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Stiftungen - der andere Investor

Dietmar Fischer

Ein Stifter will ausschütten, um seinen Stiftungszweck verfolgen zu können. Dafür muss das Stiftungsvermögen Erträge erwirtschaften. Dieser Grundsatz, die Sicherung des Vermögens im Bestand und in der Ertragskraft, ist allen Stiftungen gemein. Es gilt also, auf ein diversifiziertes Investmentvermögen zu setzen, das in der Regel langfristig ausgelegt und frei von Spekulationen ist. Hinzu kommt, dass eine Stiftung Projekte rasch anbieten oder unterstützen können muss. Rendite, Sicherheit, Liquidität und Glaubwürdigkeit - ein schwieriges Spannungsfeld, innerhalb dessen sich Stiftungen bewegen. Red.

Franz Beckenbauer, Philipp Lahm, Manuel Neuer, Per Mertesacker. Sie alle haben eine. Die Rede ist von Stiftungen - Einrichtungen, die mithilfe eines gewissen Kapitalgrundstocks ein spezifisches Ziel verfolgen: Derjenige, der stiftet, möchte etwas bewirken, Dinge positiv gestalten, sie erhalten oder auch zum Besseren verändern. Oft handelt es sich um ein gemeinnütziges Ziel im sozialen, wissenschaftlichen oder kulturellen Bereich. Eher unbekannt ist, dass viele Stiftungen in Immobilien investieren, um ihrem Stiftungszweck nachgehen zu können.

Weit über 20 000 gibt es von ihnen in Deutschland. Viele Stiftungen sind in den letzten Jahren professioneller geworden, spielen eine wachsende gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Rolle. Der Bundesverband deutscher Stiftungen schätzt, dass sie jährlich rund 17 Milliarden Euro für gemeinnützige Zwecke ausgeben. Und dies bei einem Gesamtvermögen, das geschätzt bei rund 100 Milliarden Euro liegen soll - die Ertragskraft deutscher Stiftungen ist enorm.

Enorm sind allerdings auch die Unterschiede zwischen den Stiftungen. Zunächst variieren die rechtlichen Grundlagen je nach Aufsichtsbehörde und Bundesland. Über allem schwebt zusätzlich noch Bundesrecht. Hinzu kommen die sogenannten Grundsätze guter Stiftungspraxis, die manche Stiftung für verbindlich erklärt hat. Je nach Stiftungsgruppen werden sie ergänzt beispielsweise durch Empfehlungen und Grundsätze für Stiftungen der öffentlichen Hand, für kirchliche Stiftungen, für gemeinnützige Unternehmensstiftungen oder auch für Treuhandstiftungen.

Unterschiedliche Vermögen, gemeinsamer Grundsatz

Auch die Vermögen gestalten sich enorm unterschiedlich. Es gibt Stiftungen mit einem vergleichsweise kleinen Vermögen von unter 100 000 Euro. Im Mittel liegt das Vermögen bei etwas über 300 000 Euro. Weniger als ein Prozent der Stiftungen können auf einen Kapitalstock von 100 Millionen Euro oder mehr blicken. Allen Stiftungen gemeinsam ist wiederum der Grundsatz, das Stiftungsvermögen im Bestand und in seiner Ertragskraft zu sichern. Der Stifter will ausschütten können, um seinem Stiftungszweck nachzukommen. Dafür muss das Vermögen Erträge erwirtschaften: mindestens in Höhe der jährlichen Inflation sowie zur Deckung der Verwaltungskosten. Wie hoch letzte ausfallen, ist vom Einzelfall abhängig. Angemessen müssen sie sein. Daneben gilt es, Rücklagen zu bilden. Hiermit soll der inflationsbedingten Auszehrung des Vermögens entgegengewirkt werden. Daher wurde in der andauernden Niedrigzinsphase von der Möglichkeit, freie Rücklagen zu bilden, intensiv Gebrauch gemacht.

Der Anteil der Erträge aus dem Stiftungsvermögen, der den Rücklagen zugeführt wird, kann sehr deutlich im zweistelligen Prozentbereich liegen. Und dies kollidiert mit Förderwünschen undverpflichtungen, denn dieser Betrag steht erst nach Abzug aller Kosten dem Stiftungszweck zur Verfügung.

Das Stiftungsvermögen in Bestand und Ertragskraft zu sichern und zu mehren - der Grundsatz lässt vermuten, dass Stiftungen in ihrem Investitionsverhalten anderen sicherheitsorientierten Anlegern wie Family Offices, Pensionskassen oder Versicherungen ähneln (wenngleich Stiftungen in der Wahl und Zusammensetzung ihre Anlageziele freier sind als die beiden letztgenannten Gruppen).

Politik der ruhigen Hand

Grundsätzlich stehen Stiftungen alle denkbaren Anlageformen offen, sofern dadurch das Ziel - die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks - so gut wie möglich gefördert wird. Faktisch heißt das in vielen Fällen, keine Klumpenrisiken einzugehen. Stattdessen wird auf ein diversifiziertes Investmentvermögen gesetzt, das in der Regel langfristig ausgerichtet ist. Eine Anlagepolitik der ruhigen Hand ist gefragt, keine Spekulation. Wie sicherheitsorientiert Stiftungen agieren, zeigte sich vor allem in der direkten Folge der Finanzkrise: Über die Hälfte (und vor allem große Stiftungen) haben ihr Anlageverhalten nicht anpassen müssen.

Andererseits leiden gerade kleinere und mittlere Stiftungen, schwerpunktmäßig in konservative Anlagen investiert, unter der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase. Sichere Anlageformen werfen derzeit wenig bis nichts ab, eine Kapitalentwertung muss zudem aufgefangen werden. Ohne Erträge aber laufen Stiftungen Gefahr, ihren Zweck nur noch eingeschränkt erfüllen zu können. Daher erfordert die Zinskrise die Beschäftigung mit alternativen Finanzierungsmöglichkeiten sowie die weitere Professionalisierung der Vermögensbewirtschaftung in einem bei Stiftungen bisher nicht gewohnten Ausmaß.

Spannungsfelder

Unternehmens- und Staatsanleihen spielen eine Rolle in der Anlagepolitik, je nach Fall aber auch Aktien und natürlich Immobilien. Dabei ist es wichtig, dass die Stiftung liquide bleibt, um im Zweifel entsprechende Projekte rasch anschieben oder unterstützen zu können. Der Stifter muss also in angemessener Frist über ausreichend Bargeld verfügen können. Rendite, Sicherheit, Liquidität - in diesem Dreieck ergibt sich ein doppeltes Spannungsfeld: eine höhere Rentabilität geht zulasten der Sicherheit (zum Beispiel Unternehmensanleihen versus Staatsanleihen); eine höhere Sicherheit wiederum geht zulasten der Liquidität (zum Beispiel direkt gehaltene Immobilien versus börsennotierte Wertpapiere).

Eine weitere Besonderheit, die es beim Investmentverhalten von Stiftungen zu berücksichtigen gilt: Bestimmte Investmentziele können dem Stiftungszweck widersprechen und die Glaubwürdigkeit einer Stiftung gefährden. Wer sich beispielsweise für den Umweltschutz einsetzt, aber in Unternehmen investiert, die einen schlechten CO2-Fingerabdruck haben, der agiert mehr als unglücklich. Man möchte den Stifterwillen nur ungern karikieren, indem man in widersprüchliche Anlageziele investiert. Wer umgekehrt zweckbezogen und zielgerichtet im Einklang mit dem Stifterwillen investiert, spricht vom "Mission Investing."

Die Immobilie als Baustein

Stichwort Stifterwille: Der in der Satzung formulierte Stifterwille gilt als Grundlage und Maßstab für alles Handeln der Personen in der Stiftungsverwaltung und der Stiftungsorgane. Wie steht es zum Beispiel um den Stiftungsbrief der 1521 gegründeten Fuggerei zu Augsburg? Die Fuggerei gilt als die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt. Die Fuggereibewohner haben nach Anordnung des Stifters jährlich einen rheinischen Gulden zu entrichten und täglich drei Gebete zu sprechen. Besagter Gulden war vor 500 Jahren keine ganz kleine Summe, in Relation zur Miete für ein Jahr jedoch vergleichsweise erschwinglich.

Wie ist eine solche Summe im Zeitablauf zu interpretieren? Im Ergebnis zahlen die Fuggereibewohner heute 88 Eurocent Miete pro Jahr. Man hat immer wieder bewusst auf eine Inflationsanpassung verzichtet und ist dem ursprünglich festgesetzten Preis von einem Gulden im wahrsten Sinne des Wortes treu geblieben.

Während die Fuggerei die Immobilie selbst zum Stiftungszweck hat, ist sie sonst oft eher Anlagebaustein. Schätzungen zufolge sind 30 bis über 40 Prozent des jeweiligen Stiftungsvermögens in Immobilien investiert - je nach Fall mit deutlich unterschiedlichen Schwerpunkten (direkt/indirekt, Wohnen oder gewerblich genutzte Immobilien). Die Immobilie ist damit zweifelsohne eine wichtige Säule der Asset Allokation - wichtiger noch als für Versicherungen oder auch viele Family Offices. Vor allem große Stiftungen setzen auf Immobilien und fahren gut mit dieser Strategie. Dies zeigt sich in der aktuellen Niedrigzinsphase ganz deutlich: sie sind unabhängiger vom Zinssatz. Die Immobilienquote könnte daher sogar noch weiter steigen.

Es gibt immer mehr Anbieter, die maßgeschneiderte Immobilienportfolios strukturieren, die im Zweifel nicht nur den Anlagestrategien der Stiftungen entsprechen, sondern auch konform sind mit dem Stiftungszweck (Mission Investing zum Beispiel über nachhaltige Immobilien für Umweltstiftungen). Zudem erlauben Immobilieninvestments auch innerhalb einer Assetklasse, den Diversifikationsgedanken umzusetzen: Der

Blick über die Landesgrenzen hinaus sowie der Blick auf verschiedene Nutzungsarten erlaubt es, Risiken zu minimieren.

Die Freiheit der Stiftungen in der Wahl geeigneter Anlageziele ist groß - zu groß vielleicht? Nur etwa jede zweite Stiftung hat sich selbst sogenannte Anlagerichtlinien auferlegt. Die Anlagerichtlinien sind dabei durchaus ein sinnvolles Instrument zur Konkretisierung der Investmentstrategie. Hier werden Assetklassen und auch Risikoparameter definiert. Auf den zweiten Blick wird deutlich: Als zusätzliches Regelwerk zur Stiftungssatzung kommt die Anlagerichtlinie gerade bei großen Stiftungen häufiger infrage.

Auffällig ist auch, dass beim Formulieren der Anlagestrategie häufig externe Partner hinzu geholt werden. Offensichtlich trägt beides dazu bei, die Erfolgsaussichten zu erhöhen. Studien der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass große Stiftungen teilweise deutlich höhere Renditen erwirtschaften als kleinere, was insbesondere in der aktuellen Niedrigzinsphase zum Tragen kommt.

Der Autor

Dietmar Fischer - Partner, Ernst & Young Real Estate GmbH, Eschborn

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