FACILITY UND PROPERTY MANAGEMENT

"NUR WER SICH WEITERENTWICKELT UND ZUKUNFTSGERICHTET DENKT, WIRD KÜNFTIGE ERFOLGSPOTENZIALE NUTZEN KÖNNEN"

Dr. Manfred Alflen, Foto: Stefan Freund, Frankfurt am Main

In jeder Krise steckt auch eine Chance, heißt es bekanntlich so schön. Mit Blick auf die Covid-19-Pandemie trifft diese Binsenweisheit allem Anschein nach insbesondere auf die digitale Transformation in vielen Branchen zu. Nicht zuletzt auch für die Immobilienwirtschaft lässt sich in diesem Zusammenhang ein deutlicher Schub feststellen. Über die Veränderung der Arbeitswelt, die Potenziale für die Immobilienwirtschaft, digitale Ökosysteme, die Vernetzung von Branchen und die Nutzung neuer Technologien hat die Redaktion von "Immobilien & Finanzierung" mit Dr. Manfred Alflen, Vorstandsvorsitzender der Aareon AG, gesprochen. Red.

Welche Veränderungen sehen Sie im Zuge der Covid-19-Pandemie?

Die Covid-19-Pandemie hat uns in der Tat vor neue, zuvor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Grundsätzlich ist es wichtig, dass Unternehmen hier ihre Verantwortung wahrnehmen, um den bestmöglichen Beitrag zum Schutz von Mitarbeitern, Kunden und deren Umfeld zu leisten und so eine weitere Verbreitung des Virus einzudämmen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Arbeitswelt aus. Diese hat einen deutlichen digitalen Schub erfahren. Das Homeoffice ist quasi zur Selbstverständlichkeit geworden, ebenso wie Telefon- und Videokonferenzen, digitale Kundenberatung und Onlineveranstaltungen.

Wie sind Sie bei Aareon mit der Situation umgegangen?

Als digital aufgestelltes Unternehmen mit einem robusten Geschäftsmodell waren wir in der Lage, den laufenden Betrieb zu sichern, Kundenprojekte fortzuführen und den Anfragen unserer Kunden nachzukommen. Dabei haben wir davon profitiert, dass bei Aareon bereits vor der Krise - auch mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben - mobile Arbeitsmodelle genutzt wurden. Zwischenzeitlich haben fast alle unsere Mitarbeiter - rund 1 700 - vollständig im Homeoffice gearbeitet.

Welche Veränderungen sehen Sie in der Immobilienbranche?

Die Digitalisierung der Arbeitswelt gilt natürlich auch für die Immobilienbranche. Unternehmen, die zuvor bereits digitaler aufgestellt waren, zum Beispiel gerade auch mit Blick auf die Kundenkommunikation, hatten es da einfacher. Mieter- beziehungsweise Eigentümerportale und Apps waren von großem Vorteil. Ebenso hat ein durchgängiger digitaler Vermietungsprozess einschließlich virtueller Wohnungsbesichtigungen nochmals an Bedeutung gewonnen. Als Beratungs- und Systemhaus für die Immobilienwirtschaft war es uns natürlich auch ein besonderes Anliegen, unsere Kunden bestmöglich zu unterstützen, damit diese ihren Geschäftsbetrieb weitestgehend problemlos fortsetzen konnten. So haben wir zahlreiche ergänzende Webinare durchgeführt und unsere Kunden bei der Umsetzung der Vorgaben aus dem Konjunkturpaket, wie der Senkung der Umsatzsteuer oder dem Aufschub der Mietzahlung, unterstützt.

Unseren Wodis-Sigma- sowie SAP- und Blue-Eagle-Kunden bieten wir für die Arbeit im Homeoffice Aareon Cloud Connect an - ein Browser-basierter Remote-Zugriff auf die Aareon Cloud ermöglicht die Nutzung dieser ERP-Lösungen von jedem beliebigen Standort aus mit Internetanschluss. Damit haben wir auch die Fortführung der Geschäftsprozesse für unsere Kunden aus dem Homeoffice gesichert. Die jüngst entwickelte neue ERP-Produktgeneration Wodis Yuneo trägt dem bereits Rechnung. Auf diese kann der Anwender ortsunabhängig und von jedem Endgerät zugreifen.

Sie sprechen die Arbeit im Homeoffice bei Aareon und bei Ihren Kunden an. Gewinnt das Thema Cybersecurity in diesem Kontext an Bedeutung?

Datensicherheit ist grundsätzlich und ortsunabhängig von hoher Bedeutung. Gerade wir als IT-Dienstleister verfügen über ein mehrfach zertifiziertes Rechenzentrum, in dem sich auch die exklusive Cloud für unsere Kunden befindet. Die Anforderungen der EU-DSGVO haben wir entsprechend frühzeitig umgesetzt. Das heißt, mit der Nutzung von Software als Service aus der Aareon Cloud profitiert ein Unternehmen gleichzeitig von diesen Standards. Darüber hinaus gelten Datenschutz und Datensicherheit ortsunabhängig - also auch im Homeoffice, wenn es zum Beispiel um die mögliche Einsicht von Daten geht. Letztlich sind die Themen Cybersecurity, Datenschutz und Datensicherheit Dauerthemen.

Ebenso wie Arbeitsplätze sich im Zuge der Covid-19-Pandemie verändert haben, beobachten wir dies auch bei den Veranstaltungsformaten. Aareon ist hier jüngst mit dem Format Aareon Live neue Wege gegangen. Wie kam das in der Branche an?

Im Zuge von Covid-19 wurden immer mehr Veranstaltungen als Onlineformate umgesetzt. Auch wir wollten nach den Absagen unserer beiden großen Events in Deutschland, dem Aareon Kongress in Garmisch-Partenkirchen und dem Aareon Forum in Hannover, in anderer Form einen Branchentreff für unsere Kunden durchführen. Dabei war es uns ein Anliegen, einen wesentlichen Teil der Mehrwerte, die eine Großveranstaltung bietet, für unsere Zielgruppen zugängig machen. Für Aareon Live unter dem Motto "Pioneering Spirit erleben" haben sich mehr als 1 600 Teilnehmer registriert. Die Resonanz war durchweg positiv. Hierzu beigetragen haben sicherlich der emotionale Livecharakter der Veranstaltung, die attraktiven Keynotes sowie ansprechende Vorträge und ausreichend Pausen.

Wie können Sie die Branche weiter bei dem Transformationsprozess unterstützen? Wie wichtig ist die strategische Komponente?

Mit der strategischen Komponente sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Denn die Digitalisierung soll die Ziele der Unternehmensstrategie unterstützen und sollte daher nachhaltig verfolgt werden. Mit Blick auf bereits genutzte Software ist ein wichtiger erster Schritt, eine Bestandsanalyse der unternehmenseigenen IT-Architektur durchzuführen. In Kombination mit strategischen Fragestellungen kann dann eine digitale Agenda erstellt werden. Relevante Fragen können sein: Was sind meine Erfolgsfaktoren in den nächsten Jahren? Wie möchte ich mein Unternehmen im digitalen Zeitalter aufstellen? Welche Services möchte ich meinen Kunden anbieten? Welche neuen Geschäftsmodelle könnten interessant sein? Wichtig ist dabei, Schwerpunkte und Prioritäten zu setzen. Bei diesem doch komplexen Prozess kann es hilfreich sein, sich von einem IT-Dienstleister beraten zu lassen. Dieser entwickelt dann mit dem Kunden eine individuelle digitale Agenda.

Was müssen Immobilienunternehmen bei der Auswahl ihrer Softwarelösungen beachten?

Neben dem strategischen Ansatz ist die Integrationsfähigkeit von IT-Lösungen ein weiterer Erfolgsfaktor. Nur wenn ERP-System und digitale Lösungen zusammenspielen, können die Prozesse in idealer Weise automatisiert und vereinfacht werden. Besonderer Mehrwert ergibt sich dabei durch die Vernetzung der relevanten Prozessbeteiligten. Damit entsteht für das Unternehmen ein eigenes digitales Ökosystem. Sogenannte Insellösungen hingegen können oftmals nicht ohne Weiteres in eine bestehende Systemlandschaft integriert werden.

Sie bieten Ihren Kunden mit dem digitalen Ökosystem Aareon Smart World eine Vielzahl von Lösungen an. Wie können Ihre Kunden hiervon profitieren?

Entsprechend ihrer Unternehmensstrategie und den dort gesetzten Prioritäten können unsere Kunden die für sie relevanten Lösungen der Aareon Smart World nutzen. Damit haben sie direkt ein integriertes System, das sich sukzessive weiter ausbauen lässt. Die Vorteile der Aareon Smart World liegen darüber hinaus in der Vernetzung von Stakeholdern, wie Mietern oder Eigentümern, Geschäftspartnern, beispielsweise Handwerkern, sowie Gebäuden und technischen Anlagen.

Unsere Aareon Smart World ergänzen wir zudem nach und nach um weitere neue Lösungen. In diesem Kontext investieren wir signifikant in Forschung und Entwicklung und profitieren dabei von dem internationalen Wissenstransfer in der Aareon Gruppe. Durch die Zusammenarbeit mit Kunden, Partnern und Anwendern berücksichtigen wir deren Anforderungen bei der Entwicklung unserer Lösungen. Dies erfolgt in Workshops, Pilotprojekten, Design-Thinking-Prozessen und auch im täglichen Dialog mit unseren Kunden. Darüber hinaus ergänzen ebenfalls Lösungen unserer Proptech-Partner die Aareon Smart World.

Die Digitalisierung lässt Branchen näher zusammenrücken. Wie unterstützen Sie die Vernetzung von Branchen? Welche Rolle spielt hierbei die Datenkollaboration?

Die digitale Vernetzung von Branchen und Beteiligten führt zur Vereinfachung von Prozessen, beispielsweise zwischen Wohnungsunternehmen und Handwerkern. Durch die Integration der Handwerkersoftware können Daten direkt ausgetauscht werden - natürlich unter Berücksichtigung der DSGVO. Gleiches gilt beispielsweise bei der Vernetzung von Wohnungsunternehmen, Energieversorgern und Wärmemessdiensten. Gerade der Prozess des Mieterwechsels kann hier deutlich vereinfacht werden.

Die Erfassung und Weitergabe von Zählerständen und Verbrauchsabrechnungen sowie die Datenübergabe erfolgen zwischen den genannten Akteuren, die ihre eigenen IT-Systeme einsetzen. Ein solcher Datenabgleich über mehrere Systeme hinweg birgt Fehlerquellen und erfordert einen hohen Arbeitsaufwand. Branchenübergreifende Lösungen reduzieren die Kosten, optimieren die Prozesse und verbessern den Kundenservice.

Ein wichtiger gesellschaftlicher Aspekt ist das Thema Nachhaltigkeit. Wie können digitale Lösungen und Services bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen unterstützen?

Digitale Lösungen unterstützen hier in vielfältiger Weise, zum Beispiel bei der Digitalisierung des Ausschreibungs- und Beauftragungsprozesses von Handwerkern. Papierbasierte Prozesse werden überflüssig und der Papierverbrauch wird so verringert. Oder auch die digitale Archivierung wirkt sich positiv aus. Die Raumkapazitäten und die für diese aufgewendete Energie werden reduziert. Darüber hinaus kann der Energieverbrauch durch die intelligente Nutzung von Daten gesenkt werden. Green Consulting wiederum reduziert als digitaler Service den Energieaufwand für Reisen. Dies gilt ebenso für Onlineveranstaltungen.

Wir sehen immer neue Technologien. Wie können diese mehrwertstiftend für die Immobilienbranche eingesetzt werden? Welches sind die nächsten Themen?

Ein relevantes Thema ist zum Beispiel die vorausschauende Wartung. Hier spielen Big Data und Künstliche Intelligenz eine zentrale Rolle. Zum einen basiert die vorausschauende Wartung auf Daten, die über Sensoren und Kameras von der zu wartenden Gebäudetechnik in Echtzeit erhoben werden. Zum anderen können Daten aus bereits vorliegenden Dokumentationsunterlagen genutzt werden. Idealerweise befinden sich die Daten im ERP-System des Immobilienunternehmens. Anderenfalls können analoge Daten digitalisiert werden. Über spezielle Algorithmen werden die Daten zusammengeführt, analysiert und ausgewertet. Dabei lernt das System durch jede neue Information dazu und kann diagnostizieren, wann und welche Reparaturen oder Wartungen erforderlich sind, und automatisch die richtigen Prozesse einleiten.

Einen weiteren Komfort in der Beziehung von Immobilienunternehmen und Mietern bieten KI-basierte virtuelle Assistenten. Als Chatbot können insbesondere Standardanfragen automatisiert beantwortet werden. Mitarbeiter werden entlastet und haben mehr Zeit für komplexe Anfragen, und die Kunden erhalten schneller Antworten. Eine weitere Komfortstufe ist der virtuelle Sprachassistent. Hierkönnen Anliegen direkt verbal geäußert werden, ohne das gegebenenfalls lästige Tippen. Die Anfragen lösen dann automatisiert auch die weitere Bearbeitung aus. Virtuelle Assistenten lernen dabei stetig hinzu - vergleichbar mit dem lebenslangen Lernen.

Zum Abschluss: Was empfehlen Sie Immobilienunternehmen mit Blick auf die Digitalisierung?

Den digitalen Transformationsprozess im Unternehmen proaktiv anzugehen, erfordert das ein oder andere Mal ein Verlassen der Komfortzone und auch Pioniergeist - also den Mut, neue Wege zu beschreiten. Aber nur wer sich weiterentwickelt und zukunftsgerichtet denkt, wird künftige Erfolgspotenziale nutzen können.

ZUR PERSON DR. MANFRED ALFLEN Vorsitzender des Vorstands, Aareon AG, Mainz
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