Genossenschaftler positionieren sich für das Bankgeschäft von morgen

Birgit Frohnhoff, Foto: Fiducia & GAD IT AG

Mit seiner strategischen Neuausrichtung möchte der genossenschaftliche Digitalisierungspartner auf den disruptiven Wandel in der weltweiten Finanzwirtschaft reagieren. Banking muss laut Frohnhoff im digitalen Zeitalter anders, besser und viel mehr als bisheriges Banking sein. Nur so könnten sich Volks- und Raiffeisenbanken und die Genossenschaftliche Finanzgruppe in Zukunft neue Ertragsquellen erschließen und Kunden dauerhaft an sich binden. Die neue Banking-Qualität setzt jedoch voraus, dass sich auch die Art und Weise, wie IT entwickelt, bereitgestellt und eingesetzt wird, fundamental verändern muss. Damit will die Fiducia & GAD omnikanalfähige, KI-gestützte und mit verschiedenen Partnern gemeinsam entwickelte Angebote ermöglichen. Nötig sei dafür auch die Zusammenarbeit mit Public-Cloud-Partnern. Hier müsse jedoch rigoros auf die Governance-Regelungen geachtet werden. (Red)

Ende 2019 schloss die Fiducia & GAD die Serienmigration von 341 Volks- und Raiffeisenbanken im Einzugsgebiet der ehemaligen GAD planmäßig ab - ein über vier Jahre gehendes Konsolidierungsprojekt, das in diesen Dimensionen deutschlandweit seinesgleichen sucht. Nun schaltet am 22. November 2020 auch noch die letzte Spezialbank auf das gemeinsame Bankverfahren um.

Parallel findet seit dem Jahr 2017 eine Migration auf ein gemeinsames Cloud-Produkt statt. Aus Sicht der Volks- und Raiffeisenbanken stellt die Fiducia & GAD eine private Cloud mit vielfältigen IaaS-, PaaS- und SaaS-Leistungen zur Verfügung. Bis Ende des Jahres 2021 wird auch dieser Konsolidierungsschritt abgeschlossen.

Warum sind diese Termine von Bedeutung? Weil nun erstmals alle Banken der Genossenschaftlichen Finanzgruppe mit einem gemeinsamen Bankverfahren und bald auch auf einem gemeinsamen Cloud-Verfahren arbeiten. Erst diese durchgängige Konsolidierung schafft die Voraussetzung für eine Vereinfachung der Infrastruktur und Anwendungslandschaft und damit den notwendigen Freiraum für den Aufbruch in eine völlig neue IT-Welt: Schrittweise entsteht in Zukunft eine komplett neue Plattform, mit der die Volks- und Raiffeisenbanken deutlich schneller als bisher auf veränderte Marktanforderungen reagieren können. Eine Plattform, die offen ist für innovative, auch kooperative Geschäftsmodelle - sowohl mit Verbundpartnern als auch mit externen Anbietern.

Aufbruch zu neuen Wegen

Im Kern geht es bei der im vorigen Jahr angestoßenen strategischen Neuausrichtung der Fiducia & GAD darum, Banken-IT vom Standpunkt der Kunden aus neu zu denken. Im Einklang mit der Verbundstrategie der Genossenschaftlichen Finanzgruppe sieht der IT-Provider seine Rolle zukünftig vorrangig als Digitalisierungspartner, Plattformanbieter und Wegbereiter, das Kerngeschäft der Banken effizienter zu gestalten.

Banken stehen heute vor immensen Herausforderungen - vom steigenden regulatorischen Druck über die anhaltende Niedrig- und Negativzinsphase, dem demografischen Wandel bis hin zu neuen Wettbewerbern aus der Fintech-Szene oder von Technologieunternehmen. Traditionelle Bankverfahren und klassische Methoden der Softwareentwicklung stoßen da an ihre Grenzen. Und zwar deshalb, weil die bestehenden, überwiegend monolithisch strukturierten, über Jahre gewachsenen Systeme einfach zu unflexibel sind, um beispielsweise einen innovativen Fintech-Service schnell und kostengünstig in das digitale Angebotsportfolio einer Bank zu integrieren.

Fünf strategische Handlungsfelder

Die neue Strategieagenda der Fiducia & GAD zielt von Anfang an auf Kooperationsmöglichkeiten mit unterschiedlichsten Partnern. Sie gliedert sich in fünf wechselseitig aufeinander bezogene Handlungsfelder - wobei jedes darauf ausgelegt ist, sowohl in den Banken und im Verbund als auch bei deren Kunden einen überzeugenden Mehrwert zu stiften:

  • Im Handlungsfeld "Banking Services" geht es darum, Anwendungen und Lösungen im Banking einfacher zu machen, Prozesse zu standardisieren und weitgehend zu automatisieren sowie das Bankverfahren über geeignete Schnittstellen für die Anbindung von Lösungen Dritter (zum Beispiel von Fintechs oder Verbundpartnern) zu öffnen. Banken und Verbundpartner sollen möglichst eng in den Entwicklungsprozess eingebunden werden. Das Ziel: den Verbrauchern ein intuitives Bankerlebnis zu ermöglichen - und das mit einer modularen Architektur basierend auf Microservices.
  • Das Handlungsfeld "Interaktions- und Marktplattform" zielt auf eine intelligente und kanalübergreifende Vernetzung von Kunden, Banken und Partnern: Vernetztes Omnikanal-Banking ist die Grundbedingung für eine exzellente Erlebnisqualität. Zudem sind Mitgliedsbanken nur per Omnikanal in der Lage, ihre Kunden praktisch in jeder Lebenssituation mit individuellen Serviceangeboten zu begleiten. In diesem Kontext sorgt die Einbindung innovativer Smart Analytics-Lösungen künftig dafür, dass personalisierte Angebote exakt auf den tatsächlichen Bedarf der betreffenden Kunden zugeschnitten werden können.
  • "Trusted FinDev Plattform", so das Motto für das dritte Handlungsfeld, umreißt das zentrale Vorhaben zum Aufbau einer offenen, abgesicherten und daher vertrauenswürdigen Plattform für effiziente und professionelle Lösungserstellung sowie den zugehörigen sicheren Lösungsbetrieb. Die Plattform bietet jede Menge smarte Entwicklungs- und Testwerkzeuge sowie ausgiebig getestete Lösungsbausteine aus dem Banking-Kontext und beschleunigt somit die Lösungsbereitstellung. Für den sicheren Betrieb stehen Security-Werkzeuge wie SIEM-Tools (Security Information and Event Management) und ein SOC (Security Operations Center) sowie Methoden für automatisiertes Deployment und Monitoring zur Verfügung. Die neue Trusted FinDev Plattform kann außer von Fiducia & GAD insbesondere auch von Verbundpartnern und Banken und sukzessive auch von Drittanbietern beispielsweise des Fintech-Markts genutzt werden - was den kooperativen Grundcharakter der neuen Strategieagenda unterstreicht.
  • "Infrastruktur und Digital Work" basiert darauf, Infrastrukturleistungen für alle selbst angebotenen Services und Plattformen, für Primärbanken und Verbundunternehmen, für Partner und darüber hinaus bereitzustellen. Grundlage dafür ist eine moderne Hybrid Cloud, die sowohl Ressourcen aus den eigenen Rechenzentren als auch aus Public Clouds einbezieht. Des Weiteren steht im Fokus von überall einen einfachen, sicheren und barrierefreien Zugang zur modernen Arbeitswelt zu schaffen. Digital-Workplace-as-a-Service, Cloud Collaboration und smarte Netze optimieren die Zusammenarbeit und sorgen für ein zeitgemäßes Arbeitserlebnis. Alle selbstentwickelten oder auch zugekauften Services sind via Warenkorb in einem Self-Service-Portal bestellbar und administrierbar. Mit diesen Angeboten ermöglicht die Fiducia & GAD die Umsetzung einer digitalen Transformation für viele genossenschaftliche Finanzunternehmen.
  • Im Zusammenspiel mit den vier anderen Handlungsfeldern macht das fünfte und letzte Handlungsfeld "Business Enabler" den Weg frei für die gemeinschaftliche Entwicklung neuartiger Geschäftsmodelle und die Erschließung neuer Erlösquellen jenseits des traditionellen Bankgeschäfts.

Mehr als Banking

Bislang ist das Technikangebot hauptsächlich auf die eigenen Rechenzentren und auf die Primärbanken zugeschnitten. Nun ist es auch strategisches Ziel, neue Ertragsquellen jenseits herkömmlicher Bankdienstleistungen im Technologieumfeld zu erschließen, Zugang zu neuen innovativen Technologien zu schaffen und eine schnellere "Time to Market" zu ermöglichen. Dazu öffnet sich das Unternehmen für Kunden und Partner mit geeigneten Andockpunkten an seine Entwicklungsbibliotheken und Werkzeuge sowie zu seinen Produktionsumgebungen. Zudem erweitert es seinen Warenkorb und sein Lösungsportfolio sowohl durch Zukauf von Leistungen aus Public Clouds als auch von innovativen Firmen wie Fintechs.

Zu Beginn des kommenden Jahres geht es mit der technologischen Konzeption der oben erwähnten Hybrid Cloud los, wobei sich die Auswahl geeigneter Public-Cloud-Partner auf ein rigoroses Governance-Framework stützt. Denn maximale Skalierbarkeit darf nicht auf Kosten der regulatorischen Konformität gehen. Im Sommer 2021 sollen die ersten externen Cloud-Partner mit ins Boot geholt werden - als erster großer Meilenstein auf dem langfristigen Pfad in Richtung einer hybriden Genossenschafts-Cloud "made in Germany".

Ergänzend zum Betriebsmodell Public Cloud setzt das Unternehmen als neuen Standard Cloud-native Technologie ein. Diese hat sich bereits in mehreren Anwendungsfeldern bewährt. Sie ist effizient und wendig, weil sie auf Infrastrukturebene schlank und ohne Sonderlocken aufgebaut ist und die ganze Intelligenz in den Anwendungen selbst steckt. Mit diesen unterschiedlichen Maßnahmen wird der Weg frei für omnikanalfähige, KI-gestützte und mit unterschiedlichen Partnern gemeinsam entwickelte Angebote jenseits des klassischen Bankings und in Richtung digitaler Ökosysteme.

Barrierefreier Zugang

Im ersten Moment klingen Schlagworte wie Kollaboration, sichere Netzanbindung oder frei skalierbare Cloud-Rechenleistung vielleicht nicht besonders revolutionär. Doch spätestens die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass funktionierende und sehr schnell skalierbare VPN-Anschlüsse für Videokommunikation sowie für ortsunabhängigen Anwendungszugang alles andere als eine Old-School-Thematik sind. Barrierefreies Arbeiten von allen Orten ist ein signifikanter Hebel, um Effizienzen im "daily business" zu heben.

Mehrwert für Genossenschaftsbanken erzielen

Die strategischen Weichenstellungen im vierten Handlungsfeld sehen daher die Schaffung einer medienbruchfreien digitalen Arbeitsumgebung vor: Der Digital Workplace bietet in Zukunft unabhängig von Ort und Zeit einen barrierefreien Zugang zu einem breiten Spektrum hochmoderner Kollaboration-Lösungen mit unterschiedlichsten Typen von Endgeräten. Das betrifft unter anderem Microsoft Office 365, Microsoft Teams sowie diverse andere Lösungen für digital persönliche Zusammenarbeit. All diese Lösungen stehen als Software-as-a-Service, also ohne zeitraubende und kostspielige Installation buchstäblich auf Zuruf zur Verfügung. Gezahlt wird nutzungsorientiert - es wird "gemietet statt gekauft".

Für Kunden der Fiducia & GAD heißt das: Die Nutzung hochaktueller Kollaborations-Innovationen erfordern künftig weder Vorabinvestitionen noch eine aufwendige Planung. Und wo immer sinnvoll, lassen sich Bausteine aus dem Digital-Workplace-Portfolio nahtlos in die Banking Services oder in die Interaktionsund Marktplattform integrieren - so zum Beispiel eine Click-to-Call-Funktion für jede beliebige App oder Videotelefonie für Bankkunden mit Bankmitarbeitern. Der digitale Arbeitsplatz wird aber auch ohne Bankverfahren nutzbar sein.

In der Umsetzungs-Roadmap für dieses Handlungsfeld stehen vor allem solche Realisierungspakete ganz oben, die sehr schnell einen spürbaren Mehrwert für Genossenschaftsbanken, für Partner im Verbund und darüber hinaus generieren. Die Designphase für den Digital-Workplace-as-a-Service beispielsweise startet schon in diesem Herbst.

Digital Work treibt zwangsläufig die Anforderungen an die zugrunde liegende Netzinfrastruktur in die Höhe, insbesondere im Hinblick auf flexible Lastverteilung. Deshalb bringt die Fiducia & GAD ein Projekt zur Netzwerkmodernisierung mit intelligentem Anwendungs-Routing auf den Weg. Dabei geht es in erster Linie um den Aufbau eines zentralen Netzwerkmanagements mit hochflexiblen Konfigurationsmöglichkeiten, inklusive Netzwerk-Dashboard für die Kunden.

Aufbau eines zentralen Portalzugangs

Als Schnittstelle zu allen Leistungen aus dem Infrastruktur- und Digital-Work-Portfolio dient künftig ein universelles Self-Service-Portal: Die Vorbereitungen zur reibungslosen Ablösung bestehender Shop- und E-Commerce-Lösungen sowie zum Aufbau eines zentralen Portalzugangs zu sämtlichen Services und Informationen sind zwischenzeitlich bereits angelaufen. Auch hierfür fällt der offizielle Startschuss zu Beginn des neuen Jahres. Damit Einher gehen weitere übergreifende Aufgaben wie nicht zuletzt die Bereitstellung eines einheitlichen Identitäts- und Zugriffsmanagements, das bisherige Barrieren überbrückt und jedem Kunden überall einen sicheren Portalzugang bietet.

Egal, ob Cloud-Server oder Collaboration-Tool: IT-Services jeder Art lassen sich in Zukunft ganz nach individuellem Bedarf in einem Warenkorb zusammenstellen und stehen quasi ad hoc den Nutzern zur Verfügung. Das Handlungsfeld "Infrastruktur und Digital Work" verdeutlicht stellvertretend für die vier anderen Handlungsfelder der Strategieagenda, dass die Fiducia & GAD alles, was mit IT zu tun hat, aus einem Blickwinkel heraus sieht - nämlich konsequent aus der Kundenperspektive.

Exkurs: Cloud-Technologie

Soll eine neue Anwendung im Markt verprobt werden, müssen Prototypen und erste marktgängige Muster schnell und unkompliziert herstellbar sein. Der Einsatz von Cloud-native Technologie ist hierzu ideal geeignet. Diese Technik ist durch fünf Prinzipien gekennzeichnet: Geteilte Ressourcen/Container als Vir tualisierungsebene, einfache Skalierbarkeit, Self-Service mit dynamischer Provisionierung, Unbegrenztheit (zu jeder Zeit und überall verfügbar) und Abrechnung je nach Nutzung.Aus diesem Grund setzt die Fiducia & GAD ganz klar auf diese Technologie. Sie ist plattformübergreifend einsetzbar - auf X86-Technologie und sogar auf dem Mainframe im eigenen Rechenzentrum sowie in der Public Cloud. Container sind zwischen diesen Umgebungen verschiebbar und sollen zum Beispiel dort laufen, wo sie entweder am günstigsten betrieben werden können oder am besten Zugang zu KI-Modulen oder anderen Zukaufprodukten herstellen. Container enthalten neben der eigentlichen Applikation auch alle dafür benötigten Betriebssystemkomponenten. Natürlich erfolgt die Aussteuerung der Container-Plattform nach Datenschutz- und regulationskonformen Prinzipien.Der Einsatz von Cloud-native Technologie setzt voraus, dass die Anwendung neben funktionalen Aspekten auch Skalierungs-, Kommunikations- und Sicherheitsaspekte abdeckt. Die zugrunde liegende Infrastruktur weiß sozusagen nichts von der Anwendungsstruktur und kann daher nach einem einheitlichen Standard ohne Sonderlocken aufgebaut werden. Der Einsatz von Cloud-native Technologie ist ein wesentlicher Hebel zur Effizienzsteigerung und zur Reduktion von "Time to Market".

Birgit Frohnhoff Mitglied des Vorstands, Fiducia & GAD IT AG, Karlsruhe/Münster
Birgit Frohnhoff , Mitglied des Vorstands, Fiducia & GAD IT AG, Karlsruhe/Münster
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