MIPIM-SPECIAL

"ES IST UNS SEHR WICHTIG, DASS LOGISTIKZENTREN NICHT NUR ALS GRAUE KLÖTZE WAHRGENOMMEN WERDEN"

Sönke Kewitz, Foto: P3 Logistic Parks

2,4 Milliarden Euro zahlte Singapurs Staatsfonds GIC Ende 2016 für die Übernahme des Logistikspezialisten P3. Eine stolze Summe, die GIC mit Blick auf die weitere Entwicklung der Assetklasse aber ganz bestimmt nicht bereut hat. Im Interview mit "Immobilien & Finanzierung spricht P3-Deutschlandchef Sönke Kewitz über die derzeit wichtigsten Trends am Logistikimmobilienmarkt. Red.

Mit einem Transaktionsvolumen in Höhe von 9,2 Milliarden Euro (Colliers) hat der deutsche Logistikinvestmentmarkt 2021 einen neuen Rekord aufgestellt. Findet der Boom 2022 eine Fortsetzung?

Es wird prognostiziert, dass allein der E-Commerce in Deutschland bis 2025 weitere vier Millionen Quadratmeter an Logistikfläche benötigen wird. Da E-Commerce-Unternehmen generell sehr große Lagerflächen brauchen, ist in diesem Bereich von einer weiterhin dynamischen Entwicklung auszugehen. Insofern dürfte auch die Nachfrage nach Logistikimmobilien hoch und der Markt für Investoren nach wie vor attraktiv bleiben. Dabei erwarten wir, dass der Druck auf die Renditen im Laufe des Jahres abnimmt. Steigende Bau- und Grundstückspreise machen es immer schwieriger, das aktuelle Mietniveau zu halten. Hinzu kommen Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung, gepaart mit der steigenden Inflation, die eine Zinswende in diesem Jahr so wahrscheinlich machen wie lange nicht mehr. Das kann auch zu einem Aufwärtsdruck auf die Renditen oder zumindest zu einer Abflachung führen.

Inwieweit hat dabei Corona die Nachfrage beeinflusst?

Der anhaltende Boom im E-Commerce, der von der Pandemie deutlich beschleunigt wurde, verstärkt die Nachfrage nach Logistikzentren. Hinzu kommt der Trend der On-Demand-Lieferdienste, die urbane Distributionszentren für ihre Dienstleistungen benötigen. Die Nachfrage nach Logistikfläche steigt also nicht nur im Umland von Ballungsgebieten, sondern auch in den Städten selbst. Seit Beginn der Pandemie sind außerdem erhebliche Engpässe in den Lieferketten entstanden, die bis heute andauern. Immer mehr Unternehmen überdenken deswegen ihre Versorgungsstruktur und erwägen eine verstärkte Bevorratung sowie Produktionsverlagerungen nach Deutschland und ins benachbarte Ausland. Diese Faktoren machen die Branche für Investoren langfristig zu einem sicheren Hafen, während das Interesse an klassischen Einzelhandelsimmobilien weiter nachlässt.

Wenig überraschend tummeln sich von Jahr zu Jahr mehr Investoren im Logistiksegment. Welche Folgen hat das für Ihre Ankaufs- und Verkaufsstrategie?

Tatsächlich erhöhen immer mehr neue Investoren den Wettbewerbsdruck am Markt. Wir haben im vergangenen Jahr festgestellt, dass große internationale Portfolioverkäufe oft ein unhaltbares Preisniveau erreicht haben, da neue Investoren ihren Immobilienbestand möglichst schnell und zu jedem Preis aufbauen möchten. Das zwingt etablierte Marktteilnehmer wie uns dazu, unseren strategischen Ansatz auf dem Investitionsmarkt anzupassen.

Unser Fokus liegt nun sowohl auf großen, jedoch korrekt bewerteten Portfolios als auch auf kleinen Portfolios oder Einzelimmobilien mit interessanten Renditeprofilen. Denn als langfristiger Investor und Bestandshalter mit zwanzig Jahren Markterfahrung sind wir nicht an kurzfristigen Investments interessiert. Erfolgreiche Logistik sollte auf lange Sicht in die Zukunft gedacht sein.

P3 hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu einem der größten europäischen Logistikimmobilienunternehmen entwickelt. Wie war das vor dem Hintergrund des leergefegten Marktes möglich?

Unsere größte Stärke ist unser 200-köpfiges Team, das in elf Büros in ganz Europa vertreten ist. Jedes lokale Team besteht aus ehrgeizigen Branchenexperten, die ihren Markt in- und auswendig kennen und bestens vernetzt sind. Darüber hinaus verfügen wir mit unserem alleinigen Eigentümer GIC über einen finanzkräftigen Investor, der uns mit ausreichendem Kapital den Rücken stärkt und es ermöglicht, schnell und nach Bedarf in interessante Anlagemöglichkeiten einzusteigen. In einigen Ländern wie etwa hier in Deutschland verfolgen wir zudem den Ansatz, spekulative Projekte zu realisieren, um unseren Kunden schnelleren Zugang zu Flächen zu gewähren, wenn sie sie brauchen. Dabei investieren wir aufgrund des Flächenmangels vermehrt in Brownfield-Objekte. Mit dieser Strategie fahren wir bisher sehr erfolgreich und wirtschaften zugleich noch nachhaltiger.

Wie kommen Sie üblicherweise an neue Objekte heran? Dominieren strukturierte Bieterverfahren oder doch eher Off-Market?

Die aktuelle Marktlage macht die Akquisition von Grundstücken im Off-Market-Bereich nur noch vereinzelt möglich. Denn bei der hohen Nachfrage und dem begrenzten Angebot an Flächen können Verkäufer, ob privat oder öffentlich, höhere Preise durch Bieterverfahren erzielen. Wir arbeiten eng mit Maklern und den Gemeinden zusammen, die uns dabei unterstützen, optimale Grundstücke und Immobilien zu finden. Im Zuge dessen beteiligen wir uns, wo nötig, an Ausschreibungen.

Kommen Forward Deals für P3 infrage?

Das ist ein Ansatz, den wir schon seit einiger Zeit verfolgen. So hatten wir beispielsweise im Sommer 2020 mit einem Entwickler einen Forward Purchase Deal für eine Immobilie im niederländischen Echt-Susteren, an der deutschen Grenze, ab geschlossen. Das hat sich gelohnt: Schon wenige Tage nach Fertigstellung und vollzogenem Kauf des Objektes im Dezember 2021 konnten wir die 100 000 Quadratmeter große Fläche vollständig an einen einzigen Mieter übergeben. Das zeigt, dass eine gewissenhafte Risikobewertung zum Erfolg solcher Projekte führen kann. Wenn sich solche Gelegenheiten ergeben, werden wir sie auch in Zukunft in Betracht ziehen.

Logistik wird einerseits dringend gebraucht, andererseits wollen viele Kommunen die Liegenschaften nicht vor der eigenen Haustür. Wie lässt sich das lösen?

Indem wir mit den Gemeinden in den offenen Dialog treten und die Sorgen der Menschen vor Ort ernst nehmen. Dabei ist es uns wichtig, ihnen zu zeigen, dass auch Logistikimmobilien einen Beitrag leisten können, und zwar sowohl für die einheimische Wirtschaft als auch für die Umwelt. So achten wir bei unseren Neubauten auf eine grüne Umgebung, die auch optischen und akustischen Schutz bietet. Wir pflanzen größtenteils einheimische Bäume, die keine künstliche Bewässerung benötigen und unterschiedlichsten Tieren Unterschlupf bieten. Dazu richten wir Insektenhotels ein und begrünen die Anlagen mit Blumenwiesen. Es ist uns sehr wichtig, dass Logistikzentren nicht nur als graue Klötze wahrgenommen werden. Wir wollen zeigen, dass sie ansprechend in unsere Landschaft eingebettet werden können und nebenbei die Artenvielfalt erhöhen.

Wie werden sich dabei die Anforderungen an moderne Logistikimmobilien verändern?

Logistikimmobilien sind schon längst keine einfachen Lagerhallen mehr, sondern haben sich zu komplexen, intelligenten Instrumenten entwickelt, die steigenden Mieteranforderungen gerecht werden müssen. Nähe zum Endkunden, Automatisierung, Einsatz von Robotern, Hochregallager, intelligente Vernetzung der Logistikstandorte untereinander, steigender Strombedarf und die Notwendigkeit, sparsam und effizient mit Energieressourcen umzugehen: Das sind einige der Kriterien, die moderne Logistikimmobilien schon heute erfüllen müssen und künftig eine zunehmende Rolle spielen werden.

Welche Neuheiten sind diesbezüglich zu erwarten?

Die E-Mobilitätswende wird auch die Logistikbranche erreichen. Logistikzentren werden eine zunehmend elektrische Fahrzeugflotte haben und Ladesäulen auf dem eigenen Gelände zur Verfügung stellen. Außerdem werden Logistikhallen zukünftig sowohl als Energiespeicher als auch als autarke Energieversorger fungieren. Die Möglichkeiten reichen hierbei von Solarpaneelen auf dem Dach bis hin zur Schaffung eines parkweiten Mikronetzes, das allen Mietern günstige, erneuerbare Energie anbietet. Für Eigentümer von Logistikimmobilien eröffnet sich also ein neues Geschäftsmodell nach dem Prinzip "Energy as a Service". Den Mietern würde dieser Service bei der Erreichung ihrer Emissionsreduktionsziele behilflich sein und für die Eigentümer eine interessante Zusatzeinnahme darstellen. Ganz abgesehen davon, dass die Umwelt am meisten profitieren würde.

Könnten "braune" Logistikimmobilien perspektivisch unverkäuflich sein?

Insgesamt sind die Ziele des EU Green Deals ambitioniert. So soll es 55 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2030 und ein klimaneutrales Europa bis 2050 geben. Deshalb verfolgen wir, genauso wie unsere Kunden, immer ehrgeizigere Nachhaltigkeitsziele, die sich in der Unternehmensstrategie widerspiegeln. Heute benötigen wir umweltfreundliche Immobilien, die bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Nicht nachhaltige Immobilien, die zu hohe CO2-Emissionen aufweisen, werden sowohl vonseiten der Kunden als auch vonseiten der Regierung abgelehnt werden und sich als unverkäuflich erweisen.

Welche Einsparmaßnahmen sind am vielversprechendsten?

Um den CO2-Ausstoß unseres gesamten Portfolios zu verringern und zu der angestrebten Reduzierung der CO2-Emissionen in der EU beizutragen, implementieren wir derzeit eine anspruchsvolle Nachhaltigkeitsstrategie. Dazu gehört etwa die sorgfältige Prüfung und Analyse des Energieverbrauchs jeder Immobilie vor einer Akquisition sowie die genaue Messung der CO2-Emissionen unserer Bestandsimmobilien. Und auch wenn die Analyseergebnisse künftige Ausgaben nach sich ziehen, so halten wir diese Investitionen in die Nachhaltigkeit unseres Portfolios für notwendig. Damit bleiben nicht nur unsere Immobilien langfristig attraktiv, sondern wir tragen aktiv zum Klimaschutz bei. Denn um die Wende zur Klimaneutralität zu unterstützen, müssen alle Unternehmen mit anpacken.

Noch nicht so richtig Fahrt aufgenommen hat bekanntlich die Thematik "Letzte Meile". Woran liegt das?

Die Thematik rund um die letzte Meile ist sehr komplex, da die hohen Mietpreise in urbanen Ballungsgebieten dazu führen, dass sich solche Projekte am Rande der Rentabilität bewegen. Hinzu kommt der Mangel an verfügbaren Flächen. Doch vor allem E-Commerce-Unternehmen möchten ihre Distributionsnetzwerke in städtischen Gebieten optimieren, um den steigenden Anforderungen der Verbraucher nach schnellen und flexiblen Zustellungen ihrer Ware gerecht zu werden.

Daher ist das Thema der letzten Meile weiterhin hochaktuell, doch es hapert an der Umsetzung. Dabei schlummern hier große Einsparungspotenziale, von denen schlussendlich alle Beteiligten profitieren. Aus Erfahrung wissen wir, dass eine Verkürzung des Transportweges um nur zehn Minuten zu einer Ersparnis von bis zu einer Million Euro pro Jahr führen kann. Dadurch können auch die vergleichsweise höheren Mietkosten kompensiert werden. Eine Lösung kann die Revitalisierung und Umnutzung nicht mehr genutzter Flächen bieten. Deshalb arbeitet aktuell der jüngst gegründete Deutsche Brownfield Verband (DEBV) an dem Aufbau eines bundesweiten Brachflächenkatasters.

Was bedeutet das für Logistik-Developer wie P3? Ist die Umnutzung brachliegender Kaufhäuser in Logistik überhaupt im großen Stil möglich?

Definitiv. Große Onlinehändler wie Amazon haben bereits erfolgreich aufgezeigt, dass man ausgediente Kaufhäuser für die Optimierung der letzten Meile nutzen kann. Schon jetzt bemerken wir, wie immer mehr leerstehende Läden und kleine Supermarktfilialen zu Distributionszentren umfunktioniert werden. Anders wären die zeitlichen Lieferversprechen von On-Demand-Lieferdiensten wie Gorillas, Flink und Co. auch nicht umsetzbar.

Die steigenden Ansprüche der Verbraucher werden dazu führen, dass sich urbane Logistik weiterverbreiten wird. Da freie urbane Flächen quasi nicht vorhanden sind, ist eine Umnutzung bereits existierender Immobilien zwingend erforderlich. Diese Entwicklung wird die letzte Meile revolutionieren und ein neues Zeitalter der Logistik einläuten.

Sönke Kewitz , Geschäftsführer , P3 Logistic Parks GmbH, Hamburg
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