ASSETKLASSEN

MIKROWOHNEN - MEGATREND ODER MODEERSCHEINUNG?

Moritz Kraneis, Foto: Deutsche Zinshaus Gesellschaft mbH

Sie wurden als die wohnwirtschaftliche Antwort auf die wachsende Mobilität der Menschen bezeichnet - und als Kapitalanlage mit höheren Renditen im Vergleich zu anderen Wohnformen angepriesen: Möblierte Mikroapartments für die zunehmende Zahl an Singles (inzwischen über 40 Prozent aller Haushalte in Deutschland), die übergangsweise eine Bleibe suchen.

Als Zielgruppen gelten Studenten und Berufseinsteiger, die sich noch nicht an einen Ort langfristig binden wollen, sowie Geschäftsleute, die projektbezogen vorübergehend an einem Standort arbeiten. Die Wohneinheiten mit üblicherweise 20 bis 40 Quadratmeter Nutzfläche sollten vor allem bei privaten Investoren durch die geringeren Kaufpreise je Einheit die Einstiegsschwelle zur ersten Kapitalanlage senken - und gleichzeitig durch die höheren Quadratmeterpreise für eine attraktivere Entwicklermarge sorgen.

Aber handelt es sich wirklich um ein langfristiges Erfolgsmodell? Gemäß einer aktuellen Studie von Cushman & Wakefield lag das Transaktionsvolumen im Bereich Mikrowohnen im Jahr 2020 nämlich mit rund 600 Millionen Euro "deutlich unter dem Höhepunkt von 2017" mit 2 Milliarden Euro. Jedoch: Der Markt für Mikroapartments soll den Analysten zufolge mangels ausreichend vorhandener Wohnheimplätze trotzdem bis 2025 wachsen. In diesem Zeitraum sollen rund 500 Projektentwicklungen vorwiegend in A- und Universitätsstädten umgesetzt werden.

Mit einer durchschnittlichen Rendite von 3,3 Prozent liegt zudem die Performance weiterhin über derjenigen von "klassischen" Wohnungsformen in den Topstädten.

Wunsch nach Individualisierung

Mehrere Faktoren sprechen aber dafür, dass sich der Trend zum Mikrowohnen abschwächen könnte - und dieser eben nicht auf die langfristigen demografischen Entwicklungen einzahlt. Zuerst ist der Wunsch nach Individualisierung zu nennen. Berufseinsteiger ziehen in aller Regel nicht nur mit einem großen Koffer um. Sie wollen ihre eigenen Möbel besitzen und sich individuell heimisch fühlen, statt in einem Apartment mit vorgegebener 0815-Einrichtung zu wohnen, die vielleicht vom Vormieter schon halb abgenutzt sind. Für diejenigen Young Professionals, die tatsächlich innerhalb kürzester Zeiträume umziehen müssen, haben sich deshalb gewerbliche Konzepte wie Serviced Apartments durchgesetzt, die das Konzept der Mikroapartments mit dem Komfort der Hotellerie verbinden.

Der Mensch ist ein soziales Wesen - und demnach sucht er auch in anonymeren Großstädten nach Kontakten. Auch dies ist ein Grund für die klassische Drei- bis Vierzimmerwohnung und die bewährten Wohngemeinschaften, nicht nur für Studenten. Es besteht die Möglichkeit, sich mit anderen zu sozialisieren, während in Mikroapartments schnell eine Form von Lagerkoller aufkommt.

Ganz zu schweigen vom pandemiebedingten Trend zum E-Learning und Homeoffice. Beides ist in beengten Wohnverhältnissen schwer umsetzbar. Ein solcher Versammlungsort in klassischen Wohneinheiten ist die Küche. Vor allem das wachsende Umwelt- und Ernährungsbewusstsein sorgt dafür, dass ausgiebige Kochabende zu den wichtigsten Punkten einer ausgewogenen Feierabend- und Wochenendgestaltung gehören. In einem Mikroapartment mit Kochnische ist das nur sehr begrenzt möglich.

Auch bei den Kommunen regt sich bereits Widerstand: Harburg will den Bau von weiteren Mikrowohnungen in der Innenstadt erschweren, weil diese nicht an Studenten, sondern mit Preisaufschlag als "normale" möblierte Wohnung vermietet werden. Kritik an teuren Mieten wurde schon in Hamburg laut und machten Volksinitiativen hellhörig.

Schließlich werden die Apartments vergleichsweise teuer vermietet (selbst Wucherpreise mit bis zu 45 Euro pro Quadratmeter wurden schon aufgerufen). Zudem zeichnet sich ein Überangebot an hochwertigen Mikroapartments aufgrund des maximalen Gewinnstrebens der Entwickler ab. Nicht zu vergessen: Mit der DEMA Deutsche Mikroapartment AG meldete im November 2019 bereits ein Entwickler Insolvenz an, weitere Projekte sind inzwischen auch angesichts der Corona-Pandemie ins Stocken geraten.

Geringe bauliche Flexibilität

Wie sich der Markt für Mikroapartments tatsächlich entwickeln wird, ist schwer zu prognostizieren. Fest steht lediglich, dass Mikroapartments aufgrund der kürzeren Mietdauer Schwankungen des Mietpreisniveaus stärker ausgesetzt sind als klassische Wohnungsformen. Hinzu kommen die oben genannten zusätzlichen Unsicherheitsfaktoren. Auch sind Mikroapartments in aller Regel baulich wenig flexibel: Eine spätere Umwandlung ohne den Einsatz von höheren Summen ist allenfalls als Hotelzimmer denkbar, wobei hierfür wiederum die baurechtliche Grundlage gegeben sein muss.

Klassische Wohnformen wie Zwei- bis Vierzimmerwohnungen in B- oder C-Städten hingegen bieten ein höheres Sicherheitsniveau bei ebenfalls überdurchschnittlichen Renditen. Dabei handelt es sich übrigens um ein Vorurteil, dass in einem Regionalzentrum allein die A-Lagen investmentfähig seien. Genau wie in den Metropolen gibt es auch dort aufstrebende Viertel mit einer wachsenden Urbanität, die ideale Grundlagen für ein langfristig stabiles Investment bieten. Das Einzige, was es dafür braucht, ist eine gründliche Ortskenntnis.

DER AUTOR MORITZ KRANEIS Geschäftsführer, Deutsche Zinshaus Gesellschaft mbH, Frankfurt am Main
Moritz Kraneis , Geschäftsführer , Deutsche Zinshaus Gesellschaft mbH, Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X