ÖFFENTLICHE INFRASTRUKTUR

KOMMUNALE INVESTITIONEN - AKTUELLE TRENDS UND HINTERGRÜNDE

René Geissler, Foto: privat

Die Kommunen sind im föderalen System die wichtigste Instanz für die Bereitstellung öffentlicher Leistungen vor Ort. Dementsprechend stemmen sie zugleich auch den größten Anteil der staatlichen Investitionen. Doch trotz der seit Jahren währenden erfreulichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gestaltet sich die Aufgabenerfüllung für Städte und Gemeinden immer anspruchsvoller, was nicht zuletzt daran liegt, dass fortwährend neue Investitionsfelder von den Kommunen bespielt werden müssen. Der Autor des vorliegenden Beitrags beleuchtet die wichtigsten aktuellen Trends bei den kommunalen Investitionen und zeigt darüber hinaus Lösungsansätze auf, um dem aufgestauten Investitionsrückstand effektiv begegnen zu können. Red.

Die Bedeutung öffentlicher Investitionen ist in den vergangenen Jahren mehr und mehr in das Bewusstsein von Öffentlichkeit und Politik gerückt. Investitionen, die weithin in Infrastruktur fließen, sind elementar für die Entwicklung der Volkswirtschaft und die Qualität öffentlicher Leistungen. Knapp 60 Prozent der öffentlichen Investitionen entfallen dabei auf die Kommunen, welche folgerichtig in dieser Debatte auch meist im Fokus stehen.

Verlust an Infrastruktur

Seit vielen Jahren lassen sich aus den Statistiken ein zu geringes Niveau und somit ein Verlust an Infrastruktur ablesen. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung belegt für die Kommunen seit dem Jahr 2003 negative Nettoinvestitionen. Der Investitionsrückstand für die Kommunen wird durch die KfW aktuell auf 138 Milliarden Euro beziffert, mithin das Vierfache der in 2018 getätigten Investitionen.

Das Problem hat sich weiter verschärft, da nicht mehr allein der Ersatzbedarf zu decken ist, sondern Migration, Digitalisierung, Klimawandel, Wohnungsnot in Großstädten neue und zusätzliche Investitionsbedarfe hervorrufen. Vieles davon trifft wiederum die Kommunen. Vor diesem Hintergrund wirft dieser Beitrag einen Blick auf die aktuellen Trends der kommunalen Investitionen, benennt die Ursachen bestehender Probleme und mögliche Handlungsansätze.

Sonderprogramme stützen bundesweite Entwicklung

Die bundesweite Entwicklung der kommunalen Investitionen ist, auf den ersten Blick, positiv, wie Abbildung 1 zeigt. Unter den Begriff "Investition" (Sachinvestition) subsumiert die Finanzstatistik hierbei im Wesentlichen die Ausgaben für den Bau und Erwerb von Grundstücken sowie den Erwerb von Beteiligungen. In Summe aller Kommunen steht seit 2012 ein Zuwachs von 41 Prozent. Allerdings überschritten die Investitionen nur langsam das Niveau vor der Finanzkrise.

Tatsächlich zeitigte der Einbruch im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise hier paradoxe Effekte. Die kommunalen Investitionen sanken nicht in den Jahren 2009/2010 im Zuge hoher Defizite, sondern sie stiegen außerordentlich. Dies lässt sich auf das Konjunkturprogramm der Bundesregierung zurückführen, welches als kurzfristige Krisenreaktion rund zehn Milliarden Euro mobilisierte. Auch der große Sprung im Jahr 2018 lässt sich weithin auf den Effekt eines befristeten zusätzlichen Bundesprogramms zurückführen, das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz (KinvFG). Ohne diese beiden Programme sähe die Zeitreihe damit anders aus.

Die Jahre seit 2012 waren von einer historisch fast beispiellosen Konjunktur und damit jährlichen hohen Mehreinnahmen geprägt. Angesichts der allerorten beklagten Investitionsschwäche hätten sich diese Mehreinnahmen angeboten, das Investitionsniveau spürbar anzuheben. Dies ist nicht gelungen, wie die Investitionsquoten im Zeitverlauf zeigen. Jene bewegen sich im Zeitraum 2012 bis 2018 zwischen 11,7 und 12,7 Prozent der Ausgaben.

Es gibt keinen klaren Trend nach oben. Im Gegenteil, Rückgänge kamen vor. In den vergangenen fünf Jahren steigen die Ausgaben der Kommunen um 51 Milliarden Euro. Lediglich 14 Prozent dessen entfielen auf Investitionen, ein deutlich größerer Anteil auf Soziales und Personal. Eine positive Konjunktur hat somit keinen automatischen Effekt auf die Investitionen. Ein konjunktureller Abschwung wird jedoch einen negativen haben, denn in den Kommunen sind Investitionen in gewisser Weise stets "nachrangig". Ihre Höhe hängt vom jeweiligen Überschuss ab.

Die Investitionen im engeren Sinne, also die reinen Baumaßnahmen der Kommunen, verteilen sich auf die einzelnen Themen wie folgt: An der Spitze liegen Straßen und Schulen mit zusammen gut 40 Prozent (siehe Abbildung 2). Dies spiegelt die hohe Bedeutung der Schulträgerschaft für die kommunalen Haushalte wider. Im Bereich zentrale Verwaltung stehen Verwaltungsgebäude im Vordergrund. Unterschätzt wird anhand dieser Zahlen das Thema Kita, denn hier fällt ein großer Teil der Investitionen außerhalb der Kommunalhaushalte bei den sogenannten freien Trägern an. Die Besonderheit der Kita-Investitionen liegt auch darin, dass hier ein fundamentaler Ausbau der Kapazitäten stattfand und weiterhin stattfindet, während es sich bei Schulen und Straßen größtenteils um Ersatzbauten handelt.

Große regionale Unterschiede

Ist nach Ansicht vieler Experten das Investitionsniveau bereits in bundesweiter Betrachtung zu gering, so verschärft der Blick auf die Kommunen nach Ländern das Problem erheblich, denn die Investitionstätigkeit fällt regional weit auseinander. Dabei sind die in Abbildung 3 dargestellten Zahlen für das Jahr 2018 durchaus für einen längeren Zeitraum repräsentativ. Seit vielen Jahren liegen die Kommunen des Saarlandes und NRW mit ihren Investitionen am Ende und jene in Bayern und Baden-Württemberg an der Spitze.

Zehn der 13 Länder liegen aktuell in einem recht engen Korridor zwischen 270 und 370 Euro je Einwohner. Dies ist für sich betrachtet bereits ein Erfolg, denn im Zuge der guten Konjunktur haben die schwächeren Länder in den letzten Jahren etwas aufgeholt und die Spreizung ist kleiner geworden. Nichtsdestoweniger gilt: Pro Einwohner investieren die Kommunen Bayerns dauerhaft gut dreimal so viel wie jene im Saarland. Die Folgen für die jeweilige kommunale Infrastruktur sind offensichtlich.

Abbildung 3 zeigt ebenso die Investitionsquoten der Kommunen nach Ländern. Im nationalen Durchschnitt beträgt diese zwölf Prozent. Sie schwankt allerdings zwischen sieben Prozent in NRW und 20 Prozent in Bayern. Dies zeigt noch einmal mehr, wie unterschiedlich die Struktur der Kommunalhaushalte ist und ebenso, wie sehr der bundesweite Durchschnitt durch die Stärke Bayerns "geschönt" wird.

Ursachen geringer Investitionen: Haushaltslage entscheidend

Mit Blick auf diese gravierenden Differenzen in einem Feld mit so großer Relevanz für die Zukunft einer Kommune stellt sich die Frage nach den Ursachen. Grundsätzlich resultiert die Investitionskraft einer Kommune aus ihrer allgemeinen Finanzsituation. Ist der Haushalt entspannt, stehen Mittel für Investitionen zur Verfügung. Ist er angespannt oder gar defizitär, sind die Investitionen der erste Kürzungsbereich.

Dies erklärt die gravierenden Differenzen zwischen zum Beispiel den Kommunen im Saarland und Bayern. Im Saarland sind Defizite und Konsolidierungspläne seit Jahrzehnten die Regel, in Bayern hingegen Überschüsse. Die Haushaltskrisen, unter denen viele Kommunen leiden, lassen sich wiederum zum großen Teil auf wirtschaftliche Probleme und hohe Sozialausgaben zurückführen. Denn: Sozialausgaben verdrängen Investitionen.

Wählerische Baubranche

In den vergangenen Jahren kamen neue Hürden hinzu. So fehlt in vielen Kommunen das Personal für die Bauämter, um Projekte umzusetzen. Dies ist eine Folge früherer personeller Umschichtungen, Altersfluktuation, Fachkräftemangel und sprunghaft gestiegener Planungen im Zuge von Fördermitteln. Tatsächlich adressierten Bund und Länder seit der Finanz- und Wirtschaftskrise eine ungeahnte Fülle von zusätzlichen Mitteln. Einigen Kommunen fehlt mittlerweile das Personal, diese abzurufen.

Neu ist auch die komfortable Situation der Baubranche. Sie ist seit Jahren ausgelastet und meidet öffentliche Aufträge infolge hoher Bürokratie. Geplante Investitionen fallen daher regelmäßig aus Mangel an Baufirmen aus. Ein erheblicher Teil der hohen Überschüsse der letzten Jahre und der steigenden Rücklagen erklärt sich aus diesem Phänomen.

Mehr ungebundene Finanzmittel als Königsweg

Über viele Jahre litten die Kommunen schlicht an einem Mangel an Geld und waren dankbar für jedweden Fördertopf. Dies traf auf Regierungen in Bund und Land, die sich gern mit neuen Fördertöpfen rühmen, was angesichts guter Einnahmen in den letzten Jahren auch leicht zu bewerkstelligen war. Diese Situation hat sich geändert. Eine bloße Aufstockung der Fördermittel wird den Investitionsstau nicht mehr beheben, denn diese können nicht umgesetzt werden. Hilfreich wäre ein Abbau der Bürokratie in den Förderverfahren. Dies würde es vor allem den kleineren Gemeinden ermöglichen, die ihnen zugedachten Mittel auch tatsächlich auszuschöpfen. Der Königsweg ist hingegen die Aufstockung der allgemeinen ungebundenen Finanzmittel. Dies würde jedwedes Verwaltungsverfahren erübrigen und den Kommunalen maximale Freiheit einräumen. Dem steht jedoch das Interesse von Bund und Ländern entgegen, Investitionen zu steuern, politischen Erfolg zu erzielen und die Mittel bei eigenen Engpässen auch wieder kürzen zu können.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Investitionen der Kommunen, zumindest in weiten Teilen Deutschlands, seit vielen Jahren zu gering sind, um das gewünschte Maß an Infrastruktur zu erhalten. Neue Bedarfe erhöhen die Lücke weiter. Viele Jahre bestand die Hürde in einem Mangel an Finanzen. Dieser hat sich weithin aufgelöst, wurde jedoch abgelöst durch einen Mangel an Fachpersonal, Baufirmen und einem Übermaß an Bürokratie. Zum jetzigen Zeitpunkt muss man davon ausgehen, dass die Disparitäten der Investitionen und daraus folgend der Qualität der Infrastruktur zunehmen. Dies ist zweifellos ein Risiko für die Entwicklung unseres Landes.

DER AUTOR DR. RENÉ GEISSLER Senior Expert Kommunalfinanzen, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
René Geissler , Senior Expert Kommunalfinanzen, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X