Wirtschaftspolitik

Armes reiches Deutschland

Corona, für die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg, hält die Welt seit zwei Jahren fest im Griff. Die Unsicherheit gerade für Unternehmen und Unternehmer ist daher groß und die Investitionsneigung entsprechend gering, mit all den Folgen für Produktion, Forschung und Entwicklung. Und die Inflation erreicht mit 5 Prozent und mehr besorgniserregende Größenordnungen und wird vermutlich länger als von den EZB-Experten bislang gehofft für eine schleichende Entwertung der Vermögenswerte sorgen. Und die Deutschen? Die werden immer reicher. Das Geldvermögen der privaten Haushalte ist im zweiten Quartal 2021 um 159 Milliarden Euro auf 7,325 Billionen Euro gewachsen, wie aus einer Auswertung der Deutschen Bundesbank hervorgeht.

Die Zuwächse beim Geldvermögen sind in erster Linie dem allen Niedrig- und Negativzinsszenarien zum Trotz ungebrochenen Sparwillen der Deutschen zu verdanken. Mehr als ein Drittel der Zuwächse entfällt auf den weiterhin kräftigen Aufbau von Bargeld und Einlagen. Für ein weiteres knappes Drittel ist das zunehmend verstärkte Engagement der Deutschen am Kapitalmarkt verantwortlich, sprich der Kauf von Aktien, Investmentanteilen oder anderen festverzinslichen Produkten. Und für das letzte Drittel stehen mit 57 Milliarden Euro die Bewertungsgewinne bei Aktien und Investmentfondsanteilen. Zu der neuen Begeisterung der Deutschen für Wertpapiere hat der digitale Vermögensverwalter Whitebox gemeinsam mit Barkow Consulting gerade eine Studie veröffentlicht, die das unterstreicht: Bis Ende September stieg die Zahl der Depots deutscher Privatinvestoren auf 27,1 Millionen - ein Plus von 9,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und das Aktienvermögen der deutschen Privatinvestoren hat mit 504 Milliarden Euro erstmals die Marke von einer halben Billion Euro überschritten und lag um 36 Prozent über dem Vorjahreswert. All das klingt solide und ausgewogen.

Aber, es muss schließlich ein Aber geben: Im internationalen Vergleich laufen die Deutschen der Entwicklung nach wie vor hinterher. Laut dem Allianz Global Wealth Report 2021 findet sich Deutschland gemesssen am Geldvermögen pro Kopf nur auf Platz 19 wieder. Und seit der Finanzkrise betrug die jährliche Wachstumsrate des Geldvermögens in Deutschland 4,6 Prozent. Die Mehrzahl der 20 reichsten Länder der Welt verzeichnete ein deutlich höheres Wachstum, mit 7,9 Prozent Zuwachs per annum ist Schweden an der Spitze.

Das Problem: Die Deutschen sparen keineswegs zu wenig, sondern sie sparen immer noch falsch. Lediglich 17 Prozent des Zuwachses in Deutschland entfällt auf Wertveränderung des Vermögensbestands, in der Regel also Kapitalmarktgewinne. In vielen anderen Ländern beträgt dieser Anteil mehr als die Hälfte, in Kanada und Australien sogar über 80 Prozent. Daran wird sich leider auch in den kommenden Jahren - trotz der nach wie vor von Entwicklungen wie Corona entkoppelten Börsen und der wachsenden Zuneigung zum Kapitalmarkt nichts ändern, denn so schnell lassen sich die Geldvermögensbestände, die in Deutschland seit Jahrzehnten von Spareinlagen dominiert werden, nicht drehen. Somit wird Deutschland in internationalen Vergleich weiter zurückfallen - wenn der große Börsencrash nicht doch noch kommt.

PS: Ob die Deutschen deshalb in diesem Jahr keine Geldgeschenke mehr unter dem Weihnachtsbaum wollen, sei einmal dahingestellt.

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