BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2020

"WIR SIND GRUNDSÄTZLICH FÜR JEDES SZENARIO GUT AUFGESTELLT"

Reinhard Klein, Foto: Bausparkasse Schwäbisch Hall

Seit gut fünf Jahren steht Reinhard Klein inzwischen an der Spitze der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Wesentlich geprägt war diese Zeit bekanntlich von den niedrigen Zinsen, an denen sich aller Voraussicht nach so schnell auch nichts ändern dürfte. Warum er grundsätzlich dennoch optimistisch gestimmt ist für die Zukunft seines Hauses, erläutert er im Interview mit Immobilien & Finanzierung. Dabei geht er unter anderem auch auf die kurz bevorstehende Debütemission am Pfandbriefmarkt ein, skizziert die Fortschritte beim Umbau des Kernbankensystems und erklärt, was Deutschland beim Kampf gegen die Wohnungsnot von den Niederlanden lernen kann. Red.

Herr Klein, blicken wir zurück auf das Geschäftsjahr 2019: Wie zufrieden sind Sie?

Wir sind mit dem vergangenen Geschäftsjahr insgesamt zufrieden. Wobei man unterscheiden muss zwischen dem Neugeschäft und dem betriebswirtschaftlichen Ergebnis. Beim Neugeschäft mit Baufinanzierungen haben wir das beste Ergebnis der Unternehmensgeschichte erzielt: Gemeinsam mit den Genossenschaftsbanken konnten wir ein Gesamtvolumen von 16,7 Milliarden Euro vermitteln. Das ist ein Plus von 10,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Geschäftsfeld Bausparen haben wir unsere Position als Marktführer klar behauptet: Das Neugeschäft liegt mit 28,5 Milliarden Euro nahezu auf Vorjahresniveau.

Das betriebswirtschaftliche Ergebnis hingegen wurde stark von der anhaltenden Niedrigzinspolitik beeinflusst, die sich negativ auf unseren Zinsüberschuss auswirkt. Außerdem war das Ergebnis von einer Mehrdotierung bauspartechnischer Rückstellungen geprägt. Das Ergebnis liegt aufgrund dieser Sondereffekte bei 189 Millionen Euro vor Steuern. Im Geschäftsjahr 2018 lagen wir bei 295 Millionen Euro.

Die niedrigen Zinsen haben die ersten fünf Jahre Ihrer Amtszeit geprägt und werden dies voraussichtlich noch auf viele Jahre tun. Wie begegnen Sie dem?

Die niedrigen Zinsen sind Fluch und Segen zugleich: Einerseits boomt der Immobilienmarkt weiterhin - viele Menschen nutzen die günstigen Finanzierungskonditionen, um zu bauen oder sich ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Auf der anderen, der betriebswirtschaftlichen, Seite leidet unter den dauerhaft niedrigen Zinsen unser Zinsüberschuss und damit unser Gesamtergebnis. Diese Balance aus Neugeschäft und Ertrag zu managen, bleibt also unsere betriebswirtschaftliche Hausaufgabe für die nächsten Jahre.

Da wir unser Geschäft mit Bausparen und Baufinanzierung bewusst auf zwei starke Säulen aufgebaut haben, die ihre Stärken in unterschiedlichen Zins- und Marktsituationen haben, sind wir grundsätzlich für jedes Szenario gut aufgestellt. Zudem haben wir die Handlungsspielräume der Novelle des Bausparkassengesetzes genutzt und werden beispielsweise bald den ersten Pfandbrief an den Markt bringen. Wir haben unsere Kapitalanlage optimiert und Einsparungen in der gesamten Wertschöpfungskette vorgenommen.

Ein kostenbewusstes Handeln ist auch weiterhin unerlässlich. Allerdings ist Kosteneinsparung allein keine Strategie, um ein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Daher wird die Bausparkasse Schwäbisch Hall auch künftig in Themen investieren, die für ihre Zukunftsfähigkeit wichtig sind. So stecken wir allein in die Modernisierung unserer IT-Infrastruktur in den nächsten Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag, um die Chancen zu nutzen, die die Digitalisierung in unserem Markt bietet.

Wird die Baufinanzierung als Standbein das klassische Bausparen zunehmend ablösen?

Von einer Ablösung kann nicht die Rede sein. Wir verwalten aktuell für mehr als sieben Millionen Kunden einen Bausparbestand von 313 Milliarden Euro, soviel wie noch nie in unserer Unternehmensgeschichte. Aber natürlich wollen derzeit viele Menschen die niedrigen Zinsen nutzen, um sofort Wohneigentum zu erwerben, was ein wachsendes Baufinanzierungsgeschäft nach sich zieht.

Ob das Pendel mehr in Richtung Bausparen oder Baufinanzierung ausschlägt, hängt also im Wesentlichen von der Zins- und Marktsituation ab. Bei niedrigen Zinsen und steigenden Immobilienpreisen werden mehr Baufinanzierungen nachgefragt. Und bei steigenden Zinsen und stabilen Immobilienpreisen wird der Aspekt der Zinssicherung wieder eine größere Rolle spielen, mit positiven Auswirkungen auf das Bauspargeschäft. Wir sind jedenfalls froh, dass wir für beide Szenarien ein Angebot haben und verstehen uns als Baufinanzierer mit dem Kerngeschäftsfeld Bausparen.

Kommt man sich im Segment der Baufinanzierung nicht zwangsläufig in die Quere mit den Genossenschaftsbanken?

Nein, im Gegenteil: Wir ergänzen uns im Interesse der Kunden ganz hervorragend. Die Banken sind in der Regel kurzfristiger refinanziert und bieten daher eher kurzlaufende Darlehen an. Den Wunsch der Kunden, sich die aktuell niedrigen Zinsen möglichst lange zu sichern, können wir durch die langlaufenden Bauspareinlagen bedienen. Diese Kombinatorik ist ein echter Wettbewerbsvorteil. Gemeinsam können wir Zinssicherheit über die gesamte Laufzeit zu marktfähigen Konditionen anbieten. So ist es nicht verwunderlich, dass wir seit 2015 in der Baufinanzierung gemeinsam mit den Genossenschaftsbanken mehr als der Markt gewachsen sind.

Neben Bauspareinlagen sollen künftig auch die Baufinanzierungskredite via Pfandbrief refinanziert werden. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Wir haben alle Vorbereitungen getroffen, um noch im ersten Halbjahr einen Pfandbrief als zusätzliche Refinanzierungsquelle begeben zu können. Das heißt, wir haben die erforderliche Masse an deckungsstockfähigen Krediten aufgebaut und die erforderlichen Anpassungen in Vertrieb, Marketing, Processing und in der Unternehmenssteuerung samt IT vorgenommen. Die Rating-Agentur Moody's hat unseren Pfandbrief im Übrigen mit der Bestnote "AAA" bewertet. Außerdem hat Moody's unserem Pfandbrief das sogenannte "Leeway 7" bescheinigt. Das heißt, der Pfandbrief liegt sieben Punkte über dem für die Bewertung mit "AAA" erforderlichen Niveau. Ein besserer Wert wird bisher von keinem anderen Pfandbriefemittenten in Deutschland erreicht. Wir sind also sozusagen "Pfandbrief-Ready".

Wie viel Potenzial schlummert in der Plattformökonomie perspektivisch für Ihr Geschäftsmodell?

Wie in anderen Branchen auch, sehen wir in der Plattformökonomie enormes Potenzial, unser bestehendes Geschäftsmodell auszubauen und ganz neue Geschäftszweige zu erschließen. So haben wir zum Beispiel 2018 mit Unterstützung des ständigen Strategieausschusses des BVR gemeinsam mit dem Technologieunternehmen Hypoport den Vermittlermarktplatz Baufinex aufgebaut. Damit erschließen wir den Genossenschaftsbanken einen weiteren Vertriebskanal, um im boomenden Baufinanzierungsmarkt wachsen zu können. Denn schon heute wird rund jede dritte Baufinanzierung in Deutschland über eine Plattform abgeschlossen. Bereits in fünf Jahren wird es voraussichtlich jede zweite sein.

Mit dem ersten vollständigen Vertriebsjahr von Baufinex sind wir sehr zufrieden: Rund 1 500 Vermittler haben darüber Zugang zu fast 400 Produktanbietern. Das Volumen der eingereichten Finanzierungen ist im ersten Vertriebsjahr kontinuierlich gestiegen: Die Wachstumsquoten beliefen sich pro Quartal zwischen 150 und 180 Prozent. Das zeigt, dass ein genossenschaftlicher Vermittlermarktplatz gefragt ist. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass die viel beschworene Transformation des Kundenverhaltens im Plattformgeschäft schon längst stattfindet und wir dadurch viele Erkenntnisse gewinnen. Diese nutzen wir, um unsere eigenen Produkte und Prozesse für die sich wandelnden Kundenanforderungen fit zu machen.

Darüber hinaus sind viele Dienstleistungen denkbar, die über eine Plattform angeboten werden können, beispielsweise die Vermittlung von Architekten, Bauträgern, Versicherungen oder Handwerkern. Der Mehrwert für die Kunden würde darin liegen, dass sie alle möglichen Dienstleistungen rund um ein Themenfeld integriert auf einer Plattform bekommen.

Wie kommen Sie derweil beim Umbau Ihres Kernbankensystems voran?

Beim Umbau unseres Kernbankensystems sind wir voll im Plan. Es ist nach wie vor ein sehr anspruchsvolles IT-Projekt. Aber mittlerweile haben wir einen wesentlichen Meilenstein erreicht: Das Modul für das Baufinanzierungsneugeschäft wurde 2019 erfolgreich in Betrieb genommen. Wir sind damit laut SAP einer der ersten Finanzdienstleister, der mit der SAP-Datenbank S4/HANA erfolgreich operiert.

In diesem Jahr und in den nächsten Jahren sind weitere Optimierungen des Regelbetriebs und die Ausweitung auf den Baufinanzierungsbestand geplant. Die komplette Umstellung inklusive der Migration aller Altbestände wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Angesichts der eben angesprochenen Chancen der Digitalisierung zeigt sich immer deutlicher, dass es die richtige Entscheidung war, mit einem neuen Kernbankensystem dafür die strukturellen Grundlagen zu schaffen.

Es fehlen derzeit schätzungsweise über eine Million Wohnungen in Deutschland. Wie kann man dieser Knappheit Herr werden?

Um diese Lücke zu schließen, müssen laut des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln pro Jahr rund 340 000 neue Wohnungen entstehen. Davon sind wir derzeit leider ein ganzes Stück entfernt: 2018 wurden nur rund 286 000 neue Wohnungen gebaut und laut Experten haben wir auch 2019 die 340 000 klar verfehlt. Die Lücke wächst also weiter. Dafür gibt es im Wesentlichen vier Gründe: Erstens fehlt es an Bauland. Die Baulandpreise sind heute der größte Preistreiber beim Wohnungsbau. Hier besteht auch in Ballungszentren mit wenig neuen Bauplätzen noch Potenzial, etwa durch Nachverdichtung und dem Aufstocken zusätzlicher Etagen.

Der zweite Hauptgrund: Bauen ist zu teuer und zu kompliziert. Allein seit 2007 ist Bauen um 33 Prozent teurer geworden. Die gesetzlichen Anforderungen sind permanent gestiegen und widersprechen sich teilweise sogar. Wärmedämmung, Brand- und Schallschutz, Barrierefreiheit, Tiefgaragenplätze und Grünflächen um die Gebäude - all das gibt es nicht zum Nulltarif. Die Niederlande sind hier einen interessanten Weg gegangen: Dort wurde die Bauordnung grundlegend reformiert und sogenannte technologieoffene Baunormen eingeführt. Diese geben zum Beispiel einen Wert für den Energieverbrauch vor, bestimmen aber nicht, mit welchen Mitteln dieser erreicht werden muss. Dies weckt das Innovationspotenzial der Baufirmen. Das Ergebnis: Dort sind die Baukosten seit 2007 nur um sechs Prozent gestiegen.

Drittens: Vor allem für junge Familien ist es immer schwieriger, das für Wohneigentum erforderliche Eigenkapital anzusparen. Das hat eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln in unserem Auftrag ermittelt. Das kann die Gesellschaft sowohl im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit als auch auf die Altersvorsorge nicht einfach hinnehmen. Die Erhöhung der Wohnungsbauprämie ist ein richtiger erster Schritt, gezielt Sparanreize zu schaffen. Laut Statistischem Bundesamt hat ein Wohneigentümer im Rentenalter im Vergleich zu einem Mieterhaushalt 600 Euro mehr zur Verfügung. Wer also im Alter trotz einer kleinen Rente nicht auf die Unterstützung vom Staat angewiesen ist, weil er mietfrei wohnt, belastet die Sozialsysteme nicht.

Und viertens: Die Erwerbsnebenkosten - also Notar- und Maklerkosten sowie Grunderwerbsteuer - sind zu hoch. Diese belaufen sich je nach Bundesland auf zehn bis 15 Prozent der Gesamtsumme. Da sich der Eigenkapitalbedarf prozentual am Kaufpreis orientiert, müssen Haushalte angesichts der gestiegenen Preise vor allem in Ballungszentren teils über 50 Prozent mehr gespart haben als noch vor fünf Jahren. Auch hier zeigt der Vergleich mit den Niederlanden, dass es anders geht: Dort liegen die Nebenkosten bei gerade einmal gut 2,6 Prozent. Haupttreiber der Nebenkosten war in den vergangenen Jahren die Grunderwerbsteuer. Daher sind die im Koalitionsvertrag angedachten Möglichkeiten sehr sinnvoll, Bauherren bei Erstbezug einer Immobilie von der Grunderwerbsteuer zu befreien oder Freibeträge einzuführen.

Sie haben in diesem Jahr den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft Baden-Württembergischer Bausparkassen inne. Welche Schwerpunkte wollen Sie dabei setzen?

Drei Dinge sind mir wichtig: Wir wollen den guten Austausch mit der Landesregierung und mit den Abgeordneten im Landtag zum wichtigen Thema Wohneigentumsbildung fortführen und, wo immer möglich, intensivieren. Außerdem werden wir das gesellschaftlich relevante Thema der Klimawende aktiv aufnehmen. Denn eines ist klar: Ohne die Wohneigentümer in Baden-Württemberg und den anderen Teilen Deutschlands kann die Klimawende in Land und Bund nicht gelingen.

Von den derzeit rund 19 Millionen Wohngebäuden in Deutschland wurden etwa zwei Drittel vor 1979 errichtet, bei 65 Prozent ist die Gebäudehülle ungedämmt. Diese Gebäude verbrauchen laut der Deutschen Energie-Agentur bis zu fünf Mal mehr Energie als Gebäude, die nach 2001 errichtet wurden. Durch die Sanierung kann der Energieverbrauch einer Immobilie um bis zu 80 Prozent gesenkt werden. Und schließlich wollen wir auf spannende Projekte und Lösungen aufmerksam machen, die beim gesellschaftlich ebenfalls drängenden Thema Wohnungsmangel weiterhelfen können. Suffizientes, also auf das Wesentliche reduziertes Bauen oder Tiny Houses sind Beispiele dafür.

Stichwort "Klimawende": Welche Impulse erwarten Sie von dem jüngst beschlossenen Klimapaket?

Wir müssen die Sanierungsquote, die seit Jahren bei einem Prozent stagniert, auf mindestens zwei bis drei Prozent steigern. Sonst sind die Klimaschutzziele der Bundesregierung bis 2050 nicht zu erreichen. Das ist aber nicht umsonst zu haben: Je nach zugrunde liegendem Szenario bewegen sich die entstehenden Mehrinvestitionen in einer Bandbreite von zirka 480 bis 1 026 Milliarden Euro, bezogen auf den Zeitraum bis 2050 und auf den Gebäudesektor insgesamt.

Die Immobilienbesitzer dürfen damit nicht allein gelassen werden. Deshalb sind die Beschlüsse aus dem Klimapaket, vor allem die sogenannte Abwrackprämie für Ölheizungen und die Möglichkeit, Sanierungen steuerlich abzuschreiben wichtige Schritte, die dem Thema hoffentlich den notwendigen Rückenwind geben.

Haben Bausparkassen die geeignete Angebotspalette, um davon profitieren zu können?

Unbedingt! Bausparmittel werden seit Jahren zu einem großen Teil für energetische Modernisierungen verwendet, denn eine typische Grundsanierung zur Energieeinsparung kostet zwischen 25 000 und 45 000 Euro. Gerade in dieser Größenordnung liegt die durchschnittliche Bausparsumme. Dabei hat der Bausparvertrag den Vorteil, dass im Unterschied zu anderen Finanzierungsformen keine Kleindarlehenszuschläge fällig werden.

Das Prinzip ist denkbar einfach: Ich spare die Hälfte der Investition an, nutze das Bauspardarlehen, um die Sanierung zu bezahlen und tilge danach das Darlehen. Der Bausparvertrag wird so zu einem Energiespar- und Klimaschutzvertrag. Hinzu kommt, dass viele Bausparkassen spezielle Angebote für Energiesparmaßnahmen haben. So bieten wir etwa eine Tarifvariante an, bei der für Modernisierungsdarlehen bis zu 30 000 Euro kein Grundschuldeintrag erforderlich ist. Außerdem gibt es für das Darlehen einen Zinsabschlag. Die Bausparkassen mit 26 Millionen Bausparverträgen können also ein richtiger Treiber für den Klimaschutz sein. Die positiven Auswirkungen sind sogar messbar: Allein die Schwäbisch-Hall-Kunden haben 2019 mehr als 500 000 Tonnen CO2 eingespart, indem sie klimaschonend gebaut oder energetisch saniert haben.

ZUR PERSON REINHARD KLEIN Vorsitzender des Vorstands, Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, Schwäbisch Hall
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