Von Warnern und Mahnern

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

Wer kennt sie nicht, die Geschichte von der Herdplatte und kleinen Kindern: Egal wie oft man es gut meint und vor der Gefahr einer Verbrennung warnt, so richtig ernstgenommen wird man erst im tatsächlich eingetretenen Schadenfall. Ähnlich mag es auch den beiden für Finanzstabilität und Bankenaufsicht zuständigen Vorstandsmitgliedern Claudia Buch und Andreas Dombret bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts gegangen sein. Eindrücklich warnten sie Banken und Sparkassen, Spezialfinanzierer und Versicherer, aber auch Unternehmen und Verbraucher vor potenziellen Risiken. "Die generelle Unsicherheit ist heute höher als in der Vergangenheit. Die Wahrscheinlichkeit, dass globale Unruhefaktoren auf Deutschland durchschlagen, ist gestiegen", so beispielsweise Claudia Buch. Und Andreas Dombret ergänzt: "Wir befinden uns zwar in einer Phase sehr guter Konjunktur, aber auch sehr spät im Zyklus. Da rückt eine Korrektur näher." Beide befürchten, dass sowohl die Bürger als auch die Unternehmen diese größeren Risiken unterschätzen.

Ein Thema, dem sich die Bundesbank im Zusammenhang mit der Finanzstabilität seit geraumer Zeit intensiv widmet, ist die Immobilienkreditvergabepraxis und die Situation auf den Wohnungsmärkten. Denn allen gut gemeinten bundes- wie landespolitischen, kommunalen wie privatwirtschaftlichen Initiativen zum Trotz hinkt das Angebot an verfügbarem Wohnraum an den gesuchten Standorten der Nachfrage weit hinterher. Nach Berechnungen des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW fehlen derzeit in Deutschland rund eine Million Wohnungen. Und das, obwohl die Bautätigkeit ihren höchsten Stand seit der Jahrtausendwende erreicht hat. Die deftigen Folgen dieses "Notstands" für die Preise sind längst keine Überraschung mehr: Auch im Jahr 2017 seien die Überwertungen weiter gestiegen, heißt es im Finanzstabilitätsbericht. Neu ist, dass sich die Überbewertungen inzwischen regional ausdehnen und längst nicht mehr nur die Metropolen betreffen, auch wenn sie hier nach wie vor am gravierendsten aus fallen. Laut Bundesbank-Schätzung sind die Preise für Wohnimmobilien in Großstädten um 15 bis 30 Prozent zu hoch. Von einer Immobilienpreisblase wollte die Bundesbank aber auch in diesem Jahr nicht sprechen.

Dass weiterhin nur geringe Gefahren von den Wohnimmobilienmärkten für die Finanzstabilität ausgehen, liegt auch an der vernünftigen Kreditvergabepraxis der deutschen Banken und Sparkassen. Zwar ist das Volumen der Wohnungsbaukredite an private Haushalte seit 2010 kontinuierlich gestiegen. In den ersten drei Quartalen 2017 noch einmal um 3,9 Prozent nach 3,6 Prozent im Gesamtjahr 2016. Und auch der Trend zu längeren Zinsbindungsfristen hat sich noch einmal verstärkt: Seit 2010 legte der Anteil der Kredite mit einer Zinsbindungsfrist von zehn Jahren von rund 26 Prozent auf mittlerweile gut 44 Prozent zu. Doch weder die steigenden Volumina noch die höheren Risiken aus Zinsänderungen beunruhigen die Bundesbank-Verantwortlichen nachdrücklich. Zum einen weiten die Institute zwar den Bestand der Kredite für den Wohnungsbau an Kunden immer weiter aus, um mit den höheren Volumina aus dem Neugeschäft die niedrigeren Margen wenigstens halbwegs ausgleichen zu können, dabei wächst aber die Eigenkapitalposition mit. Laut Bundesbank-Statistik stieg das Volumen der Wohnungsbaukredite von 2010 bis Ende September 2017 zwar um mehr als 200 Milliarden Euro auf 1315,66 Milliarden Euro. Doch gleichzeitig nahm die Eigenkapitalposition um knapp 60 Milliarden Euro auf 403,22 Milliarden Euro zu. Damit sind aktuell immer noch 30,6 Prozent des Wohnungskreditvolumens durch Eigenkapital abgedeckt, 2010 waren es noch 31,3 Prozent. Auch wenn die Abdeckung damit leicht gesunken ist und die "Milchmädchenrechnung" ohne sonstige Kredite an Privatpersonen und die Ausweitung des sonstigen gewerblichen Kreditgeschäfts natürlich nicht aufgehen kann, vermittelt dies doch zumindest das Gefühl, dass die Institute mit dem Thema Immobilienrisiko bewusst umgehen. Und Berechnungen beim jüngste Stresstest haben gezeigt, dass Banken und Sparkassen sogar einen mittelschweren Preisschock auf den Wohnimmobilienmärkten überstehen können.

Bleibt in diesem Zusammenhang vor allem ein Risiko: die Datenlücke. "Wir haben keine fundierten Informationen über wesentliche Kernelemente des Wohnimmobilienkreditmarktes. Es fehlt an einheitlichen Definitionen und Statistiken. Von daher können wir nicht abschätzen, wie sich bestimmte Veränderungen auswirken würden", bemängelt Claudia Buch. Es sollte aber ein Leichtes sein, hier Abhilfe zu schaffen. Schließlich ist das Meldewesen längst geübte, wenn auch nicht geliebte Praxis, zwischen Bundesbank und Kreditwirtschaft.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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