Passive Multi-Asset-Lösungen - auf Risikoprämien setzen

Abbildung 1: Systematische Aufteilung der Portfoliorendite in Faktoren Quelle: Deutsche Asset & Wealth Management

Simon Klein, Head of Sales ETP & Institutional Mandates EMEA & Asia, Deutsche Asset & Wealth Management (Deutsche AWM), Frankfurt am Main In unterschiedliche Anlageklassen und Anlagestrategien zu investieren und mit einem möglichst unkorrelierten Portfolio sowie kalkulierbarer Volatilität die Rendite zu maximieren, gilt als hohe Kunst der Multi-Asset-Strategien. Für den Autor bedeutet diese Ausrichtung keineswegs eine Hinwendung zu einem aktiven Fondsmanagement, sondern er gibt sich auf Basis theoretischer Erkenntnisse und neuerer empirischer Studien überzeugt, die vermuteten Risikoprämien auch passiv über geeignete ETFs abbilden zu können. (Red.)

Multi-Asset-Strategien sind bei Investoren beliebt. Es wird angenommen, dass dieser Ansatz als Schutzschild gegen das aktuelle Niedrigzinsumfeld fungieren kann. Grundgedanke der meisten Multi-Asset-Strategien ist die Diversifikation der Anlagen in unterschiedliche Assetklassen, um so langfristig nach Kosten und Inflation eine positive Rendite zu erzielen.

Diversifikation als Renditequelle

Seit der Finanzkrise hat sich das Umfeld für Kapitalanlagen nachhaltig verändert. Die historisch niedrigen Renditen stellen alle Investoren vor völlig neue Herausforderungen. Die zentrale Frage, die alle Anlageprofis umtreibt, ist, mit welchem Portfolio sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine hinreichende Rendite erzielen lässt - und zwar bei einem überschaubaren Risiko und möglichst geringen Volatilität. Denn mit sicheren Staatsanleihen einen auskömmlichen Zins für den Vermögenserhalt beziehungsweise -aufbau zu erwirtschaften, funktioniert nicht mehr.

Vor diesem Hintergrund setzen viele Investmentexperten auch auf Multi-Asset-Lösungen. Laut einer Studie von State Street aus dem Frühjahr 2014 stellt Multi-Asset für 67 Prozent der Befragten in den nächsten drei Jahren einen wichtigen Wachstumstreiber dar.1) Dabei umfasst Multi-Asset eine Bandbreite von unterschiedlichen Investmentansätzen. Allen gleich ist der Gedanke, aus den Vorteilen der Diversifikation eine zusätzliche Rendite zu erzielen beziehungsweise bei geringerem Risiko die gleiche Rendite zu erhalten. Um das zu erreichen, wird versucht, in eine Vielzahl von möglichst nicht oder wenig korrelierten Assetklassen zu investieren.2)

Diese Erkenntnis, aus der "Power of Diversification" einen Rendite- beziehungsweise Risikovorteil zu erzielen, ist nicht neu. Sie fußt auf der Markowitz'schen Portfoliotheorie, die über Jahrzehnte die Portfoliogestaltung mit traditionellen Aktien-Anleihe-Investments dominierte. Grundgedanke dabei ist, dass sich durch Streuung der Investments - und unter Annahmen zu den erwarteten Renditen, Volatilitäten und Korrelationen - das Risiko-Ertrags-Profil eines Portfolios gegenüber den einzelnen Anlagen verbessern lässt.3)

Markowitz-Modell mit Schwächen

Daraus entwickelte sich das klassische Mischfonds-60/40-Portfolio mit einem Anteil von 60 Prozent Aktien und 40 Prozent "sicheren" Staatsanleihen. Mathematisch korrekt berechnet, beträgt die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen historisch betrachtet seit 1900 im US-Markt nur 0,1.4) Allerdings zeigt die Entwicklung der letzten Jahre, dass die Korrelationen im historischen Vergleich höher geworden sind.5) Ergänzend dazu ermittelten die Wissenschaftler Roger Ibbotson und Paul Kaplan im Jahre 2000 anhand der Analyse von Publikums- und Pensionsfonds in den USA, dass über längere Zeiträume 93 Prozent der Erträge eines Fonds von der strategischen Asset Allocation abhängen. Nur sieben Prozent gingen demnach auf die Einzeltitelauswahl und das Market Timing zurück.6) Das heißt nichts anderes, als dass die Struktur des Portfolios einen viel größeren Einfluss auf die Performance hat als gemeinhin vermutet.

Eine Weiterentwicklung zum traditionellen Mischfonds-Ansatz bildete das Multi-Asset-Modell. Es ergänzt die Aktien-Anleihe-Mischung um Allokationen in weniger traditionellen und weniger liquiden Bereichen, um so ein breiter diversifiziertes, risikoärmeres und potenziell renditeträchtiges Depot aufzustellen. Diese Diversifizierung von Vermögen gilt bei einigen Asset Managern als der Grundstein für erfolgreiches Investieren. Prominente Vorbilder der Multi-Asset-Strategie sind Stiftungsfonds der US-Eliteuniversitäten Harvard, Yale und Stanford oder auch Staatsfonds, allen voran der norwegische Pensionsfonds.7) Vor allem die Stiftungsportfolios der US-amerikanischen Eliteuniversitäten erzielten, dank der breiten Streuung über mehrere historisch nicht beziehungsweise gering korrelierte Anlageklassen, insbesondere mit alternativen Assets wie Hedgefonds, Private Equity, Infrastruktur, Immobilien und Rohstoffen, über Jahre ansehnliche Renditen. Auch das Platzen der Technologieblase im Jahr 2000 konnten sie so relativ gut überstehen.8)

Doch mit der Finanzkrise 2008/2009 änderte sich auch dieses Bild. Denn spätestens dort wurde deutlich, dass die meisten alternativen Anlageklassen auch nicht resistent gegen systemische Liquiditätsschocks sind. Die Diversifizierung und die vermeintlich breitere Risikostreuung brachten nicht den gewünschten Erfolg. Nachweisbar stieg die Korrelation in der Finanzkrise zwischen alternativen Anlageklassen und dem weltweiten Aktienmarkt deutlich an. Von effizienter Risikostreuung kann in einem solchen Umfeld nicht mehr gesprochen werden.9)

Risikoprämien-Ansatz als Alternative für Multi-Asset

Das Ziel von Multi-Asset ist es, über die Asset Allocation eine effizientere Risikostreuung zu erreichen. Allerdings beruhen viele Asset-Allocation-Ansätze heute noch auf der These, dass sich die Portfoliorendite aus der Marktrendite - dem Beta - und dem Beitrag eines aktiven Managers, dem Alpha, zusammensetzt. Doch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen das sogenannte Mehrfaktor-Modell, das vor allem der US-Wissenschaftler und Ökonomie-Nobelpreisträger Eugene Fama vorangetrieben hat. Demnach gibt es nicht ein uniformes Markt-Beta. Vielmehr lässt es sich in verschiedene Einzelteile, sogenannte Faktoren, zerlegen, aus denen sich schließlich die Marktrendite zusammensetzt.

Klassische Variablen wie "Region" oder "Sektor" erklären demnach nur zum Teil die Überrendite. Erst die Betrachtung zusätzlicher Faktoren, wie zum Beispiel Value (unterbewertete Aktien), Low Beta (Aktien mit geringeren Kursschwankungen als der Gesamtmarkt) oder auch Momentum (Titel, die einen starken Trend aufweisen), ermöglichen eine weitergehende Erklärung der vorher als Alpha betrachteten Überrenditebestandteile. Diese Renditebeiträge, die sich prognosefrei aus den hier betrachteten Faktoren ergeben und keine explizite Managementleistung erfordern, werden als Risikoprämien bezeichnet. Um diese Renditebeiträge zu vereinnahmen, ist nach dem Mehrfaktor-Modell kein Market Timing erforderlich.10)

Das Mehrfaktor-Modell bedeutet in der Praxis, dass Anlageklassen vielmehr als Bündel aus Faktoren gesehen werden. Sie sind die Treiber für Anlageklassen-Rendite und damit zum größten Teil der Treiber für die Portfolio-Rendite.11)

Investoren sollten investierbare Aktienfaktoren daher als Schlüssel zu einem möglichst optimalen Portfolio und einem effektiven Risikomanagement sehen. Ziel ist, die Faktoren, die zum Risiko des Portfolios beitragen, zu identifizieren und die Streuung nicht nur über Anlageklassen, sondern auch über Faktoren vorzunehmen. Diese Erkenntnisse könnten ein neues Kapitel in der Asset Allocation einläuten: Denn damit lassen sich auch Renditen, die bisher dem Können eines aktiven Managers zugerechnet wurden, systematisch dem Einfluss bestimmter Faktoren zurechnen.12)

Wie schon beschrieben, kommen verschiedene Faktoren als Quelle für Risikoprämien infrage. Um sie konkret in einem Portfolio einzusetzen und langfristig zu nutzen, müssen sie nicht nur investierbar sein, sondern auch eine breit akzeptierte Historie vorweisen können. Als breit akzeptiert können in diesem Kontext die Risikofaktoren Value oder Momentum gelten.13)

Fama-Erkenntnisse im Reality-Check

Interessant ist nun allerdings die Frage, ob die auf diese Weise begründeten Faktoren bei möglichst höherer Rendite tatsächlich eine deutlich niedrigere Korrelation aufweisen als klassische Anlageklassen. In einem Report der Deutschen Bank "A New Asset Allocation Paradigm" haben Analysten der Equity Quantitative Strategy Group genau das berechnet. Sie untersuchten die Risikoprämien unter anderem der Faktoren Value und Momentum im Zeitraum von 1995 bis 2012. Dafür wählten sie einen Long/Short-Ansatz aus, um nur die Risikoprämie herauszufiltern, die über die Marktrendite hinausgeht.14)

Das Ergebnis ist eindeutig: Während die klassischen Anlageklassen Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Währungen eine hohe Korrelation zeigen, entwickeln sich die genannten Risikoprämien fast unabhängig voneinander.

Wie die Untersuchung von Fama und Kenneth French aus dem Jahr 1993 zeigt, lassen sich Renditen in Faktoren aufschlüsseln und damit durch systematische, transparente Regeln in investierbare Produkte übertragen.15) Entscheidend für Investoren ist es jedoch, die richtigen Märkte und Segmente auszuwählen und dabei die Risikoprämien am Markt kostengünstig und effizient einzusammeln.

Praktische Anwendung der Risikofaktoren

Es gibt gute Gründe dafür, einzelne Faktoren als börsengehandelte Indexfonds (Exchange Traded Funds, ETFs) abzubilden. Da die Faktoren systematisch nachgewiesen werden können, ist es möglich, breit gestreute Indizes zu konstruieren, die diese Faktoren regelbasiert abbilden. Über ETFs auf Basis der Faktor-Indizes ist es Investoren möglich, in die entsprechenden Risikoprämien zu investieren. Börsengehandelte Indexfonds bieten außerdem den Vorteil, dass sie im Vergleich zu anderen Anlagen eine geringe jährliche Pauschalgebühr aufweisen. ETFs werden zu den üblichen Börsenzeiten an der Börse gehandelt und bieten damit grundsätzlich eine hohe Flexibilität für Investoren.16)

Mittlerweile gibt es als Alternative zu Einzelfaktorprodukten auch Investmentlösungen, die den Ansatz, Risikoprämien zu optimieren, gebündelt umsetzen. Ein Beispiel dafür ist die - sogar sparplanfähige - Produktfamilie der Portfolio-ETFs. Die Produkte setzen den Gedanken der Risikofaktoren in einer Multi-Asset-Strategie um. Das systematische Sammeln von Renditechancen bei gleichzeitiger Risikominimierung soll dabei den langfristigen Vermögensaufbau sichern. Da die Portfolio-Strategie insgesamt als ETF investierbar ist, bleiben die für ETFs typischen Vorteile erhalten: ein hoher Grad an Transparenz, jederzeitige Handelbarkeit während der üblichen Börsenzeiten und Kosteneffizienz.

Die Strategie wurde vor sechs Jahren von Andreas Beck entwickelt, der auch Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau (IVA) in München ist. Die Entwicklung zeigt, dass die Portfolio-Strategie funktionieren kann: Seit Auflage Ende 2008 beträgt die Wertentwicklung des Portfolio-Total-Return 86,1 Prozent per 15. Dezember 2014.17) Allerdings kann keine Zusage getroffen werden, ob sich eine ähnliche Wertentwicklung auch in Zukunft erreichen lässt, da auch eine faktorbasierte Strategie von der Entwicklung des Gesamtmarkts abhängig ist. Im Schnitt hat der Aktienanteil in der Portfolio-Strategie 55 Prozent betragen, 45 Prozent waren in verschiedenen Anleihesegmenten investiert. Der Aktienanteil kann maximal 70 Prozent betragen. Die Strategie wird vierteljährlich angepasst.

Aussicht auf deutlich niedrigere Kosten

Zudem können vier weitere Anpassungen bei besonderen Marktanlässen vorgenommen werden. Die Kosten für diese Anpassungen sind in der jährlichen Pauschalgebühr (TER) bereits abgedeckt. Diese TER - gleichermaßen für professionelle und private Anleger - liegen bei 0,72 Prozent per annum. Zusätzlich fallen börsenübliche Handelskosten für den Kauf beziehungsweise Verkauf eines ETFs an.18) Neben der klassischen Diversifizierung über Regionen oder Investmentklassen wird also bei diesem Produkt zusätzlich über die Risikoprämien "Value" und "Quality" diversifiziert beziehungsweise investiert, um möglichst an zwei Renditetreibern für das Portfolio zu partizipieren. Die etwas defensiver ausgerichtete Investmentalternative ist der Portfolio Income ETF. Er verfügt über einen geringeren möglichen Aktienanteil von maximal 30 Prozent - bei einer jährlichen TER von 0,65 Prozent.19)

Die klassische, auf Anlageklassen aufgebaute Portfoliotheorie ist mit dem Mehrfaktor-Modell bedeutend weiterentwickelt worden. Eine Kombination von verschiedenen Faktoren im Aktien- wie auch Rentenmarkt kann die Chance auf eine breitere Risikostreuung und langfristig auf das Erzielen einer Risikoprämie über der Marktrendite bieten. Da solche Faktoren systematisch nachgewiesen werden können, lassen sie sich passiv über geeignete ETFs abbilden. Eine Multi-Asset-Strategie mit passiven Instrumenten, die auf Basis des Mehrfaktoren-Ansatzes anlegt, kombiniert die Vorteile dieser Vorgehensweise - oftmals zu deutlich günstigeren Kosten als klassische aktive Multi-Asset-Lösungen.20)

Fußnoten

1) http://www.statestreet.com/vision/assetmanagers/infographic/statestreet2014assetmanagerprelimsfinal.pdf, S. 4.

2) http://www.pionline.com/article/20141013/CUS-TOM_MEDIA/141019998/multi-asset-strategies/R

3) Markowitz, Harry M. (1952): Portfolio Selection, The Journal of Finance, Vol. 7, Nr. 1

4) "A New Asset Allocation Paradigm" von der Deutsche Bank Equity Quantitative Strategy Group, Juli 2012

5) "A New Asset Allocation Paradigm" von der Deutsche Bank Equity Quantitative Strategy Group, Juli 2012

6) The Importance of Asset Allocation, Roger G. Ibbotson, 2010, http://www.cfapubs.org/doi/pdf/10. 2469/faj.v66.n2.4 Asset Allocation Is King, Thomas M. Idzorek; 2010; http://www.ibbotson.com.au/Assets/Files/IBB-5-003%20Asset%20Allocation_1007.pdf

7) http://www.nbim.no/en/investments/

8) http://www.yale.edu/investments/Yale_Endowment_01.pdf

9) A.a.O. Deutsche Bank Research, "A New Asset Allocation Paradigm"

10) The Cross-Section on expected Stock Returns, Eugene F. Fama and Kenneth R. French, June 1992

11) The Cross-Section on expected Stock Returns, Eugene F. Fama and Kenneth R. French, June 1992

12) The Cross-Section on expected Stock Returns, Eugene F. Fama and Kenneth R. French, June 1992

13) Returns to Buying Winners and Selling Losers: "Implications for Stock Market Efficiency", Jegadeesh und Sheridan Titman, März 1993

14) A.a.O. Deutsche Bank Research, "A New Asset Allocation Paradigm"

15) Common Risk Factors in the returns of stocks and bonds; Journal of Financial Economics, Eugene F. Fama, Kenneth R. French, 1993 http://rady.ucsd.edu/faculty/directory/valkanov/pub/classes/mfe/docs/fama_french_jfe_1993.pdf

16) www.etf.deutscheawm.de

17) Quelle: www.portfolioetf.de

18) Quelle: www.portfolioetf.de

19) http://etf.deutscheawm.com/DEU/DEU/ETF/IE-00B3Y8D011/A1C1G8/Portfolio-Income-UCITS-ETF

20) http://www.portfolio-institutionell.de/newsdetails/article/multi-asset-einer-fuer-alles.html

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