Sicherer Hafen ohne Anlegeplätze

Daniel Rohrig

18,4 Milliarden Euro steckten Anleger im ersten Halbjahr 2016 in Gewerbeimmobilien. Hört sich nach viel an, ist auch viel, könnte aber auch völlig problemlos noch mehr sein. Problem: Der Markt für Gewerbeimmobilien in Toplagen ist praktisch leergefegt. Die Nachfrage steigt und steigt und steigt. Alle stürzen sich auf die Toplagen. Die Folge ist laut Immobiliendienstleister Savills der Rückgang des Transaktionsvolumens von 28 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2015 - CBRE sieht ein Minus von 26 Prozent. Deutschland - der sichere Hafen, der Fels in der Brandung. Und noch sicherer in Zeiten eines möglichen Brexits und der heraufziehenden nächsten Bankenkrise in Italien, dem Mutterland der Kreditinstitute und der Girokonten.

Sicher ist sicher - und in den gefragten City-Lagen im internationalen Vergleich bislang sogar noch relativ günstig. Bislang. Denn dem sicheren Hafen gehen die Anlegeplätze aus. Zumindest jene ganz weit vorne in den A-Lagen. Vor allem in Köln und Frankfurt sind derzeit kaum noch Flächen zum Investieren da. Und das Geld fließt und fließt. Vor allem aktuell vermehrt aus Kanada und Südkorea. Besonders aktiv sind derzeit Blackstone und die neuen Galeria-Kaufhof-Eigentümer Hudson's Bay Company. Auch der internationale Immobilienkonzern Hines mit Hauptsitz im texanischen Houston ist auf Einkaufstour.

Einige Fondsgesellschaften - noch vor Jahren knapp bei Kasse - und Banken ziehen nun die Notbremse: Die drei Immobilienfonds der Union Investment, die über die Volks- und Raiffeisenbanken vertrieben werden, nehmen kein Geld mehr von Anlegern an, um die Liquiditätsquoten nicht zu sehr in die Höhe zu treiben. Dazu gehören der Uni-Immo Deutschland, der unter anderem so namhafte Gebäude wie das Chilehaus in Hamburg oder das Hilton München City beinhaltet. Aber auch der Uni-Immo Europa und der Uni-Immo Global sind betroffen. Die Deutsche Bank ging mit dem Fokus Deutschland denselben Weg. Bei der Deka denkt man ebenfalls über einen Annahmestopp nach, arbeitet aber vorerst mit Kontingenten. Nach wie vor für Anleger offen ist der hausInvest von der Commerzbank. Ausschließen möchte man aber eine Aussetzung der Anteilscheinausgabe auch nicht.

Die Kategorie Core Plus profitiert - auch bei institutionellen Anlegern - davon. Das sind Objekte, bei denen noch etwa Vermietungsprobleme zu lösen sind oder auch Projektentwicklungsrisiken zu übernehmen. Ebenso die B-Lagen in A-Regionen. Beispiel Frankfurt am Main: Die Bürostadt Niederrad galt lange als verpönt und stand zu über 50 Prozent leer. Nun ist sie wieder gefragt. Letztlich steigt mit dieser Situation auch das indirekte Risiko für private Anleger. Denn deren Ersparnisse in Fonds und Versicherungen müssen gesetzlich sicher angelegt werden. Doch wenn es nichts völlig Sicheres zum Anlegen gibt? Folge ist eine geringere Rendite. Der Klein- und Mittelsparer, der auch auf "konventionelle" Geldanlagen so gut wie keine Zinsen mehr erhält, muss, will er noch etwas auf seine Geldanlagen bekommen, ein immer höheres Risiko in Kauf nehmen - sei es an der Börse oder mittlerweile auch über Fonds auf den Immobilienmärkten. Gut für diejenigen, die bereits investiert sind. Sie können von weiteren Wertsteigerungen der Objekte profitieren und von Mietsteigerungen. Doppelte Freude garantiert.

Seit einigen Monaten ertönt daher allenthalben immer lauter der Name einer Stadt, die lange nicht nur in Bezug auf die Immobilienbranche als Sorgenkind galt: Berlin. Dort gibt es noch jede Menge Flächen und es gibt jede Menge Interesse an diesen Flächen - sowohl aus der Wirtschaft als auch von Verwaltungsseite: Nach und nach werden weitere Ministerien vom "alten" Bonn in die wieder Hauptstadt an der Spree verlegt. Und: Das Interesse an Büroflächen geht nicht nur von großen und bekannten Unternehmen aus. Auch eine Reihe Start-ups insbesondere im Technologiebreich steigern die Nachfrage nach Bürounterkünften gewaltig. Mittlerweile liegt das investierte Volumen im ersten Halbjahr dieses Jahres laut CBRE bei 2,06 Milliarden Euro. Das ist mehr als an allen anderen Top-5-Standorten. Und mit 64 Prozent ist der Anteil ausländischer Investoren besonders hoch. Bleibt abzuwarten, wie viel Luft in der Hauptstadt noch nach oben ist. Denn institutionelle Investoren werden sich auch hier wieder nur auf A-Lagen stürzen - und die werden sehr schnell knapp werden, während es vor allem im Südosten der einst geteilten Stadt nur so von B- und C-Lagen wimmelt. Der "Anlegerhafen Berlin" ist also ein besonders großer und breiter - die beliebtesten Anlageflächen sind aber in der Mitte.

Daniel Rohrig , Redaktion Immobilien und Finanzierung , Verlag Helmut Richardi
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