Institutsvergütungsverordnung - zahnloses Kontroll-Ungeheuer, Freifahrt für HR-Businesspartner

Prof. Dr. Günter Cisek Foto: G. Cisek

Die neue Vergütungsverordnung im Bankensektor verleiht der Personalabteilung unternehmensstrategisches Gewicht. Mit der Aufgabe als Kontrolleinheit sieht der Autor das gesamte Personalwesen spürbar aufgewertet. Als Herausforderung wertet er allein schon den Aufbau eines zentralen Leistungscontrollings mit termingerecht getroffenen Zielvereinbarungen und einer Implementierung dieser Aufgabe in der normalen Tagesarbeit. Die Zielvereinbarungen für die Mitarbeiter auf ihre Harmonie hinsichtlich der Zielpyramide des Gesamtunternehmens zu überprüfen und dabei zu gewährleisten, dass für gleiche Stellenniveaus auch vergleichbares Leistungsbemühen erreicht wird, hält er für höchst anspruchsvolle Aufgaben. (Red.)

Die Vergütungspraxis im Bankensektor war nach Meinung der Politiker schuld an der letzten Finanzkrise und deshalb hat man - getrieben von der EU/FSB - den Finanzinstituten mit der Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) größtenteils die Remunerationsautonomie entzogen. Statt die wirklich krisenverursachenden Finanzprodukte und -prozesse zu verbieten beziehungsweise aus der "Systemrelevanz" auszugliedern, fokussiert sich die Politik auf "Risk Taker".

Davon gab es 2012 laut EAB-Bericht am Bankplatz Luxembourg gerade mal 15 und in Deutschland 212 gemeldete Positionsinhaber. Dafür aber in London 2 714(!), die allerdings nach dem Brexit für die von der EBA vorgegebenen "Guidelines" irrelevant werden.

Vom Gehaltsverwalter zum Unternehmensstrategen

Wenngleich also der beabsichtigte aufsichtsrechtliche Nutzen der InstitutsvergV sehr infrage steht, bietet er der betrieblichen Personalwirtschaft unverhoffte Chancen auf bisher oft vergeblich angemahnte Wertschätzung. Natürlich sind Vergütungsbeauftragte und -kontrollausschüsse kostenträchtige und zeitaufwändige Aufsichtsblähungen, welche die nächste Finanzkrise nicht verhindern werden - oder hat etwa Basel I, II, III ... und das wuchernde Meldewesen der letzten Dekade die BaFin die Schieflage der betroffenen "systemrelevanten" Banken erkennen lassen? Sei's drum - für die betriebliche Personalwirtschaft mit ihrem bisher vergeblichen Streben als "Business Partner" ebnet die InstitutsVergV den Weg ins strategische Zentrum der Institute, auch wenn manchem davor grauen mag, dass nun mehrheitlich sozialwissenschaftlich "aufgeweichte" Gutmenschen und "Feel-good-Manager" des Personalwesens plötzlich die nachhaltige Erfolgssicherung mehrperiodischer Zielvereinbarungen beurteilen sollen.

Man mag sich freilich die Augen reiben, mit welcher Unbekümmertheit die InstitutsVergV die viel beschworene Unternehmensautonomie bis ins Detail beschneidet, aber für die betriebliche Personalwirtschaft räumt sie manches Hindernis aus dem Weg, ja verleiht ihr geradezu zwingend unternehmensstrategisches Gewicht, was sie bisher nur in seltenen Fällen erreicht hat. So hat sich nach § 4 der InstitutsVergV das Vergütungssystem an der Unternehmensstrategie des Institutes auszurichten.

Hiermit wird die Personalabteilung ganz unmittelbar zum Business-Partner, weil sie die Umsetzung der zumindest mittelfristigen Unternehmens- in eine adäquate Vergütungsstrategie zeitnah zu vollziehen hat. Darüber hinaus ist sie nach der Institutsvergütungsverordnung verantwortlich für die Einhaltung von Zielvereinbarungs- und Beurteilungsgesprächen sowie für die Tauglichkeit von Zielvereinbarungen.

Dies ist gleichbedeutend mit einer spürbaren Aufwertung des Personalwesens, wenn man bedenkt, welche Mühe man nach den Erfahrungen des Verfassers mancherorts hat, die Führungskräfte zu pünktlichen und qualifizierten Zielvereinbarungsgesprächen zu bewegen. Der Verweis auf die Gesetzeslage macht künftig jedes vorsichtige und oft vergebliche Mahnen wesentlich kraftvoller.

Empfehlungen für eine "verordnungsgerechte" Vergütungspraxis

Was alles zur variablen Vergütung gehört, beschreibt die InstitutsVergV und deren amtliche Auslegungshilfe so ausführlich und "alternativlos", dass hier nicht darauf einzugehen ist. Viel beklagt wurde vonseiten der Institute die Begrenzung der variablen Vergütung auf 100 Prozent des Festgehaltes (§ 5 Abs. 5 KWG). Aber wenn man berücksichtigt, dass dieser Prozentsatz mit Genehmigung der Anteilseigner auf 200 Prozent erhöht werden kann und der Betrag des mehrperiodischen Vergütungsanteils mit 25 Prozent diskontiert werden darf, muss man sich nur noch den Leverage-Effekt der Erhöhung des Grundgehaltes zunutze machen und die Deckelung der variablen Vergütung zerrinnt zu einem hypothetischen Problem.

Übrigens: Wie mit dieser "Bonus-Cap-Regelung" die Risikofreude der Investmentbanker gebremst werden soll, bleibt das Geheimnis der Legislative, denn wenn das Einkommen bereits über ein auskömmliches Grundgehalt abgesichert ist, kann man doch viel unbeschwerter Anlagenrisiken eingehen, als wenn die Einkommenssituation im Wesentlichen von einem Bonus abhängt.

Die personalwirtschaftliche Herausforderung liegt also nicht in der Volumenbegrenzung der variablen Vergütung, die bisher oft mit dem Zauberwort "discretional bonus" nach Gutsherrenart ausgeschüttet wurde, sondern in den minutiösen Vorschriften für die Berechnungssystematik. Bei der Ermittlung der ersten beiden Bestandteile, nämlich "Gesamterfolg des Institutes" und "Erfolgsbeitrag der Organisationseinheit" kann sich die Personalabteilung mit Verweis auf das Controlling der Verantwortung entziehen, aber beim dritten Element, dem "individuellen Erfolgsbeitrag" (§ 19 Abs. 2 InstitutsVergV) ist sie selbst gefordert.

Dass dieser variable Vergütungsanteil nun zwingend anhand von Zielvereinbarungen berechnet werden muss, wird für einen Teil der Institute nichts grundsätzlich Neues bedeuten. Aber laut Instituts-VergV muss der "Grad der Zielerreichung ermittelbar sein". Dieses Postulat mag manchen Personaler, dem die burschikose Leistungsbeurteilung mancher Führungskräfte schon lange ein Dorn im Auge war, mit Genugtuung erfüllen, aber er muss spätestens jetzt das entsprechende Instrument liefern, damit sich der Anspruch auch erfüllt.

Festlegung von messbaren Leistungsstufen

Viele Unternehmen behaupten, mit zielorientierten Leistungsbeurteilungssystemen zu arbeiten. Nur wenige aber vollziehen dabei den entscheidenden Schritt, die Jahresziele in Leistungsgrade zu skalieren, sodass am Ende der Leistungsperiode ein objektiver oder zumindest ein intersubjektiv nachvollziehbarer Bewertungsvorgang steht. Ziele sind relativ schnell gefunden. Die intellektuelle Herausforderung liegt aber in der Festlegung von messbaren Leistungsstufen.

Deshalb: Nachdem die Jahresziele ausgesucht sind, müssen sie also dergestalt in Leistungsnormen operationalisiert werden, dass sie der Skalierung eines Beurteilungssystems und der damit verbundenen vergütungstechnischen Umsetzung entsprechen. Wichtig ist bei einem solchen Normierungsprozess, dass die Normalleistung sorgfältig und wirklichkeitsnah, aber auch - wie es die Instituts-VergV verlangt - "ambitioniert" festgelegt wird. Strategisches Ziel muss es sein, dass möglichst viele Leistungsträger die Normalleistung erreichen. Nur so kann die Realisierung des unternehmensspezifischen Gesamtplanes nachhaltig garantiert werden.1)

Dass für die Kontrolleinheiten andere Zielparameter verwendet werden sollten wie für das "Frontoffice", versteht sich aus unternehmensstrategischer Sicht eigentlich von selbst, wird aber von der InstitutsVergV ausdrücklich auch vorgeschrieben (§ 5, Abs. 4).

Dass ein solch aufwendiger und strategisch herausfordernder Zielfindungs- und -beurteilungsprozess die Entgeltfindung versachlicht und transparent macht, mag sicher kaum jemand bestreiten. Aber die InstitutsVergV fordert fatalerweise zumindest für die "bedeutenden Institute", dass auch "schwerpunktmäßig qualitative Leistungskriterien heranzuziehen" sind und nennt als Beispiele "Wohlverhalten" oder "faire Kundenbehandlung" (siehe Auslegungshilfe der BaFin).

Der Verfasser ist zwar aus Erfahrung der Überzeugung, dass neben dem Zielerreichungsgrad auch die Beurteilung von Soft Skills das Leistungsbild abrunden sollte. Aber dass der sich äußerst wohlverhaltende, wenn auch wenig ertragsbringende Vertriebsdirektor, von dem alle Kunden schwärmen, besser vergütet werden soll als sein Kollege, der überdurchschnittliche Margen einfährt und dabei ein paar zu anspruchsvollen Kunden "auf die Füße treten" musste, hegt beim Verfasser Zweifel an der Sinnfälligkeit dieser Überbetonung solch diffuser qualitativer Kriterien, zumal hier für die Benotung dem Beurteiler mit all seiner Subjektivität der Willkür Tür und Tor offensteht.

Die Personalabteilung - Hüterin der Unternehmensstrategie

Die InstitutsVergV verlangt ausdrücklich, dass der Personalbereich als Kontrolleinheit überwacht, "ob die Zielvereinbarungs- und Zielerreichungsgespräche geführt worden sind und taugliche Zielsetzungen getroffen wurden" (siehe Auslegungshilfe InstitutsVergV der Ba-Fin). Man hätte eine solche Aufgabe eher im Controlling vermutet, aber diese Aufwertung des Personalbereiches sollte als Chance begriffen werden. Ein solches zentrales Leistungscontrolling hat zunächst darauf zu achten, dass die Zielvereinbarungen termingerecht getroffen werden, denn es besteht öfters die Neigung, diese intellektuell-strategisch herausfordernde Führungspflicht mit Geschäftstätigkeit in der Tagesarbeit zu verdrängen.

Wesentlichere Aufgabe ist es jedoch, die Zielvereinbarungen auf ihre Harmonie hinsichtlich der Zielpyramide des Gesamtunternehmens zu überprüfen. Des Weiteren ist das Anspruchsniveau der vereinbarten Ziele mit den damit zusammenhängenden Skalierungen unter die Lupe zu nehmen, damit gewährleistet ist, dass für gleiche Stellenniveaus auch vergleichbares Leistungsbemühen verlangt wird.

Selbst wenn diese schwierige Aufgabe der termingerechten und qualitätsgleichen Leistungsplanung gemeistert ist, besteht noch immer die Gefahr der ungerechten beziehungsweise ungleichen Leistungsbeurteilung durch die verschiedenen Vorgesetzten. Gerade schwache Vorgesetzte neigen dazu, tendenziell minderwertige Leistungsergebnisse auch noch besonders großzügig zu beurteilen.

Eine solche Schieflage zwischen den einzelnen Organisationseinheiten wäre ganz fatal für die Motivationswirkung ausgerechnet der Mitarbeiter, die unter der Führung besonders qualifizierter und anspruchsvoller Vorgesetzter Vorzügliches leisten, aber wegen des strengeren Beurteilungsmodus vergütungstechnisch benachteiligt werden.

Deshalb muss das Leistungscontrolling hinsichtlich dieser Gefahr zur schlichten statistischen Beurteilungskontrolle degenerieren und dafür Sorge tragen, dass in den verschiedenen Unternehmenseinheiten bei der Leistungsbeurteilung im Grundsatz eine Normalverteilung sichtbar wird. Die statistische "Minimalmasse" für die begründete Forderung nach Normalverteilung wären eigentlich 30 Mitarbeiter. Damit ist spätestens auf Abteilungsoder Bereichsleiter-Level die Gauss'sche Glockenkurve einzufordern. Aber bereits bei sehr viel weniger Mitarbeitern, die ein Vorgesetzter zu beurteilen hat, müsste er begründen, warum alle seine Mitarbeiter besonders schlechte beziehungsweise gute Leistungen erbringen.

Für den in der Praxis sehr seltenen Fall, dass jemand alle seine Mitarbeiter mit einem unterdurchschnittlichen Leistungsgrad beurteilt, stellt sich die Frage, ob er zu streng bewertet oder ob sein Führungsverhalten leistungshemmend wirkt, wenn er nicht gerade ein "Strafbatallion" führt, in das "Marginalanbieter" abgeschoben werden.

Umgekehrt wird von Vorgesetzten der mit hochkarätigen Mitarbeitern besetzten Organisationseinheiten der hohe durch schnittliche Leistungsgrad häufig damit begründet, dass sich in seiner Funktionsgruppe wegen der besonders anspruchsvollen Aufgaben eine ausgesuchte Arbeitselite versammle. Dabei übersieht er aber meist geflissentlich, dass der vergleichsweise überdurchschnittliche Qualifikationsgrad seiner Mitarbeiter bereits durch üppigere Festgehälter, die sich aus den höheren Stellenwerten ergeben, berücksichtigt wurde. Auf diesem hohen Niveau der Stellenanforderungen müsste sich deshalb eine ähnliche Leistungsdifferenz der einzelnen Mitarbeiter ergeben wie in anderen Einheiten.2)

Addition, nicht Multiplikation der Vergütungssegmente

Zu häufig sind dem Verfasser Regelungen begegnet, wonach das Unternehmensergebnis mit dem persönlichen Leistungsfaktor multipliziert wird, um daraus die variable Vergütung zu berechnen. Das mag für die erste Führungsebene noch angehen, weil hier ein unmittelbarer Einfluss auf das Betriebsergebnis anzunehmen ist. Für die nächsten Ebenen gilt dies nur im deutlich abnehmenden Maße. Dennoch verteidigt man diese motivationstechnisch absurde Regelung damit, dass man "einem nackten Mann ja nicht in die Tasche greifen könne" und wenn das Unternehmensergebnis schlecht ausfalle, könne man nicht auch noch hohe Boni auszahlen.

Dem war immer schon zu entgegnen: Wenn die vereinbarten Ziele übererfüllt wurden und das Unternehmensergebnis dennoch enttäuschend ausfällt, sollten nicht die Zielträger bestraft, sondern die Zielgeber ausgetauscht werden! Aber glücklicherweise macht die InstitutsVergV das Argument der Liquiditätsgefahr nunmehr obsolet, denn sie erlaubt die Auszahlung von Boni nur "unter der Bedingung, dass das Institut zum Zeitpunkt der Auszahlung über eine angemessene Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung sowie hinreichend Kapital zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit verfügt" (§ 5 InstitutsVergV).

Konsequenterweise empfiehlt sich spätestens hiermit, die Boni aus den drei Vergütungsdimensionen "Unternehmensergebnis", "Ergebnis Organisationseinheit" und "Individueller Beitrag" jeweils unabhängig voneinander zu berechnen und additiv auszuzahlen, damit Zielträger, die ihre Zielvereinbarungen erfüllt haben, nicht durch das von ihnen nicht zu beeinflussende, negative Unternehmensergebnis bestraft werden.

Amtlich verordneter Striptease

Selbstredend müssen die von der Vergütungsregelung Betroffenen darüber umfänglich informiert werden. Aber dass laut InstitutsVergV die vielleicht mühevoll und kreativ erarbeiteten, unternehmensspezifischen Vergütungsparameter und -regelungen auch noch einem thematisch unbedarften Außenstehenden (zum Beispiel Redakteuren) verständlich zu machen sind, damit er sie der Konkurrenz beziehungsweise der Neidgemeinde ausplärren kann, ist eine solche Zumutung, dass man sich wundern muss, warum sich dagegen nicht genügend zur Wehr gesetzt wurde.

Man darf gespannt sein, mit was die nächsten Adaptionen und "Verbesserungen" der InstitutsVergV verdutzen beziehungsweise bestürzen werden.

Fußnoten

1) Vergleiche Cisek, G., Die Knete macht's, 2011, S. 83 ff.

2) Vergleiche Cisek, G., Die Knete macht's, 2011, S. 99 ff.

Prof. Dr. Günter Cisek, Gesellschafter, Geschäftsführer, Cisek Management UG (haftungsbeschränkt), Würzburg
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