Aufsätze

Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2013

Die Bundesbank richtet ihr Zahlungsverkehrssymposium im Zwei-Jahres-Turnus aus, um eine Plattform für den wechselseitigen Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren im Bereich des Zahlungsverkehrs zu bieten. Zuvor jedoch kurz ein Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland anhand der traditionellen Halbjahresprognose der Bundesbank.

Deutschlands Wirtschaft zur Jahresmitte 2013

Nach einem kräftigen Wachstum in den Jahren 2010 und 2011 legte die gesamtwirtschaftliche Leistung in Deutschland im abgelaufenen Jahr nur noch um 0,7 Prozent zu. Im vierten Quartal 2012 ging das reale Bruttoinlandsprodukt sogar kräftig zurück. Und auch der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im ersten Vierteljahr fiel nicht zuletzt witterungsbedingt sehr gering aus. In der gesamtwirtschaftlichen Vorausschätzung für Deutschland kommen wir jedoch zu der Einschätzung, dass die Wirtschaft die konjunkturelle Schwächephase aus dem Winterhalbjahr inzwischen weit gehend überwunden hat. Eine verhaltene Aufwärtsbewegung könnte sich anschließen. Dafür sprechen die trotz einiger Rückschläge aufgehellten Erwartungen der Unternehmen.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich zwar nicht grundsätzlich verbessert, es hat aber umgekehrt auch keine wesentliche Verschlechterung gegeben. Daneben sollte die Weltwirtschaft im Verlauf dieses Jahres wieder Fahrt aufnehmen. Vor diesem Hintergrund und trotz der Belastung durch das schwache Winterhalbjahr kann nach unserer Einschätzung im Jahresdurchschnitt 2013 noch ein Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent erreicht werden, bereinigt um Kalendereffekte von 0,4 Prozent. Für das Jahr 2014 rechnen wir aus jetziger Sicht mit einem realen Wirtschaftswachstum in Höhe von 1,5 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen sollte weiter zulegen, während gleichzeitig der Inflationsdruck vorübergehend zurückgehen dürfte.

Zwar dürfte sich dieses Jahr ein leichtes Defizit in den öffentlichen Finanzen ergeben, die Schuldenstandsquote geht jedoch voraussichtlich deutlich zurück. Der Grund hierfür ist insbesondere das Tilgen von Verbindlichkeiten bei staatlichen sogenannten Bad Banks. Die Risiken für unsere Prognose sind allerdings nach unten gerichtet. Viel wird davon abhängen, dass sich die wirtschaftliche Lage in den Krisenländern des Euro-Raums stabilisiert und dort Auftriebskräfte nach und nach die Oberhand gewinnen. Die deutschen Unternehmen sind überwiegend in einer guten Verfassung, gleichzeitig fällt die Versorgung mit finanziellen Mitteln reichlich aus. Zuwanderung nach Deutschland hilft daneben, den Knappheiten am Arbeitsmarkt zu begegnen.

Nun zu den Zahlungsverkehrsthemen: Der unbare Zahlungsverkehr ist - neben der Geldpolitik, der Bankenaufsicht, dem Bargeld und dem Finanz- und Währungssystem - eines der fünf Kerngeschäftsfelder der Bundesbank. Dass er regelmäßig kaum wahrgenommen wird, spiegelt letztlich seine besondere Charakteristika wider.

Zahlungsverkehr mit zentraler Rolle

Der unbare Zahlungsverkehr und die dahinter stehende, von den Kreditinstituten und den Zentralbanken bereitgestellte Infrastruktur, ähneln dem Blutkreislauf eines menschlichen Körpers. Auch dieser ist von außen kaum zu erkennen, was jedoch an seiner lebenswichtigen Bedeutung nichts ändert. Solange alles reibungslos läuft, machen sich die wenigsten Leute über die zugrunde liegenden Vorgänge des Zahlungsverkehrskreislaufs Gedanken. Kommt es hingegen einmal zu Störungen, steigt die Aufmerksamkeit rapide an. Nur im Störungsfall wird auch nach außen hin schnell sichtbar, wie komplex die täglichen Prozesse tatsächlich sind und welch eindrucksvolle Leistung es bedeutet, dass im Regelfall alle Zahlungen reibungslos abgewickelt werden. Zur Illustration: Allein die deutschen Privathaushalte und Unternehmen - ohne die Banken - führen im kalendertäglichen Durchschnitt fast 49 Millionen unbare Transaktionen mit einem Gesamtwert von 186 Milliarden Euro aus.

Die Banken selbst nutzen für Übertragungen untereinander auch Interbankenzahlungssysteme, etwa Target-2. Gemessen am Zahlungsverkehr der Nichtbanken sind die in Interbankensystemen abgewickelten Stück zahlen eher klein, die Umsätze dagegen um ein Vielfaches größer. Die über Target-2 geleisteten Zahlungen beliefen sich im Jahr 2012 insgesamt auf 634 Billionen Euro, was einem Durchschnitt pro Geschäftstag von 2,4 Billionen Euro und damit fast dem Gegenwert des deutschen Bruttoinlandsprodukts entspricht. Ein sicherer und leistungsfähiger unbarer Zahlungsverkehr schafft eine Grundlage dafür, dass die Menschen Vertrauen in die Währung besitzen. Die Menschen erwarten zu Recht, dass bargeldlose Transaktionen schnell, verlässlich und sicher abgewickelt werden. Hierfür Sorge zu tragen, ist und bleibt eine zentrale Verpflichtung der Bundesbank.

Aktuelle Entwicklungen im Zahlungsverkehr

Auch in den vergangenen Krisenjahren haben sich die Zahlungsverkehrsinfrastrukturen als unverändert stabil und leistungsfähig erwiesen. Dies ist zweifellos eine Bestätigung der bisherigen Arbeit, gleichzeitig jedoch auch ein Ansporn dafür, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Daher wurden auch die regulatorischen Anforderungen an systemrelevante Zahlungsverkehrs- und Abwicklungssysteme im Licht der Erkenntnisse aus der Finanzkrise weiterentwickelt. So haben zum Beispiel die IOSCO und der Zahlungsverkehrs- und Abwicklungsausschuss (CPSS) bei der BIZ in Basel im April 2012 die "Grundsätze für Finanzmarktinfrastrukturen" (Principles for Financial Market Infrastructures) veröffentlicht. Diese Prinzipien ersetzen zuvor bestehende Grundsätze im Zahlungsverkehrs- und Abwicklungsbereich. Sie legen die Latte in Bezug auf Robustheit der Systeme nochmal höher und sollen somit zu einer widerstandsfähigeren Finanzinfrastruktur beitragen. Seit Ende 2012 werden diese Prinzipien in Aufsichtsgesprächen thematisiert, gleichzeitig wird im Euro-Raum intensiv an der konkreten Umsetzung gearbeitet. Die Vorarbeiten hierzu sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Im Zusammenhang mit dem regulatorischen Rahmen des unbaren Zahlungsverkehrs haben die Bundesbank und das gesamte Eurosystem unverändert insbesondere drei Ziele vor Augen. Erstens geht es darum, die Finanzmarktinfrastrukturen möglichst sicher, zuverlässig und schockresistent zu gestalten. Sicherheit und Verlässlichkeit waren und sind unverändert Dreh- und Angelpunkt jeglicher Initiativen zur Ausgestaltung der Zahlungsverkehrsinfrastruktur. Zweitens sollen unbare Zahlungen effizient abgewickelt werden, um die Liquiditätskosten einer Volkswirtschaft - also die Opportunitätskosten der sonst in größerem Umfang nötigen Kassenhaltung - möglichst gering zu halten. Und drittens gilt es, bestehende Strukturen weiterzuentwickeln, um die Integration der europäischen Finanzmärkte zu vertiefen.

Besondere Aufmerksamkeit haben in den vergangenen Jahren die Salden im Target-2-System der Zentralbanken des Eurosystems erregt. Hierauf wurde auch in der Rede beim Zahlungsverkehrssymposium vor zwei Jahren und bei anderen Anlässen eingegangen. Hohe Target-2-Salden sind vor allem ein Ausdruck für die Vertrauenskrise im Bankensektor einiger Euro-Länder. Die Salden zeigen, dass der grenzüberschreitende Liquiditätsausgleich zwischen den Banken gestört ist. Sie sind damit ein Indikator für die Verfassung der Geldmärkte im Euro-Raum. Nachdem der positive Target-2-Saldo der Bundesbank im Verlauf des vergangenen Jahres Spitzenwerte von über 750 Milliarden Euro erreicht hatte, ist er seit November deutlich zurückgegangen und belief sich Ende Mai auf rund 589 Milliarden Euro. Ein Stück Vertrauen kehrt offensichtlich langsam zurück.

Target-2-Securities

Neben Target-2 ist Target-2-Securities ein bedeutendes Projekt für das Eurosystem. Das gilt nicht nur für die Abwicklungsstrukturen, sondern auch für die Integration der europäischen Finanzmärkte. Target-2-Securities (T2S) steht für das Projekt des Eurosystems, eine neue, harmonisierte und zentrale Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld anzubieten. Ein funktionierender europäischer Geldmarkt erfordert nicht nur ein integriertes Management der Liquidität, sondern auch einen reibungslosen Transfer der zur Beschaffung der Liquidität nötigen Sicherheiten. Die Bundesbank trägt als mitentwickelnde Zentralbank maßgeblich zu den in letzter Zeit erreichten Fortschritten beim T2S-Projekt bei.

Bis Ende Juni 2012 hatten nahezu alle Zentralverwahrer der Eurozone sowie weitere fünf Zentralverwahrer außerhalb des Euro-Währungsgebiets den T2S-Rahmenvertrag mit dem Eurosystem unterzeichnet und sich damit zur Teilnahme an T2S verpflichtet. Auf dieser Grundlage geht es nun darum, T2S erfolgreich zu implementieren. Hier sind wir auf einem guten Weg.

Nun noch kurz zum Symposium mit dem herausragenden Stichwort Sepa, also der einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum, auf den zum 1. Februar 2014 umgestellt werden wird: Der Grundgedanke von Sepa ist einfach zu umreißen. Grenzüberschreitende Zahlungen in Euro sollen so günstig, schnell und sicher abgewickelt werden wie nationale Zahlungen. Die Sepa-Idee konkret umzusetzen, erfordert unverändert erhebliche Anstrengungen und einen langen Atem, den die Akteure insbesondere auf Nutzerseite gerade jetzt haben müssen.

Es ist kein Geheimnis, dass die Umstellung auf Sepa bei einigen Nutzergruppen noch sehr schleppend verläuft. Insbesondere bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie bei Vereinen muss ein erheblicher Rückstand aufgeholt werden. Je länger nämlich die Umstellung herausgezögert wird, desto risikoreicher wird sie. Auch der Aufwand, der mit dem Umstellen von Prozessen verbunden ist, darf nicht unterschätzt werden. Die Bundesbank hat bereits Maßnahmen ergriffen, um in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem deutschen Sepa-Rat dazu beizutragen, der Umstellung den nötigen Schwung für die letzte Wegstrecke zu geben.

Neben Sepa geht es um Innovationen im Zahlungsverkehr. Das Für und Wider verschiedener Zahlungsinstrumente wird intensiv diskutiert. Welches sich für welche Zwecke schließlich neu am Markt etabliert beziehungsweise welches Instrument gegebenenfalls auch abgelöst wird, ist in erster Linie das Ergebnis von Marktprozessen. Die Bundesbank verhält sich hierbei grundsätzlich neutral und greift den Marktprozessen nicht vor. Wir achten jedoch unverändert darauf, dass neue Zahlungsinstrumente ausreichend sicher und somit gesamtwirtschaftlich nützlich sind.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich des "Zahlungsverkehrssymposiums 2013" der Deutschen Bundesbank. Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

Dr. Jens Weidmann , Aufsichtsratsvorsitzender (bis 31.12.2021 Präsident der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main) , Commerzbank AG
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