MIPIM-SPECIAL

REGIONALE BÜROMÄRKTE AUF WACHSTUMSKURS

Steffen Günther, Foto: DZ Hyp

Die Mittelstädte Deutschlands geraten angesichts der Dominanz der Top-7-Standorte leicht unter das Radar institutioneller Investoren. Vor allem ausländischen Investoren fiel es bislang offensichtlich schwer, sich an die spezifisch deutschen Rahmenbedingungen zu gewöhnen. Die über die gesamte Bundesrepublik verteilten "Hidden Champions" des Mittelstands resultieren in einer polyzentrischen Struktur der hiesigen Wirtschaft und damit auch des Immobilienmarktes. Glaubt man aktuellen Umfragen, so scheint sich diese Erkenntnis aber langsam durchzusetzen: Deutsche Oberzentren rücken demnach zunehmend in den Fokus internationaler Anleger. Und das zurecht, denn wie die Ausführungen des vorliegenden Beitrags zeigen, müssen sie den direkten Vergleich mit den Topstandorten nicht scheuen. Red.

Die Rahmenbedingungen für den deutschen Immobilienmarkt sind nach wie vor günstig. Das niedrige Zinsniveau hat sich manifestiert, zehnjährige Bundesanleihen weisen seit Mai 2019 eine durchgängig negative Rendite auf. Das macht die Immobilie, insbesondere für institutionelle Investoren, zu einer begehrten Anlagealternative. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass auch das leicht eingetrübte konjunkturelle Umfeld bislang keine Auswirkungen auf den Markt zeigt.

Goldene Dekade endet mit Rekordergebnis

Im vergangenen Jahr ging eine "goldene Dekade" für die Branche mit einem Rekordergebnis zu Ende: Inklusive gewerblicher Wohninvestments bilanzierte 2019 ein Transaktionsvolumen in Höhe von 91,3 Milliarden Euro und lag damit 16 Prozent über dem Wert von 2018. Rund 40 Prozent davon entfielen auf Büroimmobilien, die damit erneut im Fokus der Anleger standen. Auch das neue Jahr begann vielversprechend. Im Januar 2020 summierten sich die Investitionen auf 5,7 Milliarden Euro und machten den Jahresauftakt zum bislang umsatzstärksten.

Das Gros der Investoren bevorzugte im vergangenen Jahr erneut Gewerbeimmobilien in den sieben deutschen Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Fast 60 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens wurde in diesen Märkten getätigt. Aber auch außerhalb der Topstandorte nahmen die Investitionen zu. Mit 38,7 Milliarden Euro wurden deutschlandweit 17 Prozent mehr gewerbliche Immobilien in Oberzentren gehandelt als 2018 (rund 33 Milliarden Euro).

Im Fokus internationaler Investoren

Neben inländischen Akteuren schätzen auch internationale Investoren zunehmend Anlagemöglichkeiten in den Regionen. Laut einer aktuellen Umfrage von Union Investment Real Estate sehen mehr als die Hälfte französischer und britischer Anleger Oberzentren in Deutschland als geeignete Alternative zu den europäischen Topstandorten. Dabei spielen sowohl das stabile ökonomische und politische Umfeld als auch die im internationalen Vergleich nach wie vor unterdurchschnittlichen Preise eine Rolle. In der Bundesrepublik konzentriert sich das Investmentgeschehen zudem nicht wie in Frankreich oder England auf die Zentren rund um die Hauptstädte. Die größere Vielfalt attraktiver Standorte macht Deutschland für Investoren attraktiver.

Gerade für ausländische und institutionelle Investoren ist Transparenz in den Oberzentren von besonderer Bedeutung. Die Anleger sind auf fundierte Analysen der ihnen überwiegend unbekannten Märkte angewiesen. In ihrer neuen Studie "Regionale Immobilienzentren 2020" ermöglicht die DZ Hyp einen umfassenden Einblick in 19 Standorte mit breiter regionaler Streuung. Untersucht wird die Entwicklung der Büro- und Einzelhandelsmärkte in Augsburg, Bremen, Darmstadt, Dresden, Essen, Hannover, Karlsruhe, Leipzig, Mainz, Mannheim, Münster und Nürnberg. Zur besseren Einordnung erfolgt ein Vergleich der Ergebnisse mit den sieben deutschen Topstandorten.

Mehr Stabilität und höhere Mietrenditen

Die zunehmende Attraktivität der regionalen Standorte speist sich zunächst aus dem Flächenmangel und dem hohen Nachfrageüberhang in den Metropolen. Darüber hinaus punkten Oberzentren mit einer geringen Volatilität. Sie verzeichneten in den vergangenen Dekaden weder sprunghafte Mietanstiege noch signifikante Verlustjahre. Seit dem Jahr 2000 schwankten die Spitzenwerte gegenüber den jeweiligen Vorjahren zwischen minus drei und plus fünf Prozent. Seit 2007 steigen sie jährlich um rund drei bis fünf Prozent.

Die Topstandorte zeigten sich im gleichen Zeitraum mit Veränderungen zum Vorjahr zwischen minus 14 und plus 12 Prozent spürbar unbeständiger. Auch hinsichtlich der Mietrendite überzeugen regionale Bürostandorte. Diese gab im vergangenen Jahr zwar an allen betrachteten Stand orten nach, lag in den Metropolen jedoch im Durchschnitt 1,2 Prozentpunkte unter den Werten der Oberzentren. In Letzteren ließen sich 2019 im Mittel vier Prozent erzielen. Spitzenreiter hinsichtlich der anfänglichen Mietrendite war Bremen mit 4,5 Prozent. Auch in Essen, Mannheim und Darmstadt waren die Werte mit 4,2 beziehungsweise 4,1 Prozent überdurchschnittlich.

Flächenmangel treibt Büromieten nach oben

Seit 2009 ist die kumulierte Bürofläche an den in der Studie betrachteten Standorten trotz zunehmenden Bedarfs lediglich um sechs Prozent gewachsen. In der Folge sind die Leerstände von damals neun Prozent auf zuletzt drei Prozent gesunken. Erst in jüngerer Vergangenheit haben die Projektentwicklungsaktivitäten zugelegt. Der daraus entstandene Flächenmangel resultierte in Verbindung mit der hohen Nachfrage im vergangenen Jahr in einer dynamischen Mietpreisentwicklung. Zwar waren steigende Werte zu erwarten. Das insgesamt hohe Ausmaß jedoch überraschte. Über alle betrachteten Standorte hinweg wuchs die Spitzenmiete so stark wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr.

Zeitgleich zeigten die einzelnen Städte spürbare Unterschiede. Die Spannbreite reicht von einem Plus von mehr als 16 Prozent in Berlin bis zu stagnierenden Werten in Darmstadt. In der Hauptstadt sind derzeit 39 Euro je Quadratmeter zu zahlen, die hessische Jugendstilmetropole ist mit rund 13 Euro neben Augsburg und Bremen am günstigsten. Neben Berlin profitieren die beiden ostdeutschen Standorte Dresden und Leipzig von ihrer guten wirtschaftlichen Entwicklung. Sie liegen mit 9,6 beziehungsweise 7,2 Prozent Mietsteigerungen vor allen weiteren untersuchten Standorten. Insgesamt verlief das Wachstum in den Oberzentren aber wie in den Vorjahren spürbar moderater als in den Metropolen.

Einzelhandel geprägt von Veränderungen

Der Einzelhandel hat den Umsatz in Deutschland 2019 um rund drei Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Davon profitierten jedoch in erster Linie Nahversorger und Onlineanbieter. Der innerstädtische Einzelhandel hingegen befindet sich inmitten einer Phase der Veränderungen. Grundsätzlich sind die Toplagen nach wie vor begehrt. Der Angebotsmix verschiebt sich allerdings vor dem Hintergrund eines veränderten Einkaufsverhaltens zunehmend in Richtung Gastronomie und Nahversorgung. Die klassischen Retailer aus der Mode- und Elektronikbranche stehen unter Druck und reduzieren ihre Verkaufsflächen.

Die Topstandorte können diese Entwicklung dank überdurchschnittlicher Kaufkraft, ihrer Marktgröße und Internationalität abfedern. Hier bewegen sich die Spitzenmieten seit 2016 zum Großteil seitwärts. 2019 waren es im Durchschnitt 294 Euro je Quadratmeter. Für die regionalen Standorte ist dies schwieriger. Sie verfügen in der Regel nicht über Alleinstellungsmerkmale mit internationaler Strahlkraft und sind zahlreicher und austauschbarer. Folglich sanken die Spitzenmieten in den zurückliegenden drei Jahren um vier Prozent auf zuletzt durchschnittlich 129 Euro je Quadratmeter.

Im Gegensatz zum Büromarkt ist das Mietniveau im Einzelhandel an den Topstand orten vergleichsweise homogen, wohin gegen die Oberzentren eine große Spannbreite aufweisen. Die Spitzenmiete reichte hier im vergangenen Jahr von 93 Euro je Quadratmeter in Darmstadt bis zu 192 Euro in Hannover.

City-Immobilien gehört die Zukunft

Positiv für Innenstädte und Investoren ist das potenziell breite Nutzerspektrum für Citylagen. Neben Handel, Nahversorgung und Gastronomie kommen auch Coworking-Büros, Freizeitangebote oder Paketstationen in Frage.

Immobilien, die darauf ausgerichtet sind, werden in Zukunft ein geringeres Leerstandsrisiko aufweisen. Es ist vorstellbar, dass diese Entwicklung zu neuen Begrifflichkeiten führt. Unter Umständen spricht man in Zukunft von "City-Immobilien" statt vom innerstädtischen Einzelhandel. Für 2020 ist damit zu rechnen, dass die Verschiebungsprozesse weitergehen werden und der Miettrend das vergangene Jahr fortschreibt.

Mit den Ergebnissen der Studie lässt sich festhalten, dass Investitionen in regionale Büromärkte insbesondere für Anleger mit höheren Renditeerwartungen eine attraktive Alternative sind. Im Einzelhandel hingegen vergrößert die Markt- und Mietpreisentwicklung der Oberzentren die Skepsis der Investoren. Hier dürften sich die Aktivitäten im laufenden Jahr noch stärker auf die Topstandorte konzentrieren.

DER AUTOR STEFFEN GÜNTHER Leiter Institutionelle & Internationale Gewerbekunden, DZ HYP AG, Hamburg
Steffen Günther , Leiter Institutionelle & Internationale Gewerbekunden, DZ HYP AG, Hamburg

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X