Kreditwesen

Alles schrecklich gefährlich

Es ist, sagt die liebe Schalterfrau, die der (männliche) Klient seit langem ob ihrer Gelassenheit angesichts der unaufhörlichen Fortschritte durch Vorstandsbeschlüsse, Aufsichtsbeschlüsse, Notenbankbeschlüsse und überhaupt sehr bewundert, es ist "auch dieses" nicht mehr so, wie "wir" es gelernt haben. Man müsse dafür zum Beraten, Protokollieren, Unterschreiben, Datenschützen jetzt leider zum Termin (!) in die Hauptstelle. "Ich darf Sie da aber immerhin noch anmelden ..." Damit weiß der Klient nun endlich ganz genau, dass das Bankgeschäft etwas schrecklich Gefährliches geworden ist. Da kann man nicht mehr einfach so hingehen und fünfzig Stück Deutsche Bank (oh je) billigst kaufen, weil sie ja wirklich billig genug geworden sind. Da kann man für die Resthypothek die Zinsen und die Tilgungen in der Annuität nicht mehr einfach per Ansage auf Zettelchen ein bisschen anders strukturieren. Da kann man im letzten gehefteten Exemplar von "Klein-Vitus sein Sparbuch" nicht schnell mal Schaltersätze nur abzeichnen. Ganz klar doch wohl: Der Mensch zu Anfang dieses glorreichen Jahrhunderts darf sich mit achtzehneinviertel samt seinem Bike zwar per 123 km in der Applauskurve ohne Weiteres in die Gruppe der Kitakinder schleudern. Er darf mit achtzigdreiviertel dem drittletzten Enkeltrick unbeaufsichtigt erliegen. Und er darf dazwischen ohne jeden Nachweis seiner Zurechnungsfähigkeit immer und immer wieder Frau Angela Merkel wählen und trotzdem mit Frau Sahra Wagenknecht das letzte Aufstehen vor dem letzten Gefecht betreiben. Nur eben beim Bankgeschäft, da darf der Vollbürger unmöglich ohne dokumentiertes Risiko den Alltag belasten. Dies ist viel zu gefährlich "vom ganzen System her".

Zehn Jahre nach Lehman Brothers ist selbstverständlich zu bewerten, ob die Kubikmeter an neuen Regeln und Formularen und die Quadratmeter an neuen Aufsichtsbehörden mehr sind als das Alibi des Staatswesens: nun wirklich alles besorgt zu haben, was wiederholte oder ganz neue Finanzkrisen unmöglich macht. Das Urteil fällt enttäuschend aus. Solange die Beherrschung des Risikos Kern allen Bankgeschäfts ist, müsste man die Banken abschaffen, um endlich Nullrisiko zu feiern. Aber das stimmt natürlich auch nicht, weil das Leben an sich nicht viel anderes als andauernde Risikoabwägung und unentwegtes Risikomanagement verlangt. Also wird der dazu gezwungene Zeitgenosse "ohne Bank" unverzüglich neue Institutionen erfinden, die ihnen dabei nützlich erscheinen.

Just dieses passiert gerade in faszinierendem Ausmaß. Die neuen Nichtbanken (sogar mit Banklizenz) sind neuerdings schon mehr wert als die alten Geldhäuser. Selbstverständlich sind die neuen Risikoabwickler kein Stück krisensicherer als die alten. Nur - sie können eben sehr viel mehr verdienen als die strangulierten Banker, weil sie deutlich freier wirtschaften können. Erst einmal. Aber dies ist nur die eine Errungenschaft "nach Lehman". Die nächste ist nicht weniger bedenklich. Denn wer Bankgeschäft mit brutaler Härte reguliert und begrenzt, dabei aber zugleich den Zins als entscheidenden Maßstab für Risikobewertung außer Kraft setzt, zwingt die letzten Kreditinstitute geradezu in die Kreativität von Erstbegehern hinein. Und damit sind sie ganz eindeutig schon wieder eine dunkle Höhle voller bösester Geister. Oder sie sind pleite.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X