BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2021

"NETZWERK WOHNEN" - WARUM VERNETZUNG EIN WESENTLICHER ERFOLGSFAKTOR FÜR BAUSPARKASSEN IST

Frank Demmer, Foto: LBS West

Portale, Netzwerke, Plattformen und Ökosysteme sind zentrale Begriffe der digitalen Ökonomie. Das verdeutlichen nicht zuletzt die sagenhaften Erfolgsstorys von Unternehmen wie Amazon, Twitter, Uber oder Airbnb. Auch im Finanzbereich schreiten die Konzepte mit großen Schritten voran, die Entwicklungen in der privaten Wohnungsbaufinanzierung sind dafür ein gutes Beispiel. Der vorliegende Beitrag widmet sich der Frage, wie sich Bausparkassen auf diesen allen Anschein nach unumkehrbaren Megatrend einstellen sollten. Dabei räumt der Autor unter anderem auch mit einigen weitverbreiteten Irrtümern rund um dieses komplexe Themengebiet auf. Red.

Es gibt kaum einen Lebensbereich, der so emotional - weil täglich erlebbar - ist, wie das eigene Wohnen. Es ist nicht nur Unterkunft- und Überachtungsmöglichkeit, sondern Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und des eigenen gesellschaftlichen Status. Nicht zuletzt aufgrund Corona haben die allermeisten Menschen erleben müssen, dass ein Wohnumfeld auch Arbeitsort, Sportplatz, Kita und Schule zugleich sein kann.

Ein schier endloses Potenzial an Verkaufsansätzen

Die Kundenreise "Besseres Wohnen" überspannt alle Lebensphasen vom Beginn des Arbeitslebens bis zum Thema Alterswohnsitz. Diese lebenslange, tägliche Erlebbarkeit und Emotionalität des Themas schaffen ein schier endloses Potenzial an Verkaufsansätzen nicht nur für Einrichtungsgegenstände, sondern für unterschiedliche Finanz- und Dienstleistungsprodukte.

Bausparkassen sind in diesem Markt langjährig etablierte Player. Bausparmittel werden seit Jahrzehnten nicht nur für den Erwerb, sondern für jede Art von Optimierung der Wohnsituation verwendet. Gleichzeitig sind Bausparkassen im Jahr 2021 - wie viele traditionsreiche Finanzdienstleister - keine Vorreiter bei digitalen Lösungen. Wer allerdings pauschal fordert, die Bausparkassen zu digitalisieren, hat den Baufinanzierungsmarkt nicht verstanden und verkennt, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist.

Digitalisierung ist kein Selbstzweck

Es braucht auf absehbare Zeit keine vollautomatische Online-Bausparkasse. Digitalisierung im Bausparwesen ist nur Mittel zum Zweck, um zwei wesentliche Ziele zu erreichen: Kundenorientierung und Prozesseffizienz.

Letzteres ist notwendig, um Ersteres möglich zu machen. In Zeiten niedriger Zinsmargen ist Kostenreduktion im Back-End ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Die Sachbearbeitungskosten müssen sinken. In vielen standardisierten Prozessen sind der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Robotic Process Automation bereits jetzt unverzichtbar.

Weitere Kostenreduzierungen sind möglich, wenn es gelingt, die digitale Sachbearbeitung weiter in Richtung Kundenschnittstelle zu verschieben und mit einer smarten Datenhaltung zu kombinieren.

Virtuelle Kundenportale sind ein absolutes Muss

Noch bleibt es dabei: Nicht jede Kundin und jeder Kunde will seine Finanzen online managen. Aber die Kunden, die es wollen, nehmen zu und bringen Serviceerfahrungen von anderen Onlineanbietern mit, die ihre Erwartungshaltung prägen.

Wer kein performantes Onlineportal für Standardservices bietet, enttäuscht nicht nur diese Kunden, er nutzt auch die Effizienzvorteile nicht, die sich aus der Digitalisierung der Kundenschnittstelle ergeben.

Deswegen sind digitale Kundenportale, wie sie die Sparkassen mit der Finanzplattform/ Internetfiliale anbieten, ein absolutes Muss - weil sie auf beides einzahlen: Kundenorientierung und Prozesseffizienz.

Soweit die Pflicht. Bei der Kür, der Frage der Ausgestaltung der Kundenorientierung, startet häufig eine Diskussion darüber, was ein Portal leisten muss, ob Bausparkassen eine Plattform betreiben müssen und ob nicht vielmehr ein Netzwerk oder "Ökosystem" notwendig ist.

Es lohnt, sich dieser Frage aus Sicht des Kunden zu nähern: Der Schmerzpunkt des Kunden ist nicht der fehlende Bausparvertrag. Es ist der Bedarf, etwas an der eigenen Wohnsituation zu ändern. Das alte Bad endlich renovieren, durch einen Wintergarten mehr Raum im Wohnbereich gewinnen, auf dem Dachboden ein Büro ausbauen - das sind die Wünsche, die Kunden sich erfüllen möchten.

Eine geschickte Verzahnung von Touchpoints

Solche Projekte sind meist so individuell wie die Kunden. Genauso ist es mit der Unterstützung, die die Kunden dabei brauchen. Sie geht in der Regel weit über einen Baumarktbesuch hinaus und kann von der Ideenentwicklung über die behördliche Beantragung und die Handwerkersuche bis zur Finanzierung und zum Materialeinkauf sowie der Inneneinrichtung reichen.

Deshalb ist die Vertriebsrealität rund um das Thema Wohnen und eigene Immobilie kein Single-Point-of-Contact, sondern eine geschickte Verzahnung von Touchpoints. Einrichten, Modernisieren, Renovieren, Do-it-yourself, Energiesparen, Smarthome, Garten, Finanzieren, Ansparen - die Liste mit Start- und Ansatzpunkten für die Kundenreise ist endlos.

Wer es schafft, sie (mit) zu orchestrieren, gewinnt Chancen für den eigenen Vertrieb, indem er Touchpoints nutzen kann, um Leads zu generieren.

Leadgenerierung entlang der Kundenreise Quelle: LBS

"Orchestrieren" - ein oftmals missverstandener Begriff

Immer wieder wird dabei "Orchestrieren" missverstanden als "selber einrichten und betreiben". Dieser Irrglaube rührt daher, dass Finanzdienstleister mitunter überzeugt sind, dass sie "wie Amazon" sein müssten. Wer als Bank sein will wie Amazon, verkennt zwei wesentliche Dinge:

1. Menschen wollen Finanzdienstleistungen nicht im Supermarkt kaufen. Mit Ausnahme von Zahlungsdiensten, Girokonto und Day Trading müssen Finanzprodukte für Durchschnittsbürger auf absehbare Zeit nicht 365 Tage 24/7 steuerbar sein. Kunden schätzen weiterhin Spezialisten und sie schätzen individuelle Beratung.

2. Amazon ist nicht der digitale Nachfolger des Kaufhauses. Es ist der digitale Mitbewerber der Shoppingcenter und Innenstädte. Amazon ist zuallererst ein Netzwerk von Anbietern, auf einer technischen Plattform zusammengeführt.

Überträgt man diesen Gedanken auf die digitale Finanzwelt rund um die Immobilie, dann ist der entscheidende Erfolgsfaktor nicht, dass man alle Leistungen an allen Touchpoints selber anbietet.

Es geht vielmehr darum, die Bedarfe entlang der Kundenreise sauber zu analysieren und in Kooperation mit anderen Anbietern möglichst viele Punkte der Wertschöpfungskette abzubilden.

Bausparkassen müssen Netzwerker sein, nicht nur Handwerker. Gute Netzwerker machen nicht alles selbst. Sie schaffen Lösungen, weil sie für alles jemanden kennen und Kontakte herstellen. Sie denken nicht nur im engen "Sales Funnel" des eigenen Kernproduktes, sondern im erweiterten Sales Funnel des Kundenbedarfs. Um den zu erfüllen, kooperieren sie mit Partnern zum gegenseitigen Vorteil. Ziel ist es, einen Lock-in-Effekt zu erzeugen.

Dafür braucht es ein konsistentes Touchpoint-Management und einen Verzicht auf Eitelkeiten. Den Kunden im Sales Funnel zu behalten, ihm eine Lösung zu bieten, ist wichtiger, als zu jedem Zeitpunkt den letzten Cent Marge aus einer Kooperation zu ziehen. Wer sich zu viel mit sich selbst beschäftigt, verliert den Blick für den Kunden. Die Vernetzung starker Partner ist gerade im Bereich Wohnen und Immobilie auch deshalb von unschätzbarem Wert, weil das Cross-Selling-Potenzial im Verlauf der Kundenreise so breit ist, dass es eine einzige Marke überfordert.

Finanzdienstleister, die heutzutage noch glauben, dass sie in allen Lebensfragen die erste Anlaufstelle ihres Kunden sind, leiden an Realitätsverlust. Das Leistungsangebot muss authentisch zur Marke passen und die Erwartungshaltung der Kunden erfüllen, nicht sie verwirren. Wer es schafft, starke Marken zu kombinieren, um über sein eigenes Spektrum hinaus die Bedarfe im Verlauf der Kundenreise abzubilden, zeigt nicht Schwäche, nur weil er den Kunden nicht direkt bei seiner Marke hält. Er zeigt Stärke, weil er weiß, wo seine Kernkompetenz liegt und trotzdem in der Lage ist, aus Kundenperspektive ganzheitliche Lösungen zu vermitteln.

#Finanzverbünde sind im Vorteil

Dabei sind große Finanzverbünde wie der Sparkassenverbund mit den Landesbausparkassen klar im Vorteil. Sie haben nicht nur zahlreiche Kundenkontakte, sie sind auch regional stark verwurzelt und haben Kontakte in die Wirtschaft, die sich an das eigene Netzwerk andocken lassen. Und sie haben in der Regel bereits im Verbund ein breites Portfolio an Lösungen für die Kundenbedarfe.

Optimal aufgestellt sind solche Netzwerke, wenn sie nicht nur Produkt an Produkt, Leistung an Leistung und Anbieter an Anbieter reihen, sondern wenn es ihnen auch gelingt, das Narrativ für die Kundenreise - die Kundenstory - zu gestalten. Insbesondere bei dem emotionalen Thema Wohnen gilt es, Menschen zu inspirieren, ihnen den nächsten Schritt in ihrer Wohnstory zu zeigen, um dann am entstehenden Touchpoint die Angebote des Netzwerks zu präsentieren. "Content is king" lautet eine alte Medienweisheit. Wer über relevante Inhalte verfügt, um gute Sales Stories zu gestalten und inhaltliche Mehrwerte zu bieten, befeuert damit nicht nur die Kundenreise. Er erzeugt auch ganz früh im Sales Funnel Relevanz und damit Traktion für sein Netzwerk.

#Die Wohnstory als Abrundung der Kundenreise

Diese Relevanz im Digitalen wird in der Regel in Suchmaschinenwahrnehmung gemessen und sie ist ein kostbares Gut. Werbeplätze auf Google sind teurer, je mehr Werbetreibende sie nutzen wollen. Organische Suchergebniserfolge sind das Ergebnis von etablierten, erfolgreichen und nutzerzentrierten Onlineinhalten und damit von harter, redaktioneller Arbeit.

Auch hier haben sich die Landesbausparkassen dank ihres Medienportals haus.de, deren Content bei rund 6 000 Such begriffen rund ums Wohnen unter den Top-10-Ergebnissen bei Google erscheint, eine starke Marktposition erarbeitet, um neue Interessenten in ihr Netzwerk zu ziehen und auf der Kundenreise zu be gleiten.

DER AUTOR FRANK DEMMER, Mitglied des Vorstands, LBS Westdeutsche Landesbausparkasse, Münster
Frank Demmer , Mitglied des Vorstands , LBS Westdeutsche Landesbausparkasse, Münster

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