MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

KREDITWIRTSCHAFTLICHE WERTERMITTLUNG VON KLEINDARLEHEN: VORSTELLUNG DER VDP-UMSETZUNGSHILFEN

Matthias Fischer, Foto: Lotte Ostermann

Im Bereich der Wohnimmobilienfinanzierung wurden hierzulande allein im vergangenen Jahr Darlehensauszahlungen in Höhe von rund 245 Milliarden Euro vorgenommen. Rund drei Viertel davon entfielen auf Finanzierungen von Eigentumswohnungen und Eigenheimen, also Objektarten, die im sogenannten Kleindarlehensbereich angesiedelt sind. Allein das verdeutlicht die enorme Relevanz dieser Kreditkategorie für Banken und Gesellschaft. Die dazugehörige kreditwirtschaftliche Wertermittlung wartet dabei mit einigen regulatorischen Besonderheiten auf, um die es im vorliegenden Beitrag geht. Konkret stellt der Autor die kürzlich vom Verband der deutschen Pfandbriefbanken (vdp) konzipierten Umsetzungshilfen zur kreditwirtschaftlichen Wertermittlung im Kleindarlehensbereich (UKD) am Beispiel der Eigennutzungsfähigkeit und Eigennutzung von Kleindarlehensobjekten vor. Red.

In der kreditwirtschaftlichen Wertermittlung, der Immobilienbewertung für Finanzierungszwecke, sieht die in Deutschland maßgebliche Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) in § 24 Erleichterungen für die standardisierte private Wohnimmobilienfinanzierung in Deutschland vor. Ziel ist es, den Banken einen effizienten Kreditvergabeprozess in diesem risikoarmen Geschäftsfeld zu ermöglichen.

Zwischen Erleichterungen und hohen Qualitätsanforderungen

Gleichzeitig soll aber auch den hohen Qualitätsanforderungen des Hypothekenpfandbriefs Rechnung getragen werden, den Pfandbriefbanken zur Refinanzierung begeben und dessen Deckungsmasse aus grundpfandrechtlich besicherten Immobiliendarlehen besteht. Somit kommt dem Beleihungswert und dessen Ermittlung sowohl für die Kreditkonditionengestaltung als auch im Rahmen der Sicherheitenbewertung für die Pfandbriefemission eine entscheidende Bedeutung zu.

Dieses standardisierte Wohnimmobilienfinanzierungsgeschäft wird im Kontext der BelWertV als Kleindarlehen bezeichnet. Sämtliche Regelungen dazu enthält § 24 BelWertV. Kleindarlehen umfassen Finanzierungen, bei denen der Nominalbetrag der Grundschuld einschließlich Vorlasten den Betrag von 400 000 Euro nicht übersteigt, und beziehen sich ausschließlich auf wohnwirtschaftlich genutzte Objekte. Eine teilweise gewerbliche Nutzung ist möglich, wenn der darauf entfallende Ertragsanteil ein Drittel des Rohertrags nicht überschreitet.

Wird diese Definition erfüllt, können Erleichterungen gegenüber einer sonstigen Beleihungswertermittlung genutzt werden, die sich im Wesentlichen auf folgende Anforderungen beziehen: (1) die Dokumentationserfordernisse, (2) die Qualifikation/ Unabhängigkeit des Wertermittlers und (3) die Innen- und Außenbesichtigung.

Ein hart umkämpfter Markt

Das sogenannte "Massengeschäft" - also das Wohnimmobilienfinanzierungsgeschäft mit Privatkunden - ist in Deutschland ein hart umkämpfter Markt. Im Gegensatz zum Beispiel zu den Niederlanden, in denen sich einige wenige Großbanken den Wohnimmobilienfinanzierungsmarkt aufteilen, zeichnet sich Deutschland durch eine stark fragmentierte Bankenlandschaft aus, in der hunderte Institute dieses Finanzierungssegment anbieten: Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Bausparkassen und Privatbanken.

Wenig verwunderlich ist es daher, dass Banken in diesem Segment unter einem hohen Effizienzsteigerungs- beziehungsweise Kostensenkungsdruck stehen. Auch vor dem Bereich Wertermittlung macht diese Entwicklung nicht halt: Gerade im Zuge der Digitalisierung stehen die bankinternen Abläufe und Prozesse ständig auf dem Prüfstand. Gleichzeitig müssen insbesondere die strengen regulatorischen Vorgaben zur Bewertung aus dem Pfandbriefgesetz (PfandBG), der BelWertV, aber auch die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), Vorgaben aus der Wohnimmobiliarkreditrichtlinie sowie - falls von der sogenannten Eigenkapitalprivilegierung profitiert werden soll - die Regeln der europäischen Capital Requirements Regulation (CRR) beachtet werden.

Aufzeigen von Spielräumen und Handlungsempfehlungen

Im Spannungsfeld von strenger Regulatorik einerseits und effizienten, wettbewerbsfähigen Prozessen andererseits hat der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) kürzlich sogenannte Umsetzungshilfen zur kreditwirtschaftlichen Wertermittlung im Kleindarlehensbereich (UKD) entwickelt. In den übersichtlich gestalteten Umsetzungshilfen finden Banken und Finanzinstitutionen die für das Kleindarlehensgeschäft wesentlichen regulatorischen Grundlagen sowie die UKD-Stellungnahmen und -Interpretationen der Bankenaufsicht.

Ebenfalls aufgenommen sind Erfahrungen aus Deckungsprüfungen in vdp-Mitgliedsinstituten, institutsübergreifend abgestimmte vdp-Ausarbeitungen sowie die Meinungsbildung der in den vdp-Gremien vertretenen Bewertungsexperten. Es sollen Spielräume und Handlungsoptionen aufgezeigt und - wenn möglich - praktische Lösungsansätze in der Kleindarlehensbewertung abgebildet werden.

Abbildung 1: Optionen bei der Abbildung des sogenannten Nachhaltigkeitsfaktors im Beleihungswert Quelle: vdp, UKD 5.6 Sachwertverfahren - Marktanpassung im Beleihungswert - Ableitung des Nachhaltigkeitsfaktors

In den Umsetzungshilfen wird hauptsächlich auf Aspekte der Bewertung mit direktem Bezug und besonderer Relevanz im Kleindarlehensbereich eingegangen. Methodische Grundlagen und Themen von allgemeiner, aber nicht kleindarlehensspezifischer Bewertungsrelevanz werden bewusst ausgeklammert. Erklärtes Ziel dabei ist, die einzelnen Schwerpunktthemen fortlaufend zu aktualisieren und an aktuelle Erkenntnisse und regulatorische Neuerungen anzupassen.

Ziel: Etablierung eines akzeptierten Marktstandards

Dabei sollen die in den Umsetzungshilfen zusammengefassten Ergebnisse bewusst einer breiten Öffentlichkeit über den Kreis der vdp-Mitgliedsinstitute hinaus zugänglich gemacht werden.1) Ziel ist es, im Bereich der kreditwirtschaftlichen Kleindarlehensbewertung einen allgemein akzeptierten, qualitativ hochwertigen Marktstandard zu etablieren, der Hinweise auf den Umgang mit bestimmten Sachverhalten in der Wertermittlung liefert.

Bestehende Freiheiten und Auslegungsspielräume der Institute im Umgang mit bestimmten Themenkomplexen bleiben dabei erhalten. Adressiert werden sollen neben bankinternen und externen Wertermittlern/Gutachtern auch Personen, die in den Instituten für die Kreditsachbearbeitung, die Aufbau- und Ablauforganisation, das Qualitätsmanagement oder die Beauftragung externer Dienstleister in der Kleindarlehensbewertung zuständig sind.

Die Umsetzungshilfen zur kreditwirtschaftlichen Wertermittlung gliedern sich aktuell in sechs Abschnitte:

1. Prozesse & Akteure,

2. Rechtliches,

3. Verfahrensübergreifende Themen,

4. Vergleichswertverfahren,

5. Sachwertverfahren,

6. Ertragswertverfahren.

Diese Abschnitte werden wiederum in weitere Unterrubriken untergliedert.

Abbildung 2: Inhaltsverzeichnis der UKD (Stand 5. November 2020) Quelle: vdp

UKD 1.6 - Eigennutzungsfähigkeit und Eigennutzung

Zur Veranschaulichung der Struktur und Intention der UKD wird im Nachfolgenden exemplarisch der Inhalt der UKD 1.6 zur Eigennutzungsfähigkeit und Eigennutzung vollständig dargestellt. Insbesondere im Rahmen der Nutzung von Erleichterungen gemäß § 4 Absatz 4 BelWertV ist es notwendig, die Eigennutzungsfähigkeit von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen zu beurteilen. Sind diese Immobilien eigennutzungsfähig, kann auf die Ertragswertermittlung verzichtet werden und der Beleihungswert am Sach- oder Vergleichswert orientiert werden.

Gemäß § 26 Absatz 1 Satz 3 BelWertV ist für nicht eigengenutzte Wohnimmobilien auch dann eine Überprüfung der Beleihungswerte vorzunehmen, wenn die auf dem Beleihungsobjekt abgesicherte Forderung einen wesentlichen Leistungsrückstand von mindestens 90 Tagen aufweist. Eigengenutzte Wohnimmobilien sind von dieser Überprüfungspflicht nicht betroffen.

Prüfungsaufwand sollte im Verhältnis zum Risiko stehen

Während im § 4 BelWertV nur auf die Eigennutzungsfähigkeit abgestellt wird, steht im Kontext des § 26 BelWertV die tatsächliche Eigennutzung im Fokus. Somit darf bei vermieteten Eigentumswohnungen, die eigennutzungsfähig sind, der Beleihungswert nach § 4 Absatz 4 BelWertV ausschließlich am Vergleichswert orientiert werden.

Grundsätzlich kann eine Immobilie als eigennutzungsfähig eingeschätzt werden, sobald das zu bewertende Objekt nach Zuschnitt, Ausstattungsqualität und Lage zweifelsfrei zur Eigennutzung geeignet und bestimmt ist und wenn bei gewöhnlicher Marktentwicklung nach den Umständen des Einzelfalls sicher vorausgesetzt werden kann, dass das Objekt von potenziellen Erwerbern für die Eigennutzung dauerhaft nachgefragt wird.

Bei eigengenutzten Objekten liegt die Eigennutzungsfähigkeit meist auf der Hand. Die Quote der Objekte, die eigengenutzt werden, aber nicht zur Eigennutzung geeignet sind, ist sehr gering, sodass der Prüfungsaufwand insbesondere im Kleindarlehensbereich im Verhältnis zum tatsächlichen Risiko stehen sollte.

Im Falle von vermieteten, aber eigennutzungsfähigen Wohnungen oder Ein- beziehungsweise Zweifamilienhäusern muss der Wertermittler entsprechend dem nachhaltigen Marktgeschehen prüfen, ob ein Abschlag im Verhältnis zu einer tatsächlich eigengenutzten Immobilie vorzunehmen ist; schließlich steht das Beleihungsobjekt dem potenziellen Eigennutzer ja nicht sofort zur Verfügung. Je nach Daten-, Markt- und Objektlage kann ein solcher Abschlag unterschiedlich hoch ausfallen oder auch entfallen.

Vermietungsabschlag erforderlich?

Die BaFin hat sich gegenüber dem vdp-Ausschuss für Bewertungsfragen hierzu wie folgt geäußert: "Sofern das Ergebnis der Prüfung der Eigennutzungsfähigkeit positiv ausfällt, es sich aber um ein vermietetes Objekt (Ein- und Zweifamilienhaus oder Eigentumswohnung) handelt und auf eine Ertragswertermittlung verzichtet wird, muss entsprechend dem nachhaltigen Marktgeschehen geprüft werden, in welcher Höhe ein Abschlag vom Sach- beziehungsweise Vergleichswert im Verhältnis zu einer tatsächlichen eigengenutzten Immobilie erforderlich ist."

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch nach § 4 Absatz 4 Satz 1 BelWertV, dass das Objekt von potenziellen Erwerbern für die eigene Nutzung dauerhaft nachgefragt wird. Die BaFin fordert in jüngster Zeit bei vermieteten Eigentumswohnungen auch eine Prüfung des Mietvertrages. Je nach Regelungen im Mietvertrag ist der Abschlag des Vergleichswertes, der in der Regel für nicht vermietete Eigentumswohnungen gilt, anzupassen. Die BaFin fordert hierzu in Prüfungen, dass im Falle von sogenannten umgewandelten Eigentumswohnungen auch zu prüfen sei, ob eventuell Kündigungssperrfristen bestehen, die dann regelmäßig zusätzlich zu berücksichtigen wären.

Für die Bewertung von vermieteten und als eigennutzungsfähig beurteilten Eigentumswohnungen sei die Einsichtnahme in den Mietvertrag erforderlich, um den Werteinfluss individuell und analytisch exakt beurteilen zu können. Daraus könnte sich auch ergeben, dass die Eigennutzungsfähigkeit als eingeschränkt betrachtet wird.

Eigennutzung: kein detektivischer Aufwand vonnöten

Für die Überprüfung, ob die beliehene Wohnimmobilie eigengenutzt ist oder nicht, ist kein "detektivischer Aufwand" notwendig. Alle vorhandenen Daten, wie zum Beispiel die Adresse von Objekt und Schuldner, sollten eine tatsächliche Eigennutzung bereits plausibel belegen können. Die BaFin hat sich zur Auslegung von § 26 BelWertV unter diesem Gesichtspunkt wie folgt schriftlich positioniert: "Diese Vorschrift stellt eindeutig darauf ab, dass eine Überprüfung der Grundlagen der Beleihungswertermittlung im Falle eines Rückstandes von mindestens 90 Tagen nur bei eigengenutzten Wohnimmobilien nicht zwingend erforderlich ist.

Die Vorschrift geht von dem Gedanken aus, dass ein erheblicher Leistungsrückstand Anlass für eine Überprüfung der Beleihungswertermittlung bildet. Lediglich bei eigengenutzten Wohnimmobilien, bei denen der Leistungsrückstand nicht auf ausfallenden Mieterträgen beruhen kann, ist diese ratio legis nicht einschlägig.

Handelt es sich dagegen um eine eigennutzungsfähige, aber nicht tatsächlich eigengenutzte Wohnimmobilie, kann ein etwaiger Rückstand auch auf ausgefallenen Mieterträgen beruhen und damit Anlass für eine Überprüfung der Beleihungswertermittlung bilden. Im Übrigen gehe ich nicht davon aus, dass zur Feststellung der Eigennutzung ein erheblicher - eventuell noch detektivischer - Aufwand erforderlich ist.

Fortlaufende Aktualisierung der UKD

Alle vorhandenen Daten - wie zum Beispiel Adresse von Objekt und Schuldner - sollten aber plausibel eine tatsächliche Eigennutzung belegen. Es bleibt der Pfandbriefbank im Übrigen unbenommen, eine Überprüfung der Grundlagen des Beleihungswertes auch bei vermuteter oder tatsächlicher Eigennutzung vorzunehmen, zum Beispiel wenn dem Institut der Aufwand für die Ermittlung der tatsächlichen Eigennutzung zu hoch sein sollte."2)

Die Ausführungen zur Eigennutzung beziehungsweise Eigennutzungsfähigkeit zeigen exemplarisch, wie wichtig neben der Kenntnis gesetzlicher Grundlagen insbesondere Kenntnisse über die Auslegung von Regelungen durch die Bankaufsicht und Erfahrungen der Institute aus der aufsichtlichen Prüfungspraxis sind. Hieraus ergibt sich der regulatorische Rahmen, den die mit dem Thema Wertermittlung betrauten Mitarbeiter in den Instituten, aber auch die von den Instituten beauftragten Dienstleister und externen Sachverständigen kennen sollten.

Klar ist auch, dass politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, aber auch technologische Rahmenbedingungen dynamisch sind und im Optimalfall auch in der Regulatorik und deren Auslegung abgebildet werden. Entsprechende Entwicklungen mit Bewertungsbezug gilt es in den vdp-Gremien zu diskutieren, einzuordnen und bei entsprechender Relevanz in den UKD zeitnah abzubilden.

Fußnoten

1) Die UKD sind auf der Website des vdp unter www.pfandbrief.de/site/de/vdp/immobilie/bewertung/Kleindarlehen-KD.html allgemein zugänglich.

2) Schreiben der BaFin vom 7. August 2006, GZ: BA 32-FR 2671-2006, Auslegungsfragen zur Beleihungswertermittlungsverordnung.

DER AUTOR MATTHIAS FISCHER Manager Bewertung, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin
Matthias Fischer , Manager Bewertung , Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Berlin

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X