meist eine Zinsbindungsfrist bis zu zehn Jahren und in Ausnahmefällen auch mal bis zu fünfzehn Jahren. Durch einen geringen Tilgungsanteil ist in aller Regel dann noch eine erhebliche Restschuld vorhanden, die eine Anschlussfinanzierung erforderlich macht. Eine Anschlussfinanzierung ist seit der Einführung von Basel II und der daraus resultierenden Prolongation für viele Darlehensnehmer keine Selbstverständlichkeit mehr geworden. Selbst wenn sich das aktuelle Zinsniveau noch drei bis vier Jahre hält, betrifft das Prolongationsrisiko einer Zinserhöhung alle Kunden erst nach dem Ablauf der ersten Zinsbindungsfrist. Kunden sollten daher von Beginn an die möglich längste Zinsbindungsfrist, also mindestens 20 Jahre mit einer hohen Tilgung und möglichst vielen Sondertilgungsmöglichkeiten vereinbaren, um eine lange Kostenkontrolle sicherzustellen. Gerade bei der Eigenheimfinanzierung geht es doch um mehr! Familienglück und Altersvorsorge sind nur zwei gravierende Faktoren bei der Entscheidung, ein Eigenheim sein Eigen zu nennen.

Bei so hohen Investitionskosten ist jedes Ausfallrisiko in Betracht zu ziehen und die möglichen Mehrkosten nach der ersten Zinsfestschreibung sind also aus heutiger Sicht ein solches Risiko. Bei anderen Krediten wie zum Beispiel einem Konsumkredit ist immer die erste und letzte Rate über die gesamte Laufzeit bekannt. Auch im Versicherungsbereich schließt kaum ein Kunde bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder Pflegeversicherung nur für zehn Jahre ab, wenn er erst in dreißig Jahren in Rente geht, sondern sichert den gesamten Zeitraum ab. Bundesbürger, die eine Kostenexplosion reduzieren können, sorgen vor.

Heute schon zusätzliche Liquidität bilden

Verblüffend ist im Gegenzug, dass Kunden bei Anlageprodukten immer eine Garantie haben möchten, obwohl nachweislich zum Beispiel im Investmentbereich mit konservativer Anlagepolitik die Kurse langfristig in der Vergangenheit gestiegen sind.

Bei Eigenheimfinanzierungen endet die reale Kostenkalkulation mit Ablauf der ersten Zinsbindung. Beispiel: Nach einer zehnjährigen Zinsbindung mit zwei Prozent Zinssatz und zwei Prozent Tilgung verbleibt in der Regel eine Restschuld in Höhe von 77,9 Prozent des Ursprungsdarlehens. Bei einem Darlehen von 300 000 Euro sind das immerhin noch 233 640 Euro, die zu einer Neuverhandlung für den Eigenheimbesitzer anstehen. Da Experten in der Branche nicht von einem weiteren Absinken der Zinssätze ausgehen, sollten sich Laien über die Auswirkungen einer möglichen Zinssteigerung Gedanken machen. Wenn der Zinssatz für den Eigenheimbesitzer nur um zwei Prozent im Jahr steigt, schmälert dies seine monatliche Liquidität zukünftig um rund 390 Euro, vorausgesetzt es wird überhaupt eine Anschlussfinanzierung gewährt.

Eine Berechnung der Rentenlücke haben schon viele in ihrem Leben gemacht, damit sie im Alter ihren Lebensstandard halten können. Danach heißt es ebenso oft: berechnet und vergessen. Eine Überprüfung der eigenen aktuellen Finanzierung realisieren jedoch die wenigsten, denn hier wird sich oft auf dem Erreichten ausgeruht. Dabei reicht ein einfacher Taschenrechner, um mit einer "Bierdeckelformel" mögliche Kostenexplosion zu ermitteln.

Ausruhen kann sich derjenige, der bereits bei Vertragsbeginn eine langfristige Zinsfestschreibung gewählt hat, also sich heute schon für 20 oder 25 Jahre mit einer hohen Tilgung entschieden hat. Für Immobilienbesitzer, die eine kurze Zinsbindung bis zehn Jahre gewählt haben, heißt das Zauberwort: Heute eindringlich zusätzliche Liquidität bilden.

Dies kann geschehen, indem man während der Zinsbindung zusätzlich bauunabhängiges Kapital bildet und dieses dann möglicherweise für eine Sondertilgung bei der Prolongation benutzt, um eine Restschuld beziehungsweise die neue Darlehensrate zu verringern. Selbst bestehende Verträge können hier in Betracht gezogen werden. Hier bleibt der Darlehensnehmer aber immer noch von den Gegebenheiten einer Zinserhöhung betroffen.

Zinssicherungsinstrumente

Ein beliebtes Zinssicherungsinstrument mit langer Geschichte in Verbindung mit der Eigenkapitalbildung ist der klassische Bausparvertrag. Diese gemeinschaftliche Spareinrichtung wird von vielen zum Sparen genutzt, doch weniger um ein Darlehen zu erhalten. Selbst nach den Kündigungswellen der letzten Monate, wo Bausparkassen die Altverträge mit hoher Verzinsung gekündigt haben, bleibt der Zuspruch der Kunden erhalten. Um ein Darlehen zu erhalten, muss der Kunde ein bestimmtes Sparverhalten vorweisen, durch dieses bekommt er je nach Tarif und Bausparkasse seine Zuteilungspunkte. Nicht jeder, der einen Bausparvertrag anspart, erhält dann automatisch ein Darlehen, auch wenn viele Kunden das so sehen.

Wenn ein Kunde dann ein Darlehen nutzen möchte, ist dieses immer an eine schnelle Rückzahlung und an seine persönliche Bonitätsprüfung gekoppelt. Die Absicherung des Zinsrisikos für eine Anschlussfinanzierung ist sicherlich über einen Zeitraum von zehn Jahren möglich, erfordert jedoch die Aufbringung von hohen monatlichen zusätzlichen Geldmitteln, um sich die günstigen Darlehenszinsen für die Zukunft zu sichern.

Je nach Bausparkasse und Tarif braucht der Kunde zwischen dreißig und fünfzig Prozent Eigenkapital. Vorteilhaft und sehr bekannt sind hier die möglichen staatlichen Förderungen, wie zum Beispiel das Vermögensbildungsgesetz, die Wohnungsbauprämie oder sogar Wohn-Riester mit Steuervorteilen.

Vorteil Genossenschaften: das Zielkauf-Konzept

Eine weitere, noch weitestgehend unbekannte Alternative zur Zinssicherung sind die Angebote von manch einer Wohnungsgenossenschaft. Das Prinzip der Wohnungsgenossenschaften ist mitgliederorientiert und weniger gewinnorientiert. Diesem liegt bei den Berechnungsgrundlagen die ursprüngliche Idee des Bausparens mit dem gemeinschaftlichen Sparen und dem Punktesystem für seine Mitglieder zugrunde.

Genossenschaftssparen, zum Beispiel mit dem Zielkauf-Konzept der Genobau Zielkauf eG, ist für viele eine Alternative zur Absicherung einer Anschlussfinanzierung für das eigengenutzte Wohnen. Wer hier regelmäßig Genossenschaftsanteile erwirbt, dem steht schon nach wenigen Jahren eine stattliche Investitionssumme, für eine zinssichere Anschlussfinanzierung des Eigenheims zur Verfügung.

Hier greift jetzt das Sicherheitskonzept der Genossenschaft für seine Mitglieder, sodass kein Dritter je auf das Objekt Zugriff hat, denn jetzt erwirbt die Genossenschaft im Auftrag des Mitglieds das Objekt. Bei einer Anschlussfinanzierung wird also das Darlehen von der Bank durch die Genossenschaft abgelöst und das Objekt erworben. Das Mitglied erhält jetzt ein 25-jähriges alleiniges Dauerwohn- und Nutzungsrecht sowie ein im Grundbuch (Abt. II) eingetragenes Vorkaufsrecht, welches jederzeit an die Erben weitergegeben werden kann. Auf den ersten Blick ist das sicherlich ein ungewöhnliches Konzept und für manch einen bedarf es eines Umdenkens, doch diese Grundbuchumschreibung ist im Wesentlichen vom allseits bekannten "Nießbrauchrecht", das bei einer Vererbung des Eigenheimes an die Kinder bekannt ist, abgeleitet.

"Wie Eigentum - nur besser", denn die Genossenschaft als Geldgeber stellt die Mittel als eine Investitionssumme und nicht als Darlehen zur Verfügung. So ist das Grundbuch (Abt. III) lastenfrei und das Mitglied bezahlt für das Dauerwohn- und Nutzungsrecht einen Zins, der schon bei Beginn der Mitgliedschaft festgelegt ist. Diese Zinssicherheit ist bis zu 25 Jahre festgelegt und bei einer Eigenkapitalbildung von nur zehn Prozent der benötigten Summe für die Anschlussfinanzierung ist der monatliche zusätzliche Sparbetrag für den Kunden überschaubar.

Durch die "Kann-Option" hat das Mitglied die Freiheit, bei einem zukünftig hohen Zinsangebot für die Anschlussfinanzierung die Investitionssumme von der Genossenschaft abzurufen, oder die Möglichkeit, das angesparte Kapital in der Genossenschaft zur freien Verfügung zu nutzen. Sich zwischen Miete und Eigentum entscheiden zu können ist eine alte Idee der Wohnungsgenossenschaften in Deutschland. "Eigentümer" sein und die Risiken des Wohnens auf die breiten Schultern einer starken Gemeinschaft zu legen, lässt jeden in den "eigenen vier Wänden" ruhiger schlafen. Auch die staatlichen Förderungen, gerade im Bereich der Vermögensbildung (VL Vermögenswirksame Leistungen), machen das Genossenschaftskonzept auch aus Sicht der Zulagen für viele interessant.

Das Internet bietet heute viele Möglichkeiten, die persönliche Situation zu berechnen und nach Alternativen zu suchen. Wer seine Finanzierung auf den Prüfstand stellt, schaut danach möglicherweise entspannt in die Zukunft. Doch leider sieht die Realität anders aus, und nur wenige werden schon in den ersten Jahren der Zinsfestschreibung aktiv, da die aktuelle Rate oft schon an der Liquiditätsgrenze des Einkommens liegt. Hier liegt auch die neue Chance für eine professionelle Finanzberatung durch Makler. Diese können dem Kunden das persönliche Einsparpotenzial aufzeigen, damit er Liquiditätsreserven für die Finanzierung bilden kann.

Hinterher ist man immer schlauer, doch manchmal ist das Hinterher noch ganz weit weg.

Der Autor

Sven Meier Vorstand Vertrieb, Genobau Zielkauf Wohnungsgenossenschaft eG, Fischbachau-Wörnsmühl

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