DA MUSS MEHR KOMMEN

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Die vergangenen zwölf Monate markierten in vielerlei Hinsicht eine tiefe Zäsur. Zu den wenigen Ausnahmen darf mit Sicherheit der hiesige Wohnimmobilienmarkt gezählt werden. Dort stiegen beziehungsweise steigen Nachfrage und Preise weiter, als hätte es Corona nie gegeben. Und nicht nur das: Die vielen pandemiebedingten Entbehrungen haben dem Wunsch der Menschen nach einem guten Wohnumfeld sogar noch einmal gehörig Auftrieb verliehen. Beneidet werden vor allem diejenigen, die draußen im Grünen mit Garten und reichlich Platz wohnen und somit die menschlichen Grundbedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit auch in diesen bangen Zeiten bestmöglich befriedigen können. "My home is my castle" - wohl nie hat dieses Sprichwort, das den Stellenwert der eigenen vier Wände als ultimativen Sehnsuchts- und Zufluchtsort so wunderbar zum Ausdruck bringt, besser gepasst.

Für die Parteien - noch dazu inmitten eines "Superwahljahres" - bietet das eigentlich die perfekte Steilvorlage, um beim Thema Wohneigentumsbildung endlich wieder für so etwas wie Aufbruchsstimmung zu sorgen. Eigentlich. Denn anstatt in einen fruchtbaren Wettbewerb um die besten (Förder-)Konzepte zu treten, zermürbt man sich nun seit mittlerweile knapp zwei Monaten in einem ziemlich abstrusen Streit, der für alles steht nur eben nicht eine Aufbruchsstimmung. Gemeint ist natürlich die vom Grünen-Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter - in ihrer Schärfe vermutlich sogar unfreiwillig - ausgelöste Debatte über die Daseinsberechtigung von Einfamilienhäusern, die Umfragen zufolge wohlgemerkt noch immer beliebteste Wohnform der Deutschen.

Der verheerende Eindruck, der dabei von so manchem Politiker erweckt wurde, ist der, dass auf Flug- und SUV-Scham unbedingt auch noch die "Bauscham" folgen muss. Im Grunde ist das Realsatire vom Feinsten: Ausgerechnet in Deutschland, das zu den absoluten Schlusslichtern bei der Wohneigentumsquote gehört, muss man sich nun auch noch für das eigene Haus rechtfertigen. Immerhin meldeten sich schnell auch zahlreiche einordnende Stimmen - nicht zuletzt in der vorliegenden Ausgabe von "Immobilien & Finanzierung" - zu Wort, die diesen aufgeheizten Diskurs zu versachlichen wissen. Die (verdichtete) Botschaft der Vernunft: Welche Wohnform wo am sinnvollsten ist, muss wie gehabt individuell von den Kommunen vor Ort entschieden werden. Mit der pauschalen Stigmatisierung des Einfamilienhauses, das bei der Wohneigentumsbildung im Übrigen längst von Gebrauchtimmobilien abgelöst wurde, ist jedenfalls niemandem geholfen.

Was dagegen sehr wohl helfen würde, sind verlässliche und unterstützende Rahmenbedingungen vonseiten der Politik, um mehr Menschen den Lebenstraum von den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Doch vergegenwärtigt man sich zum Beispiel noch einmal die jüngst gezogene Bilanz zum großen Wohngipfel im Herbst 2018, so wird deutlich, dass der politische Fokus weiter fast ausschließlich auf dem Mieterschutz liegt. Dabei ist es wirklich verblüffend, dass gerade auch den Parteien des linken Spektrums so rein gar nichts zum Thema Wohneigentum einzufallen scheint. So müsste etwa ein flüchtiger Blick auf die nicht mehr recht funktionieren wollende, klassische Altersvorsorge in diesem Land genügen, um die Immobilie als die ideale Antwort darauf zu identifizieren. Selbiges gilt natürlich für die sich immer weiter öffnende Vermögensschere: Symbolisiert Wohneigentum in diesem Kontext nicht das Aufstiegsversprechen par excellence? Doch stattdessen ist die (verschärfte) Mietpreisbremse das wohnpolitische Herzstück einer SPD.

Da muss also wirklich mehr kommen. Die potenziellen Ansatzpunkte sind vielschichtig. Da aber bekanntlich der Faktor "Eigenkapital" für viele (junge) Haushalte das Zünglein an der Waage ist (daran ändern auch noch so niedrige Bauzinsen leider nichts!), sollte ihm möglichst Priorität eingeräumt werden. Und im Idealfall wird dabei dann sowohl der Kapitalbildung, als auch dem Kapitalbedarf Rechnung getragen. Bei Ersterer ist mit der 2021 erhöhten Bausparprämie (erstmals nach 25 Jahren!) immerhin ein Anfang gemacht, die Anpassung der Arbeitnehmersparzulage sollte zeitnah folgen. Der Kapitalbedarf ließe sich derweil natürlich besonders effektiv mit einer Reform der Grunderwerbsteuer verringern. Das IW Köln hat dazu in einem aktuellen Gutachten zwei Modelle diskutiert, die sich explizit an Ersterwerber von selbstgenutztem Wohneigentum richten und somit auch das Interesse der Bundesländer an möglichst hohen Steuereinnahmen berücksichtigen.

Im ersten Fall eines Freibetrags von 100 000 Euro würden sich die Einnahmeausfälle für das als Beispiel herangezogene Land NRW auf 8,4 Prozent summieren, im zweiten Fall einer nur hälftigen Besteuerung des Kaufpreises wären es etwa 16,9 Prozent. Wendet man diese Quoten auf den Gesamtbetrag in NRW von 15,8 Milliarden Euro (2019) an, würden die Kosten der Reform bei 1,3 Milliarden Euro (Freibetrag) beziehungsweise 2,7 Milliarden Euro (hälftige Besteuerung) jährlich liegen. Das ist zweifellos viel Geld, angesichts der vielen unbezahlbaren Vorteile von Wohneigentum aber mindestens eine Überlegung wert.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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