Nachhaltigkeit

Wie bereit ist die Kreditwirtschaft?

Nicht erst seit der "Fridays for Future"-Bewegung und der Klimaaktivistin Greta Thunberg sind die Themen Klimaerwärmung und Nachhaltigkeit in aller Munde. Allerdings darf man sich keineswegs sicher sein, ob man dabei auch immer vom Gleichen spricht. Denn die Frage, was genau Nachhaltigkeit ist, bleibt auch nach Erstausführung der EU-Taxonomie weiterhin spannend. Unstrittig ist: Die Klimaerwärmung zu begrenzen, ist eines der vorrangigen Ziele der Politik geworden, nicht zuletzt klar zu erkennen am Green Deal der EU. Dieser sieht einen Transformationsprozess des Wirtschaftssystems unter nachhaltigen Gesichtspunkten vor, bis 2050 verspricht er sogar Klimaneutralität.

Dabei spielt die Kreditwirtschaft als Hebel und Transformator eine entscheidende Rolle. Ihr kommen verschiedene Aufgaben zu. Einmal ist sie Emittent oder Arrangeur von grünen Anleihen. Und das mit zunehmendem Erfolg: 2019 stieg das jährliche Neuemissionsvolumen am globalen Green-Bond-Markt um über 50 Prozent auf fast 258 Milliarden US-Dollar. Dabei nimmt Europa eine Führungsrolle ein: So wurden hier im vergangenen Jahr Green Bonds im Wert von beinahe 117 Milliarden US-Dollar neu emittiert. In Deutschland wurden 2019 grüne Anleihen in einem Volumen von rund 19 Milliarden US-Dollar begeben. Damit lag die Bundesrepublik weltweit auf dem vierten Platz hinter den USA, China und Frankreich und auf dem zweiten Platz innerhalb Europas.

Obwohl die Bundesregierung sich das Ziel gesteckt hat, Deutschland zum führenden Standort für Sustainable Finance zu entwickeln, scheint sie in das deutsche Bankwesen wenig Vertrauen zu haben. So kündigte sie für die zweite Jahreshälfte 2020 an, neben einem konventionellen ein nachhaltiges Bundeswertpapier als Zwillingsanleihe über die französische Crédit Agricole zu begeben. Dass Montrouge, ein Vorort von Paris, nicht in Deutschland liegt, dürfte dabei wenigen deutschen Banken entgangen sein. Eine Stärkung des Finanzstandortes Deutschland ist das sicher nicht.

Zum zweiten sind Banken und Sparkassen Anbieter von grünen Anlageprodukten. Da immer mehr Investoren - vor allem institutionelle - mittlerweile ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Aspekte in ihre Anlageentscheidungen miteinbeziehen, boomt der Markt für nachhaltige Geldanlagen. Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr rund 219 Milliarden Euro in diesem Segment investiert - ein Plus gegenüber dem Vorjahr von über 48 Milliarden Euro oder knapp 30 Prozent.

Bleibt der dritte Punkt, die Rolle der Finanzwirtschaft als Finanzierer. Es ist im ureigensten Interesse der Institute, unnötige Risiken zu vermeiden. Und vermutlich werden ressourcenschonende und sauberere Unternehmen mit Blick nach vorn die besseren, weil sichereren Kunden sein. Allerdings lassen sich Veränderungen in der Kreditnachfrage und Kreditvergabepraxis nur schwer nachvollziehen. Einen Anhaltspunkt bieten die Zahlen der Deutschen Bundesbank zu den Kreditbeständen in bestimmten Branchen: So betrug das Kreditvolumen Ende 2019 insgesamt rund 1,56 Billionen Euro. Davon entfielen mit knapp 804 Milliarden Euro der Großteil auf das Dienstleistungsgewerbe und nur knapp 147 Milliarden Euro auf das verarbeitende Gewerbe.

Überhaupt fällt auf, dass klassische deutsche Wirtschaftszweige wie der Maschinenbau (Anteil von 2,7 Prozent), die Chemische Industrie (0,9 Prozent), die Textilwirtschaft (0,2 Prozent) oder die Ernährungswirtschaft (1,1 Prozent) bei der Kreditvergabe kaum eine Rolle spielen. Signifikante Verschiebungen hat es rückblickend im Zeitraum seit 2007 in diesen Branchen nicht gegeben, diese liegen lediglich zwischen 0,1 bis 0,3 Prozent. Zumindest bei diesen eher ressourcenintensiven Branchen scheint die Debatte um das Thema Nachhaltigkeit noch keinen Einfluss auszuüben

Nach wie vor dominieren das Bau- und Wohnungswesen mit durchweg rund einem Drittel Marktanteil. Größter Kreditgeber sind unverändert die Sparkassen mit aktuell 40,7 Prozent aller ausgelegten Kredite, wobei die Genossenschaftsbanken ihren Anteil in diesem Segment zwischen 2007 und heute von 21,6 Prozent auf 34,6 Prozent erhöht haben. Unterstellt, dass immer mehr Geld in energetische Modernisierung und Green Building fließen, kommen die Banken und Sparkassen hier ihrer Steuerungsaufgabe nach. Auch an anderer Stelle scheint die Klimadiskussion zu fruchten: An das Kraftfahrzeuggewerbe werden stetig weniger Kredite ausgegeben. 2007 waren es noch 10,8 Prozent, 2019 kann die Branche nur noch gut 9 Prozent verzeichnen. Vor allem die Sparkassen und Genossenschaftsbanken zogen sich in diesem Feld deutlich zurück.

Vermeintlich nachhaltige Branchen wie Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Aquakultur kommen per Ende 2019 auf einen Anteil von 3,5 Prozent, Ende 2007 waren das nur rund 2,6 Prozent. In diesem Segment haben Regionalbanken und sonstige Kreditbanken um 0,6 Prozent sowie Landesbanken um 0,5 Prozent aufgestockt, die Sparkassen reduzierten ihren Anteil um ein Fünftel.

Anhand der Verschiebungen, die vor allem bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken, aber auch zum Teil bei Landesbanken und Regionalbanken sowie sonstigen Kreditbanken zu erkennen sind, lässt sich die Vermutung anstellen, dass dort eine Bewegung zugunsten eines nachhaltigeren Wirtschaftssystems stattfindet. Die Großbanken hingegen bleiben bei der Verteilung ihrer Kredite auf einem recht konstanten Niveau. Gerade hier könnten allerdings Verschiebungen nachhaltige Effekte nach sich ziehen. Auf Worte Taten folgen zu lassen wäre jetzt das Gebot der Stunde. Natürlich ohne gute Kunden im Regen stehen zu lassen.

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