Geldanlage

Nullzinsen und Volatilitätsspitzen - ein Entscheidungsdilemma

Dr. Thomas Metzner, Dozent BWL, Internationale Berufsakademie, F + U Unternehmensgruppe gGmbH, Heidelberg

Quelle: privat

Angesichts zunehmender Anomalien auf den Kapitalmärkten bietet die klassische Kapitalmarkttheorie kaum noch verlässliche Prognoseinstrumente. Deshalb ist der Autor der F rage nachgegangen, inwieweit die Disziplin der Behavioural Finance zur Entscheidungsunterstützung von Investoren beitragen kann. Das Ergebnis ist eher ernüchternd. Zwar werden die Theorien von der Praxis bestätigt, allerdings sind die daraus resultierenden plausiblen Verhaltensreaktionen teilweise widersprüchlich, sodass sich keine konkrete Entscheidungshilfe ableiten lässt. Als alleiniges Kursprognoseinstrument taugt die Behavioural-Finance-Theorie nicht. Für Investoren, die von kurzfristigen Marktanomalien profitieren möchten, könnten die Entscheidungsheuristiken durchaus hilfreich sein. Red.

Controlling-Abteilungen großer Unternehmen, die auch als Investoren auf den Kapitalmärkten aktiv sind, fällt es in der gegenwärtigen Marktsituation zunehmend schwer, Empfehlungen für renditestarke und dennoch risikobegrenzende Anlageentscheidungen abzugeben.

Die Leitzinsen in Deutschland und Europa bewegen sich aktuell auf einem historisch niedrigen Niveau. Um wirtschaftliche Entwicklung und Investitionen nach der Finanzkrise von 2007/08 anzukurbeln und zugleich die hohe staatliche Neukreditaufnahme finanzierbar zu machen, senkten die Zentralbanken in Europa und den USA die Basiszinsen, als sicheren Zins einer risikolosen Alternativanlage, von 5 Prozent 2009 auf aktuell um die 0 Prozent. Aufgrund der krisenbedingt hohen Verschuldung vieler Staaten fehlt nun allerdings der Spielraum für erneute Zinserhöhungen. Eine Zinssteigerung auf über 2 Prozent wäre für viele Volkswirtschaften nicht finanzierbar. Für Investoren hat dies zur Folge, dass sichere Kapitalinvestitionen beinahe keine Rendite, als Gesamterfolg der Kapitalanlage zu verstehen, mehr abwerfen.

Der lineare Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko ist obsolet

Es bleibt - im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten - der Ausweg in die risikoreiche Eigenkapitalinvestition: Der durch die klassische Kapitalmarkttheorie der sechziger Jahre postulierte lineare Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko erscheint allerdings in der gegenwärtigen Marktsituation obsolet.

Während die Untersuchungen von Jensen et al. für einen Datensatz von US-Aktien vor 1969 noch eine direkte, signifikante Beziehung zwischen dem Betafaktor und der Aktienrendite feststellen konnte, zeigt sich für Daten zwischen 1963 und 1990 bereits, dass dieser Zusammenhang keine Gültigkeit mehr hat. Dimson et al. (2010) ermitteln die Eigenkapitalprämien im Ländervergleich für die Jahre 1900 bis 2009 als arithmetisches Mittel. Für die Vereinigten Staaten ergibt sich für 2000 bis 2009 eine negative Eigenkapitalprämie von 7,4 Prozent. Die Jahre 2001/02 sowie 2008/09 beeinflussen auch das Ergebnis für längere Zeiträume signifikant negativ. Selbst globalisierte Portfolios können so durch Diversifikation nicht mehr hinreichend gegen Marktrisiken abgesichert werden.

Angesichts drohender Krisen und unter dem Eindruck weitreichender politischer Entscheidungen (zum Beispiel Brexit), handeln Anleger nicht, wie durch die klassische Kapitalmarkttheorie postuliert, rational, sondern zunehmend emotional und trendgerichtet. Die Volatilität von deutschen Aktien hat seit Anfang der 2000er Jahre signifikant zugenommen. Dies bestätigt die Kursentwicklung und die historische Volatilität, also die in der Vergangenheit gemessene Schwankungsbreite der Kurse aufgrund der Standardabweichung führender Aktienindizes für die Jahre 2005 bis 2016. Bohl et al. zeigen, dass auch die jüngsten Anstrengungen einer Finanzmarktregulierung nicht zur Reduktion von Herdenverhalten an den Finanzmärkten führen, sondern solche Bewegungen vor allem auf der Short-Seite eher angefacht haben. Rund 38 Prozent der institutionellen Anleger empfinden die aktuelle Steigerung der Aktienkursvolatilität als Bedrohung (Pellens & Schmidt, 2013, S. 68).

Die Behavioural-Finance-Theorie könnte für Investoren eine Lösung bieten, um Investmentstrategien in zunehmend riskanten und emotionalisierten Märkten zu entwickeln, denn sie erklärt Phänomene wie Selbstattribution, Overconfidence und Überreaktionen von Marktteilnehmern aufgrund psychologischer Beobachtungen und macht diese Phänomene somit nachvollziehbar und - wie zu diskutieren ist - möglicherweise prognostizierbar.

Beiträge der Behavioural-Finance- Theorie zur Investmententscheidung

Erklärungssysteme der Behavioural-Finance-Theorie für Kapitalmarktentwicklungen bauen auf fundamentalen psychologischen Erkenntnissen auf, die die Psychologen Tversky und Kahneman (1973 & 1975) seit den siebziger Jahren im Dialog mit Kapitalmarktforschern entwickeln. Die Ansätze weichen von der rationalen Entscheidungstheorie der Neoklassik ab, wonach Anleger unter Berücksichtigung des Grades ihrer Risikoaversion rational den Nutzen unter Kalkulation des damit verbunden Risikos maximieren. Sie zeigen dabei, dass dieser Entscheidungsprozess nicht immer so mechanistisch abläuft, sondern durch begrenzte Informationen, Emotionen und praktische Vereinfachungen begrenzt ist und manipuliert wird.

Menschen entscheiden nicht ausschließlich auf der Basis eines vollständigen Entscheidungsraumes, sondern aufgrund der Informationen, die ihnen gerade in den Sinn kommen (Verfügbarkeitsheuristik). Dabei werden Ereignisse gemäß ihrer wahrgenommenen Ähnlichkeit zu früher erlebten Ereignissen bewertet (Repräsentativität). Einzelne Erfahrungsanker, die jedoch nicht repräsentativ sind, werden für die Entscheidungsfindung herangezogen. Menschen entscheiden nicht aufgrund statistischer Wahrscheinlichkeiten, sondern aufgrund der Entscheidungsgewichte, die sie dem Eintreten von Ereignissen aufgrund ihres Wunschdenkens oder früheren Erlebens zuordnen (Prospekt Theorie). Hier kommt es auch auf den Rahmen an, in dem die Entscheidung situativ erfolgt (Framing).

Verlustpositionen werden zu lange gehalten

Aufgrund dieser psychologischen Reaktionsmöglichkeiten kommt es zu zwei gegenläufigen Handlungsphänomenen, welche Spekulationen und übertriebene Bewegungen an Börsen hervorbringen:

Zunächst neigen Menschen dazu, im Status quo zu verharren und bestehende Vorurteile aufrecht zu erhalten (Status quo bias). Sie zeigen bei Verlusten Angst davor, diese zu realisieren, und bleiben auch in aussichtlosen Marktsituationen zunächst in Investmentpositionen engagiert, die nur noch Verlustpotenzial bergen. Es zeigt sich folglich ein umgekehrtes Risikoverhalten der Art, dass in Verlustphasen die Risikofreudigkeit steigt und in Gewinnphasen das Verhalten eher als risikoavers einzustufen ist.

Der Endowment-Effekt postuliert, dass Menschen ein Gut wertvoller einschätzen, wenn sie es besitzen, als wenn es ihnen noch nicht gehört. Anleger realisieren mögliche moderate Gewinne nicht, sondern spekulieren auf immer höhere. Übertriebenes Vertrauen in den Markt und Optimismus führen dazu, dass bestehende Positionen gehalten und immer neue Spekulationen eingegangen werden. Gemäß der Theorie der kognitiven Dissonanz erfolgen strategische Verhaltensänderungen, um eine einmal getätigte Investitionsentscheidung zu rechtfertigen. Menschen halten sich also nicht an vorher selbst festgelegte Regeln.

Umgekehrt reagieren Menschen allerdings auf unerwartete und dramatische Ereignisse, wie beispielsweise Aktienkurseinbrüche, systematisch über. Sie neigen dazu, Gewinne mitzunehmen und Verlustpositionen so lange zu halten, bis ein Totalverlust droht (Disposition-Effekt) und dann, wenn äußere Einflüsse als dramatisch wahrgenommen werden, schlagartig zu verkaufen. Das Problem liegt folglich darin, den Zeitpunkt für einen rechtzeitigen Ausstieg zu finden.

Herdenverhalten verstärkt Kursausschläge

Die Cumulative-Prospect-Theory beobachtet, dass Menschen nicht nur ihre eigenen Entscheidungsgewichte einer Handlung zugrunde legen, sondern die Entscheidungsgewichte einer Mehrheit von Personen in ähnlichen Situationen übernehmen.

Hieraus erklärt sich Herdenverhalten und das Aufschwingen zunächst ausgewogener Marktsituationen: Momentum-Effekte, also vergangene Kursbewegungsintensität, bewirken, dass immer höhere Kursausschläge nach oben oder unten entstehen. Kommen außerordentliche Nachrichten hinzu, resultieren Panikreaktionen an den Börsen (Shiller, 1999). Aufschwünge tendieren dazu, sich selbst zu verstärken und Kursspitzen hervorzurufen, während auch Einbrüche schlagartig und mit übertriebener Heftigkeit erfolgen.

Durch die empirische Investmentforschung bestätigt

Diese theoretischen Erkenntnisse wurden in der empirischen Investmentforschung immer wieder bestätigt und erfolgreich eingesetzt, um die Kapitalmarktentwicklung zu analysieren. Die Psychologie der Marktteilnehmer könnte so genutzt werden, um Überrenditen zu erzielen. Verfügbare Untersuchungen basieren allerdings auf verschiedenartigen Erwägungen:

Wenn Herdenverhalten der Rationalität widerspricht, kann es - so wird argumentiert - langfristig nicht erfolgreich sein. So finden sich zahlreiche Belege für den Erfolg von antizyklischem Verhalten, das der Massenmeinung entgegenläuft. Denn langfristig zeigt sich vielfach, dass Trends, die nur aufgrund von psychologischen Effekten entstehen, brechen und die Kurse zum inneren Wert der Unternehmen zurückkehren.

Lakonishok et al. (1994) zeigen, dass Value Investing, also der Erwerb von Aktien mit hohem fundamentalem Wert und relativ niedrigem Kurswert, häufig Überrenditen verspricht, weil Value-Strategien nicht das suboptimale, herdengerichtete Verhalten der Masse der Marktteilnehmer nach ahmen. Dies bestätigt das Fama-French-Modell: Demnach schneiden Value Aktien in internationalen Portfolios und für den US-Markt insgesamt profitabler ab als Wachstumsaktien (Fama & French, 2006). Das Fama-French-Modell kommt zu einer verlässlicheren Rendite-Prognose als das neoklassische CAPM, das nur das Risiko gemäß der neoklassischen Kapitalmarkttheorie berücksichtigt (Ang et al., 2009).

Momentum-Strategien zahlen sich aus

Einige Studien finden jedoch auch Belege für den Erfolg von Investitionsverhalten, das dem Herdenverhalten der Masse der Anleger entspricht. So kann es profitabel sein, der Marktentwicklung zu folgen, da sich Kurse in der Regel zumindest temporär in der Richtung bewegen, die der Auffassung der Masse der Anleger entspricht: Grinblatt et al. (1995) kommen aufgrund einer Analyse des Investitionsverhaltens von Investmentfonds zu dem Ergebnis, dass 77 Prozent der Fonds sich marktkonform verhalten und dabei Momentum-Strategien nutzen. Die Wahl einer Momentum-Strategie ist dabei auch positiv korreliert zur Performance des Fonds. Momentum-Strategien zahlen sich folglich aus.

Auch Carhart (1997) schlägt eine Erweiterung des Fama-French-Modells um einen Momentum-Faktor vor, welcher auf Monatsbasis die Tendenz einer Aktie abbildet. Durch den Carhart-Momentum Faktor kann das Basismodell von Fama und French in seiner Prognosekraft verbessert werden. Die Wahl von Aktien mit hohem Momentum in den Vormonaten verspricht eine um acht Prozent höhere Rendite als die Wahl des Portfolios mit den niedrigsten Momentum-Faktoren. In ihren jüngsten Untersuchungen beziehen auch Fama & French (2016) den Carhart-Momentum-Faktor in ihre Modellbildung erfolgreich ein.

Auch im Bereich der Corporate Finance - einer Disziplin, die die Wirkung von unternehmensinternen Ereignissen auf die Aktienrendite untersucht - finden sich die Hypothesen der Behavioral-Finance-Theorie in verschiedener Weise bestätigt:

- So reagieren Aktienkurse auf außerordentliche Unternehmensereignisse korrespondierend mit dem Disposition-Effect und der Cumulative-Prospect-Theorie häufig stärker als dies durch rein fundamentale Wertveränderung gerechtfertigt erscheint.

- Bei Börsengängen wirken sich die Erwartungen der Anleger auf die initiale Rendite des Ventures aus: Alimov & Mikkelson (2009) und Purnanandam & Swaminathan (2004) beobachteten, dass es im unmittelbaren Umfeld einer Neuemission zunächst zu einer Überbewertung auf dem Aktienmarkt kommt, die zwischen 5 und 65 Prozent des Wertes liegt. Ritter & Welch (2002) vermuten, dass spekulative Einflüsse zum Emissionszeitpunkt zu kurzfristigen Kursübertreibungen führen können. Die Unterstützung durch einen Venture-Capital-Fonds trägt zu einer noch höheren Kursbewertung bei als der eigenständige Börsengang eines Unternehmens, da Investoren auf die Expertise der Investmentgesellschaft vertrauen und somit dieser dominanten Meinung folgen.

Wechsel in der Führungsetage von Unternehmen häufig überbewertet

Auch Wechsel in der Führungsetage des Unternehmens werden häufig dramatisch überbewertet: Die Ankündigung eines CEO-Wechsels führt zu negativen Kursausschlägen. Vor allem, wenn bereits in der Vergangenheit CEOs überdurchschnittlich häufig gewechselt haben, reagieren Anleger verunsichert. Auch Leveraged Buyouts erregen die Gemüter der Investoren: Außergewöhnliche Renditen vor der Übernahme weichen im Wesentlichen nach oben und nach der Übernahme tendenziell nach unten ab.

Allerdings kehren Aktienkurse bereits binnen relativ kurzer Zeit nach dem durch außerordentliche Ereignisse bedingten Ausschlag wieder auf ihr ursprüngliches Niveau zurück. Dies kann durchaus als Beleg der Regression zur Mitte, gemäß dem Fama-French-Modell, gewertet werden. Bei Buy-und-Hold-Strategien, die kurzfristige Renditeänderungen vernachlässigen, wirken sie sich somit nicht aus. Damit bestätigen sie wiederum den Endowment-Effekt und die Theorie der kognitiven Dissonanz.

Für Börsengänge beispielsweise zeigen etwa Wu & Kwok (2007), dass Emissionen binnen drei Jahren nach ursprünglicher Überrendite gegenüber dem Gesamtmarkt eher enttäuschen. Auch nach CEO-Wechseln kommt es im Folgejahr häufig zu einer Verstetigung der Kurse gemessen am Zeitraum vor dem Wechsel. Abnorme Renditen nach strategischen Unternehmensverkäufen nivellieren sich mittelfristig wieder aus, sodass eine U-förmige Kursbewegung entsteht.

Dieser kurze Literaturüberblick zu verschiedenen Kapitalmarktsituationen zeigt, dass sich für alle Beobachtungen der Behavioural-Finance-Theorie Belege finden lassen. Dies gilt sowohl für die Vermutung der Trägheit und Beharrlichkeit von Anlegern als auch für die Vermutung von Überreaktionen auf außerordentliche Informationen und die Verstärkung von Markttrends durch Herdenverhalten. Teilweise können die Ansätze der Behavioural-Finance-Theorie so auch für die Prognose der Kursentwicklung genutzt werden.

Behavioural-Finance-Theorie liefert keine konkrete Entscheidungshilfe

Aufgrund des Reviews wird jedoch auch deutlich, dass aufgrund der Behavioural- Finance-Theorie plausibel erscheinende Verhaltensreaktionen des Kapitalmarktes teilweise widersprüchlich sind.

- So können Anleger sowohl aus der Nutzung von psychologisch bedingten Kursmustern als auch durch die Ignoranz von psychologischen Effekten profitieren.

- Trendgerichtete Strategien, die beispielsweise den Momentum-Indikator berücksichtigen, können grundsätzlich ebenso erfolgreich sein wie Value Investing nach den grundlegenden Regeln des Fama-French Basis-Modells.

- Anleger können kurzfristig Kursanomalien, die Börsengänge, Mergers & Acquisitions oder Führungswechsel mit sich bringen, nutzen, sie können diese bei langfristiger Orientierung jedoch auch aussitzen und lediglich den fundamentalen und rationalen Wert des Unternehmens berücksichtigen.

Eine konkrete Entscheidungsgrundlage bietet die Behavioural-Finance-Theorie somit nicht.

So ist das Theoriegerüst der Behavioural Finance nicht konkludent. Aufgrund der vielfältigen möglichen psychologischen Reaktionen der Marktteilnehmer können sich Widersprüche ergeben, durch die verschiedenartige Kursreaktionen möglich sind. Beispielsweise könnte korrespondierend zum Status quo bias und dem Endowment-Effekt eine bestehende Kursentwicklung Bestand haben. Durch das Hinzukommen einer neuen Nachricht könnte jedoch auch kurzfristig eine Trendwende ausgelöst werden, die ein panikartiges inverses Anlegerverhalten hervorbringt.

Da Märkte nicht immer informationseffizient sind (beispielsweise aufgrund von Insider-Informationen), ist es Anlegern, auch dann, wenn sie die richtigen Schlüsse aus der Behavioural-Finance-Theorie ziehen, unter Umständen nicht möglich, rechtzeitig zu reagieren und das Investment glatt zu stellen oder antizyklisch einzusteigen.

Praktische Aussagekraft für die Kursprognose steht noch aus

An bisherigen Untersuchungen zu Einflussfaktoren auf die Kursentwicklung ist zudem zu kritisieren, dass sie in der Regel in die Vergangenheit gerichtet sind. Ein Out-of-Sample-Test, also die Prognose einer zukünftigen Kursentwicklung anhand von Daten der Vergangenheit mittels Behavioural-Finance-Methoden ist durch keine der zitierten Untersuchungen erfolgt. Die praktische Aussagekraft der Behavioural Finance für die Kursprognose steht somit aus. In der Praxis unterliegen alle Investoren den psychologischen Gesetzmäßigkeiten der Behavioural Finance und es ist daher nicht möglich, deterministisch vorherzusagen, wie sich Anleger in Kenntnis der Theorie bei ihren Prognosen orientieren werden.

Die Verwendung der Behavioural-Finance-Theorie als alleiniges Kursprognoseinstrument ist somit nicht zuverlässig. Wie das Fama-French-Modell und seine Erweiterung um den Momentum-Faktor zeigt, werden die Märkte teilweise durch psychologische Aspekte gesteuert, orientieren sich langfristig jedoch auch an fundamentalen Faktoren und die Kurse kehren teilweise zu einem inneren Wert zurück. Damit könnte die Behavioural-Finance-Theorie vor allem für Investoren geeignet sein, die von kurzfristigen Marktanomalien profitieren möchten und beispielsweise hohe Informationseffizienz oder Insiderwissen nutzen möchten, um auf außergewöhnliche Ereignisse (Unternehmenstransaktionen, Führungswechsel) zu reagieren. Für diese Anlegergruppe können die von Kahneman und Tversky (1973 bis 1992) entwickelten Entscheidungsheuristiken in Verbindung mit empirischen Ergebnissen zu bisherigen Kursreaktionen auf ähnliche Ereignisse hilfreich sein.

Anleger, die an langfristigen fundamentalen Wertentwicklungen interessiert sind, könnten die isolierten Ergebnisse der Behavioural-Finance-Theorie jedoch auch verleiten, wenig durchdacht und eben herdengesteuert zu reagieren, wobei das eigentliche Investitionsziel einer langfristigen fundamentalen Wertentwicklung vernachlässigt wird. Hier empfiehlt sich im Sinne der erweiterten Fama-French-Modelle, beide Einflussfaktoren - psychologische Trends und inneren Wert einer Anlage - rational abzuwägen, ohne selbst zum Spielball psychologischer Triebe zu werden.

Literaturverzeichnis

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Carhart, M. (1997). On persistence in mutual fund performance. The Journal of finance, 52(1), 57-82.

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Zum Autor Dr. Thomas Metzner, Internationale Berufsakademie der F+U Unternehmensgruppe GmbH, Heidelberg
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