BAUFINANZIERUNG

SYSTEMISCHER RISIKOPUFFER: GUT GEMEINT, ABER GEZIELTERE MASSNAHMEN WÄREN BESSER

Reber Acar, Foto: privat

Der deutsche Immobilienmarkt erlebt derzeit eine beispiellose Rallye. Seit 2010 haben sich Hauspreise verdoppelt, und der Anstieg im vergangenen Jahr von über 10 Prozent markiert die bislang höchste jemals verzeichnete Teuerungsrate. Die Einführung von Risikopuffern durch die BaFin werde sich indes nur begrenzt auf die Kreditvergabe der Banken auswirken, so die Überzeugung des Autors. Die geringere Differenzierung könne sogar Kollateralschäden verursachen. Beschränkungen bei der Vergabe von Hypothekendarlehen wären seiner Ansicht nach besser geeignet, um Risiken für Darlehensnehmer zu vermeiden und die hohe Qualität deutscher Deckungsstöcke aufrechtzuerhalten. Red.

Deutsche Wohnimmobilien verteuerten sich 2021 um 10,7 Prozent. Dies ist der stärkste Anstieg, den der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) je verzeichnet hat. Nachdem sich die Teuerungsrate Ende 2019 abgeschwächt hatte, heizte die Pandemie den Immobilienboom wieder an (siehe Abbildung 1).

Erheblicher Anstieg der Haushaltsverschuldung

Im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt ist der pandemiegetriebene Boom nun breiter aufgestellt und treibt die Preise in kleineren Städten und Vororten stärker an als in den Metropolen. Die Kreditvergabe und damit die Verschuldung der Haushalte haben in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen (siehe Abbildung 2). Die Warnungen vor dem bevorstehenden Platzen einer Immobilienblase sind dennoch übertrieben, auch wenn die Bundesbank aktuell von Überbewertungen von bis zu 40 Prozent ausgeht. Zumindest für den Gesamtmarkt ist der Anstieg der Preise seit 2010 weitestgehend auf fundamentale Faktoren zurückzuführen: Rekordtiefe, längerfristig festgesetzte Zinsen, geringe Arbeitslosigkeit und stetiges Wachstum der Haushaltseinkommen deuten auf zwar sich verschlechternde, aber noch nicht besorgniserregende Schuldendienstfähigkeit der Haushalte hin.

Scope geht nicht davon aus, dass sich ein zweistelliger Preisanstieg 2022 wiederholen wird. Allerdings stellen wir fest, dass die Kosten für Baumaterialien weiterhin stark steigen, die strukturelle Wohnungsknappheit anhält, die Inflation nicht nur transitorisch ist und Anleger weiterhin Investitionen in Immobilien favorisieren. Alle Zeichen deuten damit auf einen weiteren Anstieg hin und eine deutlich geringere Dynamik bei der Preisentwicklung ist zumindest kurzfristig unwahrscheinlich. Zusammen mit dem sich aktuell anbahnenden Anstieg der Zinsen bedeutet dies, dass Wohnraum in den nächsten Jahren immer weniger erschwinglich wird.

Die Tatsache, dass die BaFin in diesem Umfeld weiterhin keine makroprudenziellen Beschränkungen für Hypothekendarlehen nutzt, um den Markt vor einer Überhitzung zu schützen, ist überraschend. Die geplante Einführung des systemischen Risikopuffers ist gut gemeint, aber gezieltere, kreditnehmerbezogene Maßnahmen wären besser geeignet, um zu verhindern, dass sich Risiken bei steigenden Zinsen herausbilden.

Abbildung 1: Entwicklung der Hauspreise in Deutschland Quelle: vdp

Makroprudenzieller Aufsicht fehlt es an Daten und Instrumenten

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wurde in Deutschland die Rechtsgrundlage für kreditnehmerbezogene makroprudenzielle Instrumente erst spät geschaffen. Auch ist der Umfang weiterhin begrenzt. Mitte 2015 forderte der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) - das zentrale Gremium der makroprudenziellen Aufsicht in Deutschland - die Möglichkeit, Mindestanforderungen für den Beleihungsauslauf (LTV), die Schuldendienstquote (DSTI), die Gesamtverschuldung (DTI) und die Tilgung zu setzen. Außerdem verlangte er, die entsprechenden Daten bei den Darlehensgebern erheben zu dürfen, um die Anwendung der Maßnahmen beurteilen und kalibrieren zu können. 2017 gewährte der Gesetzgeber lediglich die Beschränkung des LTV und die Mindesttilgung. Die Möglichkeit der Datenerhebung sowie die Schaffung einkommensbasierter Maßnahmen, ein Standard in anderen europäischen Ländern, lehnte er ab. Nach Ansicht des Gesetzgebers waren die erforderlichen Daten zur Rechtfertigung solcher Maßnahmen nicht verfügbar, und bei der Datenbereitstellung hoffte man auf eine europäische Lösung - eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte.

Nach wie vor sind detaillierte Informationen über die Hypothekenkreditvergabe rar. Für die Aufseher ist es daher schwierig, Beschränkungen zu rechtfertigen. Bei der Bewertung der Kreditvergabestandards der Banken verlässt sich die Aufsicht meist auf die Ergebnisse der "Bank Lending Survey" der EZB; ein Instrument, das für die Kalibrierung der Geldpolitik konzipiert wurde und, wie die Bundesbank einräumt, "für makroprudenzielle Zwecke keine ausreichenden Informationen" bietet. Konkrete Daten werden nur nach unregelmäßigen Adhoc-Anfragen geliefert, denen es an Konsistenz und Vergleichbarkeit fehlt.

Nachdem der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) 2019 vor den mittelfristigen Risiken innerhalb des Wohnimmobiliensektors in Deutschland gewarnt und insbesondere die fehlenden Daten zur Hypothekenkreditvergabe bemängelt hatte, erhielt die Bundesbank das Recht, die erforderlichen Daten zu erheben. Die vierteljährliche Datenlieferung zum hypothekarischen Neugeschäft ist erstmals im Mai 2023 fällig. Die deutschen Banken werden indes nicht müde zu beteuern, dass ihre Kreditvergabestandards für Hypothekendarlehen hoch seien und eine Einführung von Mindeststandards nicht erforderlich sei.

Mitgliedsinstitute des vdp meldeten im ersten Halbjahr 2021 durchschnittliche Beleihungsausläufe von 80 Prozent, einen DSTI von 25 Prozent und eine Tilgungsrate von 3 Prozent für neu vergebene Hypothekendarlehen. Dies spricht tatsächlich für eine umsichtige Kreditvergabe. Gleichzeitig meldeten sie auch, dass mehr als 20 Prozent der neuvergebenen Kredite einen LTV von über 80 Prozent in Kombination mit einem DSTI von über 30 Prozent haben. Wenn diese Kredite nicht ausreichend getilgt werden, können Kreditnehmer bei der Refinanzierung durch höhere Zinsen schwer getroffen werden.

Es drohen Kollateralschäden

Die BaFin hat sich vorerst gegen den Einsatz von kreditnehmerbezogenen makroprudenziellen Maßnahmen entschieden. Stattdessen schlägt die Aufsichtsbehörde, wie im Januar 2022 angekündigt, die Wiedereinführung des antizyklischen Kapitalpuffers von 0,75 Prozent und die erstmalige Aktivierung eines Systemrisikopuffers von 2 Prozent für wohnwirtschaftliche Hypothekendarlehen vor. Der Systemrisikopuffer an sich hat laut BaFin nur eine "leichte Steuerungswirkung" und wird sich nur begrenzt auf die Kreditvergabe der Banken auswirken. Die geringe Differenzierung könnte aber Kollateralschäden verursachen. Im Moment schadet die geringe Zielgenauigkeit der Maßnahmen mehr als dass sie Risiken verhindert, da sie das gesamte Hypothekengeschäft der Banken und damit auch die relativ risikoarmen Kredite treffen.

Hypothekendarlehen werden benötigt, um die deutsche Wohneigentumsquote von 51 Prozent näher an den europäischen Durchschnitt von 70 Prozent heranzuführen - und natürlich auch für die Mammutaufgabe des grünen Umbaus des Wohnungssektors. Insofern ist die Kritik der Deutschen Kreditwirtschaft verständlich. Kapitalbasierte Maßnahmen sollen die Widerstandsfähigkeit der Banken erhöhen, nachdem Risiken bereits entstanden sind. Um der Entstehung von Risiken vorzubeugen, sind gezieltere Beschränkungen der Kreditvergabe erforderlich. Statt durch höhere Risikopuffer dafür zu sorgen, dass die Banken geschützt sind, sobald ein Kredit ausgefallen ist, wäre die Vermeidung der Risiken von vornherein zielführender - eine Strategie, die die meisten anderen europäischen Aufseher bereits aktiv verfolgen.

Abbildung 2: Bruttoschulden-Einkommensquotient der Haushalte (in Prozent) Quelle: Eurostat

ESRB warnt erneut

Kreditnehmerbezogene makroprudenzielle Instrumente können die Vergabe an die risikoreichsten Schuldner einschränken, das heißt, an Kreditnehmer, die einen hohen LTV, eine hohe Schuldendienstquote und eine geringe Tilgung aufweisen. Es überrascht daher nicht, dass der ESRB in seiner vor kurzem veröffentlichten, erneuten Warnung nicht nur eine Begrenzung des LTV, sondern auch einkommensbasierte Instrumente empfiehlt.

Die Bundesbank sieht die Beschränkung der Kreditvergabe als einen "erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit". Unserer Meinung nach gilt dies insbesondere für eine Begrenzung des LTV. Eine harte LTV-Grenze von zum Beispiel 80 Prozent würde einen erheblichen Teil der Haushalte mit mittlerem Einkommen vom Immobilienmarkt ausschließen. Die Folge wären soziale Spannungen, die sicherlich nicht gewollt sind. Ein solcher Eingriff müsste daher durch konkrete Daten untermauert werden - Daten, die der Aufsicht möglicherweise erst Mitte 2023 vorliegen. Scope ist der Meinung, dass die Einführung der flexibleren Mindesttilgung gerechtfertigt ist, ergänzt durch eine maximale Schuldendienstquote, die vorerst rechtlich nicht bindend ist. Die zunehmende Überbewertung und der zunehmende schuldengetriebene Hauspreisboom müssen angegangen werden, um Risiken für die Finanzstabilität zu vermeiden. Ein weiteres Abwarten und Mahnen vonseiten der Aufsicht sind indes gefährlich. Dies gilt insbesondere, da sich die Maßnahmen nur auf die Neuvergabe auswirken und es Zeit braucht, bis diese wirksam werden.

Mindeststandards schaffen zusätzliches Vertrauen

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Banken und dem Regulator kombiniert mit einem ausgewogenen Paket an kreditnehmerbezogenen makroprudenziellen Beschränkungen wären ein positives Signal für den Markt. Ein Mindeststandard, der eine umsichtige Vergabe von Hypothekendarlehen garantiert, würde zusätzliches Vertrauen schaffen.

Die Finanzkrise von 2007 hat gezeigt, dass ein erhebliches Ansteckungsrisiko für Banken besteht und dass Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt, die von allzu aggressiven Banken verursacht werden, den gesamten Sektor erschüttern können. Da sich der Kreditzyklus an einem Wendepunkt befindet, sind jetzt Beschränkungen zum Schutz der Anleger und Kreditnehmer gefragt - und dies besser heute als morgen.

Reber Acar , Associate Director , Scope Ratings GmbH, Frankfurt am Main

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