Wohnungswesen

Neuer Schwung für Klimaschutz im Gebäudebereich?

Christian Huttenloher

Die Energieeffizienz bildet neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien die zweite Säule der Energiewende. Ziel der Bundesregierung ist es, den Primärenergiebedarf im Gebäudebestand bis zum Jahr 2020 gegenüber 2008 um 20 Prozent zu senken und bis 2050 zu halbieren. Gebäudebezogene Maßnahmen zur Energieeinsparung sind ein wesentlicher Bestandteil des jüngst vom Bundeskabinett beschlossenen Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz. Der Autor begrüßt das Vorgehen grundsätzlich, hält aber stärkere finanzielle Anreize für die Gebäudeeigentümer ebenso für unverzichtbar wie die Beachtung von Zielkonflikten mit sozialen und wirtschaftlichen Anliegen. Er hofft auf ergebnisoffene Diskussionen und integrierte, technologieoffene Lösungsansätze. Red.

Das Bundeskabinett hat am 3. Dezember 2014 ihr Klimapaket beschlossen. Das "Aktionsprogramm Klimaschutz 2020" und der "Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE)" umfassen ein umfangreiches Bündel an Sofortmaßnahmen und längerfristigen Initiativen, durch die weitere gut 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden sollen, um so die angestrebte Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent gegenüber 1990 doch noch zu erreichen. Denn ohne weitere Maßnahmen würde Deutschland sein Ziel klar verfehlen.

Energieeffizienz im Bestand steht im Zentrum

Herzstück ist die Steigerung der Energieeffizienz. Die Maßnahmen des NAPE sollen - ohne den Verkehrssektor - mit 25 bis 30 Millionen CO2 allein gut ein Drittel der zusätzlichen Reduzierung bringen. Eine gewichtige Rolle spielt das "Energiesparen im Gebäudebereich" als eines der drei Handlungsfelder des NAPE. Neben konkreten Sofortmaßnahmen für zusätzliche finanzielle Anreize sowie einer verbesserten Beratung soll für Ende 2015 eine umfassende "Energieeffizienz-Strategie Gebäude" erstellt werden. Und auch die beiden anderen Handlungsfelder - "Energiesparen als Rendite- und Geschäftsmodell" und "Eigenverantwortlichkeit für Energieeffizienz" - enthalten gebäudebezogene Maßnahmen. So zum Beispiel die Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Contracting oder die angedachte Kennzeichnung ineffizienter Heizungsanlagen. In enger Verzahnung mit diesen gebäudebezogenen Initiativen des NAPE will die Strategie "Klimafreundliches Bauen und Wohnen" des Klimaschutzprogramms weitere Einsparpotenziale von 5,7 bis 10 Millionen Tonnen CO2 heben.

Mit dem Klimapaket bekräftigt die Bundesregierung ihre Ziele für den Gebäudebestand und will die erforderlichen Maßnahmen fortentwickeln: Durch energieeffizientere Gebäude - unterstützt durch den Einsatz erneuerbarer Energien - soll bis 2050 ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand erreicht werden. Das bedeutet eine Einsparung von 80 Prozent des (nicht-erneuerbaren) Primärenergiebedarfs, der durch eine kosteneffiziente Kombination verschiedener Instrumente gelingen soll. Als Zwischenziel soll bis 2020 der Wärmebedarf um 20 Prozent sinken und die jährliche Sanierungsrate von unter einem auf zwei Prozent steigen.

Dazu sind deutlich stärkere Anreize für Gebäudeeigentümer unverzichtbar. Die beschlossene Aufstockung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms um 200 Millionen Euro auf zwei Milliarden Euro jährlich sowie die Einführung des Fördertatbestandes Effizienzhaus Plus sind erste, wenngleich recht kleine Schritte. Es wirkt sich positiv auf das Modernisierungsverhalten der vielen privaten Kleinvermieter und Selbstnutzer aus, dass 300 Millionen Euro der KfW-Mittel als Zuschüsse ausgegeben werden. Zudem können weiterhin Einzelmaßnahmen für eine schrittweise Sanierung gefördert werden.

Als zusätzlichen großen Impuls, insbesondere für private Gebäudeeigentümer, will der Bund von 2015 bis 2019 eine steuer liche Förderung für Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Einsatz erneuerbarer Energien einführen. Dafür sind insgesamt eine Milliarde Euro pro Jahr vorgesehen. Doch zum einen müssen die Bundesländer den Steuererleichterungen noch zustimmen; an den ersten Anlauf ohne Einigung zwischen Bund und Länder erinnern wir uns noch gut. Zum anderen will der Bund erst noch prüfen, ob neben Selbstnutzern auch Vermieter die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten nutzen können - und zwar unter der Maßgabe, dass die steuerliche Förderung den Vermietern zugutekommt. Es gibt also noch viele Fragezeichen - auch zu den zu erreichenden Effizienzstandards, die am CO2-Gebäudesanierungsprogramm ausgerichtet werden sollen. Denn sind diese zu ambitioniert, wird die Sanierungsrate nicht wesentlich nach oben gehen.

Langfristige Sanierungsfahrpläne

Ebenso wichtig wie eine verlässliche Förderung sind für die Gebäudeeigentümer die angekündigten langfristigen Sanierungsfahrpläne für Gebäude und Quartiere. Denn für die Eigentümer ist ein verlässlicher Rahmen und eine Langfristperspektive für ihre Investitionen unverzichtbar. Noch enthält der NAPE dazu wenig Konkretes, sondern kündigt lediglich an, dass freiwillige gebäudeindividuelle Sanierungsfahrpläne erarbeitet werden. Mit diesen sollen einzelne Teilsanierungen untereinander abgestimmt werden und stufenweise aufeinander aufbauen, um eine klare Zielorientierung auf 2050 zu erreichen. Dazu soll ein Konzept entwickelt werden, das Eigentümern gezielt technisch und wirtschaftlich optimale Lösungen aufzeigt, wobei ihre individuelle Situation berücksichtigt wird (zum Beispiel finanzielle Leistungsfähigkeit, familiäre Lage, Lebensalter, Zustand des Gebäudes mit Möglichkeit der zeitlichen Kopplung von Instandhaltungs- mit Effizienzmaßnahmen und ähnliches).

Sanierungsfahrpläne sind das Kernelement einer besseren und intensiveren Beratung. Dazu will der Bund die Beratungsangebote insgesamt ausbauen und weiter qualifizieren. Der NAPE trägt dabei dem immer höheren Anteil an Wohnungseigentümergemeinschaften Rechnung und sieht gezielte Beratungsangebote vor. Insgesamt benötigen wir dringend mehr und zielgerichtete Beratung. Nur so kann den wachsenden Vorbehalten gegenüber der Gebäudesanierung und der effizienten Errichtung von Neubauten begegnet werden, die im Zuge der zuletzt kritischen Medienberichterstattung aufgekommen sind, und Vertrauen zurückgewonnen werden.

Dies gelingt allerdings nur, wenn mögliche Probleme der Dämmung, wie zum Beispiel erhöhte Brandgefahr, Schimmelbildung oder Schadstoffbelastung und Recycling, nicht einfach ignoriert, sondern gemeinsam und konstruktiv gelöst werden. Dazu gehören auch ergebnisoffene Diskussionen, ob manche Effizienzstandards im Bestand nicht zu hoch gegriffen sind und damit mehr energetische Modernisierungen eher behindern.

Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit

Dies gilt auch für weitere offensichtliche Zielkonflikte. Hier ist zu hoffen, dass die Einzelmaßnahmen aus den verschiedenen relevanten Bereichen wie angekündigt gebündelt, miteinander verzahnt und abgestimmt werden. Auch übergeordnete Aspekte, beispielsweise gesellschaft liche Belange oder Fragen der Wirtschaftlichkeit und Finanzierung sollten berücksichtigt sowie offen und vorbehaltlos erörtert werden. Sowohl die Strategie "Klimafreundliches Bauen und Wohnen" aus dem Klimaschutzprogramm als auch die "Energieeffizienz-Strategie Gebäude" aus dem NAPE wollen sich ex plizit um die sozialen und wirtschaftlichen Fragestellungen kümmern, wie zum Beispiel bezahlbares und altersgerechtes Wohnen. Auch wird an der Maßgabe der Freiwilligkeit und Wirtschaftlichkeit festgehalten. Die wesentlichen Eckpunkte beider Strategien sind:

- die Weiterentwicklung der EnEV2016, um den Niedrigstenergiestandard für Neubau einzuführen, den öffentliche Gebäude 2019, private 2021 nach EU-Recht erreichen müssen;

- der Abgleich des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) und der Energieeinsparverordnung (EnEV), um Überschneidungen und Vereinfachungsmöglichkeiten zu überprüfen und dadurch die erneuerbaren Energien in die Wärmeversorgung von Gebäuden besser zu integrieren und effektiver zu gestalten;

- die Überprüfung der Fördertatbestände des Marktanreizprogramms für erneuerbare Energien im Wärmebereich;

- die zielgerichtete Weiterentwicklung der gekoppelten Produktion von Wärme und Strom und die entsprechenden Novellierungen der Kraft-Wärme-Kopplungs-Novelle (KWK-Novelle) und der Mini-KWK-Richtlinie;

- die Bestrebungen, steuerrechtliche Hemmnisse für Wohnungsunternehmen abzubauen, die Strom aus erneuerbaren Energien oder KWK erzeugen und dadurch die bestehenden Begünstigungen bei der Gewerbesteuer für Vermietung von Wohnraum verlieren;

- die Anpassung der Möglichkeiten des Mietrechts, nach Modernisierung eine Mieterhöhung vorzunehmen. Dabei soll berücksichtigt werden, dass Neuregelungen nicht die Anreize für energetische Sanierungen verringern. Zudem soll überprüft werden, inwieweit sich bei der Erstellung von Mietspiegeln die energetische Ausstattung und Beschaffenheit stärker berücksichtigen lassen;

- die Überprüfung der Einführung einer Klima-Komponente beim Wohngeld durch eine Differenzierung der Höchstbeträge nach energetischer Gebäudequalität - jedoch erst nach der derzeit laufenden Wohngeldreform;

- die Überprüfung einer Ergänzung der Regelungen der Kosten der Unterkunft, so dass Kommunen die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung in einem Gesamtkonzept (Bruttowarmmiete) festlegen dürfen.

Wichtig ist es, dass diese verschiedenen Themen als Bündel angegangen werden und dabei Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit, aber auch Belange von Baukultur, tatsächlich gleichberechtigt mit den Energie- und CO2-Einsparzielen abgewogen werden. Hier ist vor allem auch eine enge Verzahnung und Abstimmung zwischen der "Energieeffizienz-Strategie Gebäude", die federführend vom Bundesverkehrsministerium erarbeitet wird, und der Strategie "Klimafreundliches Bauen und Wohnen" des Bundesumwelt- und Bauministeriums notwendig. Außerdem sollte auch beachtet werden, was die einzelnen sektoralen Regelungen in ihren komplexen Wechselwirkungen für die tatsächliche Umsetzung von umfassenden, integrierten Energie- und Klimastrategien in den Städten, Quartieren und den Gebäudebeständen bedeuten.

Denn für die konkrete Umsetzung vor Ort sind integrierte, interdisziplinäre Handlungsansätze unverzichtbar. Hier ist es ein sehr gutes Signal, dass eine Verstetigung und Aufstockung des KfW-Programms "Energetische Stadtsanierung" vorgesehen ist. Auch sollen die Programmbedingungen, die Verknüpfung und Abstimmung mit anderen Förderprogrammen sowie die Kumulierungsmöglichkeiten weiter verbessert werden. Ebenso wichtig wäre es aber auch zu prüfen, inwieweit sektorale Vorgaben, die auf das einzelne Gebäude ausgerichtet sind, wie zum Beispiel die EnEV, integrierte Quartierlösungen einschränken.

Deutscher Verband startet Arbeitsgruppe Energie

Die integrierte, vernetzte und gebietsbezogene Perspektive auf die Energiewende steht auch im Mittelpunkt der neuen Arbeitsgruppe "Energie, Immobilien und Stadtentwicklung", die der Deutsche Verband gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Töpfer und dessen Institute for Advanced Sustainability Studies Potsdam am 12. Dezember 2014 gestartet hat. In der Arbeitsgruppe erörtern hochrangige Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen, Immobilienwirtschaft, Energieversorgern, Finanzinstituten sowie aus Stadtplanung, Bauen und Architektur, welchen realistischen Beitrag die Immobilienwirtschaft und die Stadtentwicklung zu den Energieund Klimaschutzzielen leisten können.

Ausgangspunkt der Diskussionen ist, dass sich der angestrebte nahezu klimaneutrale Gebäudebestand nicht erreichen lässt, wenn man sich nur auf die Gebäude selbst und die Erhöhung der Sanierungsrate beschränkt. Notwendig sind integrierte Strategien in den Quartieren und Stadtteilen, die verschiedene Maßnahmen bündeln:

- Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz der Gebäude durch einen zielgerichteten energetischen Sanierungsprozess sowie energieeffizienten Neubau;

- eine CO2-ärmere und effizientere Energieversorgung durch mehr erneuerbare Energieträger und intelligente Verbundlösungen von Wärme und Strom sowie

- die Verbesserung des Verbraucherverhaltens.

Welches Maßnahmenbündel geeignet ist, um wirtschaftlich, sozialverträglich und ohne Beeinträchtigungen für Baukultur und Stadtbild umgesetzt zu werden, hängt stark von der örtlichen Ausgangssituation ab: von den Gebäude- und Eigentümerstrukturen, von der bisherigen Energieversorgung, von den Potenzialen der regenerativen Energien, aber auch von der demografischen Entwicklung sowie der sozialen und wirtschaftlichen Lage von Eigentümern und Mietern. Die Strategien für einzelne Teilräume müssen sich dann in die gesamtstädtischen und regionalen Energieinfrastrukturen einpassen. Dazu muss berücksichtigt werden, wie sich mehr dezentrale Versorgungslösungen sowie mehr hocheffiziente Gebäude auf bestehende Energieinfrastrukturen auswirken.

Insgesamt befinden wir uns mitten in einer enormen Systemtransformation. Bisherige Verbraucher, Konsumenten, werden zu "Prosumenten", die Energie sowohl selbst erzeugen als auch weiterhin aus dem Netz beziehen. Wohnungsunternehmen entdecken die Energieversorgung als neues Geschäftsfeld. Konventionelle, auf zentrale Systeme und fossile Energieträger ausgerichtete Geschäftsmodelle der Energieversorger müssen dezentraler werden und regenerative Energieträger einbeziehen. Natürlich ergeben sich dabei Zielkonflikte: Klimaschutz und Energieeinsparung, Investitionskosten und Wirtschaftlichkeit, Sozialverträglichkeit und bezahlbares Wohnen sowie Städtebau und Baukultur. Und ohne einen Interessensausgleich zwischen Gebäudeeigentümern und Mietern, Energieversorgern sowie Kommunen wird es keine Lösungen geben.

Zielkonflikte ausgleichen

Deshalb hat der Deutsche Verband gemeinsam mit dem IASS in seiner AG Energie die verschiedenen relevanten Akteursgruppen versammelt, um aus der konstruktiven Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und erfolgsversprechenden Lösungen der Energiewende Empfehlungen für Politik und Praxis erarbeiten, wie die Energie- und Klimaschutzziele im Gebäudebereich und in der Stadtentwicklung noch besser erreicht werden können.

Der Autor

Christian Huttenloher Generalsekretär, Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V., Berlin

Christian Huttenloher , Generalsekretär , Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V., Berlin
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