Wirtschaftsnobelpreis

Fama und Shiller - keine Antipoden

Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 2013 geht an drei Ökonomen, deren Arbeit unsere Sichtweise nicht nur der Preisgestaltung auf Aktienmärkten, sondern weit allgemeiner: unser heutiges Denken über das Funktionieren von Marktwirtschaft überhaupt geprägt hat. Mit gutem Recht kann man sagen, dass der diesjährige Preis für die grundlegende Vermessung der Vermögensmärkte unserer Gesellschaft vergeben worden ist.

Vermögensmärkte - also die Märkte für Aktien, Hypotheken, Anleihen - sind der Ort, an denen sich unternehmerische und wirtschaftspolitische Entscheidungen für den einzelnen Bürger bemerkbar machen: an der Veränderung seines privaten Vermögens, das beispielsweise in der Form von Aktien, Fondsanteilen oder Immobilien gehalten wird. Eugene Fama und Robert Shiller verbindet dabei eine Leidenschaft für eine inhaltliche Charakterisierung der Marktpreisbildung. Weil ihre Kennzeichnung so unterschiedlich ist - Fama ist der Begründer der Markteffizienzthese, Shiller dagegen findet in den gleichen Preisen irrationalen Überschwang (irrational exuberance) - werden sie gerne als Antagonisten, als unmögliches Paar beschrieben. Der dritte Laureat, Lars Peter Hansen, hat nicht weniger fundamentale Beiträge zur Technik der Messung von Preisbewegungen auf Börsenmärkten geleistet. Da er sich jedoch weniger für die inhaltliche Interpretation und mehr für die ökonometrische Messung interessiert hat, wurde ihm in der Diskussion des diesjährigen Preises etwas weniger Aufmerksamkeit zuteil.

Stattdessen wurde vielfach die Meinung vertreten, dass Fama und Shiller als Antipoden in der wirtschaftswissenschaftlichen Debatte zu sehen sind. Hinter dieser Charakterisierung steht die Vorstellung, dass Fama mit seiner These einer vollständigen Verarbeitung verfügbarer Informationen auf Börsenmärkten eine natürliche Gegenposition einnimmt zu Shiller. Dieser hat in langen Preiszeitreihen Abweichungen von einer fundamental begründbaren Bewertung finden können, bei denen es nicht zu einer schnellen Korrektur der Über- oder Unterbewertung gekommen ist. Stattdessen können solche Abweichungen über längere Zeiten fortbestehen, so Shiller, und führen damit zu Preisblasen, deren oft abruptes Ende uns als Auslöser größerer Krisen begegnet. Wie beispielsweise der Beginn der Finanzkrise 2007, als die Hauspreise in Teilen der USA einbrachen und zahlreiche Schuldner, Banken und andere Investoren weltweit in die Zahlungsunfähigkeit trieben.

Shiller stützt sich bei seiner Diagnose überhöhter Hauspreise auf eine Reihe von ihm selbst erstellter Hauspreisindizes, die eine langfristige, differenzierte Betrachtung von Hauspreisen überhaupt erst möglich gemacht haben. Während die meisten Ökonomen sich immer schwer tun, Preisblasen - also Differenzen zwischen beobachtetem Marktpreis und zugrunde liegendem Fundamentalwert - zu diagnostizieren, ist dies Shiller immer leicht gefallen. Schon zu Beginn seiner Karriere hat er zu zeigen versucht, dass die beobachtbaren Preisbewegungen auf Aktienbörsen sich nicht mit einer damals unter Makroökonomen beliebten Bewertungstheorie erklären lassen: Preise seien zu volatil, um theoriekonform und also rational zu sein. Auch Fama hat sich vielfach zu der Existenz von Preisblasen geäußert - er kommt aber zu einem ganz anderen Ergebnis. Fama führte 1970 den Begriff der Markteffizienz in die Literatur ein und entwickelte ein noch heute anerkanntes Messkonzept. Der Wettbewerb unter den Investoren an den Börsen, so Fama, führt zu einer schnellen Verarbeitung der zu einem Zeitpunkt verfügbaren Informationen. Je nach Verfügbarkeit der Informationen und Geschwindigkeit ihrer Verarbeitung in den Preisen lässt sich daher mit Famas Konzept der Effizienzgrad der Märkte messen.

Auf der wissenschaftlichen Ebene besteht keine wirkliche Differenz zwischen Fama und Shiller - der eine (Fama) entwickelt eine Messtechnik, der andere (Shiller) baut auf dieser Technik auf und wendet sie auf eine eigene Theorie von Fundamentalwerten an. Fama dagegen verwendet keine Fundamentaltheorie, sondern bewertet theoriefrei und allein aus der Datenhistorie heraus unter Verwendung seines gemeinsam mit Kenneth French entwickelten Faktorenmodells. Fazit: Fama und Shiller trennt nicht die Frage der Gültigkeit der Effizienzmarkthypothese (beide glauben daran), sondern die Frage der Existenz eines theoretisch begründbaren Fundamentalwerts (nur Shiller glaubt daran).

Wem diese schon fast philosophische Unterscheidung nicht bedeutsam genug erscheint, sei darauf hingewiesen, dass beide Wissenschaftler eine ausgeprägte Schulenbildung in der Disziplin hervorgerufen haben. Darüber hinaus haben wiederum beide in vielfältiger Weise an der Umsetzung ihrer Erkenntnisse für unseren Alltag mitgewirkt. Das a-theoretische Faktorenmodell von Fama (und French) dominiert heute in zahlreichen Varianten die Tagesarbeit von Fondsmanagern, Investmentbankern und Vermögensberatern in der ganzen Welt - auch in der Sparkasse nebenan. Fama selbst hat mit einem in jungen Jahren von ihm gegründeten und seither betreuten CRSP-Datenzentrum an der Universität Chicago die Basis für den ganz überwiegenden Teil aller empirischen Arbeiten gelegt, die in den vergangenen 40 Jahren in der Finanzmarktforschung entstanden sind.

Ebenso hat Shiller dafür gesorgt, dass eine Datenbasis entsteht, mit deren Hilfe Immobilieninvestitionen als wichtigster Bestandteil der Vermögen von Haushalten überhaupt erst in die Forschung und in der Folge auch in die Vermögensplanung und das Portfoliomanagement Einzug halten konnten. Mit dem Nobelpreis 2013 feiern wir im besten Sinne Säulenheilige der Kapitalmarktforschung, die in den Jahren 2005 und 2009 bereits in Frankfurt mit dem Deutsche Bank Prize in Financial Economics ausgezeichnet worden waren.

Ausgewählte Literatur

Fama, E. F. (1965), "The Behavior of Stock-Market Prices", The Journal of Business, 38, 1, pp. 34-105

Fama, E. F. (1970), "Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work", The Journal of Finance, 25, pp. 383-417

Fama, E. F. und French, K. R. (1993), "Common Risk Factors in the Returns on Stocks and Bonds", Journal of Financial Economics, 33, pp. 3-56

Shiller, R. J. (1981), "Do Stock Prices Move Too Much to Be Justified by Subsequent Changes in Dividends?", The American Economic Review, 71, 3, pp. 421-436

Case, K. E. und Shiller, R. J. (1989), "The Efficiency of the Market for Single-Family Homes", The American Economic Review, 79, 1, pp. 125-137

Shiller, R. J. (2005), "Irrational Exuberance", 2nd ed., Princeton: Princeton University Press

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