Immobilienbewertung

Indikative Wertermittlung von Bodenwerten

Ansatz für deduktiven Preisvergleich Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Reuter, F. (2006): Zur Ermittlung von Bodenwerten in kaufpreisarmen Lagen, in: fub 3/2006, Seiten 97-107; hier: Seite 100.

Die Beurteilung von Bodenwerten ist ein komplexes Thema. Problematisch wird es, wenn sowohl die Recherche nach geeigneten Kaufpreisen als auch nach geeigneten Bodenrichtwerten ergebnislos verlaufen. In diesen Fällen sind die üblichen Verfahren der Bodenwertermittlung aufgrund der fehlenden erforderlichen Daten (Vergleichspreise, Bodenrichtwerte) nicht anwendbar. Als Lösung könnte ein modifiziertes Verfahren zum Einsatz kommen, bei dem der (Schätz-) Wert des Grundstücks unter Berücksichtigung aller Umstände aus tatsächlichen rechtlichen sowie wirtschaftlichen Gegebenheiten auf der Grundlage sachverständig angewandter "Hilfskonstruktionen" aus in der Theorie und Praxis der Wertermittlung angewandter Verfahren ermittelt wird. Red.

Bei der Bewertung von Grundstücken nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) ist der Wert des Bodens vorrangig im Vergleichswertverfahren (§ 15) zu ermitteln. Dabei kann der Bodenwert auch auf der Grundlage geeigneter Bodenrichtwerte ermittelt werden. Im Vergleichswertverfahren wird der Vergleichswert aus einer ausreichenden Zahl von Vergleichspreisen ermittelt. In der Praxis der Grundstückswertermittlung kommen zur Anwendung:

- Vergleichswertverfahren auf Basis von Kaufpreisen = direkter Vergleich.

- Vergleichswertverfahren mittels Bodenrichtwerten = indirekter/mittelbarer Vergleich.

Problematisch wird es, wenn sowohl die Recherche nach geeigneten Kaufpreisen als auch die Recherche nach geeigneten Bodenrichtwerten ergebnislos verlaufen. Dies kann der Fall sein, wenn Grundstücke ein besonderes Charakteristikum aufweisen, zum Beispiel Parkplatz mit Nutzungsbeschränkung und öffentlicher Zweckbindung. Auch wenn hierdurch nicht jegliches privatwirtschaftliches Gewinnerzielungsstreben entzogen wurde, können insbesondere bauplanungsrechtliche Festsetzungen und Baulasteintragungen den Gemeinbedarfszweck auf Dauer sichern.

Aus dem Kontext der Ausgangslage ergibt sich eine weitere Bewertungsmöglichkeit, die sogenannte "Pauschalierte Bruchteilsbewertung", wonach der Wert einer Gemeinbedarfsfläche nach einem bestimmten Prozentsatz des angrenzenden privatwirtschaftlich nutzbaren baureifen Landes bemessen wird. Da dies aber ein schwer begründbarer und nach herrschender Meinung überwiegend willkürlicher Ansatz der Bewertung ist, und möglicherweise angrenzend keine vergleichbaren privatwirtschaftlich nutzbaren Bauflächen vorhanden sind, erscheint die Anwendung dieser Methode als nicht zielführend.

Ebenso wenig sachgerecht kommt eine "Bewertung nach Umgebungsbebauung" in Betracht, da hier die deutlich einschränkenden Wertmerkmale wie Zweckbindung vollständig außer Acht gelassen werden würden. Bei einer Transaktion (zum Beispiel im Zusammenhang mit der Begründung/Beendigung eines Erbbaurechtes) wären auch eine "unentgeltliche Übertragung" oder die Ermittlung eines sogenannten "Anerkennungsbetrages" denkbar. Allerdings würde man dabei unter anderem voraussetzen, dass die zu bewerteten Flächen zu keinerlei Ertragserzielung geeignet sind. Dies erscheint ebenfalls als nicht sachgerecht.

Die üblichen Verfahren der Bodenwertermittlung sind aufgrund der fehlenden erforderlichen Daten (Vergleichspreise, Bodenrichtwerte) nicht anwendbar. Auch spezielle Verfahren, die insbesondere im Rahmen der Bewertung klassischer Gemeinbedarfsflächen angewandt werden, sind bei dieser Konstellation kaum sachgerecht anwendbar, da es entweder an der objektiven Nachvollziehbarkeit mangelt oder die speziellen Grundstücksgegebenheiten keine vollständige Berücksichtigung finden würden.

Als Lösung könnte ein modifiziertes Verfahren zum Einsatz kommen, bei dem der (Schätz-)Wert des Grundstücks (zum Beispiel der Parkplatzflächen) unter Berücksichtigung aller Umstände aus tatsächlichen rechtlichen sowie wirtschaftlichen Gegebenheiten auf der Grundlage sachverständig angewandter "Hilfskonstruktionen" aus in der Theorie und Praxis der Wertermittlung angewandter Verfahren ermittelt wird. Für den sogenannten "deduktiven Preisvergleich" kommen hierbei ertragsorientierte Ansätze in Anlehnung an das Mietsäulenverfahren beziehungsweise mittels Mieten und Baukosten (Abbildung) in Betracht.

Modifizierte Verfahren als Lösungsansatz

Bei dem Verfahren mit ertragsorientiertem Ansatz wird insbesondere der kausale Zusammenhang von Ertrag aus der Bewirtschaftung und dem Bodenwert genutzt. Je höher der Ertrag aus der Nutzung der baulichen Anlagen, umso höher ist auch der Bodenwert, auf dem die baulichen Anlagen stehen.

In einem ersten Schritt wird die Ertragskraft des Bewertungsgrundstücks (in Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche pro Monat) auf Basis der erzielbaren Umsätze durchgeführt. Danach wird die potenzielle Ertragskraft eines nahe gelegenen Grundstücks (mit ähnlicher Nutzung zum Beispiel Gewerbe), wo das Bodenwertniveau bekannt ist, ermittelt. Ausgehend von den vorhandenen Daten (Bodenrichtwert und maximale Bebaubarkeit) sowie Annahmen hinsichtlich einer Marktmiete kann im Ergebnis eine Ertragskennzahl, die das Verhältnis von Boden(richt)wert zu dem zu erwartenden Mietertrag ausdrückt, ermittelt werden. Das Verhältnis der Ertragskraft des Vergleichsgrundstücks zu der des Bewertungsgrundstücks (Faktor X) wird dann auf den Boden(richt)wert übertragen, sodass sich daraus ein Bodenwertniveau für das Bewertungsgrundstück ergibt.

Ein modifiziertes Residualwertverfahren bietet eine weitere Möglichkeit, um das Bodenwertniveau des Bewertungsgrundstücks zu ermitteln. Beim klassischen Residualwertverfahren werden vom Verkehrswert des Bewertungsobjektes die Bau-, Entwicklungs- und Vermarktungskosten einschließlich eines kalkulatorischen Unternehmensgewinns für die Projektentwicklung abgezogen, um das Residuum (= tragfähiger Grundstücks-/ Bodenwert) zu erhalten. Die Modifikation besteht nunmehr in der Verknüpfung von Sachwert- und Ertragswertverfahren.

Der Verkehrswert des Bewertungsobjektes entspricht dem Ergebnis der Ertragswertermittlung, sofern es sich um ein Renditeobjekt handelt. Mit Ausnahme des Bodenwertes beziehungsweise Bodenwertverzinsungsbetrages stehen die erforderlichen Parameter für die Ertragswertermittlung zur Verfügung. Weiterhin ist der Sachwert der baulichen Anlagen bekannt beziehungsweise kann ermittelt werden, welche an die Stelle des Ertragswertes der baulichen Anlagen rückt.

Hierdurch lässt sich der eingangs zunächst unbekannte Parameter - Bodenwertverzinsungsbetrag (anschließend der Bodenwert) - ermitteln. Somit vereint die beschriebene Ermittlung des Bodenwerts über den Bodenwertverzinsungsbetrag den im Sachwertverfahren verwendeten Herstellungskostenansatz mit den sich aus den Mietansätzen ergebenden Ertragskomponenten des Ertragswertverfahrens, wobei die Bestimmung des Bodenwertes dem Wirtschaftlichkeitsprinzip folgt, das heißt ein (mindestens) gleichhoher Ertragswert wie Sachwert der baulichen Anlagen unterstellt wird.

Die Prämissen der Methodik sind daher:

1) Der Bodenwertansatz als Bestandteil beider Verfahren (Sach- und Ertragswert) wird als identisch festgesetzt.

2) Der ermittelte Ertragswert (EW) muss mindestens dem ermittelten Sachwert (SW) entsprechen, da die Investition sonst als unwirtschaftlich - und damit nicht dem Wirtschaftlichkeitsprinzip folgend - gelten würde.

Formal lassen sich die oben genannten Ausführungen wie folgt zusammenfassen:

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Die Ergebnisse beider Verfahren, welche nahe beieinander liegen können, stellen nur eine Wertindikation dar. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass die in den Verfahren vorhandene Sensitivität der Eingangsgrößen auf die "Bewertungsgröße" Bodenwert sehr hoch ist.

Ergebnisse beider Verfahren stellen nur Wertindikation dar

Als Beispiel hierzu wären zum einen die geschätzten Herstellungskosten im modifizierten Residualwertverfahren zu nennen, welche bei einer nur 10-prozentigen Veränderung eine signifikante Änderung des Bodenwertes zur Folge hätte. Auch bei der Anwendung des ertragswertorientierten Ansatzes ist zum Beispiel der eingeschätzte Rohertrag von hoher Sensitivität, da er sich ebenso signifikant auf den Bodenwert auswirkt.

Die sachverständige Expertise ist hier im besonderen Maße gefragt, nicht nur in Bezug auf die Einschätzung und Wahl der Eingangsgrößen sondern auch hinsichtlich des Umgangs mit unterschiedlichen Eigenschaften der Vergleichsgrundstücke (beispielsweise Lage) beziehungsweise Besonderheiten des Bewertungsgrundstücks (zum Beispiel unterschiedliche Ausnutzung).

Der Autor dankt seinen Mitarbeitern für die rege Diskussion und die konstruktiven Anregungen. Er vertritt in seinem Beitrag seine persönliche Meinung.

Der Autor Martin Beck Senior Manager, Leiter Fachbereich und Branchencenter Real Estate, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München

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