PFANDBRIEFE UND COVERED BONDS

"DER ERFOLG DES PFANDBRIEFS UND EUROPÄISCHER COVERED BONDS HAT VIELE VÄTER"

Dr. Louis Hagen, Foto: vdp

250 Jahre Pfandbrief - ein wahrlich biblisches Alter, insbesondere für ein Finanzprodukt. Eine wesentliche Voraussetzung für das lange Leben des deutschen Aushängeschilds ist dabei mit Sicherheit die Tatsache, dass er sich über die Zeit stetig gewandelt und weiterentwickelt hat, ohne dabei jedoch seine Kernprinzipien preiszugeben. Dass sich an diesem Umstand auch in Zukunft nichts ändern wird, daran lassen Präsident und Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp) im großen Jubiläumsinterview mit I & F keinerlei Zweifel aufkommen. Die Stellung des Pfandbriefs als zuverlässiges Refinanzierungsinstrument, krisenfeste Anlageklasse und Stabilitätsanker im Finanzsystem dürfte somit auch für die kommenden 250 Jahre (und vermutlich darüber hinaus) gesichert sein. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch Pfandbrief! Red.

Herr Hagen, Herr Tolckmitt, das Jahr 2019 steht ganz im Zeichen des 250-jährigen Jubiläums des Pfandbriefs. Wenn Sie auf die vergangenen Jahre und Jahrzehnte zurückblicken: Welche Meilensteine würden Sie herausheben, die den Pfandbrief zu dem gemacht haben, was er heute ist?

Hagen: Man muss wohl im Jahr 1900 beginnen, als das Hypothekenbankgesetz geschaffen wurde. Damit gab es erstmals eine einheitliche Rechtsgrundlage für den Pfandbrief in Deutschland, die die strengen Wesensmerkmale gesetzlich verankerte. Ein weiterer Meilenstein war die Realkreditreform von 1974. Denn durch die Gleichstellung des Kommunalkreditgeschäfts mit dem Hypothekarkreditgeschäft wurde das Staatsfinanzierungsgeschäft zum zweiten Hauptgeschäft der Hypothekenbanken erhoben und das Deckungspotenzial für die Pfandbriefemission erweitert.

Tolckmitt: Ich würde noch das Jahr 1995 ergänzen. Das war die Geburtsstunde des Jumbo-Pfandbriefs, der wesentlich dazu beitrug, aus einem spezifisch deutschen Wertpapier einen internationalen Exportschlager zu machen. Das zeigen die im Anschluss daran weltweit zu beobachtenden Gesetzesinitiativen für gedeckte Schuldverschreibungen. Die Finanzkrise im Jahr 2008 war dann in gewisser Weise der große Lackmustest für den Pfandbrief, den er erfreulicherweise bravourös bestand. Die Struktur des Produkts hat in diesen unruhigen Zeiten viel Vertrauen erweckt, und es hat sich gezeigt, dass der Pfandbrief ein sehr stabilisierendes Element im Kapitalmarkt ist. Auch deshalb ist der Pfandbrief heute eine unverzichtbare Säule im Refinanzierungsmix für Kreditinstitute aller Couleur.

Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich die Ablösung des Hypothekenbankgesetzes durch das Pfandbriefgesetz im Jahr 2005 und damit verbunden der Abschied vom Spezialbankprinzip. Wie beurteilen Sie diesen Schritt in der Retrospektive?

Hagen: Der Abschied vom Spezialbankprinzip war ein durch die Hypothekenbanken bewusst herbeigeführter Schritt. Denn die Voraussetzungen für die Schaffung des Pfandbriefgesetzes wurden im Rahmen der letzten Novelle des Hypothekenbankgesetzes geschaffen, bei der es um die rechtliche Verselbstständigung der Deckungsmassen im Falle der Insolvenz einer Hypothekenbank ging. Ohne diese Novelle, die von den Hypothekenbanken forciert wurde - wohl wissend, was sie letztlich bedeutete -, hätte es kein Pfandbriefgesetz geben können. Man hätte dann am Spezialbankprinzip festhalten müssen, was für die öffentlich-rechtlichen Emittenten, die das nicht einhalten mussten, wohl nicht akzeptabel gewesen wäre.

Man hätte also quasi eine Institutssicherung für den Pfandbrief etablieren müssen?

Hagen: Als Institutssicherung im Sinne dessen, was wir von den Volks- und Raiffeisenbanken oder den Sparkassen kennen, würde ich das nicht bezeichnen. Das Spezialbankprinzip ist im Prinzip nichts anderes gewesen als eine zusätzliche Absicherung des Pfandbriefs. Der Emittent wird ein Stück weit davor geschützt, Risiken ein zugehen, die zu seiner Insolvenz führen könnten und die Deckungsmassen werden davor geschützt, von einer solchen Insolvenz betroffen zu sein. Vor der Pfandbriefgesetzgebung war das Schicksal der Deckungsmassen im Insolvenzfall einer Hypothekenbank eher unspezifisch geregelt. Erst in der letzten HBG-Novelle wurde dieser Aspekt dann erstmals sehr detailliert behandelt.

Sich im Anschluss daran für das Pfandbriefgesetz auszusprechen, war im Wesentlichen der Vermeidung einer Art "Zweiklassengesellschaft" geschuldet. Man muss sich vor Augen führen, dass der Auslöser für die Überlegungen zur Neuregelung des Pfandbriefrechts der Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für Landesbanken und Sparkassen war. Damit entfiel die Rechtfertigung für das ÖPG (Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten). Die entscheidende Frage war damals, ob sich die öffentlich-rechtlichen Emittenten unter das Hypothekenbankgesetz begeben würden.

Die Antwort darauf war aber ein klares Nein.

Hagen: Richtig. Im Verband deutscher Hypothekenbanken war uns klar, dass diese Institute sich nicht in das Spezialbankprinzip würden zwängen lassen. Denn das hätte letztlich bedeutet, dass die Landesbanken allesamt Tochtergesellschaften hätten grün den müssen, um weiterhin Pfandbriefe emittieren zu können. Zudem gab es im Lager der Hypothekenbanken drei gemischte Institute, die sich nicht an das Spezialbankenprinzip halten mussten. Somit wäre es auf die angesprochene Zweiklassengesellschaft hinausgelaufen - die Emittenten aus dem privaten und genossenschaftlichen Lager auf der einen, und die öffentlich-rechtlichen Emittenten auf der anderen Seite auf Basis zweier unterschiedlicher Gesetze. Das hätte die Homogenität des Marktes erheblich belastet. Zum Wohle des Pfandbriefs haben wir deshalb für eine einheitliche Grundlage plädiert und überlegt, wie man den Wegfall des Spezialbankprinzips durch qualitätssichernde Maßnahmen bestmöglich kompensieren kann. So kamen die Regelungen zum Pfandbriefgesetz zustande.

Haben Sie sich zu diesem Zeitpunkt auch bereits Gedanken über die künftige Interessenvertretung der Pfandbriefemittenten gemacht?

Hagen: Es war immer klar, dass der Pfandbrief und seine Emittenten eine starke Lobby brauchen. In diesem Zusammenhang sind wir schnell zu der Übereinkunft gekommen, dass der VdH, der sich seit jeher viel intensiver als andere Verbände mit den Pfandbriefthemen befasst hatte, schlicht und ergreifend die beste Option war. Konsequenterweise erfolgte deshalb die Umbenennung in den Verband deutscher Pfandbriefbanken und auf dieser Basis dann auch die Gewinnung der öffentlich-rechtlichen Emittenten als Mitglieder des Verbandes.

Tolckmitt: Die Aufgabe des Spezialbankprinzips hat gleichwohl nicht das Ende der Spezialbanken eingeläutet. Diese sind heute nach wie vor sehr lebendig. Das Pfandbriefgesetz hat also nicht zum Ende der Spezialbanken geführt. Diese Vermutung lag damals vielleicht nahe, aber im Prinzip geschah nach der Schaffung des Pfandbriefgesetzes erstmal gar nichts. Die Emittentenlandschaft veränderte sich erst mit der Finanzkrise. Da dann allerdings im positiven Sinne, denn die Anzahl der Pfandbriefbanken stieg in deren Folge signifikant an. Viele Institute entdeckten die Vorzüge des Pfandbriefs, etwa seine regulatorische Privilegierung und die Funktion als Liquiditätsanker in schwierigen Zeiten.

Hagen: Die mit der Aufgabe des Spezialbankprinzips einhergehenden Entwicklungen waren tatsächlich schwer zu prognostizieren. Ein denkbares Szenario bestand ja auch darin, dass infolge des erweiterten Zugangs zum Pfandbrief Mutterbanken ihre Töchter eingliedern würden. Umso mutiger erscheint aus heutiger Sicht der damalige Schritt der Hypothekenbanken. Es war wirklich ein dem Wohl des Pfandbriefs geschuldeter, und ein sich dabei zugleich selbst in Frage stellender Schritt.

Wie Sie sagen gab es damals reichlich kontroverse Diskussionen. Heute wissen wir um den guten Ausgang. Wie zufrieden macht Sie das persönlich, der damals als Hauptgeschäftsführer eine federführende Rolle innehatte und heute als Präsident des vdp sowie Chef eines großen Immobilienfinanzierers fungiert?

Hagen: Ich bin sehr glücklich darüber. Es war die richtige und einzig konsequente Entscheidung. Was wäre auch die Alternative gewesen? Auf der einen Seite das Spezialbankprinzip für den Großteil der privaten Institute aufrechtzuerhalten und zugleich eine große Gruppe gemischter Institute zu haben, war kein sinnvoller Ansatz.

Allein seit dem Jahr 2009 gab es acht Novellen des Pfandbriefgesetzes. Ist das der modernen Zeit und den sich immer schneller wandelnden Rahmenbedingungen geschuldet?

Hagen: Das ist so. Vor allem aber zeigt es, dass der Pfandbrief lebt. Viel von der Dynamik bei der Weiterentwicklung des Pfandbriefgesetzes geht im Übrigen auch auf die Einführung des Jumbos zurück. Von da an stand der Pfandbrief im Rampenlicht und musste beispielsweise geratet werden. Und die Ratingagenturen haben entsprechend viele Fragen gestellt.

Tolckmitt: Wobei der gesetzliche Rahmen natürlich auch davor regelmäßig und punktuell an veränderte Rahmenbedingungen angepasst wurde. Nehmen Sie zum Beispiel die regelmäßige Erweiterung des Geschäftskreises oder die bereits erwähnte Einführung des Kommunalkreditgeschäfts als Hauptgeschäft 1974.

Die Pfandbrief-Familie ist mittlerweile bemerkenswert groß. Institute aus allen drei Säulen genießen die Vorteile des Produkts, jüngst sind auch noch die Bausparkassen hinzugekommen. Macht die zunehmende Heterogenität ihrer Mitglieder die Entscheidungsfindung und die Verbandsarbeit nicht ein wenig schwieriger?

Tolckmitt: Nein, denn der große gemeinsame Nenner aller vdp-Mitglieder besteht darin, die hohe Qualität des Pfandbriefs aufrechtzuerhalten. Und diese Eintracht erleichtert die Verbandsarbeit erheblich. Ihre Vermutung liegt auf den ersten Blick natürlich nahe, schließlich zählen wir inzwischen 50 Mitglieder, die teils sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle haben. Doch unabhängig davon ist die Klammer "Pfandbrief" extrem stark und infolgedessen herrscht im vdp mehr Homogenität als in so manch anderem Bankenverband. Die Eigentümerschaft oder Säulenzugehörigkeit spielt dabei übrigens überhaupt keine Rolle.

Hagen: Stimmt. Das Schöne am vdp war und ist, dass dort keine politischen Diskussionen geführt werden. Es geht um rein sachorientierte Themen und dies ermöglicht eine enge und harmonische Zusammenarbeit der Vertreter aus allen drei Säulen, stets im Sinne des Pfandbriefs. Etwaige Lagerdiskussionen sucht man bei uns vergebens.

Ist es für den Pfandbrief und den vdp nicht allein schon ein Gütesiegel, dass bei der jetzigen Harmonisierung auf europäischer Ebene Dem Vorbild aus Deutschland weitgehend gefolgt wurde? Wir tun uns schließlich immer schwerer, unsere Ansichten in Europa zu verwirklichen.

Hagen: Der Erfolg des Pfandbriefs und europäischer Covered Bonds hat viele Väter. Ich denke, wir sollten uns deshalb in der Öffentlichkeit etwas zurücknehmen und in Bescheidenheit üben.

Tolckmitt: Ich glaube aber schon, dass der Vaterschaftstest ziemlich eindeutig ausfallen würde, denn es steckt wirklich viel Pfandbrief in dem europäischen Regelwerk.

Hagen: Ja, das steht außer Frage. Es gibt, gemessen an der Bedeutung des Produkts, letztlich ja nur ein anderes Land, das dies für sich in Anspruch hätte nehmen können, nämlich Dänemark. Das dortige System ist allerdings ziemlich einzigartig und kaum übertragbar. Dass mit dem vdp ein Verband existiert, der sich ausschließlich den Themen rund um den Pfandbrief widmet, hat sicher eine Menge dazu beigetragen, dass die Handschrift des Pfandbriefgesetzes auf europäischer Ebene so gut sichtbar ist. Die Kommission hatte mit dem vdp immer einen adäquaten Ansprechpartner, den sie in den meisten anderen Ländern nicht vorfand.

Sie haben die Harmonisierung mehrmals als gelungenen Kompromiss bezeichnet. Man hat also an vielen Stellen gewonnen, musste an einigen aber auch nachgeben. Was sind die Inhalte, mit denen Sie nicht vollends zufrieden sind?

Tolckmitt: Die wesentliche Kontroverse dreht sich um die Frage, wie man künftig mit der Nutzung des Produkts über den klassischen Covered Bond beziehungsweise Pfandbrief hinaus umgehen wird. Die ursprüngliche Motivation der EU-Kommission bestand darin, ein Ring-Fencing zu betreiben, um die regulatorischen Privilegien des klassischen Produkts dauerhaft zu rechtfertigen. Dieses Element haben wir auch uneingeschränkt unterstützt. Irgendwann kam dann aber, insbesondere von Vertretern aus Südeuropa, die Idee auf, dass man die Technik des Covered Bonds ja auch für andere Produkte nutzen könnte. Dabei ging es vor allem um Mittelstandskredite. Diesbezüglich waren wir skeptisch, haben aber gesagt, sofern sich vernünftige Kriterien finden lassen, die die Qualität solcher Covered Bonds der zweiten Stufe sowie deren saubere Abgrenzung zu den Premiumprodukten gewährleisten, spricht zunächst einmal nichts dagegen.

Die Diskussion darüber war anfangs sehr weitgehend, glücklicherweise konnten wir diese aber im Verlauf noch ein gutes Stück wieder einfangen. Insbesondere ist es gelungen, eine sehr weitgefasste Definition in der die Covered Bonds der zweiten Stufe betreffenden Regelung zu verhindern und einzugrenzen. Aber natürlich wäre es an dieser Stelle wünschenswert gewesen, noch deutlich strikter zu regulieren. Insofern handelt es sich dabei um einen typischen Kompromiss, aber so funktioniert Europa nun einmal. Der Pfandbrief beziehungsweise der traditionelle Covered Bond ist in dem finalen Gesetzeswerk jedenfalls sauber abgegrenzt - sowohl namentlich als auch durch die deutlich stringenteren Regeln.

Hagen: Meiner Meinung nach wäre aber eine noch klarere begriffliche Trennung der beiden Produkte sinnvoll gewesen. Die nun vorgesehenen Varianten "European Covered Bonds Premium" und "European Covered Bonds" tragen diesem Anliegen nur unzureichend Rechnung. Besser man hätte die Bezeichnung "Covered Bond" wirklich nur für die Premiumprodukte reserviert und die Papiere der zweiten Stufe beispielsweise "Secured Notes" genannt.

Wie ist der zu erwartende Zeitplan bei der Umsetzung in nationales Recht?

Tolckmitt: Mit letzter Gewissheit lässt sich das noch nicht sagen. Das EU-Parlament hat jedenfalls eine Grundsatzentscheidung getroffen, die allerdings insofern noch nicht final ist, als zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Übersetzung in alle Amtssprachen der EU vorlag. Somit muss der formelle Beschluss, der eigentlich schon gefasst worden ist, durch das neue Parlament nachgeholt werden. Inhaltliche Änderungen sind in diesem Zusammenhang aber de facto ausgeschlossen. Anders als beispielsweise in Deutschland gibt es auf europäischer Ebene nämlich keine Diskontinuität, sprich beschlossene Gesetze werden nicht noch einmal neu aufgerollt. Dieser formelle Beschluss wird voraussichtlich im Sommer erfolgen und anschließend beginnt dann die achtzehnmonatige Umsetzungsfrist. Wir rechnen aktuell damit, dass im ersten Halbjahr 2020 ein Entwurf für die Umsetzung in deutsches Recht vorliegt.

Hagen: Das wäre dann im Übrigen der vorerst letzte große Meilenstein in der Pfandbriefgeschichte.

Besteht die Gefahr, dass mit der Harmonisierung ein gewisser Bedeutungsverlust des Pfandbriefs einhergehen könnte?

Hagen: Richtig ist, dass der Pfandbrief künftig ein Instrument von vielen in einem großen Orchester ist - ein sehr bedeutendes zwar, mit außergewöhnlichem Klang, das sehr klar zu hören ist, aber eben nicht mehr das alleinige. Dies ist aus meiner Sicht aber in Kauf zu nehmen, vor allem wenn man erreichen will, dass die existierenden Privilegien für den Pfandbrief dauerhaft auf europäischer Ebene anerkannt werden. An der Befürchtung, dass wesentliche Weichenstellungen für das Produkt künftig in Brüssel erfolgen werden und im Anschluss von den einzelnen Ländern nur noch umzusetzen sind, ist vielleicht ein bisschen was dran. Zu einem Kontrollverlust der nationalen Gesetzgeber wird es gleichwohl aber nicht kommen. Denn es besteht auch in Zukunft die Möglichkeit, das Produkt auf nationaler Ebene weiterzuentwickeln und dabei zusätzliche Anforderungen zu stellen. Das Pfandbriefgesetz tut das ja bereits heute und daran wird sich auch nichts ändern.

Der Pfandbrief- und Covered-Bond-Markt war in den vergangenen Jahren von extrem engen Spreads beziehungsweise niedrigen Renditen geprägt. Spielt das Thema Sicherheit für Investoren in dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld eine zunehmend untergeordnete Rolle?

Hagen: Meinem Eindruck nach spielt das Thema Sicherheit für Investoren unabhängig von der aktuellen Zinslandschaft immer eine gewichtige Rolle. Der Unterschied ist eher, dass es Zeiten wie die aktuellen gibt, in denen man Risiken nicht mehr wirklich wahrnimmt. In solchen Zeiten sind die Spreads extrem eng und der Pfandbrief hebt sich nicht mehr so stark vom Rest ab. In anderen Phasen steigt die Risikosensitivität der Investoren dann aber wieder und entsprechend weiten sich auch die Spreads aus.

Tolckmitt: Für die These, dass Sicherheit immer eine hohe Relevanz für Investoren genießt, sprechen eindeutig auch die Pfandbrief-Emissionen der vergangenen Jahre: Diese sind immer auf eine Übernachfrage gestoßen - egal bei welchem Zinsniveau.

In der zweiten Jahreshälfte 2018 hat sich die Lage ja etwas entspannt, es kam zu leichten Spreadausweitungen bei den Papieren. Welche Auswirkungen hatte das?

Tolckmitt: Sie haben ausgereicht, um das Interesse traditioneller, sprich sicherheitsorientierter Pfandbriefinvestoren, die sich infolge der EZB-Nachfrage aus dem Markt zurückgezogen hatten, umgehend wieder zu wecken. Es bedurfte dazu keiner großen Spreadausweitung, die Größenordnung lag lediglich bei 10 bis 15 Basispunkten.

Aktuell ist ein hoher Anteil von Banken in den Orderbüchern (>= 50 Prozent) zu beobachten. Was hat es damit auf sich?

Hagen: Wir vermuten es liegt daran, dass auf Banken zuletzt infolge des ILAAP (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process) und des EZB-Stresstests verschärfte Liquiditätsanforderungen zugekommen sind. Zur Erfüllung ebend dieser besteht bei den Instituten derzeit besonders großer Bedarf an High Quality Liquid Assets (HQLA) und da bietet der Pfandbrief gegenüber dem Bund oder anderen Staatsschuldverschreibungen erster Bonität einen attraktiven Pick-up. Das wird kein dauerhaftes Phänomen sein. Sobald diese neuen Liquiditätsanforderungen erfüllt sind, werden andere Investoren wieder stärker zum Zug kommen.

Wie lange werden wir die EZB noch als dominanten Player am Markt sehen?

Tolckmitt: Stand heute lässt sich sagen, dass die EZB mindestens in den kommenden drei Jahren ein dominanter Marktteilnehmer bleiben wird. Trotz des Stopps der Nettoanleihekäufe zum Jahresende 2018 werden die zu reinvestierenden Volumina von etwa 22 Milliarden Euro in diesem Jahr bis 2022 auf jährlich etwa 35 Milliarden Euro steigen. Das ist ein weiterhin signifikanter Anteil am Gesamtmarkt.

Ein anderes Thema: Das vollendete Basel-IV-Regelwerk sieht bekanntlich einen Output-Floor von 72,5 Prozent vor. Wie sehr ärgert Sie das Ergebnis, Herr Hagen, gerade auch in Ihrer Funktion als Vorstandsvorsitzender der Münchener Hyp?

Hagen: Das Ergebnis ärgert mich persönlich insofern massiv, als wir den IRBA erst sehr spät im Jahr 2010 eingeführt haben. Von daher weiß ich, wie hoch der Aufwand ist, um die Modelle abgenommen zu bekommen und entsprechende Prozesse einzuführen. Diese Anstrengungen und hohen Investitionen haben wir wie andere risikosensitiven Banken vor allem deshalb auf uns genommen, weil der Regulator diesem Ansatz sehr positiv gegenüberstand und dafür sogar Anreize gesetzt hat. Und das ist dem Grund nach ja auch gerechtfertigt. Und nun wird dieses Instrument quasi entwertet, selbst wenn nachweisbar ist, dass die Kreditrisiken adäquat abgebildet wurden. Die getätigten Investitionen, die sich nicht zuletzt auch in einer zurückhaltenden Kreditvergabe mit dem Ziel möglichst geringer Ausfälle widerspiegeln, werden regulatorisch nicht mehr ausreichend honoriert. Sie werden im Gegenteil bestraft.

Hätten die europäischen Verhandlungsführer härter gegenüber den Amerikanern bleiben müssen?

Hagen: Das Ironische beziehungsweise Bittere an der Sache ist ja, dass uns die Amerikaner in die Nutzung interner Modelle faktisch hineingetrieben haben - in den Verhandlungen zu Basel II. Damals hieß es, die Pauschalansätze seien unzureichend und es bräuchte risikosensitive Modelle. Die jetzige Kehrtwende erweckt den Eindruck, dass die Amerikaner uns immer ein Stück weit vor sich hertreiben. Vor diesem Hintergrund hätte ich mir schon gewünscht, dass unsere Vertreter in Basel etwas energischer aufgetreten wären. Sicher: Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass mit internen Ratingmodellen aufgrund unterschiedlicher nationaler Aufsichten das Qualitätsniveau nicht immer gleich ist. Aber dafür gibt es bekanntlich die eben abgeschlossenen TRIM-Prüfungen. Alles in allem sind durch den Output-Floor von 72,5 Prozent meiner Meinung nach gerade die Immobilienfinanzierer über Gebühr belastet.

Tolckmitt: Das Ergebnis ist in diesem Punkt wirklich enttäuschend. Man muss nun aber versuchen, auf europäischer Ebene das Beste daraus zu machen. Der Baseler Beschluss ist eine internationale Vereinbarung. Bei der anstehenden Umsetzung in europäisches Recht besteht unserer Einschätzung nach durchaus Potenzial, den negativen Effekt des Floors zu mitigieren, für die Institute halbwegs erträglich zu gestalten und dennoch im Rahmen der Baseler Vereinbarung zu bleiben. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, wie flexibel die USA mit der Umsetzung solcher globalen Regeln umzugehen pflegen. Die Empfehlung des vdp lautet deshalb, auf europäischer Ebene nur das umzusetzen, was auch tatsächlich in Basel beschlossen wurde. So wird der Output-Floor in Basel nur auf Eigenkapitalkomponenten der Säule 1, also den Kapitalpuffer und die zusätzliche Anforderung für global systemrelevante Banken angewendet. In Europa hingegen wird die Anwendung des Output-Floors auf sämtliche Kapitalanforderungen der Säule 1 und 2 und weiteren Kapitalpuffer diskutiert. Ein solches Gold-Plating gilt es zu vermeiden, sprich der Output-Floor sollte auch in Europa nur auf die dafür in Basel genannten Kapitalanforderungen angewandt werden.

Die so ermittelte Kapitaluntergrenze wäre dann zu vergleichen mit den ohne Output-Floor ermittelten Kapitalanforderungen der Säule 1 und 2 und weiteren Kapitalpuffern, wobei der höhere Wert der beiden ermittelten Kapitalanforderungen Anwendung fände. Damit hätte man eine Lösung, die zwar die Eigenkapitalanforderungen für die Institute ebenfalls erhöhen würde, aber eben nicht in seinem solch signifikanten Ausmaß wie es sich derzeit abzeichnet und das dem selbst gesetzten Ziel des Baseler Ausschusses diametral widerspricht, dass die neuen Regeln zu keinen signifikanten Erhöhungen der EK-Anforderungen führen sollen. Zudem wären dann auch die Eigenkapitalanforderungen der Säule 2, die den europäischen Aufsehern ein besonderes Anliegen zu sein scheinen, angemessen berücksichtigt. Das wird in den kommenden ein bis zwei Jahren die entscheidende Diskussion sein.

Eine Diskussion steht derweil auch mit der deutschen Aufsicht über ein weiteres wichtiges Thema für die Pfandbriefbanken an: den Beleihungswert. Wie ist hier der Stand?

Hagen: Der vdp ist sich mit der BaFin einig, sich gemeinsam mit diesem Thema intensiv auseinanderzusetzen.

Was sind die konkreten Punkte, über die Sie sprechen wollen?

Hagen: Es geht im Wesentlichen um drei Elemente: Erstens, die Mindestkapitalisierungszinsen, die in der BelWertV verankert sind; zweitens, die Mindestbewirtschaftungskosten (ebenfalls BelWertV) und drittens, die Frage, inwieweit man automatisierte Bewertungsverfahren zulassen kann. Diese Themen wollen wir adressieren, weil wir die Notwendigkeit für Anpassungen sehen - keine radikalen Anpassungen, sondern leichte Modifikationen, die sowohl das allseitige Interesse an der Sicherheit des Hypothekenpfandbriefs berücksichtigen, als auch den Banken ermöglichen, die Refinanzierungsquelle Pfandbrief moderat auszuweiten. Wir sind sehr erfreut, dass die BaFin nun bereit ist, darüber zu diskutieren.

Tolckmitt: Man muss bedenken, dass die Höhe der Mindestkapitalisierungszinssätze seit den sechziger Jahren praktisch unverändert ist. Gleichzeitig sinken die Marktzinsen seit dem Jahr 1992 konstant. Eine Anpassung der Mindestkapitalisierungszinsen erscheint angesichts dieser Entwicklung überfällig. Uns geht es dabei in keiner Weise um eine Aufweichung des Beleihungswerts, im Gegenteil: Wir glauben auch, dass man in Zeiten stark steigender Zinsen einen Mechanismus finden muss, der dies dann auch wieder nachvollzieht. In der aktuellen Situation ist es allerdings so, dass der Marktwert inzwischen ungefähr doppelt so hoch ist wie der Beleihungswert - mit weitreichenden negativen Konsequenzen für die Nutzung des Pfandbriefs. Dieses Missverhältnis gilt es zu adressieren und in angemessener Weise zu korrigieren.

Hagen: Und das ist wiederum auch im Interesse der Aufsicht: Der Pfandbrief ist der Inbegriff der regulatorisch gewünschten Langfristkultur und hat eine stabilisierende Wirkung auf das Finanzsystem. Dieser positive Effekt wird schwächer, je weniger langfristiges Kreditvolumen die Emittenten in Deckung nehmen können. Im Gegenzug muss mehr des langfristigen Geschäfts über kurzfristige Einlagen, unter Inkaufnahme von Zinsänderungsrisiken, oder teure ungedeckte Schuldverschreibungen, die die Ertragskraft schmälern, refinanziert werden. Wir haben also einige gewichtige Argumente auf unserer Seite.

ZUR PERSON DR. LOUIS HAGEN Präsident, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin, und Vorsitzender des Vorstands, Münchener Hypothekenbank eG, München
ZUR PERSON JENS TOLCKMITT Hauptgeschäftsführer, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin

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