Pflegeimmobilien als Alternative? Jein!

Daniel Rohrig

Die gute Nachricht zuerst, auch wenn sie nicht ganz neu ist: Wir werden immer älter. Die durchschnittliche Lebenserwartung der 40-Jährigen liegt heute bei stolzen 85 Jahren. Neugeborene dürfen sich sogar über ein 90 Jahre langes Leben freuen. Aber: In den kommenden 20 Jahren werden etwa 33 Prozent der Deutschen älter als 67 Jahre alt sein. Mehr als drei Millionen Menschen sind dann pflegebedürftig, was einer Steigerung um etwa 28 Prozent zu heute entspricht. Wenn das kein Potenzial für die Noch-Nische Pflegeimmobilien ist. Und das sehen Investoren offenbar ebenfalls so: Denn immerhin hat das Transaktionsvolumen am deutschen Pflegeimmobilienmarkt nach einer Analyse des Immobilienberatungsunternehmens CBRE in den ersten drei Quartalen dieses Jahres einen neuen Rekordwert von rund 2,4 Milliarden Euro erreicht.

Der neue Rekord ist zwar maßgeblich von zwei Mega-Deals geprägt, kann aber dennoch als eine Erfolgsmeldung für all die Fürsprecher von mehr Investments in Pflegeimmobilien gewertet werden. Die Assetklasse "Pflege" kämpft sich mehr und mehr aus der Nische heraus. Bislang lagen diese Immobilien mit zwei Prozent Anteil am gesamten Transaktionsvolumen der Branche weit abgeschlagen. Jetzt schwoll dieser Anteil auf über sieben Prozent an. Offene Immobilien-Spezialfonds, gelistete Immobilienunternehmen und REITs haben dabei am meisten zugeschlagen. Aber auch für Privatanleger gibt es durchaus Vorteile: Im Gegensatz zur Verantwortung des Eigentümers einer weitervermieteten Eigentumswohnung übernimmt bei einer direkten Investition in Pflegeimmobilien der Betreiber die typischen Aufgaben eines Vermieters - der Käufer kann sich die Mieteinnahmen und Rendite sichern und erhält darüber hinaus auch ein bevorzugtes Belegungsrecht im Alter. Pflegeheiminvestments versprechen bei geringem Aufwand eine gute, in einem Mietvertrag von meist 20 Jahren langfristig festgelegte Rendite, die sich im Schnitt mit 4,5 Prozent Rendite oberhalb des Mittels auf dem Immobilienmarkt bewegt. Darüber hinaus werden viele neue Pflegeheime gebaut und alte müssen renoviert, aufgerüstet und saniert werden. Ein Investment mit eindeutiger Zukunftsperspektive? Die perfekte Anlage und ein sicherer Hafen im altersbedingten Notfall? Auf den ersten Blick scheint es nur positive Aspekte zu geben.

Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen: Studien von Ernst & Young sehen eine Belegung von privaten Einrichtungen von etwa 84 Prozent. Vor 15 Jahren waren es noch 88 Prozent. Doch woran liegt das? An vermeintlich attraktiven Standorten siedeln sich häufig zu viele Anbieter an. Und private Zimmer sind teurer als gemeinnützige. Um eine Pflegeeinrichtung erfolgreich zu führen, müssen aber in der Regel 95 Prozent der Räumlichkeiten ausgelastet sein. Das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI sah im vergangenen Jahr bei rund sieben Prozent der Heime eine "erhöhte Insolvenzgefahr", weitere 21 Prozent seien unsicher. Wenn so eine Einrichtung pleitegeht, stehen vor allem Einzelinvestoren dumm da, sobald es nicht weiterverkauft werden kann. Eine Zweitnutzung ist kaum möglich, denn Pflegeimmobilien sind sehr speziell geschnitten. Für eine Umwidmung muss aufwendig umgebaut werden. Ein unausgereiftes Betreiberkonzept kann also schnell für Enttäuschung sorgen. Bei einem langfristigen Engagement muss auch berücksichtigt werden, dass viele Einrichtungen aus den achtziger Jahren stammen. Folge: ein überdurchschnittlich großer Investitionsbedarf bis hin zum -stau. Und: die Objekte nutzen sich generell schneller ab als normale Wohnimmobilien. Die langfristig so sicher geglaubte Rendite ist dadurch in Gefahr.

Und selbst wenn das Pflegeheim wirtschaftlich geführt ist, ist das noch lange keine Garantie, dass keine unvorhergesehenen Kosten auf die Anleger zukommen. Denn die Ansprüche an ihre Ausstattung und Konzeption ändern sich - nicht zuletzt aufgrund immer neuer gesetzlicher Anforderungen von Krankenkassen und Gesetzgeber. So wurden jüngst neue Ausstattungsmerkmale für Demenzkranke beschlossen.

Aber dennoch ist nicht grundsätzlich von Investitionen in Pflegeimmobilien abzuraten. Eine breitere Risikostreuung bieten Offene oder Aktienfonds. Bei Ersteren ist das Geld der Anleger sogar als Spezialvermögen vor dem Totalverlust geschützt. Relativ gute Rendite bringen derzeit geschlossene Pflegeimmobilienfonds, doch dies ist eine Form der unternehmerischen Beteiligung. Das heißt, bei Unternehmensverlusten muss Geld nachgeschossen werden. Und hier ist das Risiko, wie eben geschildert, überdurchschnittlich hoch.

Daniel Rohrig , Redaktion Immobilien und Finanzierung , Verlag Helmut Richardi
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