Reform der Investmentbesteuerung: Vereinfachung oder Verschärfung?

Julius Hirtz, Rechtsanwalt, CMS Hasche Sigle, Frankfurt am Main - Als Reaktion auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes plant der deutsche Gesetzgeber noch vor der Sommerpause die Verabschiedung einer Reform der Investmentbesteuerung. Die vorgesehenen Änderungen dürften dann ab 2018 gelten. Bei der Konstruktion der neuen Besteuerung werden Bundestag und Bundesrat voraussichtlich auf Pauschalierungen abstellen. Diese führen nach Meinung des Autors tatsächlich zu Vereinfachungen des Systems. Im Einzelfall können sie jedoch auch steuerliche Mehrbelastungen zur Folge haben. Für den Fondsstandort Deutschland könnten sich in seinen Augen insbesondere die Steuerpflicht auf Fondsebene und die Vorabpauschale als nachteilig herausstellen. Die Tatsache, dass künftig zwei verschiedene Besteuerungssysteme im Bereich der offenen Fonds parallel bestehen, führt jedoch keineswegs zu einer Verringerung der Komplexität. (Red.)

Mit einer grundlegenden Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz) will der Gesetzgeber die Besteuerung von Investmentfonds vereinfachen. Ob dieses Ziel tatsächlich erreicht wird oder ob die Reform vielmehr zu einer steuerlichen Mehrbelastung der Anleger führt, ist umstritten. Die neuen Regelungen sollen ab dem 1. Januar 2018 gelten.

Die anstehende Reform der Investmentbesteuerung ist grundlegend und führt - nur eineinhalb Jahre nach der letzten größeren Reform durch das AIFM-Steueranpassungsgesetz - zu gravierenden Änderungen in der Besteuerung von Investmentfonds. Wesentliche Neuerung des Gesetzentwurfs ist die Abschaffung des bisher geltenden Grundprinzips der "transparenten" Besteuerung von Investmentfonds, wonach in- und ausländische Investmentfonds grundsätzlich steuerbefreit sind und eine Besteuerung nur auf Ebene der Anleger stattfindet, und die Einführung eines "intransparenten" Besteuerungssystems für Investmentfonds.

Eigenständige Besteuerung in- und ausländischer Investmentfonds

Inländische und ausländische Investmentfonds werden künftig der Körperschaftsteuer unterliegen, soweit sie inländische Dividenden, inländische Immobilienerträge oder sonstige inländische Einkünfte erzielen. Unterliegen die Einkünfte, wie inländische Dividenden, einem Steuerabzug, beträgt die Kapitalertragsteuer 15 Prozent. Soweit steuerbegünstigte Anleger, wie gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Anleger, beteiligt sind oder die Anteile im Rahmen von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen, wie den "Riester"- oder "Rürup"-Verträgen, gehalten werden, wird bei entsprechendem Nachweis eine Steuerbefreiung gewährt. Inländische Immobilienerträge sind zudem steuerbefreit, soweit Pensions- und Unterstützungskassen beteiligt sind.

Diese Regelung ist eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und soll vor allem europarechtliche Risiken vermeiden, die aus der Schlechterstellung ausländischer Fonds im Vergleich zu inländischen Fonds resultieren. Denn während inländische Fonds derzeit umfassend steuerbefreit sind, unterliegen ausländische Fonds mit inländischen Einnahmen in Deutschland einer Besteuerung. Zukünftig sollen auf Fondsebene zudem Gewinne aus der Veräußerung von in Deutschland belegenen Immobilien auch nach Ablauf der zehnjährigen Haltefrist steuerpflichtig sein. Dies stellt eine Verschärfung der Besteuerung gegenüber den derzeitigen Regelungen und jedenfalls aus Sicht von Privatanlegern eine Schlechterstellung gegenüber der Direktanlage dar.

Vorabpauschale ersetzt ausschüttungsgleiche Erträge

Während die Einführung einer eigenständigen Besteuerung auf Fondsebene zunächst zu Mehraufwand führen dürfte, soll die damit einhergehende Abschaffung der komplexen und administrativ aufwendigen Besteuerung der sogenannten ausschüttungsgleichen Erträge zu einer Vereinfachung führen. Bisher mussten Anleger neben den tatsächlichen Ausschüttungen und Gewinnen aus der Veräußerung oder Rückgabe von Fondsanteilen auch die laufenden und außerordentlichen vom Fonds thesaurierten Erträge (vor allem Zins-, Dividenden- und Mieterträge) versteuern. Da mit den ausschüttungsgleichen Erträgen auch die sehr aufwendigen und umfangreichen steuerlichen Bekanntmachungspflichten für Publikumsfonds wegfallen, dürfte dies tatsächlich zu einer Vereinfachung für Anleger und Fondsgesellschaften führen.

Allerdings fallen die ausschüttungsgleichen Erträge nicht ersatzlos weg, da der Gesetzgeber auch zukünftig eine unbegrenzte Steuerstundungsmöglichkeit bei thesaurierenden Fonds und damit eine Besserstellung der Fondsanlage im Vergleich zur Direktanlage verhindern will. Anleger sollen künftig während der Haltedauer die nicht ausgeschütteten, thesaurierten Erträge pauschaliert in Form einer Vorabpauschale versteuern. Diese pauschale Bemessungsgrundlage soll der Höhe nach einer risikolosen Marktverzinsung entsprechen und wird zu diesem Zwecke anhand des Basiszinssatzes berechnet, der jährlich vom Bundesministerium der Finanzen neu festgelegt und veröffentlicht wird. Bei dem derzeit geltenden Basiszins von 1,10 Prozent wäre derzeit eine Vorabpauschale in Höhe von 0,77 Prozent des Anteilswertes zu versteuern.

Im Einzelfall kann die Vorabpauschale jedoch niedriger sein oder gänzlich entfallen. Denn tatsächliche Ausschüttungen mindern die Vorabpauschale gegebenenfalls bis auf Null, zum Beispiel bei voll ausschüttenden Fonds. Um Substanzbesteuerungen, insbesondere bei Geldmarktfonds, zu vermeiden, ist die Vorabpauschale zudem auf den tatsächlichen Wertzuwachs im Kalenderjahr beschränkt. Keine Vorabpauschalen sind anzusetzen, wenn die Fondsanteile im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge nach dem Betriebsrentengesetz gehalten werden, sodass neben Pensionsfonds, Pensionskassen und Unterstützungskassen auch Fondsanteile, die von einem Arbeitgeber zur Abdeckung von Verpflichtungen aus einer Direktzusage (zum Beispiel CTA-Struktur) gehalten werden, hiervon profitieren. Die Steuerbefreiungen der § 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG finden grundsätzlich keine Anwendung.

Teilfreistellungen bestimmter Erträge

Um eine Mehrbelastung der Anleger durch die eigenständige Besteuerung auf Fondsebene zu kompensieren und eine doppelte Besteuerung jeweils auf Fonds- und Anlegerebene zu vermeiden, sieht der Gesetzentwurf je nach Anlageschwerpunkt der Investmentfonds vor, dass die Erträge aus Investmentfonds zu einem bestimmten Prozentsatz steuerfrei gestellt werden sollen (sogenannte Teilfreistellung).

Anderenfalls käme es aufgrund der Doppelbesteuerung zu einer Schlechterstellung der Fondsanlage im Vergleich zur Direktanlage. Für die Bestimmung der Höhe der jeweiligen Teilfreistellungssätze wurde vom Bundesministerium der Finanzen die Höhe der Vorbelastung auf Fondsebene typisiert und beim Anleger pauschal mittels Freistellungsverfahren berücksichtigt. Für Aktienfonds, die fortlaufend mehr als 51 Prozent in Aktien investieren, beträgt die Teilfreistellung für Privatanleger 30 Prozent der steuerpflichtigen Fondserträge, sodass nur 70 Prozent der Ausschüttungen, der Vorabpauschale und der Gewinne aus der Veräußerung oder Rückgabe von Fondsanteilen der Abgeltungssteuer unterliegen. Bei betrieblichen und bestimmten körperschaftsteuerpflichtigen An legern gelten höhere Freistellungssätze von 60 beziehungsweise 80 Prozent, die ein Ausgleich dafür sein sollen, dass die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen aus Aktien hier keine Anwendung findet. Bei Mischfonds, die fortlaufend mehr als 25 Prozent in Aktien investieren, wird die Aktienfreistellung hälftig gewährt. Bei Immobilienfonds, die fortlaufend zu mehr als 51 Prozent in inländische Immobilien investieren, beträgt die Teilfreistellung 60 Prozent und erhöht sich auf 80 Prozent, soweit der Immobilienfonds fortlaufend zu mehr als 51 Prozent in ausländische Immobilien investiert, um die Vorbelastung mit ausländischen Steuern zu berücksichtigen.

Diese Regelungen dürften im Ergebnis dazu führen, dass die Investmentgesellschaften künftig ihre Anlagepolitik so gestalten, dass - soweit möglich - die für die steuerliche Begünstigung erforderlichen Anlageschwer punkte erreicht werden. Wenn die Teilfreistellungssätze in ihrer derzeitigen Höhe bestehen bleiben, dürften diese tatsächlich geeignet sein, die zusätzliche Steuerbelastung auf Fondsebene durch die intransparente Besteuerung auszugleichen. Allerdings ist insofern zu berücksichtigen, dass eine Reduzierung der Höhe der Teilfreistellungssätze auf Bitten des Bundesrates vom Bundestag im weiteren Gesetzgebungsverfahren überprüft werden soll. Eine für die Anleger nachteilige Reduzierung ist daher nicht auszuschließen. Außerdem wird die Bundesregierung der Bitte des Bundesrates nach Prüfung einer gesetzlichen Regelung nachkommen, wonach neben Lebens- oder Krankenversicherungen auch Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute oder Finanzunternehmen vom Ansatz der erhöhten Aktienfreistellungen auszunehmen sein sollen, wenn die Investmentanteile dem Handelsbuch zuzurechnen sind oder mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs erworben wurden. Je nach Ausgang des laufenden Gesetzgebungsverfahrens kann es zu niedrigeren Teilfreistellungssätzen und somit doch noch zu steuerlichen Mehrbelastungen kommen.

Einschränkung der steuerbefreiten Veräußerung von (Alt-)Anteilen

Eine Schlechterstellung im Vergleich zum geltenden Recht kann sich im Einzelfall für Anleger ergeben, die Anteile an Investmentfonds im Privatvermögen halten und ihre Anteile bereits vor dem Inkrafttreten der Abgeltungssteuer am 1. Januar 2009 erworben haben (sogenannte Alt-Anteile).

Nach derzeit geltendem Recht unterliegen diese seit Einführung der Abgeltungssteuer dem Bestandsschutz und können daher unbefristet steuerfrei veräußert werden. Diesen Bestandsschutz will der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten der Reform zum 1. Januar 2018 abschaffen, um so eine dauerhafte Nichtbesteuerung von Veräußerungsgewinnen, wie dies bei Investmentfonds für vermögende Einzelanleger (sogenannte Millionärsfonds) möglich war, zu vermeiden. Zu diesem Zwecke hat der Gesetzgeber eine Veräußerungsfiktion geschaffen, sodass Anteile an Investmentfonds zum 31. Dezember 2017 als veräußert und zum 1. Januar 2018 als wieder angeschafft gelten.

Um eine Schlechterstellung von Kleinanlegern zu vermeiden, ist ein Freibetrag in Höhe von 100 000 Euro vorgesehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bis zum 31. Dezember 2017 entstandene Gewinne aus der Veräußerung grundsätzlich steuerfrei sind und nur ab 2018 eintretende Wertsteigerungen der Besteuerung (unter Berücksichtigung des Freibetrags) unterworfen werden. Damit dürfte die Regelung tatsächlich für den Großteil der Kleinanleger keine Mehrbelastung darstellen.

Kaum Änderungen für Spezial-Investmentfonds

Für Spezial-Investmentfonds, die vor allem von Unternehmen und institutionellen Anlegern genutzt werden, bleibt es im Wesentlichen bei der semitransparenten Besteuerung. Das heißt, den Anlegern werden nicht alle Einkünfte zugerechnet, sondern es besteht ein sogenanntes Thesaurierungsprivileg für Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren und aus Termingeschäften. Die wichtigste Änderung für Privatanleger ist, dass natürliche Personen zukünftig weder unmittelbar noch über vermögensverwaltende Personengesellschaften an Spezial-Investmentfonds beteiligt sein dürfen. Für Anleger die zwischen dem 24. Februar 2016 und dem Beschluss des Bundestages als natürliche Person Spezial-Investmentfondsanteile erworben haben, gilt eine Bestandsschutzregelung bis zum 1. Januar 2020. Wurden die Anteile vor dem 24. Februar 2016 erworben, gilt der Bestandsschutz sogar bis zum 1. Januar 2030. Darüber hinaus wird das Thesaurierungsprivileg insoweit eingeschränkt, als bei Spezial-Investmentfonds ausschüttungsgleiche Erträge künftig nur noch zu 90 Prozent steuerfrei thesauriert werden, die steuerfreie Thesaurierung auf 15 Jahre begrenzt ist und die ausschüttungsgleichen Erträge anschließend (nach Verrechnung etwaiger Verluste) zugerechnet werden.

Hinsichtlich der Besteuerung von Fonds in der Rechtsform von Personengesellschaften ergeben sich ebenfalls keine wesentlichen Änderungen. Es findet eine transparente Besteuerung auf der Grundlage der allgemeinen einkommensteuerlichen Regelungen statt, sodass auf Fondsebene keine Einkommensteuerpflicht und bei vermögensverwaltender Ausgestaltung auch keine Gewerbesteuerpflicht besteht.

Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen

Ob die im Rahmen des Investmentsteuerreformgesetzes viel diskutierte und vom Bundesrat erneut angemahnte Regelung zur Abschaffung der körperschaftsteuerlichen Begünstigung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzbeteiligungen doch noch im Rahmen des Investmentsteuerreformgesetzes umgesetzt wird, ist offen. Die Bundesregierung lehnt den Antrag des Bundesrates für dieses Gesetzgebungsverfahren ab und verweist darauf, dass bislang keine befriedigende Lösung gefunden wurde, die einerseits den europarechtlichen Rahmenbedingungen gerecht wird und andererseits keine neuen steuerlichen Belastungen bei der Finanzierung junger innovativer Unternehmen entstehen (Wagniskapitalbereich) lässt.

Daher lehnt die Bundesregierung die Abschaffung der Steuerbegünstigung für dieses Gesetzgebungsverfahren ab. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Bundesrat hiermit zufriedengeben wird. Die Abschaffung der steuerlichen Begünstigung ist jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen.

Mehrbelastungen möglich

Ob durch die Reform der Investmentbesteuerung tatsächlich eine Vereinfachung erreicht werden kann, wird sich erst noch zeigen müssen. Die für diese Zwecke beabsichtigten Pauschalierungen führen grundsätzlich zwar zu Vereinfachungen, können aufgrund der pauschalierten Betrachtung im Einzelfall aber auch steuerliche Mehrbelastungen zur Folge haben. Gerade die Steuerpflicht auf Fondsebene und die Vorabpauschale könnten sich in diesem Zusammenhang als Nachteil für den Fondsstandort Deutschland erweisen. Auch die Tatsache, dass künftig zwei verschiedene Besteuerungssysteme im Bereich der offenen Fonds parallel existieren, führt nicht zu einer Vereinfachung. Die Neuregelungen vermögen zwar einzelne europarechtliche Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten zu beseitigen, allerdings besteht die Gefahr, dass mit den Neuregelungen ebensolche neu geschaffen werden.

Der Bundestag und Bundesrat werden sich in den nächsten Wochen weiter intensiv mit dem Gesetzentwurf zur Investmentsteuerreform befassen und es ist mit einer Verabschiedung der Reform, die bis auf Details dem bekannten Entwurf entsprechen dürfte, noch vor der Sommerpause zu rechnen. Für Anleger und Fondsgesellschaften wird die Reform zu den bedeutendsten Änderungen seit Einführung des Investmentsteuergesetzes führen. Es ist daher Anlegern und Fondsgesellschaften zu empfehlen, das weitere Gesetzgebungsverfahren aufmerksam zu beobachten und sich zeitnah mit den ab 2018 geltenden Änderungen auseinanderzusetzen.

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