Asset Management

Wie der Nutzer tickt und was der Vermieter daraus lernen kann

Abbildung 1: Dimensionen der Flexibilität gewerblicher Mietverhältnisse (Auswahl)

Die nachhaltige Qualität von Immobilienbeständen resultiert nicht lediglich aus Immobilienzyklen oder der Lage und der Qualität der Mietflächen, sondern aus der Qualität der Nutzer, ihrer Zufriedenheit und aus der Güte der Mietverträge. Ausgehend von dieser fast banalen Feststellung muss aber genau analysiert werden, was die Gründe für ein Bleiben beziehungsweise für einen Flächenwechsel sind. Gegen einen zu schnellen Flächenwechsel sprechen aus Sicht der Autoren die hohen Kosten. Hat sich ein Nutzer für einen Wechsel entschieden, sind ebenfalls in erster Linie monetäre Parameter der Grund. Herausfordernd für Vermieter sind einerseits die stetig steigenden Ansprüche der Nutzer an die Flexibilität der Objekte, die nachlassende Fristenkongruenz von nutzerseitig nachgefragter Mietvertragslaufzeit und den investorenseitig gewünschten Laufzeiten. Red.

Die schlechte Nachricht vorweg: DER Nutzer existiert nicht und entsprechend auch nicht DIE Vermietungs- oder Anlagestrategie mit Erfolgsgarantie. Die gute Nachricht: Mittels verhaltenswissenschaftlicher Ansätze lassen sich das Nutzerverhalten systematisieren und die Mieterpräferenzen strukturieren. Erkenntnisse über die Flexibilitätsbedürfnisse und das Mobilitätsverhalten gewerblicher Mieter - warum wechseln Mieter Flächen oder eben nicht? - ermöglichen Asset Managern und Immobilieninvestoren eine gezielte Nutzeransprache und können einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Objektperformance und zur Steigerung der Attraktivität von Anlageprodukten leisten.

Erfolgsmeldungen über Neuvermietungen füllen in regelmäßigen Abständen die Newsticker. Makler, Berater, Investoren und Asset Manager schätzen sich aus Renditegesichtspunkten glücklich, gewerbliche Mietverträge mit Laufzeiten über fünf bis 15 Jahre abzuschließen - je nach Nutzungsart, Immobilienzyklus und Objektqualität. Auch der Nutzer profitiert davon, einen zum Zeitpunkt der Unterzeichnung seinen Präferenzen entsprechenden Mietvertrag zu unterschreiben.

Der Abschluss eines Mietvertrages bedeutet aber für den "alten" Vermieter, dass eine Bestandsfläche leergezogen wird. Regelmäßig damit verbunden für den alten Eigentümer sind Renovierungs- und Modernisierungsaufwand und die darüber hinausgehende mitunter zeit- und kostenintensive Anschlussvermietung. Flächenwechsel sind für Nutzer wie Flächeneigentümer im Allgemeinen mit einer Reihe nur schwer kalkulierbarer Kosten verbunden. Umzugsunternehmen verursachen dabei in der Regel nur einen Bruchteil der gesamthaft zu berücksichtigenden "Mobilitätskosten" für den Nutzer.

Im Zusammenhang mit Unternehmensumzügen und Flächenwechseln sollte ein Aspekt aus Rendite- und Risikogesichtspunkten verstärkt Beachtung finden, der in der täglichen Praxis bislang nicht immer eine ausreichende Würdigung zu erfahren scheint: die Frage, warum Mieter ihre Flächen wechseln - oder im positiven Sinn: warum Mieter bestehende Mietverhältnisse verlängern. Zentrales Element hierbei ist die Abgrenzung der Beweggründe. Studien (beispielsweise von Brade (1998) oder Gloßner (2014)) belegen ausführlich, dass viele Mietflächen nur deshalb gewechselt werden, weil sie über kein ausreichendes Maß an Flexibilität verfügen.

Flächen müssen flexibel sein

Ein hohes Maß an Flexibilität ist entgegen häufig anzutreffender Ansichten nicht mit der bedingungslosen Absicht von Nutzern identisch, Flexibilität "auszuleben" und beispielsweise im Sinn eines Kündigungsrechts umzusetzen und Flächen tatsächlich zu wechseln. Ein Flächenwechsel ist meist dann die Konsequenz, wenn die Mietfläche gerade kein ausreichendes Maß an Flexibilität bereithält, um veränderten Nutzeranforderungen über Flächenexpansions- oder Reduktionsmöglichkeiten gerecht zu werden oder wenn Mietreviews nicht marktgerecht oder Mietvertragslaufzeiten nicht annähernd gemäß den Nutzerbedürfnissen ausgestaltet werden.

Die Studie "Unternehmensmobilität im Kontext der Immobilienökonomie" analysiert die Flexibilitätsanforderungen und das Mobilitätsverhalten gewerblicher Mieter aus den Segmenten Büro, Einzelhandel, Logistik und Mixed-Use in Deutschland (Gloßner (2014)). Im Rahmen eines qualitativen Studiendesigns wurden dabei zunächst drei Dutzend Immobilienexperten interviewt. Auf Basis der Erkenntnisse erfolgte eine onlinebasierte Mieterbefragung, welche im Ergebnis über 200 Nutzermeinungen einholen konnte, deren Erkenntnisse mittels verschiedener statistischer Verfahren quantitativ untersucht wurden. Die hier andiskutierten Erkenntnisse fokussieren auf einige wesentliche Aspekte der Studie.

Ein Vergleich der Flexibilitätsanforderungen von Mietern der Nutzungsarten Büro, Einzelhandel, Logistik und Mixed-Use zeigt, dass Zeit und Kosten für Unternehmen zu den wichtigsten Flexibilitätsdimensionen zählen. Darunter fallen insbesondere eine bedarfsgerechte Mietvertragslaufzeit, die Miethöhe und -zusammensetzung sowie Mietanpassungsmodalitäten. Im Detail legen Büromieter besonderen Wert auf eine bedarfsgerechte Mietvertragslaufzeit, eine adäquate Miethöhe und -zusammensetzung sowie die Mietanpassungsmodalitäten. Einzelhandelsmieter fokussieren vergleichbar vor allem auf die Miethöhe und -zusammensetzung, eine bedarfsgerechte Mietvertragslaufzeit und ebenfalls die Mietanpassungsmodalitäten. Mieter aus dem Logistikbereich bewerten Miethöhe und -zusammensetzung, eine bedarfsgerechte Mietvertragslaufzeit und die Mietanpassungsmodalitäten als entscheidendste Faktoren. Mixed-Use-Nutzer achten dagegen primär auf die Miethöhe und -zusammensetzung, eine bedarfsgerechte Mietvertragslaufzeit sowie die Umlage der Nebenkosten.

Anforderungen der verschiedenen Nutzergruppen

Nachrangig werden im Bürobereich die Aspekte Konkurrenzschutz, die Pflicht zur Aufrechterhaltung des Flächenbetriebs sowie Kaufoptionen auf die Mietfläche angesehen. Im Einzelhandelsbereich belegen Flächenerweiterungs- und Reduktionsmöglichkeiten, die Möglichkeit zur Nutzungsänderung oder Erweiterung sowie Kaufoptionen auf die Mietfläche die hinteren Plätze. Im Logistikbereich entfallen darauf die Betriebspflicht, die Kaufoption und der Konkurrenzschutz. Im Mixed-Use-Bereich führen das Recht zur Untervermietung, das Recht, den Mietvertrag zu übertragen und die Kaufoption auf die Mietfläche den Tabellenkeller an.

Auch wenn ein direkter Vergleich des Büro-, Einzelhandels-, Logistik- und Mixed-Use-Bereichs nur unter einschränkenden Annahmen zielführend ist, hält die Studie für Mieter der vier Nutzungsarten fest, dass die Kosten und die Vertragslaufzeit ihrer Flächen die entscheidenden Faktoren darstellen und der Flexibilität der Mietverhältnisse eine in Summe sehr hohe Bedeutung zukommt.

Warum werden Flächen gewechselt?

Zur Frage, warum Flächen gewechselt werden oder die Nutzer ein bestehendes Mietverhältnis verlängern, kann festgehalten werden, dass die Bereitschaft gewerblicher Mieter, Flächen zu wechseln oder bestehende Mietverträge zu verlängern, übergeordnet vor allem durch monetäre Parameter beeinflusst wird. An vorderster Stelle für Wechsel- oder Bleibeentscheidungen stehen der Mietpreis und die Mietnebenkosten.

Segmentiert nach Nutzungsarten wird dem Mietpreis von den Büronutzern der größte Einfluss zugesprochen. An zweiter und dritter Stelle stehen der (Makro-)Standort und die Mietnebenkosten. Den geringsten Stellenwert erzielen eine direkte oder indirekte Subventionierung (durch Stadt, Kommune oder Ähnliches), das nominale Lohnniveau am Standort sowie eine Nachhaltigkeitszertifizierung der Immobilie. Der größte Einfluss im Einzelhandelsbereich wird der unmittelbaren Lage parallel zum Umsatz zugesprochen. An dritter Stelle steht die Umsatz-Miet-Relation. Den geringsten Stellenwert erzielen die Nachhaltigkeitszertifizierung der Immobilie beziehungsweise eine direkte oder indirekte Subventionierung (durch Stadt, Kommune oder Ähnliches) gefolgt von den direkten Umzugskosten.

Der größte Einfluss auf Mobilitätsentscheidungen im Logistikbereich wird ebenfalls dem Mietpreis attestiert. An zweiter und dritter Stelle folgen die Mietnebenkosten und erst dann die Lage im logistischen Netzwerk von Auftraggebern und Absatzmärkten. Den geringsten Stellenwert erzielen die Standortfaktoren See- und Binnenhafenanbindung beziehungsweise Flughafennähe sowie eine Gleisanbindung. Auch im Mixed-Use-Bereich wird dem Mietpreis der größte Einfluss beigemessen. Es schließen sich die Mietnebenkosten und interessanterweise die Funktionalität der Mietfläche für das Unternehmen an. Die geringsten Stellenwerte erzielen der Wohnort der Geschäftsführung, der Wohnort der

Mitarbeiter sowie die Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes. Unabhängig davon war jeder der genannten Faktoren im Rahmen der zitierten Erhebung mindestens einmal ausschlaggebend, dass ein bestehendes Mietverhältnis verlängert wurde oder Mietflächen gewechselt worden sind - parallel zur stetigen Betonung der hohen Relevanz der Flexibilitätsdimensionen.

Kürzerer Bindungswille der Nutzer

Eine weitere interessante Erkenntnis der Studie stellt Investoren vor eine ganz andere Herausforderung: die mangelnde Fristenkongruenz von nutzerseitig nachgefragter Mietvertragslaufzeit und den investorenseitig gewünschten Laufzeiten. Die Idealvorstellungen der befragten Mieter tendieren dazu, sich maximal fünf Jahre zu binden, und reduzieren sich damit im Vergleich zu den bisherigen Mietvertragslaufzeiten teils deutlich. Das kann zu den bekannten Problemen führen, wenn Vermieter unter anderem aus Finanzierungsgesichtspunkten heraus Flächen für nicht weniger als fünf Jahre anbieten.

So bewegt sich die bisherige Dauer der untersuchten Mietverhältnisse im Bürobereich zu 55 Prozent weit über fünf Jahren, während der aktuelle Bindungswille der Nutzer parallel zu 87 Prozent bei maximal fünf Jahren liegt. Die Verträge der Einzelhändler laufen zu 41 Prozent seit mehr als zehn Jahren, wobei der aktuelle Bindungswille zu 73 Prozent maximal fünf Jahre beträgt. Ein ähnliches Bild lässt sich für den Logistik und den Mixed-Use-Bereich zeigen, wobei letzterer eine auffällig hohe Quote bei den bisherigen Mietvertragslaufzeiten im Bereich von über zehn Jahren aufweist.

Implikationen für Vermieter und Investoren

Um ihre Objektbestände und Anlagestrategien zu optimieren, sollten Investoren den Mobilitätsbedarf von Mietern stärker in ihrer Anlagestrategie berücksichtigen. Dabei ergeben sich im Detail folgende Implikationen:

- Flexibilitätsbedarf im immobilienwirtschaftlichen Kontext ist nicht immer mit Mobilitätsüberlegungen der Nutzer gleichzusetzen. Beide Themen sind inhaltlich abzugrenzen und auf ihre Relevanz für einzelne Mietverhältnisse zu hinterfragen.

- Vor dem Hintergrund einer strategischen Vermietung ist die Flexibilität von Objekten schon bei Ankäufen zu berücksichtigen. Stichwort: flexible Grundrisse für Flächenreduktionsmöglichkeiten oder als Vermietungsreserven für stark expandierende Nutzer.

- Viele der als ausschlaggebend für oder gegen einen Flächenwechsel identifizierten Faktoren sind im Bestand nicht oder nur sehr eingeschränkt zu managen, was es ebenfalls in der Ankaufsentscheidung und der Objekteinschätzung zu beachten gilt.

- Die Wertschöpfung mit einer Immobilie hängt in hohem Maß von der "Wertschöpfung" am Mieter beziehungsweise von der Kenntnis über die Präferenzstrukturen der Nutzer ab. Die nachhaltige Qualität von Immobilienbeständen resultiert nicht lediglich aus Immobilienzyklen oder der Lage und der Qualität der Mietflächen, sondern aus der Qualität der Nutzer, ihrer Zufriedenheit und aus der Güte der Mietverträge.

- Faktische Mietermobilität kann vor dem Hintergrund von Reinvestitionen, Nachvermietungsaufwand, hoher Verhandlungsmacht der Mieter und ähnlichem erheblichen Einfluss auf die Performance von Immobilienbeständen haben und sollte gerade im Rahmen der Asset Allocation verstärkt Beachtung finden.

- Ein operativ engagiertes Asset Management, das regelmäßig mit (Haupt-) Mietern in Kontakt tritt und die Flexibilitätsbedürfnisse aus Nutzersicht adäquat reflektiert, kann signifikant zur Wertschöpfung beitragen.

- Aktives Asset Management mit pro-anstatt reaktiven Diskussionen über Nutzerpräferenzen stärkt die Mieterbindung. Beide Aspekte sind gerade deshalb von Bedeutung, da Flexibilitätsbedarf und Nutzermobilität den Immobilien inhärenten Charakteristika entgegenstehen. Eine geringere Wechselfrequenz auf Nutzerebene beeinflusst unmittelbar die ökonomische Nachhaltigkeit von Immobilieninvestments.

- Flächenanbieter können unter Berücksichtigung der nutzungsspezifischen Flexibilitätsdeterminanten und der mobilitätsbeeinflussenden Faktoren Produktnischen ausbilden und somit Wettbewerbsvorteile für Investoren generieren.

Die Autoren Prof. Dr. Stephan Bone-Winkel Vorstand, BEOS AG, BerlinDr. Stefan Gloßner Executive Assistent des COO, Patrizia Immobilien AG, Augsburg

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