BGH rettet Bausparidee - formell

Daniel Rohrig

Es ist ein Stück gelebte Solidarität. Menschen tun sich zusammen, sparen gemeinsam und erfüllen sich den Traum vom eigenen Heim. Das Guthaben wird angespart und dann wieder an Sparer als Darlehen ausgezahlt. Das Darlehen zahlt dieser in Raten mit Zinsen zurück in das Guthaben der Gruppe. Die Bausparkasse ist der Organisator des Kreislaufs. So funktioniert das Bausparprinzip im Idealfall. Und dieses Modell hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil eindeutig bestätigt. Die 260 000 älteren Verträge sind somit zu Recht gekündigt worden, wenn sie mehr als zehn Jahre nach ihrer Zuteilungsreife nicht abgerufen worden sind.

Zukünftig muss auch diese Zehnjahresfrist nicht mehr eingehalten werden - entscheidend ist allein die Erreichung der Zuteilungsreife. Große Erleichterung herrscht nun gut hörbar bei Wüstenrot, Schwäbisch Hall, LBS und Co., dass der BGH den Kunden kein ewiges Recht auf hohe Sparzinsen zugesprochen hat: "Das ist eine gute Nachricht für die Bauspargemeinschaft als Ganzes, die weiterhin auf die Stabilität dieses Systems vertrauen darf", freut man sich beim Verband der Privaten Bausparkassen. Und auch die Bankenprüfer freuen sich öffentlich. Bafin-Präsident Felix Hufeld hält die "systemische Gefahr" für Bausparkassen abgewendet. Kein Zweifel, das System und die Idee selbst sind und waren in Gefahr. Für Bausparkassen ist es immer schwieriger, die Zinsversprechen aus der Vergangenheit zu erfüllen. Denn das Geld, das da im Spartopf liegt, muss entsprechend sicher angelegt werden - beispielsweise in festverzinsliche Wertpapiere mit guter Bonität. Das Dumme daran ist, dass sich damit aber nun mal keine Rendite mehr erwirtschaften lässt. Die Folge ist eine gefährliche Erosion des Zinsüberschusses. 30 Millionen Bausparverträge gibt es hierzulande. Ein Fünftel aller Wohnungsbaukredite wird von den Bausparkassen gestemmt. Die unsolidarischen Kunden sind schuld an der Schieflage; sollen sie nun sehen, was sie davon haben. So einfach ist das - eben nicht!

Denn: Die Bausparkassen tragen im Prinzip die Hauptschuld an der großen Menge der reinen Sparkunden. Die Kreditinstitute haben schließlich vor der Finanzkrise bewusst Kunden mit hochverzinslichen Bausparverträgen angelockt. Die Kundenberater priesen die vielseitige Verwendbarkeit der Verträge. Das wissen die Institute auch und haben vor der Wahl des letzten Mittels Vertragskündigung fleißig ihre Kosten gesenkt, Stellen gestrichen und Gebühren für die Sparer eingeführt. Infolgedessen ist das Urteil Fluch und Segen für die Institute zugleich. Sicher, sie haben nun Rechtssicherheit und juristisch freie Bahn, noch Tausende weiterer Verträge zu kündigen. Wenn da nicht das Wörtchen "aber" wäre. Denn jetzt stehen der Ruf der Institute und das Vertrauensverhältnis der Kunden zum Berater auf dem Spiel. Das Bausparen hatte in den vergangenen Jahren in der Niedrigzinsphase ohnehin an Attraktivität eingebüßt. Die Kreditzusagen aus den alten Verträgen sind teils starr und unattraktiv. Ein wichtiger Grund dafür, dass die Kunden nicht zum Abrufen der Bauspardarlehen motiviert wurden - Wohnungsbauprämien oder Arbeitnehmersparzulagen hin oder her. Nicht wenige Betroffene fühlen sich schlicht als Sparer betrogen.

Mit weiterem Sparen bei Personal- und Sachkosten allein, wie gerade von der Schwäbisch Hall angekündigt, wird es nicht getan sein. Will man die Kunden auch in Zukunft für das Projekt Bausparen begeistern, muss mehr Flexibilität bei der Vertragsgestaltung her. Not macht schließlich erfinderisch. Erste Ansätze gibt es bereits mit flexiblen Zinsen: Sowohl der Guthaben- als auch der Darlehenszins werden gemeinsam dem aktuellen Zinsniveau angepasst. Einige gehen auch den umgekehrten Weg: Wird ein Bausparvertrag noch deutlich vor der Gesamtfinanzierung abgeschlossen, werben die Banken mit den niedrigen Zinsen, die sich der Kunde in einigen Jahren sichern könne. Das ist aber auch ein riskantes Spiel. Es besteht die Gefahr, dass das Geschrei dann groß ist, wenn das Zinsniveau sehr viel stärker steigt als gedacht. Die Aktivseite der Bilanzen könnte dann ins Wanken geraten. Seit dem vergangenen Jahr helfen den Bausparkassen dennoch entsprechende Änderungen im Bauspargesetz: So dürfen Institute mehr Bauspargelder flexibler, beispielsweise in Aktien anlegen. Zur Rettung der solidarischen Bausparidee und letztlich auch der Bausparkassen an sich kommen auch diese Neuerungen gerade noch rechtzeitig.

Daniel Rohrig , Redaktion Immobilien und Finanzierung , Verlag Helmut Richardi
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