Fragwürdige Politik

Daniel Rohrig

Noch auf der Expo Real strotzten die Teilnehmer bezüglich des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen vor Optimismus. Vertreter von Städten und Ländern hatten dort gemeinsam mit dem Staatssekretär im Bauministerium, Gunther Adler, den "Münchener Aufruf" gestartet - als Ergänzung zum Bündnis mit der Immobilienwirtschaft. Ähnlich wie Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) war Adler voller Tatendrang: "Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum ist eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit." Ein starkes Miteinander sei notwendig.

Die Frage jedoch, die sich seit einigen Tagen stellt, ist folgende: Wie wichtig ist der in Deutschland regierenden großen Koalition unter Angela Merkel (CDU) dieses bezahl bare Wohnen wirklich? Viel wurde geredet und debattiert - vor allem, seit Hendricks 2014 das Bündnis gemeinsam mit Ländern, Kommunen, dem Deutschen Mieterbund, Gewerkschaften und eben der Wohnungs- und Bauwirtschaft ins Leben gerufen hat. Letzteren ist nun der Kragen geplatzt. Die Immobilienwirtschaft hat dem Bündnis die Zusammenarbeit aufgekündigt. Grund: Die Modifizierungen in Hendricks' Klimaschutzplan. Ihr Parteigenosse Sigmar Gabriel war ihr überraschend - vermutlich mit Rückendeckung der Kanzlerin - in den Rücken gefallen und hatte die Einsparvorgaben für die Wohnungswirtschaft auf den letzten Drücker von unter 65 auf rund 66,5 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 hochgesetzt. Nach Berechnungen der Wohnungsverbände ergibt sich daraus eine zusätzlich zu leistende CO2-Ersparnis von acht Millionen Tonnen. So weit, so schmerzhaft. Gleichzeitig aber wurde der Einsparanteil der Industrie von 57 auf 50 Prozent reduziert. Bis zum Jahr 2030 ist diese verpflichtet, zwischen 140 bis 143 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Das sind etwa zehn Millionen Tonnen weniger, als im Entwurf vorgesehen war.

Das kommt vor allem der Kohleindustrie zugute. An diesem sterbenden und hochsubventionierten Zweig hängen leider noch die einen oder anderen Sozialdemokraten wie Gabriel oder Kraft. Die Bundeskanzlerin ist ein ausgeprägter Machtmensch, gibt dem SPD-Chef vermutlich deshalb Rückhalt und lässt es zu, dass er Hendricks in den Rücken fällt, damit sie ihn politisch stärkt. Denn er steht für die Fortsetzung der großen Koalition. Die Reak tion der Immobilienwirtschaft, die sich seit Jahren aktiv um die Einhaltung der strengen Dämm- und Energievorschriften bemüht, ist daher mehr als verständlich. Zu Recht weist BID-Vorsitzender und BFW-Chef Andreas Ibel beispielsweise darauf hin, dass man schon jetzt die Mindestziele für 2020 erreicht habe. Benachteiligt fühlt sich auch ZIA-Präsident Andreas Mattner: "Im Klimaschutzplan bleiben die brancheneigenen Vorschläge komplett unberücksichtigt."

Da kann die Bundesbauministerin dem Betrachter der Situation schon ein wenig leidtun. Denn sie ist durch diese machtpolitischen Spielchen ihres Parteichefs und Angela Merkel arg beschädigt und geschwächt worden. Denn man kann ihr wahrlich nicht vorwerfen, nicht engagiert genug bei der Sache zu sein. Häufig betonte sie die Notwendigkeit von Kooperationen auf allen Ebenen, wollte sogar das Grundgesetz ändern, um den Bau sozialer Wohnungen auch mithilfe von Bundesmitteln voranzutreiben. Darüber hinaus möchte sie per Immobilien-Förderprogramm Familien mit 8 000 bis 20 000 Euro Zuschuss beim Kauf eines Eigenheims unter die Arme greifen - und das sogar ganz gezielt in Ballungszentren. Man könnte ihr aber vorwerfen, nicht genug Überzeugungsarbeit für ihre Vorhaben zu leisten und sich dem Wunsch ihres Parteichefs zu schnell gefügt zu haben und damit einen bedeutsamen und im Gegensatz zur Kohle zukunftsträchtigen Branchenzweig derart vor den Kopf zu stoßen.

Folglich nicht überraschend ging Hendricks auf Versöhnungskurs. Sie wolle beim Neubaubestand wie versprochen im Hinblick auf Förderprogramme neben der Energieeffizienz auch die Energie selbst näher ins Blickfeld nehmen. "Wir wollen die Kuh wieder vom Eis holen", sprach die Ministerin. Die Verbände jedoch zeigen ihr erneut die kalte Schulter. Ein Gespräch, welches für Ende November geplant war, wurde abgesagt. Das war es nicht wert. Denn die hiesigen Energie- und Dämmstandards vor allem für Neubauten sind schon jetzt weltweit vorbildlich. Ganz im Gegensatz zu den Emissionen von Kohlekraftwerken. Schmutzige Energie gegen bezahlbares Wohnen von morgen zu stärken, ist nicht nur Politik von gestern, sondern von vorgestern.

Daniel Rohrig , Redaktion Immobilien und Finanzierung , Verlag Helmut Richardi
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