BEZAHLBARER WOHNRAUM IN DEUTSCHLAND

VIELE VERBOTE - WENIGE ANREIZE

Dr. Andreas Mattner, Foto: Anna-Lena Ehlers

Die Ergebnisse des großen Wohngipfels im Kanzleramt Ende September legen den Schluss nahe, dass die Bundesregierung allen anwesenden Interessengruppen ein Stück weit gerecht werden wollte. Die Reaktionen im Anschluss an das Treffen lassen jedoch vermuten, dass dieser Ansatz nur bedingt zielführend war. Auch der Präsident des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft identifiziert neben einigen Lichtblicken reichlich Verbesserungspotenzial in dem vereinbarten Maßnahmenpaket. Die weitere Verschärfung der hierzulande ohnehin bereits starken Mieterrechte, die Reform der Grundsteuer sowie die halbherzige Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau sind einige der im folgenden Beitrag aufgegriffenen Kritikpunkte. Darüber hinaus gewährt er erste Einblicke in den neu gegründeten ZIA-Kommunalrat, der für eine bessere Verständigung zwischen Kommunen und Immobilienwirtschaft eintritt. Red.

Die Bundesregierung hat sich mit der Schaffung von 1,5 Millionen neuen Wohnungen in der laufenden Legislaturperiode ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Diese Marke kann nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung aller relevanten Akteure erreicht werden. Die Immobilienwirtschaft gehört hier ebenso dazu wie Vertreter aus den Städten und Kommunen, den Verwaltungen und der Politik. Denn die Lage in den angespannten Immobilienmärkten der deutschen Groß- und Universitätsstädte wird nicht besser. Sie wird zunehmend schwieriger.

Wirtschaftsimmobilien nicht aus den Augen verlieren

Dabei sind es nicht nur die Wohnungsmärkte, die sich in den vergangenen Jahren teils dramatisch entwickelt haben und stark steigende Kauf- und Mietpreise beklagen. Es sind auch die Märkte der Wirtschaftsimmobilien - und gerade diese sind für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Städte das stabile Rückgrat.

Mehrere Büromärkte melden bereits heute eine faktische Vollvermietung, die in der Regel bei drei Prozent beginnt. In München liegt sie bei 1,9 Prozent, in Stuttgart bei 2,1 Prozent, in Berlin bei 2,4 Prozent und in Hamburg noch knapp darüber bei 4,4 Prozent.

Doch während wir für dieses Segment noch mehr Aufmerksamkeit vonseiten der Politik brauchen, stellt sich die Beachtung des Wohnungsmarktes ganz anders dar. Viele Politiker haben das Thema des bezahlbaren Wohnens zur sozialen Frage unserer Zeit erklärt. Natürlich: Ein jeder von uns muss wohnen und dies sollte zu bezahlbaren Preisen möglich sein. Oft vergessen wird dabei aber: Ein jeder von uns muss auch arbeiten, einkaufen und sich erholen. Und wenn in den Städten kein Platz mehr etwa für Büro- oder Handelsimmobilien ist, wirkt sich das auch unmittelbar auf die Menschen aus, die in diesen Städten leben.

Wohngipfel: mehr Schatten als Licht

Auf den Bürogipfel im Bundeskanzleramt müssen wir aber noch warten. Der Wohngipfel dagegen hat bereits Ende September 2018 stattgefunden. Die Bundesregierung hatte Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eingeladen, um über bessere Rahmenbedingungen für das bezahlbare Wohnen und Bauen zu diskutieren. Richtigerweise hätte der Gipfel "Immobiliengipfel" heißen müssen, weil es bei Themen wie Steuern und Regulierung sämtliche Nutzungsarten von Immobilien geht. Der Gipfel war eines der Kernelemente des Koalitionsvertrags aus dem Frühjahr. Es bestand die Hoffnung auf richtungsweisende Ergebnisse und darauf, dass unsere Branche mit ihren Anteilen von über 18 Prozent an der Bruttowertschöpfung und den knapp zehn Prozent aller deutschen Erwerbstätigen ernst genommen und vor dem Kabinett gehört wird.

Am Ende stand ein Eckpunktepapier, das insgesamt eher ernüchternd als hoffnungsfroh war. Positiv hervorzuheben ist die Ankündigung der Koalition, die Grundsteuerreform aufkommensneutral umzusetzen. Bei der Wahl eines bewertungsabhängigen Modells würde die Grundlage der Besteuerung zumindest für die Zukunft regelmäßig erhöht und somit das Aufkommen tendenziell gesteigert.

Für ein solches Modell wurden anhand des in der Vergangenheit diskutierten Bundesratsmodells unter Anwendung der aktuellen Steuermesszahlen und Hebesätze individuell drohende Erhöhungen aufgezeigt - Hamburgs Erster Bürgermeister Tschentscher hat sich hier mit Aufklärung verdient gemacht. Wir nehmen die Bundesregierung an dieser Stelle gern beim Wort und begrüßen diese Ankündigung.

Fortschritte bei der Musterbauordnung

Auch die geplante Aufnahme der Typengenehmigung in die Musterbauordnung und eine Standardisierung und Erleichterung von digitalen Baugenehmigungsverfahren sind im Eckpunktepapier ganz klar hervorzuheben. Beides führt zu einer Vereinfachung für die Planungsbehörden, die an mehreren Stellen durch Fachkräftemangel und Überlastung an ihre Grenzen stoßen. Das ist ein enorm wichtiges Vorhaben der Gesetzgeber. Wichtig wäre nun, noch mehr Sicherheiten für Entwickler und Investoren durch die Erweiterung der Musterbauordnung herzustellen. So umgehen wir teuren Planungsaufwand insbesondere im seriellen Wohnungsbau.

Neben diesen positiven Elementen überwiegt am Ende aber doch die neuerliche Ansammlung von weiteren Regulierungsbestrebungen. So finden sich darin neben Ankündigungen, die bereits im Koalitionsvertrag stehen, leider wieder einmal Verbote und Eingriffe - unter anderem in das Mietrecht oder mit dem Baukindergeld als Klientelpolitik. Auch die Einführung der Sonderabschreibung für energetische Gebäudesanierungen, von den Verbänden im Gipfel angesprochen, vom Bundesfinanzminister jedoch nicht beantwortet, gerät in Vergessenheit, obwohl diese Absicht bereits zum Amtsantritt der Bundesregierung angekündigt wurde.

Stattdessen kommt eine gerupfte Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau. Diese gilt gemeinhin als ein Instrument, mit dem kurzfristig Anreize geschaffen werden können. Sie ist aber eher ungeeignet in Zeiten eines Konjunkturhochs. Eine moderate Erhöhung der linearen Abschreibung, die für alle Anwendung findet, wäre die richtige Maßnahme mit der wünschenswerten Weitsicht gewesen.

Fatale Eingriffe in das Mietrecht

Die neuerlichen Eingriffe in das Mietrecht, die sich im Eckpunktepapier finden, sind besonders fatal. So packt die Bundesregierung mit der Erweiterung des Betrachtungszeitraums zur Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete von derzeit vier auf sechs Jahre die Peitsche aus. Dieser Markteingriff hätte eine deutlich negative Wirkung besonders in den angespannten Wohnungsmärkten. Erst reduziert die Bundesregierung die Modernisierungsumlage, dann will sie die Mieten auf diese Art und Weise einfrieren.

Mit welcher Erwartung soll man bei sowieso schon hohen Kosten in den Mietwohnungsbau investieren, wenn feststeht, dass Mieten nie wieder erhöht und Modernisierungen selbst getragen werden? Und dann noch viel Kurioses: Im Schnellschuss soll sich die Kappungsgrenze bei Mieten unter sieben Euro von drei auf zwei Euro reduzieren. Damit werden Unternehmen bestraft, die günstige Mieten anbieten. In Wahrheit ist es aber keine Strafe, denn die Modernisierung wird schlichtweg ausbleiben - das wird sich in den nächsten Jahren offenbaren.

In Zeiten, in denen auch die staatliche Rente für viele Menschen auf einem niedrigen Niveau verharrt, vergisst die Politik, dass solche Maßnahmen letztlich die gesamte Volkswirtschaft sowie die Sparanlagen vieler Deutscher betreffen, die direkt oder indirekt in Wohnimmobilien investiert sind.

Nicht durchdachter Reformentwurf der Grunderwerbsteuer

Im Steuerbereich finden sich weitere Schwächen. Der Tenor im Eckpunktepapier zeigt, dass die Politik insbesondere bei der Diskussion um Share Deals die Wirkungsweise eigenen Handelns noch nicht verstanden hat oder nicht mehr verstehen will. Seit 2007 haben die Bundesländer insgesamt 26 Mal die Grunderwerbsteuer auf bis zu 6,5 Prozent erhöht - das Aufkommen befindet sich auf einem Rekordhoch. Mit Share Deals können sich Investoren und Eigentümer nun etwa davor schützen, dass ein Projekt doppelt mit Grunderwerbsteuer belastet wird, zum Beispiel wenn Projektentwickler zeitnah nach dem Erwerb - oft schon während der Entwicklung - das Produkt verkaufen.

Die Länder, die über Wohnungsmangel klagen und bezahlbares Bauen und Wohnen einfordern, erschweren die Situation. Denn nach einem von den Ländern diskutierten Entwurf sollen künftig Übertragungen von Unternehmensanteilen schneller Grunderwerbsteuer auslösen. Die Folgen dieses Eingriffs wären enorm. Beispielsweise würden Projektentwicklungen verteuert, Firmenfusionen noch problematischer und auch Anleger von bestimmten Fonds könnten hierdurch zur Kasse gebeten werden, obwohl der Fonds selbst gerade bei Ankauf des Objektes Grunderwerbsteuer gezahlt hat.

Die Politik scheint es immer wieder zu vergessen: Sie braucht zur Schaffung der 1,5 Millionen neuen Wohnungen die privaten Bauherren. Warum treibt sie dann die Regulierung derart voran? Wählerstimmen? Fehlende Weitsicht? Keine Alternativen? Zumindest Letzteres kann ausgeschlossen werden. Denn im Vorfeld des Wohngipfels hat der ZIA als Spitzenverband der Immobilienwirtschaft in 28 Vorschlägen konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, mithilfe derer Planungs- und Bauprozesse verschlankt, vereinfacht und beschleunigt werden können.

Kommunalrat zur Verbesserung der Zusammenarbeit

Diskutiert wurden diese Vorschläge auch im neu gegründeten Kommunalrat des Verbands, in dem zahlreiche Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte gemeinsam mit Experten der Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung zusammenkommen, um moderne und effiziente Ansätze für die gemeinsame Arbeit zu entwickeln. Die Maßnahmen wurden dem Wohnungswirtschaftlichen Rat des Bundesbauministeriums, in dem der ZIA Mitglied ist, zur Verfügung gestellt, um den Wohngipfel auf eine breitere inhaltliche Basis fernab des Mietrechts zu stellen.

Diese zielen etwa darauf ab, im Planungsverfahren einen verpflichtenden Scoping-Termin anzusetzen, um Aufgaben und Fragen der Mitbestimmung im komplexen Planungs- und Herstellungsprozess frühzeitig zu definieren und unnötigen Zeitverlusten entgegenzuwirken. Bleiben geladene Akteure grundlos fern, kann ihr Fehlen im Sinne einer Präklusion als Zustimmung gewertet werden. Auch die unterschiedlichen Landesbauordnungen in Deutschland werden hier thematisiert. Diese sind für das serielle Bauen zeit- und kostenintensiv sowie hinderlich für eine deutschlandweite Anwendung einmal genehmigter Typen.

Um das serielle Bauen voranzubringen, braucht es daher eine verbindliche Festlegung bestimmter technischer Anforderungen in einer Bundesbauordnung. Einmal genehmigte Typen sollten in allen Bundesländern anzuwenden sein. Eine weitere begrüßenswerte Idee ist die Bereitschaft der Immobilienwirtschaft, generell höhere Gebühren für Genehmigungsverfahren zu zahlen, um hierdurch bei Großprojekten einen hochqualifizierten Projektmanager mitzufinanzieren.

Dabei geht es nicht darum - wie fälschlicherweise unterstellt - einzelne Personen auf unsere Pay-Roll zu nehmen. Vielmehr geht es darum, dass vor dem Hintergrund des fehlenden Personals mit einem immobilienwirtschaftlichen Hintergrund in der öffentlichen Verwaltung, eine Topkraft das Projekt energisch durch die Vielzahl beteiligter Stellen führt.

Erste Experimente mit digitalen Genehmigungsverfahren

Auch bei den digitalen Baugenehmigungsverfahren müssen wir dringend die vorherrschenden Rahmenbedingungen verbessern. Die Kommunen hätten eine enorme Zeitersparnis, wenn sie die Unterlagen automatisch prüfen lassen könnten. Mehrere Kommunen experimentieren bereits mit digitalen Genehmigungsverfahren. Sie nutzen das Building Information Modeling (BIM) für sich. Die Chancen, die sich hierdurch bieten, müssen implementiert werden.

Die aktuelle Situation erfordert ein Planungs- und Beschleunigungsgesetz für den Baubereich mit diesen und ähnlichen Instrumenten. Für den Verkehrsbereich wurde dieses bereits im Sommer vorgelegt. Wir müssen jetzt auch endlich die Entwicklung beim bezahlbaren Wohnen und Bauen voranbringen. Wir brauchen Standards auf Bundesebene, mit denen die Unternehmen arbeiten können - und nicht abgeschreckt werden. Die Politik muss aufhören, ständig an dem Ast zu sägen, auf dem wir alle sitzen.

DER AUTOR DR. ANDREAS MATTNER Präsident, ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., Berlin
Dr. Andreas Mattner , Präsident , ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
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