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NPL-Markt Deutschland: Niedrigzins-Ära zwingt Portfoliokäufer zum Umdenken

Abbildung 1: NPL-Bestandsprognose Deutschland (Angaben in Prozent) Quelle: "NPL-Barometer 1. Halbjahr 2016", BKS/Frankfurt School of Finance & Management

Der Aktienmarkt steht Kopf. Davon profitieren nach Angaben des Autors immobilienbesicherte gekündigte Forderungen - auch Non-Performing Loans genannt. Aber hier existiert noch ein Problem: Es herrsche immer noch Angebotsknappheit bei zugleich hohen Kapitalständen auf Investorenseite und geringen sowie unattraktiven Alternativmöglichkeiten für Investments. Aus diesem Grunde rechneten auch ein Drittel der 276 Bankvertreter, die für die Studie befragt wurden für das zweite Halbjahr 2016 mit schrumpfenden NPL-Beständen. Aus deutscher Perspektive in Relation zu anderen europäischen Ländern dürfte - so der Autor - die Zahl der Transaktionen in den kommenden drei Jahren gering bleiben. Grund: Die Bad Banks in Deutschland hätten ihre verkaufsfähigen Assets - also NPLs oder PLs - bereits weitestgehend veräußert. Es bedürfe daher eines Servicers, der sich sowohl mit den abwicklungstechnischen Gepflogenheit einer Bank und seiner Kunden auskennt. Red.

Europas Geldhüter haben die Zinsen faktisch abgeschafft. Die Folge: Investoren, die noch eine nennenswerte Rendite erzielen wollen, weichen auf andere Anlageklassen aus. Dazu gehören seit Jahren immobilienbesicherte gekündigte Forderungen (NPL). Immer häufiger werden Investoren auch laufende Darlehen (Performing Loans) angeboten, die sich für Banken beispielsweise zu nicht strategischem Geschäft entwickelt haben. Eine weitere Assetklasse auf die Investoren mehr und mehr setzen sind Immobilien. Durch die höhere Nachfrage und das geringe Angebot an NPLs in Deutschland werden die Käufer zu mehr Flexibilität gezwungen.

Der 7. September 2016 müsste eigentlich in die Geschichtsbücher der Finanzmärkte eingehen. Doch außer ein paar Experten dürften nur wenige von diesem Novum überhaupt Notiz genommen haben. Was war geschehen? Erstmals begaben zwei Privatunternehmen Anleihen mit Negativzinsen. Der französische Pharmahersteller Sanofi-Synthélabo nahm für dreieinhalb Jahre Geld zu minus 0,05 Prozent auf. Henkel, der Konsumgüterriese aus Düsseldorf, gab Schuldscheine mit zwei Jahren Laufzeit für ebenfalls minus 0,05 Prozent aus. Investoren müssen den beiden Konzernen also noch Geld dafür zahlen, dass sie ihnen frisches Kapital überlassen.

Negativzinsen sind neue Normalität

Immerhin lag die Verzinsung bei beiden Bonds zu diesem Zeitpunkt über einen halben Prozentpunkt über den Zinsen gleich laufender Bundesanleihen. Genau das dürfte auch der Grund sein, weshalb dem Ereignis so wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde. Negativzinsen sind ein Teil der neuen Normalität an den Finanzmärkten geworden. Anfang August wiesen laut dem Datendienstleister Tradeweb weltweit Anleihen im Volumen von 13,4 Billionen Dollar negative Renditen auf. Mitte Juni fiel sogar die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen erstmals unter null Prozent.

Wichtigste Ursache dafür ist die extrem lockere Geldpolitik der Notenbanken. Um Wirtschaft und Inflation auf dem alten Kontinent anzukurbeln, hält die Europäische Zentralbank (EZB) nicht nur den Leitzins seit März auf null Prozent. Sie pumpt auch Milliarden in die Anleihemärkte. Im Juni 2016 startete EZB-Präsident Mario Draghi den Ankauf von Unternehmensanleihen. Schätzungen zufolge will die EZB etwa fünf Milliarden Euro pro Monat investieren - zusätzlich zu den 70 Milliarden Euro, die sie Monat für Monat in Staatsanleihemarkt steckt. Damit will Draghi die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen verbessern. Bislang halten sich die Erfolge in Grenzen. Die Inflationsrate in der Eurozone war mit 0,2 Prozent im August weit entfernt vom Zwei-Prozent-Ziel. Und auch die Kreditvergabe in den Peripherieländern kommt nicht in Schwung.

Spekulationsblasen werden aufgepumpt

Zugleich werden die Nebenwirkungen der Geldschwemme aber immer offensichtlicher: Die Finanzmärkte stehen Kopf. "Die Wirkung der ultralockeren Geldpolitik nimmt mit der Zeit ab, und die Risiken und Nebenwirkungen nehmen zu", stellte Bundesbankpräsident Jens Weidmann Anfang August fest. Denn um überhaupt noch auskömmliche Renditen zu erwirtschaften, greifen Investoren zu riskanteren Anlageformen.

Beispiel Aktien: Trotz enttäuschender Unternehmensgewinne in den USA erklommen Kursbarometer wie der Dow Jones oder der S & P 500 im Sommer neue Höchststände. Kritiker befürchten, dass durch das billige Geld Spekulationsblasen aufgepumpt werden. "Wir können eigentlich nur beten", sagte der langjährige EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing im Juli. "Sonst wird irgendwann mit einem großen Knall die nächste Blase platzen." Eine Studie der Deutschen Bank kommt zu dem Ergebnis, dass der S & P 500 heute ohne Unterstützung der Zentralbank 37 Prozent tiefer notieren würde und die Cashflow-basierten Bewertungen der Titel so hoch sei wie seit 1999 nicht mehr.

Auf der Jagd nach Rendite nehmen Investoren freilich nicht nur Aktien und Anleihen (sinkende Renditen spiegeln bei Bonds steigende Kurse wider) aus den Industriestaaten ins Visier. Auch die Kapitalströme in die Schwellenländer nahmen nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in den Sommermonaten wieder zu und der Run auf Immobilien, besonders in Deutschland, ist nahezu ungebremst. So steigen seit 2010 die Preise für Wohnimmobilien hierzulande um bis zu fünf Prozent pro Jahr - im Durchschnitt. In den großen Ballungszentren fiel der Anstieg mitunter doppelt so hoch aus, zeigt etwa eine Studie der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).

NPL-Markt bleibt Verkäufermarkt

Durch den akuten Anlagenotstand greifen Investoren aber auch zu immobiliengesicherten Forderungen, seien es ausfallgefährdete Kredite (NPL) oder Kredite die regelmäßig bedient werden (PL). Das NPL-Barometer der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) und der Frankfurt School of Finance & Management für das erste Halbjahr 2016 bringt die aktuelle Lage in Deutschland auf den Punkt: "Der NPL-Markt bleibt ein Verkäufermarkt", heißt es dort. Es herrsche immer noch Angebotsknappheit bei zugleich hohen Kapitalständen auf Investorenseite und geringen sowie unattraktiven Alternativmöglichkeiten für Investments.

Für das zweite Halbjahr 2016 rechnet ein Drittel der 276 Bankvertreter, die für die Studie befragt wurden, mit schrumpfenden NPL-Beständen. Mit einer Ausweitung des Angebots rechnen lediglich vier Prozent (siehe Abbildung 1). Grund ist die weiterhin stabile Lage des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft, in der tendenziell weniger Kredite ausfallgefährdet sind. Das sorgt dafür, dass der Neuzugang an NPLs sich auf einem niedrigen Niveau einpendelt. Hinzu kommt: Die Banken arbeiten in Anbetracht der günstigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch selbst kontinuierlich an einer Reduzierung ihrer NPL-Bestände, so die Studie. Besonders in Relation zu anderen europäischen Ländern dürfte die Zahl der Transaktionen in den kommenden drei Jahren hierzulande also gering bleiben. Schließlich haben die Bad Banks in Deutschland ihre verkaufsfähigen Assets - also NPLs oder PLs - bereits weitestgehend veräußert.

Die Investoren sind hungrig

Der Bestand an NPLs dürfte erst dann wieder steigen, wenn eine Zinswende in Europa ansteht. Denn dann drohen den Darlehensnehmern steigende Zinsen bei ihrer Anschlussfinanzierung, die sich möglicherweise nicht alle leisten werden können. Die anhaltend schwache wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone spricht allerdings gegen ein rasches Ende der Niedrigzinsen. Vor dem dritten Quartal 2018 ist damit kaum zu rechnen.

Trotzdem seien Investoren "hungrig auf mehr Deals", so eine Studie der Wirtschaftsberatung Deloitte. Deutschland bliebe in Anbetracht der finanziellen und politischen Probleme in Südeuropa und der Unsicherheit über die Wachstumsaussichten der chinesischen Wirtschaft weiterhin ein attraktives Ziel für ausländische Anleger. Die drei aktivsten Käufer im Jahr 2015 in Deutschland waren laut der Studie JP Morgan, Lone Star und Oaktree (siehe Abbildung 2).

Angesichts dieser angespannten Marktlage dürften potenzielle Investoren eher auf dem Zweitmarkt zum Zuge kommen. Ein Teil der Investoren wird durch Abverkäufe von Teilportfolios an andere Investoren versuchen, schneller Liquidität zu erzielen, als es bei einer eigenen Verwertung der Fall wäre. Andere Investoren werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit wieder komplett aus der Anlageklasse zurückziehen. Sie könnten einen "Clean-up-Deal" anstreben, sobald sie feststellen, dass sie zu hohen Preisen eingekauft haben und ihre Zielrenditen verfehlen werden.

Das knappe Angebot bei hoher Nachfrage lässt auch den Druck auf die Käufer steigen, sich den Wünschen der Verkäufer anzupassen. Sie fordern eine hohe Flexibilität bei der Bearbeitung der Portfolios ein. Denn die Kreditpakete bestehen oftmals nicht nur aus NPLs, es finden sich auch PLs oder Bestandsimmobilien darin. Die Portfolios in einzelne Tranchen aufzuspalten und getrennt zu veräußern, stellt gerade bei kleineren Volumina einen zu großen Aufwand dar. Gefragt ist häufig ein Investor, der eine "All-in-one"-Lösung bietet, dem Verkäufer also das gesamte Paket abnimmt. Denn Zeit ist ein wichtiger Treiber in Bezug auf die Rendite.

Käuferaufwand nicht zu unterschätzen

Der Aufwand auf der Käuferseite ist allerdings nicht zu unterschätzen. Für die Verwertung von NPLs, die Bearbeitung von PLs und die Verwaltung von Bestandsimmobilien ist Expertise in verschiedenen Bereichen gefragt. Es bedarf eines Servicers der sich sowohl mit den abwicklungstechnischen Gepflogenheit einer Bank und seiner Kunden auskennt, über Vollstreckungserfahrungen ins dingliche wie ins persönliche Vermögen der Schuldner verfügt und Immobilienspezialisten, die sich mit Aufwertung und dem Verkauf wohnwirtschaftlicher und gewerblicher Immobilien auskennen. Über dieses Know-how in Breite und Tiefe verfügen nur recht wenige Servicer in Deutschland

Der Autor

Jochen Prinz Geschäftsführer, EOS Immobilienworkout GmbH, Mülheim an der Ruhr

Jochen Prinz , Geschäftsführer, CINTHIA Real Estate GmbH, Mohnheim am Rhein

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