BEZAHLBARER WOHNRAUM IN DEUTSCHLAND

PERSPEKTIVEN DER PROJEKTENTWICKLUNG IN BALLUNGSREGIONEN

Franz-Josef Lickteig, Foto: BPD Immobilienentwicklung GmbH

Der Wohnungsmangel in strukturstarken Metropolregionen gehört zu den meistdiskutierten Themen in Deutschland. Bislang wird der Wohnungsneubau vor allem im Rahmen der innerstädtischen Nachverdichtung thematisiert. Ein anhaltender Zuzug in die Großstädte und steigende Wohnungspreise verdeutlichen jedoch, dass Nachverdichtung allein nicht ausreichen wird, um die Wohnungsnot zu lindern. Deutschland braucht vielfältige Maßnahmen, um den (bezahlbaren) Wohnungsbau anzukurbeln. Dazu sind nach Ansicht des Autors ideologiefreie Diskussionen, die Kombination verschiedener Lösungsansätze und die Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung und Immobilienwirtschaft nötig. Red.

Die deutschen Metropolen sind wirtschaftsstark und zeichnen sich durch eine gute Infrastruktur aus. Das ist Fluch und Segen zugleich. Aus dem Umland ziehen immer mehr Menschen in die Zentren, auf der Suche nach Arbeit, Lebensqualität und kurzen Wegen. Neuer Wohnraum wird deshalb zwar dringend gebraucht, aber nicht in den benötigten Mengen fertig gestellt.

Ein beispielhafter Blick auf Berlin verdeutlicht die Dimension der Aufgabe. Nach Berechnung der Berliner Senatsverwaltung wächst Berlin bis 2020 um jährlich 30 000, danach bis 2030 um durchschnittlich 7 500 Einwohner pro Jahr. Auch Umlandgemeinden gewinnen durch ihre Nähe zu den Metropolen zunehmend an Attraktivität. So prognostiziert beispielsweise der Landkreis Fürstenfeldbruck einen Anwohneranstieg bis 2030 um mehr als 11 Prozent.

Attraktivität wird Metropolen zum Verhängnis

Der Wohnungsneubau kann mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der genehmigten Wohnungen bundesweit in den ersten drei Quartalen des Jahres 2018 zwar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,2 Prozent gestiegen. Die genehmigten 233 100 Einheiten hinken jedoch stark dem tatsächlichen Bedarf hinterher. Führende Immobilienverbände wie der IVD gehen von einem jähr lichen Neubaubedarf von mindestens 380 000 Wohnungen aus.

Politik und Stadtplanung haben intensiv über die Herausforderungen des Wohnungsmangels diskutiert. Die Antwort lautet in der Regel: Die Städte müssen über Nachverdichtung mehr Wohnraum schaffen. Es ist richtig: Nachverdichtung ist ein wichtiger Ansatz, wenn es darum geht, Wohnungsbaupotenzial zu heben. Sie ist flächeneffizient, ökologisch häufig sinnvoll und mit intelligenter Stadtplanung lässt sich bis zu einem gewissen Grad sogar die Lebensqualität für alle Stadtbewohner verbessern.

In der Vergangenheit war das Potenzial für Nachverdichtung besonders groß. Der Abzug amerikanischer und britischer Streitkräfte hat vielen Städten große Konversionsflächen hinterlassen. Diese wurden vermehrt der Wohnentwicklung zugeführt. Durch eine fortschreitende Deindustrialisierung im Stadtgebiet oder die Aufgabe großer Produktions- und Lagerflächen seitens der Deutschen Bahn konnten weitere großflächige Neubaugebiete erschlossen werden. Nachdem diese Flächenreserven in den vergangenen Jahren sukzessive gehoben wurden, verfügen viele Metropolen heute kaum noch über größeren innerstädtischen Gestaltungsspielraum.

Das Potenzial der Nachverdichtung ist begrenzt

Damit bleiben vier weitere Optionen für den Wohnungsneubau: Grünflächen versiegeln, bestehende Baulücken schließen, Bestandgebäude aufstocken und Hochhausbau. Alle genannten Optionen können punktuell sinnvoll sein und sollten unter städtebaulichen Gesichtspunkten intensiv geprüft werden. Nachverdichtung ist jedoch für sich allein genommen keine Option, um der Wohnungsnot nachhaltig entgegenzuwirken. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, der gewichtigste ist aber wahrscheinlich der Preis. Nachverdichtung ist - von Gebäudeaufstockungen abgesehen - verhältnismäßig teuer und ist im Kontext von städtebaulicher Qualität und nachbarschaftlichen Belangen nicht einfach zu realisieren.

Ein Blick auf die Grundstückpreisentwicklung zeigt: Seit dem Jahr 2009 ist der Kaufwert für Bauland in Deutschland pro Quadratmeter von rund 67 Euro auf fast 144 Euro im Jahr 2017 angestiegen (Quelle: Statista). In München machen die Baulandpreise teilweise bis zu 60 Prozent der Projektkosten aus. Diese Entwicklung ist dabei nicht nur das Resultat von Angebot und Nachfrage oder einzelnen Spekulationsgeschäften, sondern auch das Ergebnis kommunaler Bodenpolitik. Die Städte verkauften eigene ihre Grundstücke zu entsprechend hohen Preisen, um damit ihre Finanzen zu ordnen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) war in sogenannten Bieterverfahren in der Regel auch an Kapitalmaximierungen interessiert.

Auflagen verteuern das Bauen

Auflagen im Rahmen von städtebaulichen Verträgen verpflichten Projektentwickler immer häufiger, Aufgaben der Daseinsvorsorge, beispielswiese den Bau von Kindertagesstätten, wahrzunehmen. All das treibt die Preise, drängt Investoren zum Bau von teuren Eigentumswohnungen und macht Mieten oder Kaufen für den deutschen Durchschnittsverdiener mit einem Einkommen von etwa 3 771 Euro brutto (Quelle: Statista) monatlich fast unbezahlbar.

Auch das Bauen in die Höhe geht mit vielen Herausforderungen einher. Durch hohe Grundstückspreise und hohe Auflagen - wie die einschlägig bekannten Normen im Wohnungsbau - entstehen in Hochhäusern fast ausschließlich hochpreisige Wohneinheiten. Das ist nicht der bezahlbare Wohnraum, der dringend gebraucht wird.

Aus ökologischer und stadtplanerischer Sicht ist Nachverdichtung gleichfalls ein komplexes Thema. Frischluftschneisen sowie ausreichende Erholungs- und Rückzugsflächen sind wichtige städtebauliche Komponenten. Für das Stadtklima relevante Flächen sollten nicht für den Wohnungsbau verwendet werden. Gleichzeitig stößt die städtische Infrastruktur zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Schulen, Kindergärten, Pflegeplätze aber auch wirtschaftlich bedeutsame Faktoren wie Büroflächen oder Logistik sind nicht beliebig skalierbar, zumal sie häufig mit Wohnbebauung um die ohnehin knappen Flächen konkurrieren.

Widerstand gegen Nachverdichtung wächst

Der Verbrauch von wichtigen Rückzugsflächen und die Überlastung der städtischen Infrastruktur führen zu immer mehr Protest bei Anwohnern. In vielen Städten und Landkreisen schließen sich Anwohner zu Bürgerinitiativen zusammen. Sie protestieren gegen den anhaltenden Zuzug und die gefühlten oder tatsächlichen Probleme, die mit einer hohen Nachverdichtung einhergehen. Protestaktionen, Rechtstreitigkeiten und politische Einflussnahme treiben nicht nur zusätzlich die Baukosten, sie führen auch zu zähen Genehmigungsverfahren und langen Bauzeiten.

Festzuhalten bleibt: Nachverdichtung ist sinnvoll, darf jedoch nicht als ideologisches Dogma, als alleinige Antwort auf den Wohnungsmangel, sondern als städtebauliche Maßnahmen verstanden werden, die es im Einzelfall zu prüfen gilt. Sie ist nicht die zielführende Komponente, wenn es darum geht, langfristige und bezahlbare Antworten auf den Zuzug in die Metropolregionen zu finden.

Baulandentwicklung - also die Ausweisung neuer Baugebiete auf bisher unbebauten Flächen ist in der deutschen Politik eine eher unpopuläre Maßnahme. Es gibt viele Vorbehalte: Der Flächenverbrauch sei zu groß, die ökologische Bilanz zu schlecht und der Aufwand zu hoch. Durch Baulandausweisung würde der Zuzug verstärkt und die städtische Infrastruktur noch stärker belastet.

Selten werden die Notwendigkeit einer Baulandausweisung noch deren Vorzüge thematisiert. Denn die Ausweisung von neuem Bauland ist die einzige Chance, in den Ballungsräumen für Durchschnitts- und Geringverdiener großflächig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Deutschlands Politiker stimulieren durch Sonder-AfA und Baukindergeld ausschließlich die Nachfrage für Wohnraum. Das Problem liegt allerdings nicht auf der Nachfrage-, sondern ausschließlich auf der Angebotsseite. Wer wirklich an bezahlbaren Wohnungen interessiert ist, muss die Angebotsbasis massiv erweitern.

Auch Baulandentwicklung steht vor großen Herausforderungen

Baulandentwicklung sollte nicht romantisiert verstanden werden. Die Umsetzung ist von zahlreichen Hürden geprägt. Neben ökologischen Überlegungen spielt insbesondere die Akzeptanz der Umlandgemeinden eine wichtige Rolle. Diese fühlen sich durch neue Baulandausweisungen häufig in ihrer eigenen Entwicklung beeinträchtigt oder fürchten um ihre Attraktivität. Eine zentrale Herausforderung ist daneben die Finanzierung der notwendigen Infrastruktur. Städte, die sich zur Baulandausweisung entscheiden, schaffen häufig nicht die notwendigen Voraussetzungen wie Verkehrsinfrastruktur, Schulen und Betreuungsangebote.

Die Internalisierung der Infrastrukturkosten in den Entwicklungskosten für das Nettobauland scheitert oft an den zu hohen Grundstückseinstandskosten oder dem Umstand, dass bezahlbarer Wohnraum nicht in der Lage ist, alle Infrastrukturkosten zu tragen. In Folge wird die vorhandene Infrastruktur potentiell überlastet - die Lebensqualität für alle Stadtbewohner sinkt. Die gängigen Vorwürfe können jedoch in den meisten Fällen durch eine umsichtige Planung, eine gute Informationspolitik und das Zusammenspiel von Städten und Projektentwicklern entkräftet werden. Damit die Ausweisung von neuem Bauland für die Metropolregionen zu einem Erfolg wird, ist eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur unerlässlich. Der Zwischenbericht einer Anfang 2019 erscheinenden Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Zusammenarbeit mit Bouwfonds Property Development (kurz BPD) kommt zu dem Ergebnis, dass es wichtig ist, die entsprechende Infrastruktur zeitgleich mit neuen Baugebieten zu entwickeln.

Hohe Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur

Ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz muss ab dem Tag zur Verfügung stehen, an dem die ersten Bewohner einziehen. Das verlangt von den Städten übergreifende Zusammenarbeit, massive Investitionen in die bestehenden öffentlichen Verkehrsmittel und gleichzeitig eine Vorleistung bei der Erschließung neuer Baugebiete. Bundes- und Landesplanung sind angehalten, die notwendigen Voraussetzungen für die Bereitstellung und Finanzierung von Infrastrukturprojekten zu schaffen.

Auch die Projektentwickler sind gefragt. Sie müssen alternative Mobilitätskonzepte und übergeordnete stadtplanerische Überlegungen von Anfang an in ihre Konzepte integrieren. Auch bei der Finanzierung müssen neue Wege gegangen werden. Von einer Erhöhung der kommunalen Finanzmittel aus dem Steueraufkommen, über einen Infrastrukturfonds bis hin zur aufkommensneutralen Beteiligung der Projektentwickler sind viele Optionen möglich.

Zunehmender Flächenverbrauch ist ein gesamtgesellschaftliches Thema und die Ausweisung von Neubaugebieten stellt immer einen Spagat zwischen berechtigen menschlichen Bedürfnissen und dem Erhalt wertvoller Natur dar. Die moderne Projektentwicklung kennt eine Reihe von Antworten auf diese Problematik. Von natürlichen Baustoffen über die Vermeidung von Flächenversiegelung bis hin zur Schaffung ökologischer Ausgleichsflächen gibt es ein großes Repertoire möglicher Maßnahmen.

Aber auch hier ist die Politik gefragt. Neubau an der einen Stelle bedeutet auch, dass die Renaturierung nicht mehr genutzter Flächen im ländlichen Raum forciert werden sollte. Zuletzt stellt sich auch die Frage, ob die Biodiversität von gestalteten Wohnumgebungsräumen nicht höher anzusiedeln ist als diejenige einer mono kulturell geprägten landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Projektentwicklung braucht bessere Rahmenbedingungen

Damit Projektentwickler einen nennenswerten Beitrag zum Wohnungsneubau leisten können, braucht es geeignete politische Rahmenbedingungen - und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich um Baulandentwicklung oder Nachverdichtung handelt. Eine offene politische Diskussionskultur, die nach den effektivsten Lösungen für die Wohnungsnot in den Metropolen sucht, ist dringend notwendig. Ein einseitiges Wiederholen der immer gleichen Lösungsvorschläge ohne den gewünschten Erfolg kann nicht zielführend sein.

Zusätzlich müssen Gemeinden befähigt werden, ihren Aufgaben bei der Bereitstellung von Wohnraum nachzukommen. Damit sind vor allem entsprechende Kapazitäten in den Stadtplanungsämtern sowie Bau- und Aufsichtsbehörden gemeint. Um das entsprechende Personal zu erhalten, müssen Gemeinden zu attraktiveren Arbeitgebern werden, in die Digitalisierung von Prozessschritten investieren und gleichzeitig eine Qualifizierungsoffensive für ihre Mitarbeiter starten.

DER AUTOR FRANZ-JOSEF LICKTEIG Geschäftsführer, BPD Immobilienentwicklung GmbH, Frankfurt am Main
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