MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

RESEARCH VON WOHNIMMOBILIEN ALS STEUERUNGSELEMENT FÜR INVESTMENTS

Jens R. Rautenberg Quelle: Conversio

Der deutsche Wohnimmobilieninvestmentmarkt brummt. Entsprechend hoch sind mittlerweile die verlangten Preise, was zu einem starken Abschmelzen der Ankaufsrendite führt. In diesem anspruchsvollen Marktumfeld sollten es Investoren nach Einschätzung des Autors deshalb nicht versäumen, eine detaillierte Analyse der Objekte vornehmen zu lassen. Diese schütze vor voreiligen Entscheidungen und auch vor möglichen Fehlinvestitionen. Er warnt davor, sich lediglich auf Gutachten zu verlassen, die allein vom Schreibtisch aus und mithilfe von "Big Data" erstellt wurden. Insbesondere mit Blick auf die derzeit so begehrten deutschen Metropolen und Schwarmstädte sei eine Vor-Ort-Begehung aufgrund der Vielzahl von Unwägbarkeiten unverzichtbar. Darüber hinaus erörtert er die Implikationen der immer häufiger am Markt zu beobachtenden Praxis, wonach Neubauprojekte zum Verkauf stehen, ohne dass bereits eine Baugenehmigung vorliegt. Red.

Zunächst einmal klingt es nach einer guten Nachricht: Im ersten Halbjahr 2018 betrug das Transaktionsvolumen von Wohnimmobilien in Deutschland 9,8 Milliarden Euro - eine Steigerung von 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bis Jahresende könnten es nach einer Schätzung von Dr. Lübke und Kelber dann gut 20 Milliarden Euro sein. Das wären fast vier Milliarden Euro mehr als 2017. Die Werte belegen, dass es derzeit einen Run auf deutsche Immobilien gibt. Es wird dort gekauft, wo etwas angeboten wird. Die Entscheidungsfristen bei Ankäufen und somit auch die Prüfzeiten werden dabei immer kürzer.

Das Für und Wider einer Immobilienblase in Deutschland

Insofern zeigt eine hohe Marktaktivität immer auch Schattenseiten. Teils herrschen Ängste vor einer bevorstehenden Immobilienblase. Darauf wies zuletzt die Deutsche Bundesbank Anfang des Jahres hin. Von "überhitzten Märkten" ist in dem Bericht die Rede. Derartige Warnungen müssen jedoch differenziert betrachtet werden: Dort, wo die Mieten parallel zu den Kaufpreisen steigen, sind die Befürchtungen weniger begründet. Hingegen lauert in Teilmärkten von A-Städten wie München oder Hamburg, in denen sich die Kaufpreise von den Mieten teilweise stark entkoppeln, die Gefahr von Marktüberhitzungen.

Viele Immobilieninvestments rechnen sich aber aktuell immer noch aufgrund der niedrigen Zinsen für Hypothekendarlehen. Das schafft, selbst bei stark gesunkenen Ankaufsrenditen, immer noch einen guten Cashflow. Genau hier lauert im Prinzip die Gefahr. Es ist zu beobachten, dass Objekte gekauft werden, die sich auf dem Papier rechnen, die aber noch vor zwei Jahren niemand in Ankaufsüberlegungen einbezogen hätte. Aus Investorensicht ist die Formel "Je größer das Portfolio, desto größer die entsprechenden Gewinne" in dieser Form nicht mehr gültig.

Seien es Pensionskassen, Family Offices oder auch institutionelle Investoren: Wer bei einem Investment in Wohnimmobilien in eine Art Rauschzustand gerät, handelt nicht länger umsichtig. Angesichts dessen sind differenzierte Betrachtungen der Märkte sowie ihrer Teilmärkte genauso zwingend erforderlich wie eine umfassende Analyse des konkreten Kaufobjektes. Schließlich wollen Investoren nachhaltige und werthaltige Immobilieninvestments identifizieren und Risiken begrenzen.

Objektbewertung kommt oftmals zu kurz

Doch das ist leichter gesagt als getan. Investoren lassen Immobilien häufig nur durch ein externes Unternehmen eher grob einschätzen und wollen die Ausgaben für umfangreiche Analysen möglichst geringhalten. Hier liegt der Fokus dann oft stark auf der Bewertung des Ankaufpreises und des entstehenden Cashflows. Finanzkräftigere Investoren sowie Fondshäuser verfügen über eine eigene Researchabteilung. Deren Hauptaufgabe besteht in der Regel darin, sich bei der Vielzahl der täglich eingehenden Angebote eine zügige Objektbewertung auf Basis von Vergleichsdaten anzeigen zu lassen.

Manch ein Analyst wirbt dann sogar damit, aufgrund der hohen Datendichte die Parameter bis auf Teilmärkte herunterbrechen zu können. Doch reicht eine solche Analyse wirklich aus, um verlässliche Informationen über ein oder mehrere Objekte zu erhalten? Schließlich finden sich allgemein gehaltene Immobilienbewertungen auch auf Internetseiten einschlägiger Immobilienportale. Aktuell ist zu beobachten, dass bei einem Ankauf auf die Schnelle die Berechnung des Cashflows auf Vergleichsdaten basierend abgestellt wird. Das Objekt selbst wird, im wahrsten Sinne des Wortes, im Vorbeifahren betrachtet.

Selbstverständlich sind Marktdaten für Immobilienbewertungen unverzichtbar. Entscheidend aber ist die Qualität. Wenn beispielsweise ein Gutachter nicht genau nachvollziehbare Daten als Quelle heranzieht, ist diese Bewertung dann am Ende wirklich relevant? Bei der zunehmenden Marktgeschwindigkeit von Immobilientransfers kommt es vermehrt vor, dass der Aspekt der Objektbewertung zu kurz kommt. Investoren laufen somit Gefahr, einem zu oberflächlich erstellten Gutachten zu vertrauen.

Mikrolage von entscheidender Bedeutung

Für die Big Seven in Deutschland existiert eine Fülle an Analysedaten. Bei kleineren Städten ist die relevante Datenfülle deutlich geringer und nicht immer aussagekräftig. Im Fall eines Immobilieninvestments in einer dem Käufer unbekannten B-Stadt gilt es, wichtige Kriterien zu berücksichtigen, etwa die Weiterentwicklung eines Stadtteils. Eine gute Analyse sollte daher sowohl Immobilienmarktdaten als auch sozioökonomische Variablen einbeziehen. Entscheidend ist nicht nur die Ankaufsrendite, sondern auch das soziale Entwicklungspotenzial eines Viertels und die Durchmischung der dortigen Bevölkerung. Das betrifft sowohl das Einkommen und Alter der Bewohner als auch deren Bildungsgrad und Familienstand.

Auch Gastronomie-, Freizeit-, und Vereins angebote sowie Bildungsreinrichtungen in unmittelbarer Nähe beeinflussen stark die zukünftige Entwicklung des Investments. Wenn ein Stadtteil attraktiv ist und immer mehr Menschen dorthin ziehen wollen, dann ist es auch eine gute Voraussetzung für ein erfolgreiches Investment in Bestandsimmobilien und ebenso in entsprechende Neubauprojekte. Gleichzeitig finden sich häufig Viertel, in denen die Mieten lediglich stagnieren oder sogar fallen.

Wo eine problematische Sozialstruktur vorherrscht, sind höhere Mieten auf Dauer nicht realisierbar. Insofern ist das soziale Milieu eines Stadtteils ebenfalls zu beachten. Werden die genannten Merkmale von der Bevölkerungsentwicklung bis hin zur sozialen Durchmischung beachtet, rückt die Einstufung in einen A-, B- oder C-Standort ein wenig in den Hintergrund.

Neue Märkte: Schwarmstädte liegen im Trend

Neben der klassischen A-, B-, C-Aufteilung existiert eine weitere, die von der Größe der Stadt unabhängig ist: die Kategorie der Schwarmstädte. Dahinter verbirgt sich ein besonderes Phänomen. Junge Leute ziehen wie Zugvögel aus anderen Regionen Deutschlands los, finden sich zusammen und fliegen als Schwarm alle in dieselbe Richtung. Am Ziel angekommen, etwa in Frankfurt sowie in den Universitätsstädten Leipzig, Heidelberg und Darmstadt, lässt sich der Schwarm in der Stadt nieder. Der Wohnraum wird spürbar knapp. Oftmals leiden aber die angrenzenden Regionen stark unter dieser Bewegung. Auch hier müssen Investoren sehr genau schauen, ob sich das potenzielle Objekt in der Region einer Schwarmstadt befindet oder schon außerhalb und welche Auswirkungen dies für die Zukunft haben könnte.

Vielen Investoren ist die positive Entwicklung, etwa in Leipzig, bekannt. Weniger wird bisher auf Städte geschaut, die diesem Beispiel folgen könnten. Dazu zählen etwa Magdeburg, Halle und Erfurt. Ähnliches gilt für süddeutsche Städte wie Nürnberg, Fürth oder Ingolstadt. Die Orte weisen identische oder ähnliche Indikatoren auf: Das Bevölkerungswachstum verlief in jüngster Zeit positiv, das kulturelle Angebot ist vielfältig, eine gute Infrastruktur vereint sich mit einer besonderen städtebaulichen Struktur. Hinzu kommt, dass die dort ansässigen Hochschulen und Unternehmen renommierte Studiengänge und attraktive Jobs anbieten.

Doch letztlich gibt es selbst bei Schwarmstädten keine Regel ohne Ausnahme: Leipzig plant, vier große Gebiete zu Milieuschutzgebieten zu erklären. Formell sprechen die Juristen von einer "Erhaltungssatzung". Dem Vernehmen nach will die Stadt 2019 damit "Luxussanierungen" verhindern. Doch geht es hierbei nicht um goldene Wasserhähne und Marmorbäder.

Stattdessen soll es bei Bestandsbauten verboten sein, nachträglich Balkone anzubauen oder Fußbodenheizungen einzubauen. Hat ein Investor in solch einem Gebiet 2018 Objekte gekauft, könnte ihm schon im kommenden Jahr ein "Veränderungsverbot" drohen. Auch solche Informationen sammeln aufmerksame Analysten.

Die besondere Rolle der Objektanalyse

Was bedeuten die Erkenntnisse von Metropolen und Schwarmstädten nunmehr für die Objektanalyse? So manches Gutachten wird aufgrund ein paar eilig recherchierter Werte allein vom Schreibtisch aus erstellt. Eine Due Diligence, die allein auf Basis von Algorithmen und "Big Data" entsteht, birgt allerdings Risiken. Unverzichtbar für eine gute Analyse ist daher stets auch eine Vor-Ort-Begehung. Bei noch nicht errichteten Neubauten ist eine umfangreiche Prüfung des Bauträgers und der Baupläne geboten. In jedem Fall sollte das Ankaufsobjekt umfangreich analysiert werden. Hier sind Makro- und Mikrolage, Objektzustand- beziehungsweise Baubeschreibung, Mietkalkulationen, Kaufpreis und die Besonderheiten des Objektes zu bewerten. Dies geschieht am besten durch eine neutrale Stelle.

Aufgrund der aktuellen Marktlage kommen weitere Hürden hinzu, die ein Investor nicht immer sofort im Blick haben kann. Deutlich mehr Entwickler als früher bieten Neubauprojekte zum Verkauf an, ohne dass bereits eine Baugenehmigung existiert. Handelte es sich früher dabei eher um eine Ausnahme, ist es heute oft schon der Normalfall. Neben überlasteten Bauämtern und Behörden, durch die sich Genehmigungen verzögern, gibt es derzeit zu wenig Planer, Handwerker, Brandschutzbeauftragte oder Statiker am Markt. Daher werden Wohnungsbauvorhaben auch immer seltener termingerecht fertiggestellt.

Auch solche Verwaltungsakte bedeuten Ungewissheit und Risiken für die Investoren. Zum einen kann die Laufzeit von Krediten nicht wie üblich vorher festgelegt werden. Zum anderen verzögert sich bei einem Wohnhaus der Vermietungsbeginn. Gerade deswegen sollten sich auch professionelle Investoren wie Family Offices und Stiftungen vor einem Investment immer beraten lassen.

Anzahl der Ansprechpartner reduzieren

Eine Vielzahl an Unwägbarkeiten bei Immobilienobjekten mag gerade semi-professionelle Investoren verunsichern. Mit der richtigen Vorgehensweise lässt sich die Unsicherheit jedoch nehmen: Wird ein Bestandsobjekt bewertet, muss der technische Zustand begutachtet werden. Dann gilt es, die Baubeschreibung zu prüfen sowie eine Analyse der vorliegenden Verträge vorzunehmen. Erfahrene Investoren wissen selbstverständlich um diese Kriterien. Wenn nun aber bei technischen Fragen beispielsweise allein der TÜV bemüht wird, bei der Bewertung der Immobilie ein externer Gutachter und bei der Prüfung der Verträge ein Spezialanwalt einer Kanzlei, dann kann der Auftraggeber die einzelnen Prüfungsschritte zeitlich schlecht steuern.

In diesem Fall ist es die bessere Alternative, ein Unternehmen zu beauftragen, dass solche Dienstleistungen aus einer Hand anbietet. Wer also Wert auf die Objektbetrachtung legt, sollte darauf achten, dass die gesamte Palette an Kriterien bedient wird. Das umfasst somit die Makro- und Mikrolage, die Objektzustand- beziehungsweise Baubeschreibung, die Mietkalkulationen, den Kaufpreis und die Besonderheiten des Objektes. Immobilien bleiben ein lukratives Investment. Insgesamt ist nur der Markt deutlich schwieriger geworden. Es gibt kaum noch ein Objekt ohne Mängel. Das macht eine neutrale Analyse wichtiger als je zuvor.

DER AUTOR JENS R. RAUTENBERG, Inhaber, Conversio - Wahre Werte, Köln
Jens R. Rautenberg , Geschäftsführer, Conversio | Wahre Werte GmbH & Co. KG, Köln

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