WOHNUNGSWESEN

"WIR WOLLTEN AUS DEM KREISLAUF VON NACHLASSENDEM SERVICE, SINKENDER EXKLUSIVITÄT UND STEIGENDEN KOSTEN AUSBRECHEN"

Christian Bonnen, Foto: Kreissparkasse Köln

Es ist eine Kampfansage an die etablierten Immobilienportale im Internet: Gemeinsam mit sieben Partnern aus der Region Köln/Bonn hat die Kreissparkasse Köln Anfang 2019 ein digitales Alternativangebot für Immobilienkäufer und -makler geschaffen. Im Interview mit I & F erklärt der für die neue Plattform "ErstRaum.de" zuständige Vorstand Christian Bonnen die Beweggründe der Gründungsgesellschafter. Er sieht zum einen die Gefahr, dass aus der momentanen Marktsituation eine kritische Abhängigkeit im Vertriebsweg entstehen könnte. Und zum anderen verleite die Dominanz die Portale zu regelmäßigen, teils eklatanten Preisanpassungen. Das neu geschaffene Portal kommt dabei offensichtlich gut an: Nur wenige Wochen nach der Gründung ist das Angebot bereits auf rund 1 700 Objekte angewachsen. Langfristig sei es das Ziel, möglichst das gesamte Immobilienangebot in der Region Köln/Bonn abzubilden. Red.

Gemeinsam mit sieben Partnern aus der Region hat die Kreissparkasse Köln mit "ErstRaum.de" ein regionales Immobilienportal gegründet. Was waren die Überlegungen dahinter?

Immobilien werden heutzutage hauptsächlich über Immobilienportale vertrieben. Dabei haben sich einige wenige Portale am Markt etabliert. Deren Geschäftspolitik beobachten wir zusammen mit unserer Immobilientochter KSK-Immobilien bereits seit Längerem mit zunehmender Sorge. Denn zum einen kann aus dieser Marktsituation eine kritische Abhängigkeit im Vertriebsweg entstehen, zum anderen verleitet diese Dominanz die Portale zu regelmäßigen, teils eklatanten Preisanpassungen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Steuerung der eigenen Inserate, etwa in Bezug auf eingeblendete Werbung, nicht mehr durch den Objektanbieter, sondern durch die Portale erfolgt. So kam es regelmäßig zu Situationen, in denen einem Kunden zum Objekt der KSK-Immobilien die Baufinanzierung eines anderen Kreditinstituts angeboten wurde. Aus diesem Kreislauf von nachlassendem Service, sinkender Exklusivität und steigenden Kosten wollten wir gemeinsam mit unseren Partnern ausbrechen und ein neues Portal schaffen, das den Werten Regionalität, Fairness und Transparenz verschrieben ist.

Was sind die Vorteile eines eigenen Portals?

Der Vorteil für uns liegt auf der Hand: Wir gewinnen Handlungssouveränität und Unabhängigkeit im Immobilienvertrieb zurück. Gleichzeitig ist die Immobilie immer ein regionales Produkt. Hier bieten die Gründungsmitglieder ihren Kunden einen hohen Mehrwert durch ihre Marktkenntnis und Erfahrung. Im Gegensatz zu über regionalen Portalen und Finanzierern kennen wir unsere Region Köln/Bonn genau und können realistische Einschätzungen abgeben.

Wie wichtig ist die säulenübergreifende Zusammenarbeit von Sparkassen und Volksbanken bei diesem Projekt? Ist das ein Beispiel dafür, dass es in der Welt des Internets keinen Platz mehr für übertriebene "Konkurrenzgedanken" mehr gibt und dass die Kreditwirtschaft verstärkt zusammenarbeiten muss, um sich Wettbewerbern aus der Technikwelt entgegenzustemmen?

Grundsätzlich gehört es zur strategischen Weitsicht dazu, situativ auch mit Unternehmen zu kooperieren, mit denen man in einem gesunden Wettbewerb steht. Dass der Markt durch neue technikgetriebene Internetanbieter komplexer geworden ist, bietet zugleich mehr Anknüpfungspunkte für mögliche Kooperationen dort, wo sich Interessen überschneiden.

Das kann sowohl mit neuen Anbietern als auch, wie bei ErstRaum.de, mit klassischen Wettbewerbern der Fall sein. Dass verbindende Element bei ErstRaum.de ist die Regionalität, und dies führte entsprechend die klassischen Player aus der regionalen Immobilienwirtschaft zusammen.

Erhalten die Gründungsgesellschafter eine Fee pro vermitteltem Objekt oder nur für die Vermittlung eigener Objekte?

Erträge erzielen die Gründungspartner ausschließlich aus der Vermittlung eigener Objekte. Die übergreifenden Einnahmen werden zum Großteil in das Portal reinvestiert, um dieses weiterzuentwickeln und somit sukzessive noch mehr Dienstleistungen anbieten zu können. Dies ist ein entscheidender Unterschied zu vielen anderen Portalen.

Werden die Objekte exklusiv auf ErstRaum.de eingestellt oder auch auf anderen Plattformen im Internet?

Die neuen Immobilienangebote werden von den Gründungspartnern zunächst exklusiv 14 Tage auf ErstRaum.de eingestellt. Erst danach werden diese gegebenenfalls auf überregionalen Portalen platziert.

Aktuell werden etwa 1 000 Objekte über die Plattform angeboten. Welche Größenordnung streben Sie an?

Inzwischen sind es sogar bereits rund 1 700 und es werden täglich mehr. Langfristig ist es unser Ziel, möglichst das gesamte Immobilienangebot in der Region Köln/Bonn abzubilden.

Ist die Plattform für weitere Partner offen?

ErstRaum.de steht grundsätzlich jedem Vertriebspartner offen, gleich ob gewerblich oder privat. Eine Erweiterung des Gesellschafterkreises ist jedoch, so kurz nach dem Start, zunächst nicht vorgesehen. Wenn sich interessante Kooperationsmöglichkeiten mit regionalen Partnern ergeben, sind wir aber offen für Gespräche.

Darüber hinaus können wir uns gut vorstellen, das Konzept von ErstRaum.de in anderen Regionen Deutschlands anzubieten. Wir haben eine gute technische Infrastruktur aufgebaut, die wir nach dem Lizenzprinzip auch anderen Immobilienunternehmen zur Verfügung stellen könnten.

Welchen Mehrwert verspricht ErstRaum.de gegenüber etablierten Anbietern wie beispielsweise ImmobilienScout24 - für Makler als auch für die Immobilienkäufer?

Der größte Mehrwert ist sicherlich, dass ErstRaum.de für eine faire und transparente Preisgestaltung steht. So bieten wir zum Beispiel Verträge mit drei Jahren Laufzeit an. Dies ermöglicht Maklern eine langfristige Kostenplanung. Zudem steht jedem Makler ein erfahrener, persönlicher Ansprechpartner mit regionalen Marktkenntnissen zur Seite. Es muss also niemand Kontakt mit einem anonymen Kundencenter aufnehmen. Auf den Aspekt der Fairness zahlt auch der Algorithmus ein: Er ist so programmiert, dass er die Qualität des Inserates belohnt, und nicht die zusätzliche Bezahlung, um als "Premiumangebot" an erster Stelle gelistet zu werden.

Es herrscht damit auf ErstRaum.de Chancengleichheit für alle. Auch lauern neben dem Preis für das Inserat keine versteckten Kosten. Weiterhin haben wir berücksichtigt, dass sich Makler zunehmend an der Werbung stoßen. Diese Tendenz haben wir aufgegriffen und garantieren Werbefreiheit, ausgenommen die Werbung für das eigene Geschäft.

Das ist übrigens zugleich ein Mehrwert für den Käufer: Er wird nicht durch Werbung von der Immobiliensuche abgelenkt, sondern kann sich gezielt dann informieren, wenn er es möchte. Der größte Kundenvorteil ist aber sicherlich die 14-tägige Exklusivität der Immobilie. Besucher von ErstRaum.de haben damit immer einen Vorsprung gegenüber Nutzern anderer Portale.

Ist die Gebühr für die Käufer beim Abschluss über das Portal günstiger als beim direkten Abschluss mit einem der Makler?

Die Maklercourtage ist in beiden Fällen gleich. Für den Käufer wird hier kein Unterschied gemacht. Für die Portalnutzung entstehen dem Käufer keinerlei zusätzliche Kosten.

Die Kreissparkasse Köln ist mit der KSK-Immobilien bereits heute der größte Immobilienmakler der Region. Kannibalisieren Sie sich da nicht selbst?

Ganz im Gegenteil: ErstRaum.de ist für uns in erster Linie ein neuer Kanal und damit eine zusätzliche Chance, neue Kunden zu erreichen und zu gewinnen. Eine erste Auswertung der Besucherströme zeigt, dass wir in den vergangenen Wochen auf unseren eigenen Internetseiten verstärkt Aufrufe verzeichnen konnten, die über ErstRaum.de gekommen sind.

Wird das Plattformgeschäft die klassische Immobilienberatung auf absehbare Zeit verdrängen?

Unbestritten hält die Digitalisierung mit ihren technischen Facetten zunehmend auch im Immobiliengeschäft Einzug. So ermöglich etwa die KSK-Immobilien bereits heute die Besichtigung von Neubauprojekten mittels Virtual Reality. Dies wird aber nichts daran ändern, dass Kunden insbesondere bei weitreichenden Entscheidungen wie dem Kauf und der Finanzierung einer Immobilie eine kompetente, persönliche Beratung vor Ort wünschen.

Diese Entwicklung wollen wir regional aufgreifen und die digitale mit der stationären Welt verknüpfen. Vor diesem Hintergrund hat die KSK-Immobilien in den vergangenen Monaten bewusst mehrere neue Ladenlokale in der Region eröffnet, um hier gemeinsam mit den Sparkassenfilialen Präsenz zu zeigen. So ermöglichen wir dem Kunden, uns auf dem Weg zu begegnen, der ihm am liebsten ist.

Wie verhindern Sie, sich im Plattformgeschäft höhere Risiken einzufangen? Sind die Kunden ähnlich wie diejenigen, die direkt zu Ihnen kommen?

Jeder finanzierungsinteressierte Kunde erfährt bei der Kreissparkasse Köln die gewohnt hochwertige Beratung - gleich ob er direkt vor Ort oder zunächst über das Portal mit uns in Kontakt gekommen ist. Dazu gehört auch eine verantwortungsvolle Betrachtung der Kapitaldienstfähigkeit des Kunden. Insofern sehe ich für uns durch das Portal keinerlei zusätzliche Risiken.

ZUR PERSON CHRISTIAN BONNEN Mitglied des Vorstands, Kreissparkasse Köln
 
Acht große Partner aus der Finanz- und Immobilienbranche, darunter die Sparkasse Köln-Bonn, KSK-Immobilien, die Volksbank Köln-Bonn, die VR-Bank Rhein-Sieg und Larbig & Mortag, haben sich vor wenigen Monaten zusammengetan, um ein neues Immobilienportal für ihre Heimatregion zu entwickeln. Der offizielle Startschuss für das Portal mit dem Namen "ErstRaum.de" fiel auf den 16. Januar 2019. Seitdem stehen die Zeichen klar auf Wachstum: Mitte März befanden sich bereits mehr als 50 Anbieter auf dem Portal mit über 1 600 Immobilienangeboten. Das Angebot umfasst neben Wohnimmobilien auch gewerbliche Flächen wie Büros und Läden. Die Gründer schließen nicht aus, dass das Konzept perspektivisch über den Großraum Köln-Bonn hinaus expandieren könnte. Red.
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