IMMOBILIENBANKEN

DIE ZUKUNFT DES IMMOBILIENKREDITS AUS SICHT EINES BÖRSENNOTIERTEN IMMOBILIENUNTERNEHMENS

Dr. Fabian Lander, Foto: Vonovia

Der Immobilienkredit bildet traditionell das Rückgrat am hiesigen Gewerbeimmobilienmarkt. Doch folgt man den Schilderungen des Autors, so ist ein schleichender Bedeutungsverlust nicht zu leugnen. Denn während das Neugeschäftsvolumen der Platzhirsche trotz ausgeprägtem Immobilienboom seit Jahren stagniert, nimmt das via alternativer Finanzierungsformen eingesammelte Fremdkapitalvolumen deutscher Immobilienunternehmen spürbar zu. Die Gründe und Implikationen dieser Entwicklung ist Gegenstand des folgenden Beitrags. Red.

Jahrzehntelang war der Immobilienkredit das Finanzierungsinstrument gewerblicher Immobiliengesellschaften - ob Bestandshalter oder Developer für Gewerbe- und Wohnimmobilien. Sowohl klein- als auch großvolumige Kredite standen als Einzeloder Konsortialdarlehen den Immobiliengesellschaften zur Verfügung. Durch die Möglichkeit, Kredite komplett "True Sale" oder synthetisch auszuplatzieren, sind in den Markt der Immobilienkredite auch angelsächsische Banken eingestiegen, die in der Regel kein Balance Sheet Lending betreiben. Auch deutsche Banken hatten eigene Verbriefungsplattformen.

Somit konkurrierten klassische Hypothekenbanken mit Geschäftsbanken um die Vergabe von Immobilienkrediten. Profiteure dieser Entwicklung waren Immobiliengesellschaften, die von kompetitiven Konditionen und einem großen Angebot profitierten. Dass die Zeiten sich geändert haben, gerade mit Blick auf Verbriefungen und das Angebot von Geschäftsbanken, steht außer Frage. Dass der Bankensektor nach der Finanzmarktkrise mit regulatorischen Verpflichtungen und Änderungen bezüglich der Eigenkapitalunterlegung zu kämpfen hat, auch. Aber was bedeutet das alles für Immobiliengesellschaften?

Auch die Immobilienwirtschaft verändert sich und stellt Immobiliengesellschaften vor neue Herausforderungen. Dazu zählen die Schaffung von bezahlbarem sowie alters gerechtem Wohnraum, mehr Klimaschutz, Mobilitäts- und Infrastrukturanforderungen, modernen Bauprojekten und Digitalisierung. Der Ruf der Gesellschaft nach einer Vergesellschaftung von Vermögenswerten - Votum der Einwohner Berlins - ist letztlich ein Signal, das ernst genommen werden muss.

Kapitalintensives Wachstum

So haben sich die Preise für Wohn- und Gewerbeimmobilien (vor allem) in den Ballungszentren in den letzten zehn Jahren von der Entwicklung der Verbraucherpreise entkoppelt und kennen nur eine Richtung - nach oben. Das Transaktionsvolumen von Wohnimmobilien hat sich im gleichen Zeitraum ebenfalls mehr als verdoppelt. Anorganisches Wachstum ist in der Immobilienwirtschaft häufig zu beobachten, immerhin ist die Profitabilität bei Bestandshaltern maßgeblich von Skaleneffekten abhängig.

Anorganisches Wachstum wird aber zunehmend kapitalintensiver. Hinzu kommt, dass einerseits die Anzahl der realisierten Wohngebäude ebenfalls in den letzten zehn Jahren stark zugenommen hat, das aktuelle Niveau aber noch bei weitem nicht ausreicht und weiterwachsen muss, um dem Flächenbedarf gerade in Ballungszentren zu genügen. Die Baukosten für die Realisierung dieser Bauvorhaben sind ebenfalls stark gestiegen - ganz zu schweigen von den Ressourcenproblemen, mit denen die Immobilienwirtschaft zu kämpfen hat. Im Ergebnis hat sich der Kapitalbedarf gewerblicher Immobiliengesellschaften deutlich erhöht.

Man könnte meinen, dass der Wegfall des Buy-and-Sell-Ansatzes, wie ihn die angelsächsischen Geschäftsbanken über ihre Verbriefungsplattformen praktiziert haben, durch die Hypothekenbanken kompensiert wurde. Dem ist aber nicht so. Das Neugeschäftsvolumen der führenden deutschen Hypothekenbanken stagniert seit Jahren auf gleichem, jedoch moderatem Niveau zwischen 30 und 40 Milliarden Euro (siehe Abbildung 1). Es kann etwas pro vokant argumentiert werden, dass die Immobiliengesellschaften mit den Marktveränderungen allein gelassen oder aber ermutigt werden, andere Geldquellen und Märkte zu erschließen.

Ein Blick auf den Euro-Anleihemarkt zeigt, dass sich dieser im Gegensatz zum Neugeschäftsvolumen der Hypothekenbanken zwischen 2013 und 2020 von 212 auf 428 Milliarden Euro verdoppelt hat. Interessant ist dabei, dass sich das Neuemissionsvolumen im Immobiliensektor im gleichen Zeitraum von 9,9 auf 45 Milliarden Euro (2013 zu 2021, ytd) vervierfacht hat und am gesamten Neuemissionsvolumen 2021 allein 20 Prozent ausmacht. Offensichtlich hat hier eine Kompensation der Liquiditätsbeschaffung stattgefunden.

Ein Blick auf deutsche Emittenten zeigt, dass (fast) alle börsennotierten deutschen Immobiliengesellschaften am Kapitalmarkt mit Stand-alone oder Daueremissionsprogrammen aktiv sind und neue Emittenten, wie Sirius Real Estate, Howoge oder Gewobag, sich Anleihen zu Nutze machen (Abbildung 2). Interessant ist, dass mit der Gewobag und der Howoge auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften aktiv sind, und es bleibt abzuwarten, ob weitere kommunale (Berliner) Wohnungsbaugesellschaften sich alternativen Finanzprodukten öffnen.

Etwas kleiner, deutsch, solide und stabil ist der Schuldscheinmarkt (SSD). Auch dieser wird vermehrt von Immobiliengesellschaften genutzt. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da der SSD-Markt analog wie das Hypothekengeschäft ein klassisches Relationship-Produkt mit einer Buy-and-Hold-Struktur ist. Auch haben circa 50 Prozent der Emissionsvolumina eine Ticketgröße von weniger als 100 Millionen Euro beziehungsweise 80 Prozent sind kleiner als 250 Millionen Euro und bei Laufzeiten kleiner 10 Jahren dominieren deutsche Sparkassen, Regional und Geschäftsbanken den Markt. Erst bei Laufzeiten jenseits von 10 Jahren werden institutionelle Investoren wie Versorgungswerke oder Versicherer angesprochen. Die Attraktivität des Produktes wird durch eine hohe Flexibilität der Mittelverwendung, eine schlanke und einheitliche Kreditdokumentation, geringe Reportingverpflichtungen, fehlende Objektsicherheiten sowie lange Laufzeiten bis 30 Jahre gefördert. Emittenten sind neben privatwirtschaftlichen, mittelgroßen Immobiliengesellschaften auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften - viele als Mehrfachemittent. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. (GdW) widmet in seinem Arbeitspapier "Alternative Finanzierungsinstrumente in der Wohnungswirtschaft" dem Schuldschein gar ein ganzes Kapitel.

Abbildung 1: Neugeschäftsvolumen führender gewerblicher Immobilienfinanzierer in Deutschland (Angaben in Milliarden Euro) Quelle: In Anlehnung an den JLL Neugeschäftsreport (ohne LBBW, da keine durchgängige Datengrundlage)

Ziel der Klimaneutralität erfordert massive Investitionen

Ein zentraler Stellhebel zur Erreichung der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 ist der Immobiliensektor. Immerhin ist er gegenwärtig für circa ein Drittel der CO2-Emissionen direkt und indirekt verantwortlich. Berücksichtigt man, dass 75 Prozent des heutigen Immobilienbestandes auch in 2045 noch existieren wird, könnte der Trugschluss bestehen, dass die energetische Modernisierung der heilige Gral ist. In einer Studie des Fraunhofer-Instituts für die Vonovia wurden verschiedene Klima pfade analysiert. Dabei wurde deutlich, dass eine Modernisierungsrate von 1 Prozent, wie sie gegenwärtig in Deutschland ist, nicht ausreicht.

Selbst eine Rate von 3 Prozent führt nicht annähernd in den Zielkorridor. Klimaneutralität 2050 (oder gar 2045) kann nur durch eine hohe Modernisierungsrate, Modernisierungstiefe sowie eine Transformation bei der Wärmeversorgung, eine Sektor-Kopplung sowie erneuerbare Energien erreicht werden. Dass dies mit sehr hohen Investitionen verbunden ist, liegt auf der Hand. Allein die Vonovia investiert jährlich gut 1,5 Milliarden Euro in klimafreundliche Entwicklung. Mit dem EU Green Deal und dem EU-Aktionsplan sollen Gelder in genau solche Projekte allokiert werden.

Durch die Offenlegungsverordnung (SFDR) sind Finanzdienstleister zudem angehalten, Nachhaltigkeitsthemen in ihren Strategien, Prozessen und Produkten offenzulegen. Das hat dazu geführt, dass Fonds nach dem Grad ihrer ESG-Charakteristika klassifiziert werden (Artikel-6-, 8- oder 9-Fonds). Allein die Artikel-8 und Artikel-9-Fonds (mit ESG-Charakteristika) machen laut Morningstar mittlerweile mehr als 20 Prozent des europäischen Fondskapitals aus.

Abbildung 2: Steigende Aktivitäten deutscher Immobilienunternehmen am Anleihemarkt Quelle: Bank of America

Der Finanzierungsbedarf für grüne Investitionen ist also da. Während der Anteil grüner Immobiliendarlehen gefühlt limitiert zu sein scheint, sind ESG-Produkte am Euro-Anleihenmarkt mit circa 33 Prozent im Jahr 2021 zu einem festen Bestandteil geworden. Es scheint, den Hypothekenbanken fehle der Mut, Innovationen zu treiben beziehungsweise Trends zu akzeptieren. Auch scheint es eine Diskrepanz zu geben zwischen P reisen "Senior Unsecured" und "Secured Loans": Seit langem sind Anleihen (ohne Transaktionskosten) günstiger als klassische Immobiliendarlehen (mit LTV 50 Prozent), und das obwohl man dingliche Sicherheiten stellt. Die Spreads für Schuldscheindarlehen sind zwar etwas teurer als Secured Loans, bleiben aber eine sehr attraktive Alternative vor allem, wenn man ESG-Features in das Finanzprodukt einbauen möchte.

Insofern kann man sich um die Zukunft des Immobiliendarlehens Sorgen machen. Dabei sind es gar nicht die Banken, denen man den schwarzen Peter zuschieben sollte. Vielmehr scheint es fast so, als würden Regulierer das Immobiliendarlehen nicht verstehen. Banken mit klassischen Balance Sheet Lending werden für das Management von Risiken mit höheren RWAs bestraft. Aber genau das braucht es, sollen die zuvor genannten Herausforderungen auch angegangen werden.

Auch die Schere zwischen Beleihungswert und Marktwert hat sich durch die Immobilienpreisentwicklung immer weiter vergrößert. Die aktuelle Fassung der Beleihungswertverordnung wird die Entwicklung noch weiter befeuern. Das hat zur Folge, dass Banken sich immer weniger über den Pfandbrief refinanzieren können beziehungsweise der Außerdeckungsanteil immer größer wird und damit die Zinsen immer teurer. Im Endeffekt werden Hypothekenbanken in risikoreichere und Immobiliengesellschaften in alternative Finanzierungen gedrängt.

Dr. Fabian Lander , Head of Front Office - Finance & Treasury, , Vonovia SE, Bochum

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