BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2019

DIE WOHNUNGSPOLITIK BRAUCHT EINE STARKE EIGENTUMSORIENTIERUNG

Bernd Hertweck, Foto: Wüstenrot

Im Jahr 1921 legte Georg Kropp den Grundstein für das Bausparen in Deutschland. Ohne Frage ist die Welt von heute eine völlig andere als damals. Doch das grundlegende Konzept des Bausparens, sprich der Zutritt zum Wohneigentumsmarkt mittels Ansparen von Eigenkapital bei gleichzeitiger Sicherung der heutigen Zinsniveaus, erscheint mit Blick auf die derzeitige Gemengelage am deutschen Immobilienmarkt relevanter denn je. Das unterstreichen auch die ungebrochen hohen Zustimmungswerte der Deutschen für die selbst genutzte Immobilie. Trotzdem kommt die Wohneigentumsquote einfach nicht vom Fleck, der Anteil unter den jüngeren Haushalten ist infolge des hohen Eigenmittelbedarfs sogar rückläufig. Der Autor erörtert mögliche Ansatzpunkte für die Politik, um Bürger auf dem Weg in die eigenen vier Wände noch besser zu unterstützen. Dazu gehören vor allem eine bedarfsgerechte Baulandpolitik, Entlastungen für Ersterwerber bei der Grunderwerbsteuer sowie eine Verbesserung der Wohnungsbauprämie. Red.

Egal welche Zeitung man aufschlägt, egal welchen Fernseh- oder Radiosender man einschaltet: Die Wohnungspolitik hat es in die Kommentarspalten und Talkshows geschafft. Neben den Themen Pflege, Kinderarmut und Alterssicherung sind bezahlbares Wohnen und bezahlbares Wohneigentum die vordringendsten politischen Themen unserer Zeit. Mehr noch: Nach einer Erhebung des Caritasverbandes aus dem Jahr 2018 findet die Sicherung der Wohnung als elementares Grundbedürfnis eine überwältigende Zustimmung in der Bevölkerung.

Völlig unterschätzter Ersatz- und Nachholbedarf

Mit einer Bevölkerungszahl von rund 83 Millionen Menschen hat Deutschland rund drei Millionen Einwohner mehr, als noch vor etwas mehr als zehn Jahren prognostiziert. Beim Wohnungsbedarf wurde - abseits der reinen Nachfragerzahl - zudem völlig der Ersatz- und Nachholbedarf der bestehenden Bevölkerung unterschätzt, insbesondere die sogenannte qualitative Zusatznachfrage. Denn schön und komfortabel zu wohnen ist ein weit verbreitetes Bedürfnis, wie sich jetzt wieder zeigt. Derzeit fehlen über eine Million Wohnungen und diese Zahl steigt weiter, da der Bedarf von 400 000 neuen Einheiten pro Jahr bei 300 000 Fertigstellungen immer noch um rund 100 000 Einheiten unterschritten wird.

Schmerzlich bewusst wird manchem in diesem Zusammenhang auch einer der fundamentalsten Zusammenhänge der Ökonomie: Wo Knappheit herrscht, da steigen die Preise. Diese Kausalität zeigt sich derzeit mit Macht in großen Teilen Deutschlands und bei weitem nicht nur in den bekannten Boomregionen oder Universitätsstädten. Schon ist daher von einer "neuen Wohnungsnot" die Rede und manch einer scheut sich nicht, Enteignungen als vermeintliche Lösungsalternative in die Diskussion einzubringen.

Der Blick zurück nach vorn

Vor diesem Hintergrund ist von allen Beteiligten vorausschauendes, besonnenes Handeln gefragt. Dabei kann auch ein Blick in die weitere Vergangenheit hilfreich sein. Vor rund 100 Jahren, kurze Zeit nach den Verheerungen des 1. Weltkriegs, befand sich Deutschland tatsächlich im Zustand einer akuten Wohnungsnot. Weite Teile der Bevölkerung lebten unter erbärmlichsten Bedingungen.

Beinahe zwangsläufig wurde daher in dieser Zeit die Idee geboren, mittels Hilfe zur Selbsthilfe dieser Not zu entfliehen. Unter der Gründung von Georg Kropp entstand im Ort Wüstenrot der Verein "Gemeinschaft der Freunde". Ziel der Initiatoren war es, "ein Verein zu sein, welcher auf rein gemeinnütziger, bodenreformistischer Grundlage die Schaffung von Wohngelegenheiten und Altersheimen für die Allgemeinheit anstrebt." Absicht war dabei insbesondere, Familien aus ärmeren Schichten zu Eigentum an Haus und Boden zu verhelfen um ihnen zu einem gesunden Leben in Wohlstand und Sicherheit zu verhelfen.

Wohneigentum steht weiter hoch im Kurs

Dass aus dieser "Gemeinschaft der Freunde" die Wüstenrot Bausparkasse als ältestes deutsches Unternehmen dieser Art entstand, macht uns heute durchaus stolz. Damals wie heute, und das ist der Kernpunkt, liegt der Schlüssel zu einer adäquaten Wohnraumversorgung vor allem in einem Aspekt: Der Schaffung und der Nutzung von Rahmenbedingungen, die einen eigentumsbasierten Zutritt in den Wohnungsmarkt ermöglichen. Denn die deutliche Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich Wohneigentum und ist der Überzeugung, dass sich Wohnwünsche am besten in den eigenen vier Wänden verwirklichen lassen.

Seit nunmehr zehn Jahren kennen die Preise für selbst genutztes Wohneigentum nur eine Richtung: nach oben. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschärft. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) wies für 2018 gegenüber dem Vorjahr eine Preissteigerungsrate von über 7 Prozent und gegenüber dem Jahr 2010 um über 40 Prozent aus.

In Anbetracht solcher Zahlen ist in den vergangenen Monaten in der Presse immer wieder zu lesen, Familien könnten sich Wohneigentum, insbesondere in Ballungszentren, kaum mehr leisten. Richtig ist, dass die Preise etwa in den größten sieben Städten Deutschlands nochmals deutlich stärker gestiegen sind als im Durchschnitt, im Gesamtjahr 2018 um 8 Prozent und seit 2010 um über 80 Prozent.

Dennoch ist die generelle Schlussfolgerung falsch, Wohneigentum würde immer weniger bezahlbar. Denn tatsächlich hat sich im bundesweiten Durchschnitt die Erschwinglichkeit, definiert als Haus- und Wohnungspreise inklusive Fremdfinanzierungskosten im Verhältnis zum verfügbaren Haushaltseinkommen, gegenüber vor zehn Jahren deutlich verbessert. In den vergangenen Jahren bewegt sie sich, im langfristigen Vergleich betrachtet, auf einem sehr günstigen Niveau. Dieses Ergebnis wird nochmals gestützt, vergleicht man die langfristigen Mieterkosten mit den Kosten der Wohneigentümer.

Diesen Vergleich hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) im vergangenen Jahr angestellt und ermittelt, dass Wohneigentümer, die ihre Immobilie selbst bewohnen, im bundesweiten Durchschnitt um ein Drittel günstiger wohnen als Mieter. Im Bauspar- und Eigentümerland Baden-Württemberg reicht das Spektrum von 19 Prozent Ersparnis im Main-Tauber-Kreis bis zu 44 Prozent im Landkreis Lörrach.

Dieser Umstand erklärt sich durch den Hypothekenzins, der sich in den vergangenen Jahren auf einem historisch niedrigen Niveau bewegt. Gleichzeitig nutzt auf der anderen Seite ein Großteil der Vermieter die "Gunst" der neuen Wohnungsknappheit, die inzwischen bereits bis in das weitere Umland der Großstädte ausstrahlt, um insbesondere bei der Neuvermietung an der Mietpreisschraube zu drehen.

Stagnierende Wohneigentumsquote gibt Anlass zur Sorge

Das Zwischenfazit lautet zum einen: Wohneigentum ist heute so erschwinglich wie lange nicht. Zum anderen ist der Wunsch nach Wohneigentum ungebrochen. Somit müssten in den vergangenen Jahren insbesondere Jüngere und Familien die Gunst der Stunde genutzt haben und die Wohneigentumsquote damit kräftig angestiegen sein: Doch dies ist leider nicht der Fall. Die Quote verharrt laut einer aktuellen Auswertung sozialwissenschaftlicher Daten durch das IW Köln seit 2011 bei 45 Prozent.

Einen Anstieg der Wohneigentumsquote konnten im Zeitraum von 2011 bis 2016 bezeichnenderweise nur Haushalte mit Haushaltsvorstand jenseits von 55 Jahren verbuchen. Teils sind dies lediglich die älter gewordenen Erwerber von früher. Bei den Jüngeren hingegen sank die Quote sogar, insbesondere bei den 35- bis 44-jährigen, den klassischen Wohneigentumsbildnern, von 40 auf 37 Prozent.

In absoluten Zahlen schafften in den Jahren 2015 und 2016 bundesweit gerade einmal jeweils gut 200 000 Haushalte mit Kindern den Schritt ins Wohneigentum. Ein trauriger Wert.

Hoher Eigenmittelbedarf überfordert jüngere Haushalte

Worin liegen die Ursachen? Neben der begrenzten Verfügbarkeit von Häusern und Wohnungen in den besonders nachgefragten Regionen Deutschlands besteht das größte Hemmnis im fehlenden Eigenkapital der jüngeren Haushalte: Im Sinne einer soliden Finanzierung sollte ein Eigenkapitalanteil von 20 Prozent angestrebt werden.

Setzt man weiterhin für die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark gestiegenen Erwerbsnebenkosten realistische zehn Prozent an - also für Grunderwerbsteuer, Notar, Grundbucheintragung und gegebenenfalls Maklercourtage, - so werden beispielsweise für eine Doppelhaushälfte in Baden-Württemberg insgesamt 120 000 Euro an Eigenmitteln gebraucht.

Zugrunde gelegt ist hierbei ein Durchschnittspreis von 400 000 Euro, ermittelt auf Basis von Marktdaten des Immobilienverbands Deutschland, Region Süd. Jedoch verfügen überhaupt nur drei Prozent der Haushalte im Alter von 25 bis 40 Jahren nach einer Auswertung des IW Köln über Ersparnisse im vierstelligen Bereich. Im Gegensatz zur Fremdmittelbeschaffung schlagen beim Eigenmittelbedarf die hohen Immobilienpreise voll durch, da sie mit den hohen Erwerbsnebenkosten, die auf den Kaufpreis berechnet werden, eine unheilige Allianz bilden.

Bausparen als Mittel der Wahl

Allen voran sind hier die in den meisten Bundesländern kräftig heraufgesetzten Grunderwerbsteuersätze zu nennen: Baden-Württemberg liegt mit 5,0 Prozent im Mittelfeld, jedoch vor Bayern und Sachsen, die es bei den früher bundesweit geltenden 3,5 Prozent belassen haben. Zugleich rächt sich die geringe Sparquote der Privathaushalte in den vergangenen Jahren.

Für die große Mehrheit der Mieterhaushalte, die nicht über ausreichend Eigenmittel verfügen, gilt daher: Bausparen ist das Mittel der Wahl. Durch Vorsparen können sie den nötigen Kapitalstock aufbauen, sichern sich die niedrigen Zinsen und kaufen so morgen zweifach günstig. Denn mittelfristig werden die Immobilienpreise wieder fallen - und die Hypothekenzinsen wieder steigen.

So kritisch die seit der Finanzkrise 2008/ 2009 anhaltende Niedrigzinsphase in vielerlei Beziehung zu sehen ist, beschert sie vielen das benötigte Baugeld zu einem Zinssatz in der Größenordnung der Inflationsrate und damit quasi zum Nulltarif. Zugleich bleibt die Hürde der hohen benötigten Eigenmittel.

Historisch niedrige Zinsen bieten historische Chance

Bausparen ist also in zweifacher Hinsicht das Produkt der Stunde: Zum einen ist es das staatlich geförderte Zwecksparinstrument zum sicheren Aufbau von Eigenkapital. Zum anderen ist es das Instrument, um sich die niedrigen Zinsen von heute für den Immobilienkauf von morgen zu sichern.

Denn zwei Dinge sind sicher. Erstens: Jeder Immobilienpreiszyklus hat ein Ende, auch der derzeitige. Zweitens: Die Zinsen werden längerfristig auch wieder steigen. Der kluge Bausparer kauft also nicht dann, wenn alle kaufen (wollen), sondern wenn die Immobilienpreise wieder günstiger sind, um dann sein Bauspardarlehen einzusetzen, mit dem er sich die früheren Niedrigzinsen gesichert hat: Bausparen wider den "Schweinezyklus" - den steten Wechsel zwischen Überangebot und Mangel und daraus resultierende Preisentwicklungen.

Politik muss Rahmenbedingungen verbessern

Bausparen wird nicht zuletzt deshalb spezialgesetzlich geschützt und staatlich gefördert, weil es eine antizyklische, die Wohnungsbaukonjunktur und insbesondere auch den Finanzmarkt stabilisierende Funktion hat. Zugleich gibt es für die breite Bevölkerung nachweislich kein wirkungsvolleres Instrument für Vermögensaufbau und Altersvorsorge als das selbst genutzte Wohneigentum.

Um Bürger hierbei noch besser zu unterstützen, gibt es aus Sicht der Bausparkassen für den Staat derzeit drei vorrangige Ansatzpunkte: Eine Baulandpolitik, die dem Bedarf in den nach gefragten Regionen besser gerecht wird, sowie eine Entlastung bei der Grunderwerbsteuer, wie in der Politik andiskutiert, etwa durch Freibeträge für den Ersterwerb mit einer Kinderkomponente.

Setzt die Bundesregierung zudem die bereits im Koalitionsvertrag angekündigte und wiederholt bekräftigte Verbesserung der Wohnungsbauprämie um, einschließlich Anpassung der seit über 20 Jahren unveränderten Einkommensgrenzen, so wären mit diesen beiden Maßnahmen entscheidende Weichen gestellt.

Positiven Sickereffekt stärker in Betracht ziehen

Denn damit würden die Chancen steigen, künftig wieder mehr Menschen in eigenen vier Wänden zu sehen. Und das wiederum hat zugleich einen positiven Effekt auf den Mietwohnungsmarkt, der in der Öffentlichkeit bislang noch weitgehend undiskutiert ist: Der positive, den angespannten Mietmarkt stark entlastende Sickereffekt, der dadurch entsteht, dass neue Eigenheimbesitzer ihre alte (Miet-) Wohnung räumen und damit Platz für neue Mietinteressenten schaffen.

So gehen auch hier, ganz im Sinne der Gemeinschaft der Freunde, Eigen- und Gemeinwohl Hand in Hand.

DER AUTOR BERND HERTWECK, Vorsitzender des Vorstands, Wüstenrot Bausparkasse AG, Ludwigsburg
Bernd Hertweck , Vorstandsvorsitzender, Wüstenrot Bausparkasse, Kornwestheim, und Vorstandsvorsitzender, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin

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