FACETTEN DER NACHHALTIGKEIT

"DIE FUNKTIONSTRENNUNG IN EINZELNE ASSETKLASSEN HAT AUSGEDIENT"

Leonhard Sachsenhauser, Foto: Coros Management GmbH

Der schweizerisch-französische Architekt Le Corbusier gilt als Begründer der funktionalen Trennung von Wohnen, Arbeiten, Erholen und Verkehr im Rahmen des Städtebaus. Seine Vision sollte sich schließlich 1933 in der "Charta von Athen" manifestieren - einem äußerst einflussreichen Dokument also, das viele Metropolen bis heute teils stark prägt. Doch sind diese Strukturen noch zeitgemäß, um den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden? Leonhard Sachsenhauser von Coros ist mehr als skeptisch. Red.

Herr Sachsenhauser, Sie vertreten die These, dass Mischnutzungskonzepten die Zukunft in den Metropolen gehört. Was macht Sie diesbezüglich so sicher?

Die Metropolen des 21. Jahrhunderts werden grün, kommunikativ und vielfältig sein - und so sollten auch die Immobilien sein. Gleichzeitig verändern sich die Nutzeranforderungen: Die Qualität der Büroflächen wird für Corporate Tenants entscheidend, auch im Hinblick auf den "war for talents". Flexible Raumkonfigurationen werden daher immer wichtiger. Die Urbanität eines Standorts und vor allem der Immobilie selbst wird in diesem Kontext zu einem erfolgskritischen Entscheidungsfaktor für Anmietungen und damit die langfristige Wertentwicklung eines Objektes. Mischnutzungskonzepte sind hier am besten positioniert.

Käme Ihre Vision nicht dem Ende der Assetklassen gleich?

Richtig, die seit der Nachkriegszeit dominierende Funktionstrennung in einzelne Assetklassen wie Büro, Wohnen, Einzelhandel hat ausgedient. Monolithische, gesichtslose Einkaufsstraßen, Bürowüsten oder Schlafstädte erfassen nicht mehr ein Lebensgefühl moderner Stadtgesellschaften. Sie verkörpern kein urbanes Flair und werden künftig nicht mehr funktionieren - aus Mieter- wie aus Investorensicht.

Mixed-Use-Immobilien und -Quartiere werden dagegen der Anker einer lebenswerten Stadtentwicklung sein. Denn sie verkörpern genau das Lebensgefühl der Urban Communities, sind spannender, abwechslungsreicher und damit für Corporate Tenants und Investoren langfristig attraktiver als Bürowüsten. Eine gelungene Mixed-Use-Umsetzung sorgt für eine kontinuierliche, anhaltende Belebung und Nutzung der Flächen sowie einen stabileren Miet-Cashflow. Die Immobilie ist langfristig attraktiver, weil urbaner.

Gerne angeführt wird an dieser Stelle auch das Argument "Risikodiversifizierung". Zu Recht?

Absolut, Investoren profitieren von einer zusätzlichen Risikodiversifizierung, da Mixed-Use-Quartiere eine höhere Resilienz gegenüber Marktschwankungen bei einzelnen Assetklassen vorweisen - wie es zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt hat. Hinzu kommt, dass in wenigen Jahren auf der Finanzierungsseite die Urbanität oder Nutzungsmischung einer Immobilie eine der zentralen Rahmenbedingungen werden dürfte.

Und wie sieht es mit den Investoren aus, scheuen die Mixed-Use nicht auch ein Stück weit deshalb, weil sie in Silos denken und sich das Einbringen solcher Liegenschaften in ihre reinrassigen Büro- oder Hotelfonds entsprechend komplex gestaltet?

Langfristig orientierten Investoren eröffnet Mixed-Use große Chancen - den richtigen Asset Manager an ihrer Seite vorausgesetzt. Der initiale Aufwand für die Planung einer Mixed-Use-Immobilie ist zunächst höher und erfordert Erfahrung und konkrete Marktkenntnis vor Ort. Neben Flächenumbauten und der Klärung von Behördenfragen gilt es einen passenden, stimmigen Nutzungsmix zu konzipieren und unterschiedliche Nutzungsarten in ein Viertel oder Gebäude zu integrieren. Die Komplexität zahlt sich aber durch eine langfristige Attraktivität und Wertentwicklung sowie einen stabilen Miet-Cashflow aus.

Demzufolge werden sich auch die Investmentprodukte verändern. Die Zahl der Fonds mit Mixed-Used-Immobilien wird zunehmen. Das heißt aber nicht, dass es auch künftig keine reinen Assetklassen-Fonds, wie etwa Hotel- und Wohnungsfonds, geben wird. Das bedeutet dann allerdings, dass für diese Fonds je nach Anforderungsprofil der Investoren nicht mehr alle Objekte infrage kommen, wenn der Ertragsanteil des Objektes zu großen Teilen auch aus anderen Assetklassen stammt. Auch Spezialimmobilien aus dem Gesundheitssektor oder dem Logistikbereich werden perspektivisch eher eine monolithische Nutzungsart aufweisen. Wir gehen aber davon aus, dass aufgrund der makro- und geldpolitischen Implikationen mit einer weiteren Zunahme von Investmentprodukten und Anlegern im Bereich der Immobilienfonds zu rechnen ist. Insofern werden die diversifizierteren Mixed-Use-Immobilien auch auf eine entsprechende Produktlandschaft treffen.

Wie wichtig ist bei alldem der Austausch mit den relevanten Stakeholdern, nicht zuletzt der (Kommunal-)Politik?

Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Unser Anspruch ist es, mit unseren Projekten nachhaltige Mehrwerte und Lösungen nicht nur für unsere Investoren und die Mieter der Immobilien zu schaffen, sondern vor allem auch für die Stadtgesellschaft. Dazu suchen wir aktiv den Dialog mit der Politik, Anwohnern und weiteren relevanten Stakeholdern und versuchen, diese möglichst frühzeitig einzubinden. Nur so können wir Projekte realisieren, die von ihrem urbanen Umfeld angenommen werden - und so langfristig im Übrigen auch für Investoren attraktiv bleiben. Unser aktuelles Projekt "Quartier Am Humboldthain" in Berlin-Mitte ist dafür ein gutes Beispiel. Hier haben wir nach dem Prinzip der "offenen Projektentwicklung" ein transparentes Werkstattverfahren initiiert, um in mehreren Fach- und Bürgerdialogen gemeinsam mit Anwohnern, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Ideen für die Projektkonzeption und den späteren Nutzungsmix der Quartiersentwicklung herauszuarbeiten. Diese Inklusion der relevanten Stakeholder und der gemeinsame Diskurs in enger Abstimmung mit dem Bezirk und den Senatsverwaltungen ist aus unserer Sicht essenziell für das Gelingen des Projekts und die Realisierung eines urbanen, lebenswerten und zukunftsfähigen Stadtquartiers.

Stichwort "Umwidmung": Wie kostspielig ist das Thema? Ist der Abriss und anschließende Neubau oftmals nicht doch wirtschaftlicher?

Grundsätzlich bleiben die Potenziale von urbanen Räumen und Bestandsimmobilien zu oft ungenutzt. Wir wollen sie heben und sie wieder für die Stadtgesellschaft zugänglich machen, mit behutsamer Erneuerung und Modernisierung. Dafür braucht es smarte Konzepte und einen attraktiven Nutzungsmix, der auch in den Urban Communities auf Anklang und Akzeptanz stößt. Das setzt intelligente Planung und intensive Arbeit bei der Umsetzung voraus, wird aber von immer mehr Investoren honoriert und zahlt sich langfristig aufgrund eines hohen Nachnutzungspotenzials aus.

Auch wenn Neubau vor allem mit nachhaltigen Baustoffen seine Berechtigung hat: Eine Lebenszeitverlängerung für eine gut umzugestaltende und nutzbare Bestandsimmobilie ist dem Komplettabriss aufgrund der besseren Energiebilanz, wenn möglich, immer vorzuziehen. Insbesondere langfristig orientierte institutionelle Investoren schauen hier immer stärker auf die Qualität und Nachnutzungsmöglichkeit der Immobilien.

"Die Zukunft des Arbeitens braucht neue Büroimmobilien" heißt es derzeit oft. Wie sehen diese in Ihren Augen aus?

Die Büroimmobilie kann künftig keine reine Arbeitsstätte mehr sein, sondern muss sich zu einer Ideenschmiede wandeln, die Raum für Austausch ermöglicht und so Kreativität und Innovation erzeugt. Das Büro wird künftig für Corporate Tenants Dreh- und Angelpunkt der Unternehmensstrategie und noch stärker als bislang ein Spiegel der Corporate Identity. Dafür braucht es neben moderner Gebäudetechnik individuell zugeschnittene, flexible Raumkonzepte, die unterschiedliche Arbeitslandschaften für verschiedene Arbeitsformen möglich machen: Von offenen Cafés und Freizeitflächen über Räume für kreatives Arbeiten im Team bis hin zu Stillarbeitsflächen für konzentriertes Arbeiten.

Abgerundet wird das durch ein vielfältiges Dienstleistungsangebot und Annehmlichkeiten im oder direkt um das Gebäude herum, wie etwa Dachgärten, Fitness, Einzelhandel und Gastronomie. Sie erzeugen Abwechslung und urbanes Flair. In Zeiten von Homeoffice und Remote Working müssen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter von den Vorzügen des Büros überzeugen - darum wird die Attraktivität der Büroflächen immer wichtiger.

Stichwort "Homeoffice": Braucht es künftig weniger Fläche?

Büronutzer suchen nicht weniger, sondern vor allem zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Flächen. Das wird dafür sorgen, dass zusätzliche Flächen für Begegnungsstätten oder alternative Nutzungsarten wie Gastronomie notwendig sind - und das gleicht letztlich die Reduktion von Cubicles und Schreibtischen aufgrund flexiblerer Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter aus.

Wie spielt das Thema Nachhaltigkeit bei alldem rein?

Es steht letztlich über all den genannten Faktoren. Künftig wird es darum gehen, den ökologischen und sozialen Impact der Büroimmobilien positiv zu gestalten, und zwar über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes hinweg. Die Klimaneutralität sowie der CO2-Fußabdruck und der nachhaltige Beitrag einer Immobilie zur Lebensqualität und Produktivität des Viertels werden zu einem erfolgskritischen Kriterium bei Ankaufs- oder Mietentscheidungen. Schon jetzt steigt die Nachfrage nach grünen Büroflächen signifikant, insbesondere in München oder Berlin, wo Tech-Unternehmen und Dax-Corporates Treiber dieser Nachfrage sind. Hier eröffnen sich tolle Chancen für Green Refurbishments.

Lassen Sie uns zum Abschluss noch ein wenig über Coros sprechen. Wo liegen derzeit Ihre Investmentschwerpunkte?

Wir investieren primär in Bestandsimmobilien oder Quartiere, in denen wir signifikantes urbanes und nachhaltiges Potenzial sehen, die aber nicht mehr zeitgemäß sind, aktuellen Nachhaltigkeitsstandards nicht entsprechen oder signifikanten Leerstand aufweisen. Unser Ziel ist es, ihr Potenzial mit Refurbishments, Nachrüstung oder kompletter Neuentwicklungen zu heben und sie an die aktuellen ESG-Standards anzupassen. So wollen wir diese Immobilien in nachhaltige Core Assets der nächsten Generation weiterentwickeln und den Lebenszyklus der Immobilien verlängern - das ist aus unserer Sicht die nachhaltigste Strategie. Dabei wollen wir auch die langfristigen Nutzerbedürfnisse an ein urbanes Leben und Arbeiten bedienen.

Geografisch liegt unser Investmentschwerpunkt auf Metropolen, die über sehr gute ökonomische und demografische Fundamentaldaten verfügen und eine interessante urbane Dynamik aufweisen. Dazu gehören vordergründig Berlin und München sowie auf europäischer Ebene London, Paris und Madrid. Diese Städte haben auch während der Corona-Pandemie nichts von ihrer Magnetwirkung eingebüßt. Als Hubs für Innovation, wirtschaftliches Wachstum und einem überragenden Kultur-, Freizeit- und Bildungsangebot ziehen sie nach wie vor Toptalente und Unternehmen an. Insbesondere für Start-ups und Unternehmen im Tech-Sektor sind sie als Standorte interessant. Hier sehen wir langfristig eine entsprechend hohe Nachfrage nach attraktiven, urbanen und nachhaltigen Immobilien - und diese wollen wir gemeinsam mit unseren Partnern dort realisieren.

Und was sind die Wachstumsziele für die kommenden Jahre?

Unser Ziel ist es, unser Portfolio weiter auszubauen und den Fußabdruck in den Kernmärkten Berlin und München zu vergrößern. Darüber hinaus wollen wir zum Beispiel mit unserer Niederlassungseröffnung in London und der Berufung von Robert Allen-Mersh als Head of UK das Geschäft und institutionelle Partnerschaften in London deutlich ausbauen. So treiben wir unser Ziel einer Internationalisierung weiter voran. Zudem ergänzen wir in diesem Jahr unsere Coros-Flagship-Fund-Serie um ein neues Fondsprodukt und stocken damit unsere Assets under Management um eine weitere Milliarde Euro auf. Der Fonds wird in Value-Add-Immobilien investieren, die Opportunitäten für nach haltige Wertbildung bieten - etwa über Refurbishments, Neupositionierung oder Erweiterungsbauten, wie wir es beispielsweise beim Alte-Post-Quartier in Berlin-Neukölln gemeinsam mit Ivanhoé Cambridge realisiert haben. Durch unsere proprietären Marktzugänge sehen wir zudem Opportunitäten entlang der gesamten Risikokurve.

Leonhard Sachsenhauser , Founding Partner , Coros Management GmbH, Frankfurt am Main
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