Bausparen und Bausparkasse 2016

Die Politik darf das Wohneigentum nicht vergessen!

Andreas J. Zehnder

Eine Lanze für das Wohneigentum bricht der Autor und fordert die Politik zum Handeln und damit Fördern auf. Denn auch beim Eigenheimbau gibt es eine spürbare Lücke zum jährlichen Bedarf. Darüber hinaus ist Wohneigentum für Normalverdiener die wichtigste Form der privaten Altersvorsorge. Als sozial treffsicheres Instrument führt der Autor die Wohnungsbauprämie auf und fordert eine Anhebung der förderfähigen Einzahlungen. Vorgeschlagen wird auch ein einkommensunabhängiger Investitionszuschuss mit einer entsprechenden Familien- beziehungsweise Kinderkomponente. Weitergehende Reformüberlegungen zur privaten Altersvorsorge dürfen darüber hinaus der Wohneigentumsbildung nicht das Wasser abgraben. Red.

Die aktuelle wohnungspolitische Diskussion konzentriert sich fast ausschließlich auf den Mietwohnungsbau. Es wird höchste Zeit, dies zu ändern.

1. Es fehlen Wohnungen in Deutschland: Mietwohnungen genauso wie Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften und Eigentumswohnungen.

Für 2015 rechnet die Bundesbauministerin mit 270000 Fertigstellungen - nach 245000 im Vorjahr. Die Lücke zum von ihr erklärten Bedarf von "jährlich mindestens 350000" ist damit groß - zumal die Fertigstellungen seit 2002 unter dem Bedarf liegen, den zum Beispiel das IW Köln auf jeweils 430000 in den Jahren 2016 bis 2020 bemisst.

Wie soll diese Lücke geschlossen werden? Wohnungen fehlen ja nicht nur in Ballungsräumen - dort, wo Arbeitsplätze entstehen; und Universitätsstädten. Ein flächendeckender (!) Bedarf besteht nach Aussage des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung auch im Wohneigentumsbereich. Und zwar aus qualitativen Gründen: durch neue Ansprüche an Wohnungsgrundrisse, altersgerechtes Wohnen, technische Standards, niedrige Energiekosten und eine zeitgemäße Infrastrukturversorgung im Wohnumfeld.

Die Flüchtlingssituation führt zu einem Sonderproblem - mit der Notwendigkeit von Provisorien. Zumindest die, die anerkannt werden, suchen aber bald normale, bezahlbare Wohnungen - für sich und die nachziehenden Familien. Und dies vermutlich in erster Linie in den ohnehin angespannten Märkten, was die Situation dort für alle nochmals verschärft.

2. Private Häuslebauer sind die tragende Säule des Wohnungsbaus. Die Bedarfslücke ist ohne zusätzlichen Eigenheimbau nicht zu schließen.

Der Anteil des Eigenheimbaus an den Fertigstellungen insgesamt lag Ende 2014 bei 66 Prozent. Allerdings ist der Eigenheimbau seit 2009 unterproportional gewachsen. Das Wachstum des Mietwohnungsbaus und der vermieteten Eigentumswohnungen ist wesentlich durch die Finanzkrise bedingt - durch eine Flucht in Sachwerte; von institutionellen und privaten Investoren. Im Mietwohnungsbau gab es deshalb im Vergleich 2014 zu 2009 ein Plus von über 80 Prozent. Bei Eigentumswohnungen war es sogar ein Plus von 110 Prozent - maßgeblich getragen durch Kapitalanleger. Verhältnismäßig bescheiden nimmt sich dagegen das Wachstum im 1- und 2-Familienhausbereich aus; mit 27 beziehungsweise 28 Prozent.

3. Wer mehr Wohnraum fördern will, hat die Wahl zwischen eigenkapitalorientierten und verschuldungsorientierten Maßnahmen.

Eigenkapitalorientierte Maßnahmen benötigen Anlaufzeit. Demgegenüber stehen zahlreiche Vorteile. Sie senken die Belastung aus einer Fremdfinanzierung, senken die Zugangsschwelle zum selbstgenutzten Wohneigentum, fördern eine stetige Vermögensbildung, haben über die Stabilisierung der Sparquote gesamtwirtschaftlich positive Effekte und reduzieren die Gefahr spekulativer Blasen.

Umgekehrt wirken verschuldungsorientierte Maßnahmen schneller. Ihre Nachteile: Sie erhöhen die Belastung aus einer Fremdfinanzierung, bergen das Risiko einer Überschuldung in sich, erhöhen das Risiko bei einem Zinsanstieg, haben eine prozyklische statt eine glättende Wirkung auf Baukonjunktur und Baupreise, verpuffen in Zeiten extrem niedriger Bauzinsen und erhöhen die Gefahr spekulativer Blasen.

Dass solche Vor- und Nachteile nicht nur theoretischer Art sind, zeigen Beispiele wie in den Niederlanden oder den USA mit einer massenhaften Überschuldung, massenhaften Kreditausfällen und dem Platzen von Immobilienblasen.

4. Wohneigentum steht auf der Wunschliste der Menschen nach wie vor weit oben.

Fast die Hälfte derer, die sparen können, spart für Wohneigentum: für Bau oder Kauf oder für dessen Modernisierung. Auch wissen wir, dass mehr als jeder zweite Mieter am liebsten in den eigenen vier Wänden wohnen würde. Der Traum eint Jung und Alt. Jeder Dritte der 21- bis 29-Jährigen spart für diesen Zweck - sehr viele übrigens mit einem Bausparvertrag.

5. Wohneigentum hat einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Sie erleichtert zudem die Integration der dauerhaft bei uns lebenden Zuwanderer.

Wohneigentum ist nicht nur ein Stück individuell gelebter Freiheit. Es verwurzelt in der Nachbarschaft, stabilisiert benachteiligte Stadtviertel und stärkt ländliche Räume, weil es wie ein Haltefaktor wirkt.

Untersuchungen zeigen, dass sich Wohneigentümer (und Bausparer) zum Beispiel überdurchschnittlich stark ehrenamtlich beziehungsweise in lokalen Vereinen engagieren.

Auch Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger bei uns leben, bevorzugen eigene vier Wände. Der Anteil derjenigen, die im Wohneigentum leben, entspricht mit 43 Prozent fast dem Bundesdurchschnitt. Ihr Wunsch, sich in den nächsten Jahren Wohneigentum anzuschaffen, ist mit 30 Prozent stark ausgeprägt. Nach Erkenntnissen des Deutschen Instituts für Urbanistik, Difu, wurde in städtischen Regionen zwischen 2012 und 2014 von Menschen mit Migrationshintergrund anteilig sogar mehr Wohneigentum gebildet als durch Haushalte ohne Migrationshintergrund.

6. Wohneigentumspolitik ist Politik für Familien.

Familien bevorzugen Wohneigentum. Optimale Entfaltungsmöglichkeiten für Kinder und ein bleibender Wert, der vererbt werden kann, sind dafür wesentliche Gründe. Paare mit zwei Kindern wohnen zu 67 Prozent in den eigenen vier Wänden - bei einem Anteil dieses Haushaltstyps an der Gesamtbevölkerung von nur rund 30 Prozent.

Auch unter den Ersterwerbern der letzten Jahre haben mit 65 Prozent überdurchschnittlich viele Haushalte mit Kindern den Weg ins Eigenheim geschafft.

7. Wohneigentum ist für Normalverdiener die wichtigste Form der privaten Altersvorsorge. Mietfreies Wohnen heißt: sichere Zusatzrente.

Eine Sonderauswertung von Zahlen des Statistischen Bundesamts beziffert diese Zusatzrente auf knapp 600 Euro im Monat. Das entspricht 36 Prozent der gesetzlichen Rente eines Rentnerhaushalts.

Das sinkende gesetzliche Rentenniveau erfordert mehr denn je eine zusätzliche private Altersvorsorge. Eigene vier Wände sind dabei die einzige Form, von der man schon in jungen Jahren etwas hat. Vor allem aber: Mietfreies Wohnen im Alter ist umso wichtiger, je geringer das Einkommen ist und damit die staatliche Geldrente. Auch weil man sich so von steigenden Mieten entkoppelt.

8. Wohneigentum ist für die Vermögensbildung einkommensschwächerer Haushalte unverzichtbar.

Auch dank der staatlichen Förderung ist Wohneigentum kein Privileg Besserverdienender. Schon mit einem Nettoeinkommen über 2000 Euro leben überdurchschnittlich viele Haushalte im Eigentum. Von den Eigentümerhaushalten lebt jeder vierte Haushalt in geerbtem oder geschenktem Eigentum. Es ist eine wichtige Grundlage für das, was man Generationenvorsorge nennt.

Nach Berechnungen von Empirica bauen Wohneigentümer - bei gleichem Einkommen! - bis zum 60. Lebensjahr fast sechsmal so viel Vermögen auf wie Mieter. Der einfache Grund: Wer sich für eigene vier Wände entscheidet, spart mehr. Muss mehr sparen. Es ist ein quasi selbst verordnetes Zwangssparen. Aber das lohnt sich eben am Ende des Tages!

9. Häuslebauer tun viel für den Klimaschutz.

Was die Bedeutung des Wohneigentums angeht, ist noch ein zusätzlicher Aspekt zu erwähnen: die Rolle der Häuslebauer als Klimaschützer. Sie tun viel, um die eigenen vier Wände in Schuss zu halten. Auch energetisch. Mehr als jeder Dritte hat dafür in den letzten fünf Jahren Geld ausgegeben. Jeder Dritte plant dies auch für die nächsten fünf Jahre.

40 Prozent der Hausbesitzer legen dafür Geld auf die Seite: im Schnitt rund 180 Euro pro Monat. 28 Prozent tun dies mit einem Bausparvertrag. Das Ziel der Bundesregierung in Richtung klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050 ist mehr als sportlich. Wenn es erreicht werden soll, geht das nur mit dem Häuslebauer.

10. Die Wohnungsbauprämie ist ein sozial treffsicheres Instrument für einen unverzichtbaren Eigenkapitalaufbau. Die Aufrechterhaltung einer wirksamen Ansparförderung ist unverzichtbar.

Ansparförderung? Zugegeben: kein Instrument für schnelle Effekte. Dafür wirkt sie nachhaltig. Leider sind die Einkommensgrenzen bei der Wohnungsbauprämie seit 20 Jahren nicht mehr erhöht worden. Sie liegen unverändert bei 25600 (Alleinstehende) beziehungsweise 51 200 Euro (Verheirate) zu versteuerndes Jahreseinkommen.

Die Löhne sind in diesem Zeitraum deutlich gestiegen - nominal! Real und nach Steuern deutlich weniger, wenn überhaupt. Allein aufgrund der nominalen Lohnentwicklung sind mittlerweile viele Arbeitnehmer aus der Förderung herausgewachsen: zum Beispiel eine Polizeiobermeisterin in Bayern, 26 Jahre alt, alleinstehend, ohne Kinder. Vor 20 Jahren hätte sie die Wohnungsbauprämie erhalten. Legt man zum Beispiel die allgemeine Teuerungsrate zugrunde, müssten die Einkommensgrenzen bei 33500 Euro beziehungsweise 67000 Euro liegen. Die förderfähigen Einzahlungen wären nach diesem Maßstab von 512 Euro beziehungsweise 1024 Euro auf 670 Euro beziehungsweise 1340 Euro anzuheben.

Hier geht es nicht um eine neue Förderung. Es geht darum, eine schleichende Entwertung einer bewährten Förderung zu verhindern.

Für den Fall, dass die Politik bereit ist, darüber hinaus zusätzliche Haushaltsmittel bereit zu stellen, könnte man auch über eine entsprechende Anpassung der Arbeitnehmersparzulage nachdenken.

11. Die Eigenheimrente ist ein Erfolgsmodell. Sie verdient politische Rückendeckung.

Auf hohe Akzeptanz stößt auch die 2008 eingeführte Eigenheimrente. Mit einem Bestandszuwachs von über einer halben Million allein seit 2013 auf jetzt rund 1,5 Millionen Verträge steht sie einsam an der Spitze der Riester-geförderten Anlagen.

Für den, der baut oder kauft, rechnet sich die Förderung trotz nachgelagerter Besteuerung: Für ein Arbeitnehmer-Ehepaar, beide 40 Jahre alt, mit zwei Kindern, 2006 und 2008 geboren, Bruttojahreseinkommen von 60000 Euro und Kreditsumme von 150000 Euro kommt Finanztest immerhin auf einen Vorteil nach Steuern von fast 19000 Euro.

Die häufig am Geld-Riester vorgebrachte Kritik ist deshalb kein Grund, "Riester" insgesamt in Frage zu stellen. Das kürzlich eingeführte Produktinformationsblatt bietet die Chance, über eine verbesserte Kostentransparenz verloren gegangenes Verbrauchervertrauen in den Geld-Riester zurück zu gewinnen.

12. Die diskutierte Sonder-Afa braucht - wenn sie kommt - ein Pendant aufseiten der Häuslebauer.

Vorstellen könnten wir uns einen einkommensunabhängigen Investitionszuschuss. Wir plädieren nicht für eine Eigenheimzulage alten Musters. Der Bundesfinanzminister würde dies nicht mittragen. Vielleicht macht er aber bei einer Familien- beziehungsweise Kinderkomponente mit. Und wenn nicht generell, dann vielleicht, möglicherweise zeitlich befristet oder nur für den Ersterwerb.

13. In vielen Fällen machen neue Wohneigentümer Mietwohnungen frei.

"Sickereffekte" sagt man dazu. Eine Fallstudie im Auftrag der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt aus dem Jahr 2014 hat diese erneut bestätigt: Danach ziehen neue Wohneigentümer häufig an den Stadtrand beziehungsweise ins Umland und setzen Wohnungen in stark nachgefragten innerstädtischen Lagen frei. Davon profitieren zunächst insbesondere jüngere und kleinere Haushalte mit mittlerem Einkommen.

In die frei werdenden Mietwohnungen ziehen Haushalte aus kleineren oder schlechteren Mietwohnungen ein. Am Ende dieser Sickerketten werden immer auch einkommensschwächere Haushalte erreicht. Jedes neu gebaute Eigenheim hat damit kaum geringere soziale Effekte als eine neu gebaute Mietwohnung.

14. Andere Rahmenbedingungen dürfen die notwendige Investitionsoffensive nicht konterkarieren.

Mit einer Stärkung der Wohneigentumsbildung verträgt sich insbesondere nicht der Grunderwerbsteuerwettlauf der Bundesländer mit 26 Erhöhungen seit 2006, den nur Bayern und Sachsen nicht mitgemacht haben. Aber auch die Grundsteuererhöhungen (laut Ernst & Young in zwei von drei Kommunen zwischen 2010 und 2015) erwecken eher den Eindruck des Häuslebauers als "Melkkuh".

15. Weitergehende Reformüberlegungen zur privaten Altersvorsorge dürfen der Wohneigentumsbildung nicht das Wasser abgraben.

Für eine Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge mag einiges sprechen (für einen wie auch immer gearteten Deutschlandfonds sicher weniger). Nur sollte die Politik dabei nicht für ein Opting-out-Modell votieren.

Opting-out kommt so harmlos daher. Der Arbeitnehmer könne doch ein Pflichtangebot ausschlagen. Die Freiheit, Nein zu sagen, mag de jure dann ja gegeben sein; de facto käme ein sanfter Druck aber eher einem unsanften Zwang gleich. Lassen wir Arbeitnehmern die freie Wahl, wo sie heute noch gegeben ist. Wer für sein Alter mit eigenen vier Wänden vorsorgen will, sollte dies "druckfrei" tun dürfen.

Der Autor Andreas J. Zehnder Vorsitzender des Vorstands, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin
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