MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

"JAHR FÜR JAHR LIEFERN MEHR UND MEHR BANKEN IN DIE DATENBANK EIN"

Jens Tolckmitt, Foto: vdp

Anlässlich des zehnten Jubiläums der vdpResearch zieht vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt im Interview mit I & F ein sehr positives Fazit. Insbesondere habe das Tochterunternehmen einen signifikanten Beitrag zur Erhöhung der Transparenz auf den hiesigen Immobilienmärkten geleistet. Wesentlichen Anteil daran hat natürlich eine gut gepflegte und immer umfangreicher werdende Datenbank, die anders als bei so manchem anderen Anbieter ausschließlich auf echten Transaktionsdaten beruht. Mittlerweile liefern knapp 700 Kreditinstitute in dieses "Herzstück" der vdpResearch ein, Tendenz steigend. Dass darüber hinaus auch die Nachfrage nach ihren Dienstleistungen weiter steigen wird, davon ist Tolckmitt überzeugt - allein schon aufgrund der voraussichtlich nicht geringer werdenden Anforderungen von regulatorischer Seite. Red.

Wie würden Sie derzeit die Situation auf dem deutschen Immobilienmarkt beurteilen, ist der Markt transparent?

Der deutsche Immobilienmarkt lässt sich auf der Grundlage der vorliegenden Daten gut beschreiben und einschätzen. Sicherlich variiert dieses Bild bei Betrachtung der regionalen und sektoralen Teilmärkte. Die Wohnungsmärkte sind zum Beispiel besser erfasst als die Büromärkte, die großen und zentralen Märkte in den meisten Fällen besser als die kleinen Märkte. Die Abstufungen spiegeln auch die unterschiedliche Bedeutung der Märkte für die Akteure wider. Insgesamt ist die Transparenz auf dem deutschen Markt schon sehr hoch.

Der vdp ist mit "vdpResearch" vor zehn Jahren mit einem Anbieter einer Immobiliendatenbank und von Immobilienpreisindizes an den Start gegangen. Was waren die grundsätzlichen Überlegungen, die Sie zu diesem Schritt motiviert haben?

Die Idee kam schon sehr viel früher auf, in den Jahren 2000/2001. Damals erkannten wir das Transparenzdefizit auf dem deutschen Immobilienmarkt und die zukünftige Bedeutung von Daten und von einer zuverlässigen Datenaufbereitung. Das Wissen über exakte Immobilienpreise ist für die Kreditwirtschaft schließlich eine wesentliche Grundlage für die Beurteilung und Überprüfung der Werthaltigkeit von Immobilien, die als Sicherheit dienen.

Zu der damaligen Zeit lagen diese Informationen jedoch kaum vor. Wir haben uns dann überlegt, eine entsprechende Transaktionsdatenbank - zunächst als Hilfe zur Selbsthilfe der Banken untereinander - aufzubauen, mit der wir die Datenpools jeder einzelnen Bank vergrößern und das Niveau und die Preisentwicklung auf den Immobilienmärkten systematisch messen können. Und zwar auf der Grundlage von echten Transaktionen. Das lief zunächst im Verband selbst. Damit sind wir in eine echte Marktnische vorgestoßen.

Allerdings hat es fast neun Jahre von der Idee bis zur tatsächlichen Gründung gedauert. Was ist in dieser Zeit geschehen?

Für die Auswertung der Daten, für ihre Transformation in Zeitreihen, für die Interpretation dieser Zeitreihen und ihre Fortschreibung in Form von Prognosen werden Ressourcen benötigt, die in einem schlank aufgestellten Verband wie dem vdp nicht in ausreichendem Maß vorhanden sind. Daher haben wir, nachdem wir im Verband den Grundstein gelegt hatten, zunächst eine externe Gesellschaft mit den Aufgaben beauftragt. Diese Zwischenlösung funktionierte auch lange gut.

Im Jahr 2009 entschieden wir uns aber dafür, die Transaktionsdatenbank mit den ganzen Folgetätigkeiten stärker an den Verband anzubinden. So gründeten wir die vdpResearch als Tochterunternehmen und konnten glücklicherweise viele Kolleginnen und Kollegen der externen Gesellschaft übernehmen, sodass die Kontinuität der schon immer qualitativ hervorragenden Arbeit sichergestellt war. Erfreulicherweise konnte sich vdpResearch dann sehr schnell als wichtiger Partner in der Kredit- und Immobilienwirtschaft, weit über den vdp hinaus, etablieren.

Welche Aufgaben übernimmt vdpResearch?

vdpResearch ist das empirische Kompetenzzentrum unseres Verbandes. Sie führt die Transaktionsdatenbank, die Basis für die meisten Auswertungen und Marktbeschreibungen ist. So analysiert vdpResearch beispielsweise die Entwicklung der Märkte - aufgeschlüsselt nach Regionen und Assetklassen - sowie des gesamtdeutschen Immobilienmarkts. Zu ihrem Aufgabenportfolio gehören neben Objektbewertungen und Immobilienmarktprognosen auch Risikoanalysen, auf Wunsch sogar auf Ebene einzelner Liegenschaften.

Und nicht zuletzt ermittelt vdpResearch Miet- und Preisindizes, beispielsweise unseren renommierten vdp-Index, der die Preisentwicklung auf dem gesamtdeutschen Markt aufzeigt. Insgesamt bietet vdpResearch mit ihrer Angebotspalette eine enorme Markttransparenz, die schon heute von vielen Seiten, unter anderem von der Bundesbank, gefordert wird.

Der vdp hat sich in den vergangenen Jahren durch die Gründung zahlreicher Töchterunternehmen zu einem umfassenden Kompetenzzentrum rund um die Immobilienfinanzierung entwickelt. Ist weiterer Zuwachs geplant?

Im Moment zeichnen sich keine weiteren Neugründungen ab. Wir fühlen uns mit unserem aktuellen Portfolio an Tochterunternehmen bestens aufgestellt. vdpResearch, vdpConsulting, vdpExpertise, vdp-PfandbriefAkademie und HypZert ergänzen sich in ihren Aufgaben und Qualitäten sehr gut und bieten wichtige und attraktive Dienstleistungsangebote.

Was ist das Besondere an vdpResearch im Vergleich zu anderen Anbietern?

vdpResearch, hinter der seit einigen Jahren neben dem vdp auch der BVR als Anteilseigner steht, bietet zunächst ein Angebot von Banken für Banken. Aus dieser Idee ist sie ursprünglich entstanden. Und bis heute richtet sich ihr Dienstleistungsangebot in erster Linie an die Kreditwirtschaft. Die von ihr ermittelten Ergebnisse und entwickelten Produkte sind heute in vielen Banken wesentlicher Baustein für die Einschätzung und die Bewertung von Markt- und Objektrisiken.

Denn dank ihrer Transaktionsdatenbank ist vdpResearch wie wohl keine zweite Institution in der Lage, die Entwicklung der Immobilienpreise in Deutschland flächendeckend regional, bundesweit und sachlich differenziert zu erfassen und auf dieser Basis belastbare objektbezogene Daten für die Bewertung von Immobilien bereitzustellen. Und das auf Basis von echten Transaktionsdaten und nicht von Angebotsdaten. Ein zweiter großer Erfolgsfaktor ist das Knowhow der Kolleginnen und Kollegen der vdp-Research. Denn eine Datenbank mag noch so gut sein; erst durch die kompetente Nutzung, Auswertung und Interpretation der Daten durch ein erstklassiges Team ergeben sich Ergebnisse mit Mehrwert für die Kredit- und Immobilienwirtschaft.

Wie profitieren die Banken konkret von der Transaktionsdatenbank?

In vielerlei Hinsicht. Allen voran nutzen die Banken die Daten natürlich im Rahmen der Bewertung von Immobilien und ganzen Portfolios, sowohl in der Anbahnungsphase eines Kreditabschlusses als auch für die laufende Überprüfung der Werthaltigkeit von finanzierten Objekten. Zudem greift ein Großteil der Banken seit Jahren auf das Monitoring der vdpResearch zurück, das sogar auf Ebene einzelner Postleitzahlen durchgeführt werden kann.

Ein weiterer konkreter Anwendungsfall ist die Messung von Verlusten bei Kreditausfall, also des Loss Given Default (LGD). Mit dem Wissen über den aktuellen Marktwert eines Objektes ist es Banken möglich, das Ausmaß eines etwaigen Verlustes deutlich belastbarer abzuschätzen, womit in der Regel auch eine günstigere Eigenkapitalunterlegung einhergeht. Die Messung des LGD hat übrigens schon in den Anfangsjahren der vdpResearch, bei der Umsetzung von Basel II, eine sehr bedeutende Rolle gespielt.

Welche Daten werden erhoben?

Unsere Datenbank umfasst Angaben, die im Rahmen der Vergabe von Immobilienkrediten erhoben werden. Dazu zählen zum einen echte Miet- und Preisdaten, die sich darauf beziehenden Datumsangaben und zum anderen statistisch auswertbare Informationen zu wichtigen Merkmalen der jeweiligen Liegenschaft, die die Miete oder den Preis begründen. Wichtige Merkmale sind in diesem Zusammenhang vor allem die jeweilige Lage, die Ausstattung, das Alter der Immobilie, ihre Größe und ihr Zustand. Weitere wichtige Einflüsse sind in Abhängigkeit von der Objektart zum Beispiel die Geschossflächenzahl und die Grundstücksgröße. Da kommt uns die detaillierte Betrachtung im Rahmen der Beleihungswertermittlung zugute.

Und woher stammen all die Daten?

Mittlerweile liefern knapp 700 Kreditinstitute ihre echten Transaktionsdaten ein und haben damit auch Zugriff auf die Datenbank. Es ist ein klassisches Geben und Nehmen. So profitieren alle beteiligten Institute in ihrem Arbeitsalltag von diesem umfangreichen Datenstamm.

Wie groß ist der "Datenschatz"? Wächst er noch?

Ja, und das äußerst rasant. Die Datenbank beinhaltet aktuell 4,5 Millionen Transaktionen, die bis in das Jahr 2003 zurückreichen, wobei die meisten Daten jüngeren Datums sind. Derzeit kommen marktbedingt pro Jahr rund 350 000 Transaktionen hinzu, das sind knapp 40 Prozent aller Transaktionen im deutschen Immobilienmarkt. Zusätzlich steigt die Zahl der eingehenden Fälle, weil Jahr für Jahr mehr und mehr Banken in die Datenbank einliefern.

Wie viele Indizes erfassen die Entwicklung auf den deutschen Immobilienmärkten?

Derzeit rechnet vdpResearch auf Grundlage der Transaktionsdatenbank insgesamt 71 Indizes für die Öffentlichkeit. Die Indizes umfassen mit Blick auf den Wohnungsmarkt die Objektarten Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäuser, die sich wiederum teilweise aus Teilindizes zusammensetzen. Bezogen auf den gewerblichen Markt werden Indizes für Büro- und Einzelhandelsimmobilien ermittelt. In beiden Fällen setzen sich die Indizes aus zwei Teilindizes zusammen. In regionaler Hinsicht unterscheiden wir bei Wohnimmobilien zwischen Deutschland insgesamt und den Top-7-Märkten. Auch hier werden zahlreiche regionale und sektorale Teilindizes ge rechnet.

Seit 2013 beteiligen sich auch die Genossenschaftsbanken an der Befüllung der Transaktionsdatenbank, das erhöht natürlich die Marktabdeckung enorm. Was ist mit den Sparkassen?

Die Zusammenarbeit mit den Genossenschaftsbanken im Allgemeinen und dem BVR als vdpResearch-Miteigentümer im Besonderen ist sehr gut und professionell. Aktuell liefert schon fast jedes zweite deutsche Kreditinstitut seine Transaktionsdaten an vdpResearch - die Marktabdeckung ist also schon jetzt beachtlich. Weitere Kreditinstitute sind wünschenswert, hierzu führt vdpResearch kontinuierlich Gespräche.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung in der Immobilienbewertung ein, was für neue Chancen und Herausforderungen gibt es?

Einen starken Einfluss auf die Bereitstellung von Markt- und Objektdaten übt mittlerweile die Digitalisierung aus, genauso auf die Erfassung und Auswertung. Dabei zeigt sich: Die Digitalisierung erleichtert die Bereitstellung der Daten und ermöglicht der vdpResearch auch, einige ihrer Dienstleistungen effizienter anzubieten. Die Gesellschaft verfügt bereits über eine große Digitalisierungskompetenz - denken Sie nur an das Geoinformationssystem (GIS) oder auch an die von vdpResearch entwickelte Besichtigungs-App, die derzeit am Markt etabliert wird. Die App dient dazu, die Besichtigungsdienstleistung als ein weiteres digitales Element in den Bewertungsprozess zu integrieren. Diesen Weg wird vdp-Research in Zukunft fortsetzen. Allerdings geht es uns bei der Digitalisierung wie unseren Mitgliedsinstituten: Es gilt bei den zahlreichen Angeboten immer abzuwägen zwischen dem technisch Möglichen und dem ökonomisch Sinnvollen.

Der vdp sucht derzeit das Gespräch mit den Aufsichtsbehörden in Sachen Beleihungswert: Welche Veränderungen werden angestrebt, ist die Beleihungswertermittlung in der bekannten Form nicht mehr zeitgemäß?

Es geht vor allem darum, mittels moderner statistischer Verfahren zeitnaher und empirisch umfassender bewerten zu können. Letztlich würden wir gerne die vorliegenden aktuellen Informationen besser ausschöpfen, was aufgrund von regulatorischen Vorgaben, die in einer anderen Zeit formuliert wurden, nicht immer möglich ist. Der vdp spricht sich daher für eine Öffnung der Beleihungswertverordnung gegenüber statistischen Bewertungsverfahren im Massengeschäft aus.

Zudem sollte das aktuelle Zinsumfeld in der Methodik und den Parametern der Verordnung angemessen berücksichtigt werden. Entsprechende Novellierungsvorschläge haben die Gremien des vdp erarbeitet. Mit der BaFin sind wir hierzu auch schon in regelmäßigem Austausch. Ich bin zuversichtlich, dass die Novellierung der Beleihungswertverordnung im kommenden Jahr entscheidend vorankommt, möglicherweise auch schon abgeschlossen werden kann.

Mit all der Erfahrung und den Daten von vdpResearch: Wie lange hält der seit mittlerweile neun Jahren andauernde Anstieg der Immobilienpreise noch an?

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Entwicklung einfach von heute auf morgen drehen wird. Dass die Preise in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind, hat vor allem zwei Gründe, erstens die angespannten Mietmärkte, die die Mieten steigen lassen. Und zweitens die niedrigen Zinsen zusammen mit der Liquiditätsschwemme der Zentralbanken, die Anleger händeringend nach sicheren und rentierlichen Anlagealternativen suchen lassen.

Angesichts der anhaltenden Nachfrageüberhänge auf den Immobilienmärkten ist nicht anzunehmen, dass die Preise kurzfristig nachgeben. Wir gehen aber davon aus, dass sich der Anstieg bei Preisen und Neuvertragsmieten abschwächt, wie zuletzt auch schon der vdp-Index gezeigt hat. Ein Ende des aktuellen Immobilienzyklus ist allerdings immer noch nicht absehbar.

Welche Ziele geben Sie vdpResearch für die kommenden zehn Jahre mit auf den Weg?

vdpResearch blickt heute auf zehn äußerst erfolgreiche Jahre zurück. Es ist uns gelungen, die Transparenz auf den deutschen Immobilienmärkten auf ein ganz neues Niveau zu heben. Vieles spricht dafür, dass sich diese positive Entwicklung auch in Zukunft fortsetzt. Beispielsweise gehe ich davon aus, dass sich in den nächsten Jahren weitere Institute der Transaktionsdatenbank anschließen werden. vdpResearch wird dann eine noch größere Marktabdeckung erzielen, ihre Dienstleistungspalette um zusätzliche digitale Angebote erweitern und sich noch stärker als bisher als unverzichtbarer Akteur in der Kredit- und Immobilienwirtschaft erweisen.

Denn die Nachfrage nach ihren Dienstleistungen wird in Zukunft weiter steigen. Zumal regulatorische Vorgaben und das

Aufsichtsrecht zukünftig noch stärker als bisher eine laufende Erfassung und Einschätzung von Immobilienmärkten und Einzelobjekten verlangen. Eine empirisch fundierte Analyse von Bestandsdaten und die damit einhergehende Markttransparenz, wie sie vdpResearch bietet, ist und bleibt hierfür eine unabdingbare Voraussetzung.

ZUR PERSON JENS TOLCKMITT Hauptgeschäftsführer, Verband deutscher Pfand briefbanken (vdp) e.V., Berlin
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