Für eine europäische Einlagensicherung der Eigenverantwortung, nicht der Zwangsvergemeinschaftung

Georg Fahrenschon, Präsident, Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V., Berlin - Eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union kann nur durch eine Änderung der Verträge oder aber eine zwischenstaatliche Vereinbarung geschlossen werden, so die klare Forderung des Autors. Diesen Veränderungen müsste dann jedes Mitgliedsland zustimmen, wodurch sich für Deutschland faktisch ein Vetorecht ergebe. Als absolute Voraussetzung für die Ausgestaltung einer solchen dritten Stufe der Bankenunion nennt er die Umsetzung der im Juli 2015 in Kraft getretenen neuen Richtlinie zu den Einlagensicherungssystemen in allen 28 EU-Ländern. Generell befürchtet Georg Fahrenschon, dass das von der EU-Kommission in die Diskussion gebrachte System die Gefahr von wirtschaftlichen Instabilitäten erhöhen könnte. Den Ausführungen von Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret (siehe Seite 632) stimmt der DSGV-Präsident zu und interpretiert sie dahingehend, dass es kein Muss für eine europäische Einlagensicherung gebe. (Red.)

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Kritik an den Plänen der EU-Kommission, die Einlagensicherungssysteme in der Eurozone schrittweise zu vergemeinschaften und unter ein zentrales Regime zu stellen, zunimmt. Das gilt keineswegs nur für Deutschland, sondern auch für Österreich, Finnland und weitere Staaten. Auch aus Frankreich wird inzwischen ein anderes Vorgehen vorgeschlagen. Die französischen Banken haben jüngst einen Gegenvorschlag in Form einer Rückversicherung präsentiert. Mit Frankreich und Deutschland haben sich mittlerweile zwei der größten Volkswirtschaften in der Eurozone gegen eine voll vergemeinschaftete, zentralisierte Einlagensicherung ausgesprochen.

Ohne Auswirkungsstudie und gründliche Konsultation

Nimmt man den Zwischenbericht der niederländischen Ratspräsidentschaft zur Hand, so kommen nahezu aus jedem Mitgliedsstaat Kritikpunkte an einer vergemeinschafteten Einlagensicherung. Dazu gehört auch Kritik am Gesetzgebungsvorgang selbst. Denn die EU-Kommission hat ihren Gesetzentwurf weder mit einer Auswirkungsstudie unterlegt noch eine gründliche Konsultation vorausgeschickt und dabei alle Beteiligten einbezogen.

Eine frühere Auswirkungsstudie, auf die sich die EU-Kommission beruft, datiert noch aus der Zeit vor Inkrafttreten der Einlagensicherungsrichtlinie 2014/49/EU. Diese ist seit 3. Juli 2015 in Kraft und schreibt in allen 28 EU-Ländern ein höheres und einheitliches Sicherungsniveau für alle Sparerinnen und Sparer vor. Eine ernst hafte Auswirkungsstudie muss bei solch einem zentralen Thema auf der aktuellen Situation aufsetzen. Und natürlich muss die Richtlinie auch tatsächlich in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt und befolgt werden. Das ist selbst heute - rund zwölf Monate nach Inkrafttreten - nicht überall der Fall. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte erst im April am 25. Sparkassentag in Düsseldorf deutlich gemacht, dass jetzt nicht die Zeit für eine Zentralisierung und Vergemeinschaftung von Einlagensicherungssystemen gekommen ist. Das war ein wichtiges Signal.

Wichtig sind auch die Aussagen der Deutschen Bundesbank. Der Bundesbankvorstand Andreas Dombret hat Anfang Juni stellvertretend für den gesamten Vorstand in Frankfurt festgestellt, dass es kein Muss für eine europäische Einlagensicherung gibt. Um die Kundeneinlagen abzusichern und einen Bank-Run zu verhindern, seien in den allermeisten Fällen nationale Einlagensicherungen ausreichend. Die Bundesbank empfiehlt daher, über Alternativen nachzudenken, wenn das europäische Element bei der Einlagensicherung gestärkt werden solle.

Vertrauenswürdige Einlagensicherung als Basis

Die deutschen Sparkassen gibt es seit 200 Jahren und sie haben als Marktführer viel Erfahrung damit, wie man das Vertrauen der Kunden gewinnt und bewahrt. Was die Sicherung der Kundeneinlagen angeht, haben sie mit ihrem dezentral und subsidiär aufgebauten Sicherungssystem ein bewährtes und solides Konzept. Dieses Wissen und diese Erfahrung bringen sie in die europäische Debatte ein. Wir sind der Überzeugung, dass die Sparerinnen und Sparer in der Europäischen Union am besten durch eigenverantwortliche Sicherungssysteme geschützt sind, die die hohen, europaweit gemeinsam geltenden Standards erfüllen - und auch weiterhin erfüllen müssen. Dabei ist der Sparerschutz nicht nur für jeden Einzelnen wichtig. Das Vertrauen in die Sicherheit der Einlagen steht am Anfang von Geld- und Finanzierungskreisläufen und trägt entscheidend zur Finanzmarktstabilität bei.

Vertrauen ist die Grundlage dafür, dass Kunden ihrem Kreditinstitut das eigene Geld über den Tag hinaus zur Verfügung stellen. Daraus machen Geldhäuser Kredite. Bei Sparkassen fließt der Großteil in mittel- und langfristige Kredite an das Handwerk, den Handel, den Dienstleistungssektor - sowie an private Haus- und Wohnungsbesitzer. Auf solch stabile regionale Finanzierungskreisläufe stützen sich Mittelstand und Industrie in Deutschland und in Europa.

Psychologische Dimension nicht unterschätzen

Die Sparer in Deutschland können sich auf vier wirksame Sicherungssysteme verlassen. Und das tun sie auch. Sie vertrauen ihrer Hausbank mit dem dahinter stehenden jeweiligen Sicherungssystem. Das ist aus repräsentativen Umfragen bekannt. Zehn Mal so viele Menschen schenken den aktuellen Sicherungssystemen in Deutschland mehr Vertrauen, als sie es bei einer etwaigen vergemeinschafteten Einlagensicherung auf EU-Ebene tun würden. Rund 86 Prozent der Bundesbürger geben an, dass ihre Einlagen (sehr) sicher seien. Es ist wünschenswert, das Kundenvertrauen auf diesem hohen Niveau zu halten.

Aus diesem Grund ist die Sparkassen-Finanzgruppe zwar für eine europäische Einlagensicherung, aber gegen eine Zwangshaftung in der Eurozone. Eine europäische Einlagensicherung muss aus der Eigenverantwortung aller Marktteilnehmer bestehen. Jedes Land in der Europäischen Union muss dafür sorgen, dass wirksame und leistungsfähige Sicherungssysteme aufgebaut werden. Europäische Standards dafür gibt es. Sie sind Teil der Bankenunion und wurden im April 2014 gemeinschaftlich beschlossen. Die entsprechende EU-Richtlinie 2014/49/EU musste bis 3. Juli 2015 in nationales Gesetz umgesetzt sein. Deutschland hat die Regelungen fristgerecht umgesetzt, wie insgesamt 14 von 28 EU-Mitgliedsstaaten.

Die EU-Kommission ist nun gefordert, diese europäische Einlagensicherung auch Realität werden zu lassen. Stand Anfang Juni 2016 - ganze 12 Monate nach Inkrafttreten dieser grundlegenden europäischen Richtlinie - haben diese noch immer nicht alle EU-Mitgliedstaaten umgesetzt. Es ist oberste Vertragspflicht der EU-Kommission, ihre Arbeit zunächst darauf zu konzentrieren, den bereits getroffenen Vereinbarungen Geltung zu verschaffen.

Fremde Fehler in der Wirtschaftspolitik ausgleichen

Ein zentralisiertes Sicherungssystem, wie es die EU-Kommission in die Diskussion gebracht hat, würde die Gefahr von wirtschaftlichen Instabilitäten erhöhen. Die Vorstellung, eine breite Verteilung von Risiken auf möglichst viele Schultern würde die Stabilität erhöhen, ist falsch. Tatsächlich hat erst die Finanzkrise jüngst gezeigt, dass gerade die breite Streuung von Risiken zu unbeherrschbaren psychologischen Unsicherheiten und damit zu einem Funktionsverlust der Finanzmärkte insgesamt führen kann.

Die einzelnen Bankensysteme innerhalb der Eurozone unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Stabilität und Leistungsfähigkeit. Das war bereits vor Ausbruch der Finanzkrise so. Heute ist beispielsweise ein hoher Prozentsatz der notleidenden Kredite auf einige Länder konzentriert, die oft zugleich unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum und hohe Arbeitslosigkeit aufweisen. Mit einer vergemeinschafteten Einlagensicherung wäre vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher Ausgangsbedingungen eine Transferunion zwischen Banken beziehungsweise deren Einlagensicherungssystemen angelegt. Stabile und leistungsfähige Bankensysteme und ihre Sicherungsfonds würden gezwungen, für instabile Systeme zu haften, ohne Einfluss auf diese fremden Risiken zu haben. Jenseits der Bankenrisiken im engeren Sinne müssten auch Fehler in der Wirtschaftspolitik eines Landes sowie politische Risiken allgemein, die sich auf die finanzielle Stabilität auswirken, von fremden Sicherungssystemen getragen werden. Diese Einlagensicherungen müssten dann für Politikversagen in einem anderen Land haften. Das ist nicht hinnehmbar.

Keine Transferunion

Die Eigenverantwortung der Länder, der Banken und ihrer Sicherungssysteme in der Eurozone darf nicht durch Umverteilungsmechanismen, wie sie die EU-Kommission vorsieht, geschwächt werden. Statt Risiken umzuverteilen, müssen Risiken in den Finanzsystemen, der Realwirtschaft und den Staatshaushalten substanziell abgebaut werden.

Der Bundesfinanzminister setzt sich zu Recht in Brüssel für eine tragfähige Rechtsgrundlage ein. Denn die Vergemeinschaftung, die die EU-Kommission plant, kann nicht als Harmonisierung von Regeln im Rahmen des Binnenmarktes eingestuft werden. Wenn tatsächlich gewünscht, kann eine Vergemeinschaftung nur durch eine Änderung der Verträge, zumindest aber durch eine zwischenstaatliche Vereinbarung beschlossen werden, der jedes Mitgliedsland zustimmen muss. Das hat die Deutsche Kreditwirtschaft in einem eigenen Gutachten herausgearbeitet. Deutschland hat in diesem Fall ein Vetorecht.

Initiative der deutschen Wirtschaft

Die Sparkassen-Finanzgruppe unterstützt zusammen mit der "Initiative der deutschen Wirtschaft für einen wirksamen Einlagenschutz" und mit der gesamten deutschen Kreditwirtschaft uneingeschränkt die Position der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen. Als starke Stimme der Wirtschaft und des Mittelstands setzt sich die Initiative der Deutschen Wirtschaft "Damit sicher sicher bleibt" für den sichersten Schutz der Sparerinnen und Sparer und damit für die Umsetzung der 2015 eingeführten hohen Qualitätsstandards ein. Wir sind gemeinsam davon überzeugt, dass diese die Basis für verantwortliches Handeln und damit für Stabilität sind.

In der Initiative haben sich der Bundesverband der Freien Berufe (BFB), der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung (BGA), der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), der Deutsche Hotelund Gaststättenverband (DEHOGA), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Deutsche Raiffeisenverband (DRV), der Handelsverband Deutschland (HDE), der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Mittelstandsverbund (ZGV) zusammengeschlossen. Mit einer Pressekonferenz am 7. Juni in Berlin hat sie den Auftakt gemacht, um gemeinsam ihre Position und Argumente vorzutragen. Ziel ist es, dass diese auch in Brüssel wahrgenommen und berücksichtigt werden. Durch die zunehmende Kritik auch aus anderen Ländern sieht sie sich bestärkt und wird sich auch im weiteren Gesetzgebungsprozess für den besten Sparerschutz in Europa einsetzen.

Aktuelle Positionen sind auf der Internetseite des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) zu finden: www.dsgv.de.

"Initiative der deutschen Wirtschaft für einen wirksamen Einlagenschutz": www. damit-sicher-sicher-bleibt.de, #sicherbleibtsicher

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