Anforderungen an das Beschwerdemanagement - BaFin-Rundschreiben und neue MaComp

Ralph Hüsemann Foto: R. Hüsemann

Zu den aufsichtlichen Regelungen, die vor einigen Jahren angeschoben wurden und nun nach der konkreten Festlegung der Regeln und teils unter Wahrung von Übergangsfristen in die Praxis der Finanzdienstleister umgesetzt werden müssen, zählt auch das Beschwerdemanagement. Die Autoren skizzieren kurz die Ursprünge und erläutern dann die Anforderungen an die Branche nach einem neuen Rundschreiben der BaFin vom Mai dieses Jahres sowie den ebenfalls im Frühjahr veröffentlichten neuen MaComp mit ihren darüber hinausgehenden Anforderungen an Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Als wichtige Neuerungen stufen sie ein internes Beschwerderegister, den jährlichen Beschwerdebericht sowie die Sicherstellung der Information über die Verfahren zur Beschwerdebearbeitung ein. Zu den in vielen Häusern noch klärungsbedürftigen Fragen rechnen sie Details wie die Auswahl einer geeigneten Software für das Beschwerderegister ebenso wie die grundsätzlichen Überlegungen der Einbindung der Beschwerdemanagementfunktion in die Gesamtorganisation. (Red.)

Die Organisation und die Funktionsfähigkeit des Beschwerdemanagements bei Banken und anderen Unternehmen der Finanzbranche standen in letzter Zeit im Fokus der Aufsichtsbehörden. Hierbei ging es vor allem darum, die Rechte und die Einbindung der Kunden der betroffenen Unternehmen durch eine Harmonisierung der entsprechenden Bestimmungen zum Beschwerdemanagement zu stärken.

Schon seit einigen Jahren auf der Agenda

Am 27. Mai 2014 wurden durch das Joint Committee der europäischen Aufsichtsbehörden (bestehend aus ESMA, EBA, EIOPA) Leitlinien zur Beschwerdeabwicklung für den Wertpapierhandel (ESMA) und das Bankwesen (EBA) publiziert.

Demnach soll ein angemessener Schutz der Verbraucher durch folgende Maßnahmen gesichert werden:

- Klärung der Erwartungen an die Organisation der Beschwerdeabwicklung,

- Hinweise an die Beschwerdeführer zur Bereitstellung von Informationen,

- Vermittlung einer Orientierung zu den Verfahren der Beschwerdebearbeitung,

- Harmonisierung der Bestimmungen zur Abwicklung aller eingegangenen Beschwerden,

- Mindestmaß an aufsichtlicher Konvergenz der Bestimmungen zur Beschwerdeabwicklung in der EU.

Durch Art. 16 der VO der Europäischen Aufsichtsbehörden werden die nationalen Aufsichtsbehörden dazu verpflichtet, den oben genannten Vorgaben weitgehend nachzukommen.

Umsetzung in deutsches Recht

Am 23. Juni 2017 wurde eine Konsultation durch die BaFin veröffentlicht, in deren Rahmen die Beschwerdebearbeitung für Banken und Wertpapierdienstleister in einem Rundschreiben geregelt werden sollte. Zusätzlich wurde der Entwurf einer Allgemeinverfügung publiziert, auf deren Grundlage eine Berichtspflicht an die Aufsicht über Beschwerden und deren Bearbeitung implementiert werden sollte. Diese Entwürfe stießen auf starke Kritik, wobei angemerkt wurde, dass bei diesen Entwürfen weit über die europäischen Vorgaben hinausgegangen wurde und teilweise keine Rechtsgrundlage vorhanden sei.

Im Rahmen der finalen nationalen Umsetzung dieser Vorgaben wurde in Deutschland unter anderem aufgrund der vorgetragenen Kritik eine differenzierte Vorgehensweise für Institute und andere Unternehmen auf der einen Seite sowie Wertpapierdienstleister auf der anderen Seite gewählt. Von einer Veröffentlichung der geplanten Allgemeinverfügung wurde zunächst abgesehen.

In diesem Zusammenhang wurde zum einen am 4. Mai 2018 das Rundschreiben 06/2018 - Mindestanforderungen an das Beschwerdemanagement von der BaFin veröffentlicht. Hierbei wurden einige Kritikpunkte aus dem Konsultationsverfahren herausgenommen, wie zum Beispiel die gruppenweite Umsetzung oder Prüfungspflichten des Abschlussprüfers.

Adressatenkreis des Rundschreibens sind CRR-Kreditinstitute, Auslandsbanken aus Drittstaaten, Kapitalverwaltungsgesellschaften sowie Zahlungsinstitute. Zum anderen wurden darüber hinausgehende Anforderungen an Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die auf Art. 26 der DV (EU) 2017/565 basieren, am 19. April beziehungsweise 9. Mai 2018 in den neuen MaComp (Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion) veröffentlicht.

Einheitlicher Umgang mit Kunden- und Anlegerbeschwerden

Übergeordnetes Ziel beider Vorschriften ist es, einen einheitlichen Umgang mit Kunden- und Anlegerbeschwerden sicherzustellen.

Inhaltlich wird im neuen Rundschreiben zunächst eine Definition des Beschwerdebegriffs vorgenommen. Demnach wird als Beschwerde "jede Äußerung der Unzufriedenheit, die eine natürliche oder juristische Person an ein beaufsichtigtes Unternehmen im Zusammenhang mit der Erbringung einer beaufsichtigten Dienstleistung richtet" verstanden. Wichtig ist hierbei die Eingrenzung auf den Zusammenhang mit einer beaufsichtigten Dienstleistung, die im Entwurf noch nicht enthalten war.

Außerdem werden Anforderungen an interne Vorkehrungen zur Beschwerdebearbeitung herausgearbeitet. Zum Beispiel sind die aus der Beschwerdebearbeitung gewonnenen Erkenntnisse in das Risikomanagement einzubeziehen und von der Internen Revision zu berücksichtigen. Wichtig ist, dass die betroffenen Unternehmen die entsprechenden Grundsätze und Verfahren in ihrer schriftlich fixierten Ordnung verankern. Es müssen ausreichend wirksame interne Informationsflüsse und interne Berichtslinien geschaffen und deren Umsetzung sichergestellt werden.

Internes Beschwerderegister

Zentral ist, dass eine Beschwerdemanagementfunktion einzurichten ist, die dafür sorgt, dass alle Beschwerden objektiv und angemessen im Einklang mit den Grundsätzen und Verfahren der Beschwerdebearbeitung untersucht werden; und mögliche Interessenkonflikte identifiziert und eine Beeinträchtigung der Beschwerdebearbeitung durch Interessenkonflikte vermieden werden.

Außerdem ist ein internes Beschwerderegister zu implementieren, um zu gewährleisten, dass alle Beschwerden, ihre Bearbeitung, die getroffenen Maßnahmen sowie die abschließenden Entscheidungen ohne unnötige Verzögerung systematisch dokumentiert werden. Wichtig ist hier die Anforderung, dass das Beschwerderegister in einer Form so zu führen ist, dass eine systematische Auswertung ermöglicht wird, dass es gegen sachlich nicht gebotene Änderungen geschützt ist, dass nachträgliche Änderungen erkennbar sind und eine ungehinderte Einsichtnahme für Prüfer und die Aufsicht möglich ist.

Information über die Verfahren zur Beschwerdebearbeitung

Darüber hinaus sind die Daten zur Beschwerdebearbeitung fortlaufend zu analysieren, um zu gewährleisten, dass wiederholt auftretende oder systematische Probleme sowie potenzielle rechtliche und operationelle Risiken festgestellt und behoben werden. Insbesondere müssen hier Überlegungen angestellt werden, ob die Beschwerdeursachen auch andere Prozesse oder Produkte beeinflussen könnten. Außerdem sollen die entsprechenden Ursachen beseitigt werden, soweit dies sinnvoll erscheint und möglich ist.

Des Weiteren haben die betroffene Unternehmen auf leicht zugängliche Weise über ihre Verfahren zur Beschwerdebearbeitung zu informieren (zum Beispiel in Broschüren, Merkblättern, Vertragsunterlagen oder auf seiner Internetseite). Hier werden detaillierte Vorgaben gemacht, welche Informationen hier enthalten sein müssen, das heißt wie eine Beschwerde einzureichen ist, wie der Ablauf des Beschwerdeverfahrens funktioniert und ob es zuständige Behörden gibt.

Im Vergleich hierzu haben Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen beziehungsweise Wertpapiernebendienstleistungen erbringen oder das Depotgeschäft betreiben, neben diesen Anforderungen noch weitere Vorgaben zu beachten. Diese weiteren Anforderungen haben ihre Grundlage in Art. 26 DV (EU) 2017/565 beziehungsweise BT 12 MaComp n. F.

Dies betrifft insbesondere die Erstellung eines jährlichen Beschwerdeberichts, der aufgrund einer Vorlage der BaFin an die Aufsicht elektronisch übermittelt werden muss. Dieser Beschwerdebericht ist einmal jährlich zu erstatten und erstmals in einem eingeschränkten Umfang für das Kalenderjahr 2018. Hierzu wurde von der Aufsicht als Anlage zu BT 12.2 MaComp eine Vorlage mit folgenden Bestandteilen erstellt:

- Anzahl der Beschwerden und Zuordnung zu den Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen beziehungsweise zum Depotgeschäft,

- Aggregierte Angaben zum Bearbeitungsstand,

- Angaben zu Kulanzzahlungen und Gerichtsverfahren,

- Übersicht über die Beschwerdegründe und die Fallzahlen,

- Angaben zu personellen und organisatorischen Konsequenzen,

- Berücksichtigung von Beschwerden, die bei vertraglich gebundenen Vermittlern eingehen.

Praktische Umsetzung und Auslegungsfragen

Außerdem müssen solche Unternehmen gewährleisten, dass Beschwerden für den Beschwerdeführer kostenfrei sind. Ferner werden in den MaComp noch Detailvorgaben für eine mögliche Einbindung der Compliance-Funktion getroffen.

Im Rahmen der praktischen Umsetzung dieser Vorschriften ergeben sich zahlreiche Fragen für die betroffenen Unternehmen. Zwar wurde der Beschwerdebegriff auf Äußerungen im Zusammenhang mit beaufsichtigten Dienstleistungen eingegrenzt. Dennoch sind keine Formvorschriften vorgesehen, sodass zum Beispiel zu klären ist, ob auch Foreneinträge auf der Homepage des betroffenen Unternehmens dazu zählen. Hier liegt es an den Instituten klare und transparente Vorgaben zur Beschwerdeeinreichung zu machen, um dies gezielt aussteuern zu können.

Außerdem ist der Aspekt auslegungsbedürftig, in welcher Software das Beschwerderegister geführt werden kann und soll, da hierfür weitreichende Schutzerfordernisse vorgegeben wurden. Bei einer Eigenerstellung ist das verwendete Tool in der Regel als individuelle Datenverarbeitung (IDV) im Sinne der BAIT (Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT) zu klassifizieren mit entsprechenden Auswirkungen auf Zugriffsoder Änderungsschutz. Hier bleibt es abzuwarten, inwieweit sich externe Softwarelösungen entwickeln werden.

Gestaltung der internen Prozesse

Darüber hinaus müssen für die zukünftige Tätigkeit der Beschwerdemanagementfunktion in der Regel deutlich mehr Ressourcen als in der Vergangenheit bereitgestellt werden. Außerdem muss eine umfangreiche Einbindung dieser Funktion in die prozessualen Abläufe des Unternehmens sichergestellt werden. Hierbei müssen Interessenkonflikte so weit wie möglich vermieden werden.

Fraglich ist auch die Gestaltung der internen Prozesse für solche Institute, die sowohl allgemeine Bankdienstleistungen als auch Wertpapierdienstleistungen erbringen, da für letztere weitergehende Anforderungen geschaffen wurden.

Durch die stärkere Gewichtung der Beschwerdemanagementfunktion ist des Weiteren zum Beispiel zu überlegen, diesen Bereich als eigenes Prüfungsgebiet in die Prüfungsplanung der Internen Revision aufzunehmen. Auch bei einer möglichen Auslagerung der Beschwerdemanagementfunktion ist nun zu überprüfen, ob nicht gegebenenfalls eine wesentliche Auslagerung vorliegt. Auf jeden Fall notwendig wird eine Einbindung der Beschwerdemanagementfunktion bei der Analyse von Produkten und Prozessen, da so Ursachen von Beschwerden behoben werden sollen

Best Practices müssen vor allem bei der Information der betroffenen Unternehmen über die Verfahren der Beschwerdebearbeitung gefunden werden, was zum Beispiel auf der Homepage oder als Beilage zu Verträgen durchgeführt werden kann.

Erhebliche Mehrbelastung für Wertpapierdienstleister

Für Wertpapierdienstleister bedeutet die Erstellung eines Beschwerdeberichts eine erhebliche Mehrbelastung, was ebenso für die kostenfreie Einreichung von Beschwerden gilt. Auslegungsbedürftig sind bei den Beschwerdeberichten insbesondere die Angaben zu personellen und organisatorischen Konsequenzen, da in der Vorlage hierfür offene Textfelder vorgesehen sind. Zu klären ist auch, inwieweit vertragliche gebundene Vermittler hierfür zu einer Weitergabe von Beschwerden verpflichtet werden können.

Schließlich sollten die Unternehmen gegebenenfalls über eine Nutzung alternativer Streitbeilegungsverfahren nachdenken. Auch die Einbindung und Nutzung der Compliance-Funktion sollte intensiv diskutiert werden. Noch nicht geklärt sind aus den neuen Anforderungen resultierende Pflichten für den jeweiligen Abschlussprüfer, da eine entsprechende Prüfungspflicht aus der finalen Version des Rundschreibens herausgenommen wurde. Gegebenenfalls ist hier noch eine Änderung der PrüfbV (Prüfberichtsverordnung) zu erwarten.

Ralph Hüsemann WP, Partner, Baker Tilly GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Bereich Financial Services, Frankfurt am Main
Dr. Christopher Zilch WP, Senior Manager, Baker Tilly GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Bereich Financial Services, Frankfurt am Main
 

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X